26.10.2021 |

Neue Gentechnik: Fast 70.000 EU-Bürger kommentieren Kommissionspläne

Europaflagge, Foto: Greg Montani https://pixabay.com/de/photos/europa-flagge-sterne-fahne-1395913/ Europaflagge, Foto: Greg Montani https://pixabay.com/de/photos/europa-flagge-sterne-fahne-1395913/

Rund 70.880 Bürger und Institutionen haben in der ersten Phase der offiziellen Folgenabschätzung ihre Meinung zu Überlegungen der EU-Kommission geäußert, neue Regeln für neue Gentechnikverfahren (NGT) zu erlassen. Fast die Hälfte davon waren Deutsche, zeigt die Statistik auf der EU-Webseite. Die übergroße Mehrheit dieser Statements (mehr als 69.000) kam über die Aktion „Keep GMO out of our food“ (dt.: Halte Gentechnik aus unserem Essen raus). Ihre Organisatoren ordnen sie daher als Gentechnikkritiker ein, die an strengen Regeln für NGT festhalten wollen.
Zahlreiche gentechnikkritische Verbände und Initiativen aus ganz Europa hatten ein Eingabeformular der Aktion „Keep GMO out of our food“ auf ihren Webseiten eingebunden und dazu die Argumente gegen eine Deregulierung der neuen Gentechnik noch einmal aufgelistet und erläutert. Über dieses Formular wurden die einzelnen, namentlich gekennzeichneten Stellungnahmen dann an die EU-Kommission weitergeleitet. Auch die NGOs selbst haben die EU-Überlegungen kritisch kommentiert.
Die EU-Kommission hat sich wenige Tage nach Abschluss des Beteiligungsverfahrens noch nicht zu den Inhalten der Statements aus aller Welt geäußert, die auf ihrer Webseite alle samt Namen und Institution der Autoren nachzulesen sind. Das bleibt einem späteren Bericht vorbehalten, der auch auf Forderungen und Argumente der Organisationen und Einzelpersonen konkret eingehen soll. Die Kommission wird darin erläutern, in welcher Weise Beiträge berücksichtigt wurden oder warum bestimmte Vorschläge nicht aufgegriffen werden können. Einstweilen gibt es aber bereits einige statistische Informationen, wer sich aus welchen Ländern an dem Verfahren beteiligt hat.
So haben sich Deutsche und Franzosen mit Abstand am meisten geäußert: Deutschland stellt mit fast 32.400 46 Prozent aller Einsender*innen, gefolgt von 25.200 Franzosen (36 Prozent). Alle anderen Nationen sind nur mit einstelligen Prozentsätzen vertreten: Aus Belgien, den Niederlanden und Österreich kommen nur jeweils drei Prozent der Einsendungen, aus Italien zwei Prozent. Mit einem Prozent sind die Schweiz, Dänemark und Spanien dabei. Aus allen anderen Ländern kamen 250 und weniger Stellungnahmen. Dafür gingen sie aus der ganzen Welt ein: von Südafrika bis Indien, von Peru bis zum Iran. Auf der Insel Zypern, der Heimat der zuständigen EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, haben nur 16 Personen ihre Meinung zur Regulierung der neuen Gentechnik geäußert. Mit gut 96 Prozent kommt die übergroße Mehrheit der Stimmen aus der Europäischen Union.
Noch größer ist der Anteil der Einzelstimmen. Weniger als ein Prozent der Eingaben stammen von Institutionen: vor allem akademische Forschungseinrichtungen (113), Unternehmen (110) und Wirtschaftsverbände (80). Nichtregierungsorganisationen sind 67mal vertreten, Umwelt- und Verbraucherverbände bewegen sich im einstelligen Bereich. Nur acht Behörden haben sich geäußert. In dieser ersten Phase der Konsultation sollte es vor allem um den Fahrplan einer möglichen Neuregelung der NGT sowie um die Grundannahmen der EU-Kommission gehen, die sie in einem ersten Bericht im Frühjahr zum Ausdruck gebracht hatte (der Infodienst berichtete). Für das 2. Quartal 2022 ist dann die nächste öffentliche Konsultation geplant. [vef]

22.10.2021 |

Europaparlament betont das Vorsorgeprinzip bei neuer Gentechnik

Parlament Foto: © European Union 2016 - European Parliament, bit.ly/1OkVLvo, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0)

Mit seiner Stellungnahme zur EU-Lebensmittelstrategie hat das Europäische Parlament auch einen Absatz zu neuen gentechnischen Verfahren verabschiedet. Er deutet an, dass die Parlamentarier den gentechnikfreundlichen Kurs der Kommission kritisch sehen, sich mehr Vorsorge und eine transparente Kennzeichnung wünschen. Deutlichere Worte hat das deutsche Bundesamt für Naturschutz gefunden. Es erklärt in einem Positionspapier, warum auch neue gentechnische Verfahren reguliert werden müssen.

Bereits Ende letzten Jahres hatte die EU-Kommission ihre Lebensmittelstrategie Farm to Fork (deutsch: Vom Hof auf den Tisch) vorgestellt. Das Europaparlament hat sich am Dienstag mit 452 zu 170 Stimmen bei 76 Enthaltungen hinter die Pläne der Kommission gestellt. Im Vorfeld hatten Lobbyverbände der Agrarindustrie, allen voran der europäische Bauernverband Copa-Cogeca, gezielt versucht, bei Abgeordneten Stimmung gegen die EU-Strategie zu machen. Ihr Ziel war es, konkrete Zahlen- und Zeitangaben etwa bei der Pestizidreduktion zu verhindern. Die Parlamentarier ließen sich davon nicht beeindrucken und stärkten die Position der Kommission.

In einem Punkt jedoch machten sie sehr diplomatisch deutlich, dass sie die Haltung der Kommission nicht teilen. Diese will neue gentechnische Verfahren deregulieren, weil sie – so glaubt die Kommission – zu einer nachhaltigeren und klimaangepassten Landwirtschaft im Sinne ihrer Farm to Fork-Strategie beitragen. Die Parlamentarier nehmen in Punkt 36 ihrer Stellungnahme diese Haltung lediglich „zur Kenntnis“. Anschließend „betonen“ sie „das Vorsorgeprinzip und die Notwendigkeit, Transparenz und Wahlfreiheit für Landwirte, Verarbeitungsbetriebe und Verbraucher sicherzustellen“. Ebenso wird „betont“, dass die geplanten Maßnahmen der Kommission Risikobewertungen sowie „Optionen für die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung umfassen sollten“. Den Verbrauchern müssten „relevante Informationen, auch in Bezug auf Erzeugnisse aus Drittländern“ zur Verfügung gestellt werden. Die Formulierungen lassen darauf schließen, dass eine Mehrheit der Abgeordneten den Deregulierungsplänen – über die sie mit zu entscheiden haben – skeptisch gegenüber steht.

Deutlich wurde dies auch bei einer anderen Abstimmung in dieser Parlamentswoche, bei der die Abgeordneten zur EU-Strategie zur Verringerung von Methanemissionen Stellung nahmen. Im Entwurf der Stellungnahme befand sich ebenfalls als Punkt 36 eine sehr gentechnikfreundliche Formulierung. Die Abgeordneten sollten sich „ausdrücklich“ der Erkenntnis anschließen, dass neue gentechnische Verfahren zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem beitragen könnten. Zudem sollten sie fordern, „dass der Rechtsrahmen für diese Biotechnologien an die neuesten wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen angepasst wird.“ Doch die Mehrheit der Abgeordneten wollte das nicht. Sie ersetzten den Passus mit 425 zu 217 Stimmen bei 52 Enthaltungen durch die Formulierung aus ihrer Farm to Fork-Stellungnahme.

Das deutsche Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat in einem englischsprachigen Positionspapier erläutert, warum es eine Deregulierung neuer gentechnischer Verfahren (NGT) ablehnt. Es geht auf die Risiken dieser Verfahren ein und kommt zu dem Schluss, „dass Pflanzen, die sowohl durch gerichtete Mutagenese als auch durch Cisgenese erzeugt wurden, ein ähnliches, wenn nicht sogar größeres Risikopotenzial aufweisen als die bisher durch Gentechnik erzeugten Pflanzen.“ Zu den Nachhaltigkeitsversprechen der NGT merkt die Behörde an, dass derzeit nur wenige NGT-basierte Pflanzen vor der Markteinführung stünden. „Darüber hinaus bleibt unsicher, inwieweit neue, durch NGTs entwickelte Pflanzensorten tatsächlich zur Ernährungssicherheit, zum Erhalt der biologischen Vielfalt oder zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel beitragen können“. Auf jeden Fall bräuchte es für entsprechende Pflanzen eine „verpflichtende Nachhaltigkeitsanalyse“, die den Nutzen für die Gesellschaft oder die Umwelt nachweist. [lf]

20.10.2021 |

Reismehlfall: indische Regierung will "gründlich prüfen"

Reis Reisbauern Indien Reisbauern in Indien, Foto: M@hieu / flickr, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Das indische Handelsministerium will den Fall des gentechnisch verunreinigten indischen Reises, der im Sommer weltweit zum Rückruf von Schokolinsen und Backwaren geführt hatte, gründlich untersuchen. Das berichtet das indische Nachrichtenportal „The Hindu“. Dabei beruft es sich auch auf den Infodienst Gentechnik, der im August als erster berichtet hatte, dass die 500 Tonnen verunreinigten Bruchreises aus Indien stammten.
Während das Handelsministerium jetzt betont, dass in Indien gv-Reis nicht kommerziell angebaut werden dürfe, verweisen indische Bauern und Umweltaktivisten darauf, dass es in der Vergangenheit Feldversuche mit verschiedenen gv-Reissorten gegeben habe, die zu den Verunreinigungen geführt haben könnten. Bauernverbände und Handelsministerium fürchten laut „The Hindu“ nun um den Ruf des indischen Reises als sichere Exportware. Die Regierung wittere gar eine „Verschwörung, um das Image Indiens … zu verleumden“, schreibt das Portal. Ein Sprecher des Handelsministeriums wird mit der Vermutung zitiert, die gentechnisch veränderten Bestandteile könnte in Europa hinzugefügt worden sein, um Kosten zu sparen. Seiner Meinung nach könnten die kontrollierten Feldversuche früherer Jahre nicht eine so große Menge Reis verunreinigen.
Dennoch kündigte er an, das Problem wissenschaftlich untersuchen zu lassen und „strengste Maßnahmen“ zu ergreifen. Zuvor hatte die „Koalition für ein gentechnikfreies Indien“ nach Medienberichten in einem besorgten Brief an das Handels-, das Agrar- und das Umweltministerium darauf hingewiesen, dass gentechnische Kontaminationen noch lange nach den Feldversuchen auftreten können. Sie erinnerte daran, dass gentechnisch verunreinigter Reis in den USA im Jahr 2006 zu Exporteinbrüchen geführt hatte. Daher forderte sie, solche Feldversuche zu verbieten, die Entwickler gentechnischer Pflanzen für illegale Kontaminationen haften zu lassen und die Ursachen für die aktuelle Verunreinigung des Bruchreises zu finden.
Ein Reisbauer aus der Koalition kritisierte ferner, dass Hunderte indischer Bauern trotz staatlichen Verbots gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle und Bt-Auberginen anbauten. "Wenn keine Maßnahmen gegen solch dreiste Verstöße ergriffen werden, entsteht das Bild eines Landes, das es mit der Gesundheit oder seiner Lebensmittelversorgungskette nicht ernst meint und das ist nicht gut für den Export", sagte Rajesh Krishnan. „Am Ende des Tages sind es indische Bauern und Exporteure, die viel zu verlieren haben." Laut Hindu exportiert Indien jedes Jahr 18 Millionen Tonnen Reis in 75 Länder weltweit, am meisten in die Niederlande.
Das britische Portal GMWatch, das die Erstmeldung des Infodienst Gentechnik aufgegriffen hatte, verwies später auf den Bericht eines indischen Wissenschaftlers an der Universität von Arkansas aus dem Jahr 2015 zu Akzeptanz und Verwendung von gentechnisch verändertem Reis in Indien. Der Agrarökonom Ranjitsinh Mane führte darin aus, dass es von 1997 bis 2008 etwa 79 Importe von transgenem Forschungsmaterial in Indien gab. Firmen wie Monsanto, Bayer, Mahyco und Syngenta seien die wichtigsten Importeure gewesen. Was speziell den Reis angeht, haben laut Bericht 13 private und sieben öffentliche Institutionen transgenes Material importiert. So habe die indische GVO-Regulierungsbehörde GEAC etwa dem Agrarchemiekonzern Bayer im April 2012 erlaubt, "Selektionsversuche für verschiedene Reisereignisse in drei verschiedenen Agroklimazonen" durchzuführen. Auch Monsanto, BASF und andere Unternehmen und Institute führten Versuche durch. Der Bericht listet zahlreiche Standorte in ganz Indien auf.
Getestet wurden laut Bericht vor allem insektenvernichtende und herbizidtolerante Reissorten sowie solche, die bessere Erträge bringen oder Eisen enthalten sollen. Der Autor hält es für möglich, dass transgenes Material aus solchen Versuchen unerlaubt vermehrt oder gestohlen wurde. GMWatch rät daher, im Referenzmaterial der damals getesteten Reislinien nach Übereinstimmungen mit der aktuellen Verunreinigung zu suchen. Würde die indische Regierung kooperieren, könnten die verantwortlichen Unternehmen oder Institute zur Rechenschaft gezogen werden. Wie der Infodienst berichtete, waren im Sommer 500 Tonnen gentechnisch verunreinigter indischer Bruchreis zu Mehl vermahlen und unter anderem in Schokolinsen (M&M‘s) der Firma Mars verarbeitet worden. Von welchem Reisevent die gentechnische Verunreinigung stammte, konnte bisher nicht festgestellt werden. [vef]

15.10.2021 |

Kommt der nächste Gentech-Apfel aus Südtirol?

Apfel Feuerbrand Feuerbrand bei Äpfeln (Foto: I, Paethon / wikimedia, bit.ly/1Uv80lO, creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, )

Der für Landwirtschaft zuständige Südtiroler Landesrat Arnold Schuler sieht in neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas eine große Chance für den Apfelanbau in Südtirol. Seine Vorstellungen stoßen bei Umwelt- und Verbraucherverbänden auf Kritik. Sie warnen vor einem Paradigmenwechsel in der Südtiroler Politik, die bisher stark auf gentechnikfreie Produkte setzte. Doch noch sind Schulers Gentech-Äpfel Zukunftsmusik.

Südtirol ist das größte Apfelanbaugebiet Europas. Auch andere Obstsorten sowie Wein werden dort intensiv angebaut. In einem Strategiepapier mit dem Titel LandWIRtschaft 2030 fordert Schuler unter den Stichpunkten Ausbau der Forschung: „Moderne Züchtungsmethoden (CIS-Genetik, Genom-Editierung) für die Entwicklung von resistenten und robusten Sorten“. Um das umzusetzen sollen am Südtiroler Versuchszentrum Laimburg „standortangepasste und resistente Sorten mit neuesten Technologien“ gezüchtet werden.

Mit dem Papier solle „durch die Hintertür ein kompletter Paradigmenwechsel eingeläutet werden“, befürchtet die Verbraucherzentrale Südtirol. Bisher sei die Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen in Südtirol per Landesgesetz verboten. Zudem sei Südtirol Mitglied im europäischen Netzwerk der gentechnikfreien Regionen. „Wo bleibt der Qualitätsanspruch der Südtiroler Landwirtschaft, natürliche, gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel produzieren zu wollen?“, fragt der Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Er verlangt eine umfassende Diskussion und ist sich sicher, „dass eine übergroße Mehrheit der SüdtirolerInnen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und damit in der Südtiroler Umwelt dezidiert ablehnt“.

In seiner Antwort auf eine Landtagsanfrage verteidigt Schuler sein Papier: „Wir wollen nur den Zug nicht verpassen und wollen uns deshalb mit den neuen „New Genomic Techniques“ (NGTs) in der Forschung auseinandersetzen“. Denn sie „könnten einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Nachhaltigkeit und somit zur Ökologisierung leisten“. In einem Presseartikel verweist der Landesrat zur Rechtferigung auf den „Landwirtschaftsreport Südtirol 2020“, den das private Bozener Forschungsinstitut EURAC zusammen mit den Universitäten Bozen und Innsbruck veröffentlichte. Dieser Report beschreibt den Status Quo der Landwirtschaft in der Alpenregion und schlägt Maßnahmen vor, um sie nachhaltiger zu machen. Eine davon wäre der Einsatz neuer gentechnischer Verfahren. Im Report steht dazu: „Innerhalb weniger Jahre wurden auf diesem Weg zahlreiche Kulturpflanzen gezüchtet, die trockenheits-, pilz- oder virusresistent sind. In einigen Ländern werden diese bereits angebaut.“ Konkrete Beispiele für diese Behauptung nennen die Autoren nicht. Können sie auch nicht. Denn es gibt zwar Laborversuche, doch es hat bisher keine resistente NGT-Pflanzen in den kommerziellen Anbau geschafft – abgesehen von einem lediglich in Argentinien zugelassenen Weizen, der besser mit Trockenheit zurecht kommen soll.

Feldversuche gibt es bereits mit Äpfeln, die mit Hilfe von Cis-Genetik gegen die von Bakterien ausgelöste Krankheit Feuerbrand resistent gemacht wurden. Bei der Cis-Genetik werden mit Verfahren der alten Gentechnik arteigene Gene in eine Pflanze eingeschleust. In diesem Fall hat die Schweizer Forschungsanstalt Agroscope Resistenzgene aus einem Wildapfel in Kulturäpfel der Sorte Gala eingebracht. Seit 2016 wachsen die derart gentechnisch veränderten Apfelbäumchen auf dem Freisetzungsgelände der Agroscope. Befristet ist der Versuch auf Ende 2021. Er dient laut einer Beschreibung der Agroscope jedoch lediglich einer grundlegenden Abklärung. „Für praxistaugliche Sorten, welchen dauerhaft feuerbrandresistent wären“, müsste die eingebaute Wildapfel-Resistenz noch mit weiteren Feuerbrandresistenzen kombiniert werden.

Bereits auf dem Markt ist dagegen eine konventionell von Agroscope gezüchtete Apfelsorte, die nicht komplett resistent ist, aber eine Feuerbrand-Infektion deutlich besser wegsteckt als andere Sorten. Sie heißt Ladina. [lf]

12.10.2021 |

Japan lässt Crispr-Fisch als Lebensmittel zu

Rote Seebrassen aus Japan - gentechnikfrei (Foto: Malias, Flickr.com, cc-by-2.0) Rote Seebrassen aus Japan - gentechnikfrei-+-(Foto: Malias, Flickr.com, cc-by-2.0)

Ein japanisches Unternehmen will einen mit Crispr/Cas veränderten Zuchtfisch vermarkten. Mit Zustimmmung der japanische Behörden nimmt es derzeit Vorbestellungen für die ersten Test-Portionen entgegen. Das japanische Gesundheitsministeriums verlangte keine Sicherheitsprüfung, da dem Fisch keine Fremdgene zugefügt wurden. Auch erste Gentech-Tomaten gibt es in Japan inzwischen zu kaufen.

Wissenschaftler der Universitäten Kyoto und Kindai haben mit dem Verfahren Crispr/Cas ein Gen im Erbgut von Seebrassen ausgeschaltet, das das Muskelwachstum unterdrückt. Dadurch setzen die Tiere in gleicher Zeit etwa 20 Prozent mehr Fleisch an und verwerten dabei das Futter besser. Vermarkten soll diese Gentech-Seebrassen das 2019 gegründete Unternehmen Regional Fish. Es teilte Mitte September mit, dass es vom Gesundheits- und Fischereiministerium die notwendigen Genehmigungen erhalten habe. Laut Ministerium sei die Gentech-Seebrasse als Lebensmittel ebenso sicher wie ihre natürlichen Artgenossen, da die Veränderung in der Natur vorkommen könne. Laut Regional Fish handelt es sich um das weltweit erste genom-editierte tierische Lebensmittel, das nach Durchlaufen nationaler Verfahren auf den Markt gebracht werde. Bisher ist lediglich in den USA und Kanada der mit alter Gentechnik produzierte Aquabounty-Lachs als Lebensmittel zugelassen.

Regional Fish bietet nun auf einer Crowdfunding-Plattform die ersten 190 Portionen der Gentech-Seebrasse zum Probieren an, etwa mit Kombu gepökelt oder mit Reis gekocht. Dabei wird der Fisch deutlich mit dem Hinweis „genom-editiert“ gekennzeichnet. In einem ersten Schritt würden die Rückmeldungen auf diesen Testverkauf analysiert, danach werde der kommerzielle Verkauf angestrebt, sagte Umekawa Tanadori, der Präsident von Regional Fish. Parallel sucht das Unternehmen nach Interessierten, die, quasi in einem Franchise-System, kleine weitgehend automatisierte Fischzuchten an Land mit den Seebrassen aufbauen wollen. Die Gefahr, dass die Gentech-Seebrasse in den Export und nach Europa gelangt, dürfte sehr gering sein. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus den USA und Kanada mit dem Aquabounty-Lachs, dass der Verbleib ungekennzeichneter Tiere nicht nachvollziehbar ist. Das japanische Citizens' Biotechnology Information Center (CBIC) wies ergänzend darauf hin, dass japanische Universitäten derzeit intensiv daran arbeiten, mit neuen gentechnischen Verfahren Makrelen und Thunfische so zu verändern, dass sie sich in Aquakultur mästen lassen.

Der Fisch ist bereits das zweite genom-editierte Lebensmittel, das in japanischen Mägen landet. Anfang des Jahres hatte das Unternehmen Sanatech Seed gentechnisch veränderte Tomaten vorgestellt, mit einem besonders hohen Gehalt des blutdrucksenkenden Botenstoffes Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Jungpflanzen gingen an über 3.000 interessierte Hobbygärtner für den Selbstverzehr. Parallel dazu hatte Sanatech Seed von drei Vertragsgärtnern die GABA-Tomate auf 3.000 Quadratmetern anbauen lassen, wie das Citizens' Biotechnology Information Center mitteilte. Der Verkauf der insgesamt erwarteten Ernte von 40 Tonnen habe begonnen. Bis Ende des Jahres wolle das Unternehmen auch Tomatenpüree anbieten. Billig sind die GABA-Tomaten nicht. Das Nachrichtenportal Sumikai schrieb, eine drei Kilogramm-Kiste koste 7.500 Yen (ca. 58 Euro). Es sei geplant, die Tomaten mit einem Sticker zu verschicken, der darauf hinweist, dass die Früchte genom-editiert sind. Es sei das erste Mal, dass genom-editierte Lebensmittel in Japan kommerziell verkauft würden, heißt es bei Sumikai. [lf]

08.10.2021 |

EU fragt Bürger: neue Regeln für neue Gentechnik?

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296 Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296

Noch bis 22. Oktober können alle EU-Bürgerinnen und Bürger sich an einer Konsultation der EU-Kommission beteiligen. Sie will bestimmte Verfahren der neuen Gentechnik aus dem bisherigen Gentechnikrecht herausnehmen und hat ihren Fahrplan für dieses Vorhaben zum Kommentieren ins Netz gestellt. Zahlreiche Organisationen haben die Menschen aufgerufen, sich an der Konsultation zu beteiligen und ihren Protest gegen die Kommissionspläne zum Ausdruck zu bringen.

Bereits in ihrer im April 2021 vorgelegten Studie zu neuen gentechnischen Verfahren hat die Kommission durchblicken lassen, dass sie das Gentechnikrecht zugunsten dieser neuen Technologien ändern will. Mit der am 24. September begonnenen Konsultation hat sie ihre Pläne präzisiert und mitgeteilt, dass sie die bisherige Gentechnik-Gesetzgebung so verändern will, dass bei Pflanzen, die „durch gezielte Mutagenese und Cisgenese gewonnen“ wurden, die bisherige Risikobewertung und Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Organismen entfällt.
Diese Umschreibung schließt die meisten Anwendungen der neuen Gentechnik ein, auch solche, bei denen zahlreiche Änderungen in einem Pflanzengenom vorgenommen werden. Außen vor bleiben lediglich Anwendungen, bei denen fremdes Erbgut, etwa von Bodenbakterien oder völlig artfremden Pflanzen eingebracht würde. Detaillierter hat die Kommission ihre Pläne nicht ausgeführt, sondern nur die nächsten Schritte mitgeteilt, die eine große öffentliche Konsultation im zweiten Quartal 2022 umfassen und in einen Verordnungsvorschlag der Kommission im zweiten Quartal 2023 münden sollen.

Bereits im Vorfeld der Konsultation hatten 57 europäische Organisationen das Vorhaben der Kommission scharf kritisiert. Sie warfen ihr eine parteiische Politik vor. In die Erarbeitung des Fahrplans seien zu drei Viertel Beiträge der Agro-Gentechnikindustrie eingeflossen. Zudem verlasse sich die Kommision „viel zu sehr auf die nicht überprüfbaren Versprechen der Industrie“. Die Behauptung, dass Pflanzen, die mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt wurden, einen Beitrag zu Nachhaltigkeitszielen beitragen könnten, sei nicht belegt und stütze sich auf „nicht überprüfbare Versprechen der Gentechnik-Lobbygruppen“. Gleichzeitig ignoriere die Kommission „eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse und Analysen, die auf die Risiken der neuen Gentechniken hinweisen“. Es gebe keine wissenschaftliche Grundlage, ganze Klassen von neuen Gentechniken und deren Produkte zu deregulieren. Die Organisationen verweisen darauf, dass die Kommission selbst in ihrer Studie den Pharmasektor zitiert habe, wonach „die Technologie nicht ohne Risiko ist und die Produkte einer Risikobewertung unterzogen werden sollten“. „Doch wir sollen glauben, dass die Deregulierung derselben Techniken im Lebensmittel- und Landwirtschaftssektor sicher wäre“, monieren die Organisationen.

Sie rufen deshalb europaweit die Bürgerinnen und Bürger auf, schon jetzt ihren Protest gegen eine Deregulierung deutlich zu machen und sich an der Konsultation zu beteiligen. Für diese muss man sich auf der Webseite der Kommission registrieren, die Stellungnahme wird veröffentlicht. Derzeit sind dort mehr als 9300 Feedbacks zu lesen. Einfacher geht eine Beteiligung über die Organisationen, die die Kampagne Keep GMO out of our food (dt.: Halte Gentechnik aus unseren Lebensmitteln raus) unterstützen. Auf deren Webseiten finden sich Formulare, über die man sich am Feedback-Mechanismus der EU-Kommission beteiligen kann. Klar Stellung bezogen gegen eine Deregulierung haben übrigens auch die großen deutschen und europäischen Handelsunternehmen. Sie wehren sich dagegen, dass sie künftig ungetestete und nicht gelabelte Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Zutaten verkaufen sollen. [lf]

06.10.2021 |

Malaria-Mücken: unschädlich dank Pilz statt ausgerottet durch Gene Drives?

Moskito Mücke Anopheles Auch bei Anopheles-Mücken wurden Gene Drives gentechnisch eingebaut (Foto: James Gathany - CDC phil.cdc.gov/PHIL_Images/09262002/00008/A.gambiae.1354.p_lores.jpg)

Kenianische und britische Forscher haben einen Pilz entdeckt, der in Malaria-Mücken lebt. Er macht den Malaria-Erreger unschädlich, so dass die Moskitos Menschen nicht mehr infizieren können. Gleichzeitig testeten andere Wissenschaftler erfolgreich im Labor ein Gene Drive System, um Malaria Mücken auszurotten. Der Pilz könnte solche Eingriffe überflüssig machen.

Microsporidia MB nannten die Insektenforscher den Mikropilz, den sie in kenianischen Moskitos der Gattung Anopheles entdeckt hatten. Er existiert dort, wie andere Pilze auch, in Symbiose mit den Insekten. Beide Organismen profitieren voneinander und leben deshalb friedlich zusammen. Die Forscher ließen weibliche Mücken mit Malariaerregern infiziertes Blut trinken. Innerhalb von 14 Tagen wurden diese Mücken selbst infektiös und gaben danach, wenn sie stachen, den Erreger an Menschen weiter. Die Forscher stellten fest, dass bei Anopheles-Weibchen mit Microsporidia MB dieser Ablauf unterbrochen war und die Mücken nicht infektiös wurden.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass der Pilz in einer Mückenpopulation nicht über gemeinsames Futter übertragen wird oder durch das Wasser, in dem die Larven leben. Er entwickelt sich vielmehr im Darm und den Geschlechtsorganen der Männchen und wird mit der Samenflüssigkeit übertragen. Doch nicht nur die begatteten Weibchen werden mit dem Pilz infiziert und scheiden damit als Malariaüberträgerinnen aus. Die Weibchen speichern den Samen, damit er für alle Eier reicht und können die Pilzsporen so an ihren Nachwuchs weitergeben. In den Versuchen lag diese Transferquote bei gut einem Drittel.

Die Forscher wollen nun an einer Strategie arbeiten, um mit einer gezielten Freisetzung männlicher Anopheles-Mücken mit Microsporidia MB Malaria zu bekämpfen. Ihr Vorbild ist dabei die gelungene Eindämmung des von Aedes aegypti-Mücken übertragenen Dengue-Fiebers durch das Bakterium Wolbachia. Es kommt in vielen Insektenarten vor, nicht aber in Mücken, und wurde durch die Freisetzung eigens infizierter Männchen in wildlebende Populationen eingebracht. In den Versuchsgebieten in Indonesien gingen daraufhin die Fälle an Denguefieber um mehr als drei Viertel zurück. Bei beiden biologischen Methoden werden die Moskitos nicht ausgerottet, der Eingriff ins Ökosystem ist dadurch gering.

Ganz anders bei den erfolgreichen Laborversuchen, die ein internationales Forscherteam in der Fachzeitschrift Nature Communications meldete. Sie koppelten eine gentechnische Veränderung, die weibliche Mücken unfruchtbar macht, mit einem Gene Drive. Diese Technik sorgt dafür, dass die gentechnische Veränderung dominant vererbt wird. Die neuen männlichen Mücken würden sie bei der Paarung sicher weitergeben. Innerhalb weniger Generationen würde der ganze Mückenbestand aussterben. Für den Test wurde in Italien ein eigenes Sicherheitslabor mit großen Käfigen errichtet, in denen jeweils mehr als 500 Moskitos lebten und sich fortpflanzten. Licht und Klima entsprachen den Verhältnissen, wie sie südlich der Sahara herrschen, wo die Gene Drive Mücken einmal eingesetzt werden sollen. Ihre Arbeit im Labor erledigten sie gründlich. Die Bestände kollabierten innerhalb eines Jahres komplett.
Nun seien weitere intensive Tests und Umweltrisikoabschätzungen notwendig, sagte der leitende Forscher Andrew Hammond vom Imperial College London dem britischen Guardian. Seien diese erfolgreich, könne er sich vorstellen, dass “wir innerhalb von zehn Jahren eine begrenzte Anzahl von genetisch gesteuerten Mücken in unserem Feldversuchszentrum, wahrscheinlich in Burkina Faso, freisetzen könnten“, zitierte ihn der Guardian. Womöglich sind die kenianischen Forscher um Godfrey Nattoh und Jeremy Herren mit Microsporidia MB bis dahin schon weiter. [lf]

30.09.2021 |

Die britische Regierung veröffentlicht einen Fahrplan für mehr Gentechnik

London Großbritannien England Westminster Westminster, der Sitz des britischen Parlaments (Foto: David Hunt, bit.ly/1rl8YJz, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de über Wikimedia Commons)

Der Brexit macht’s möglich: Das britische Umweltministerium Defra will das Gentechnikrecht des Landes gravierend ändern, um schnell neue gentechnisch veränderte Pflanzen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Durch ein positives Innovationsklima soll die Rolle Großbritanniens als eines der führenden Länder für Gentechnikforschung gestärkt werden. Das halten allerdings viele Briten nicht für erstrebenswert.

Für sein Vorhaben hat das Ministerium nun einen genaueren Plan veröffentlicht. Noch vor Ende des Jahres will es auf dem Verwaltungsweg eine Verordnung erlassen, die den Wissenschaftlern Feldversuche erleichtert. Hätten die in den Pflanzen vorgenommenen gentechnischen Änderungen auch mit herkömmlichen Züchtungsmethoden entwickelt werden können, brauchen sie künftig keine Genehmigung mehr. Es reicht, den Feldversuch anzumelden.

Im nächsten Schritt sollen solche gentechnisch veränderten Pflanzen aus dem Gentechnikrecht ausgeschlossen werden. Defra stützt sich dabei auf sein gentechnisches Beratungsgremium ACRE, das zu dem Ergebnis kam, von diesen Pflanzen gehe kein höheres Risiko aus als von Produkten herkömmlicher Züchtung. Prüfen will das Ministerium, „welche Maßnahmen erforderlich sind, damit gentechnisch veränderte Produkte auf den Markt gebracht werden können, einschließlich der Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und der Rückverfolgbarkeit.“

Organismen, bei denen fremde DNA ins Erbgut eingefügt wurde, sollen vorerst weiter dem Gentechnikrecht unterliegen. Doch die Regierung kündigte bereits an, dass sie nach diesen ersten Schritten die gesamten Gentechnikregelungen überprüfen wolle. Umweltminister George Eustice lobte die Genom-Editierung als hilfreiches Werkzeug, um „einige der größten Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir stehen - etwa Ernährungssicherheit, Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt.“ Natürlich würden dabei die hohen britischen Standards für Umwelt- und Lebensmittelsicherheit beibehalten und nicht geschwächt. Der Verband der britischen Pflanzenzüchter begrüßte die Ankündigung des Ministers.

Der jetzt verkündete Fahrplan ist die Antwort der Defra auf eine im Februar abgehaltene Konsultation. 6440 Antworten hatte das Ministerium nach eigenen Angaben bekommen. 88 Prozent der Bürgerinnen und 64 Prozent Unternehmen hätten sich dafür ausgesprochen, neue gentechnische Verfahren wie bisher unter das Gentechnikrecht zu stellen. An der Konsultation beteiligt hatten sich auch einige wenige wissenschaftliche (24) und öffentliche Institutionen (12). Von ihnen hatte sich gut die Hälfte für eine Lockerung der Regeln zugunsten neuer gentechnischer Verfahren ausgesprochen. Auf diese Stellungnahmen stützt die Defra ihre Pläne. Eine „Ohrfeige ins Gesicht der Demokratie“, nannte die die Organisation GMWatch deshalb den Fahrplan des Ministeriums. Es ignoriere komplett die wissenschaftlichen Belege für die Risiken neuer gentechnischer Verfahren für Verbraucher und Umwelt. Die Regierung wolle „das Sicherheitsnetz eines angemessenen öffentlichen Schutzes gegen ein HighTech-Chaos eintauschen: unsere Lebensmittel, unsere landwirtschaftlichen Betriebe und die Umwelt haben etwas Besseres verdient“ kommentierte der gentechnikkritische Dachverband GMFreeze. [lf]

28.09.2021 |

Schweiz: Moratorium wird verlängert und gilt auch für neue Gentechnik

Schweiz Gentechnikfrei Foto: Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)

Die Schweiz bleibt weitere vier Jahre gentechnikfrei. Der Nationalrat stimmte dafür, das seit 2005 geltende Moratorium bis Ende 2025 zu verlängern. Die Zustimmung des Ständerats – das ist die zweite Parlamantskammer in der Schweiz – gilt als sicher. Neu ist, dass das Moratorium explizit auch für neue gentechnische Verfahren gilt. Anträge, diese auszunehmen, hatte der Nationalrat mit großer Mehrheit abgelehnt.

Das Moratorium legt fest, dass kein gentechnisch verändertes Saatgut in die Schweiz eingeführt und dort kommerziell angebaut werden darf. Indirekt hat es dazu geführt, dass die Schweiz auch keine gentechnisch veränderten Futtermittel importiert. Für die Forschung allerdings sind Versuche im Freiland erlaubt und finden auch statt. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, hatte bereits im November 2020 beschlossen, das Ende 2021 auslaufende Moratorium um weitere vier Jahre zu verlängern. Er legte dem Parlament eine entsprechende Gesetzesänderung vor. Diese stellte klar, dass das Moratorium auch für Produkte aus neuen gentechnischen Verfahren gelten soll. Dabei lehnte der Bundesrat diese Verfahren nicht grundsätzlich ab. „Das Moratorium soll dafür genutzt werden, offene Fragen zu neuen gentechnischen Verfahren zu beantworten und ihren Stellenwert in einer nachhaltigen Landwirtschaft zu diskutieren“ erklärte die Regierung in ihrer Mitteilung. Gleichzeitig seien „die erforderlichen Kenntnisse für die Nachweisbarkeit der entsprechenden Produkte zu erarbeiten, damit die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten sichergestellt ist.“

Der Nationalrat hat den Gesetzesvorschlag am 23 September beschlossen, mit 144 zu 27 Stimmen bei 19 Enthaltungen. Zuvor waren zwei Anträge der liberalen Parteien FDP und GLP gescheitert, die neue gentechnische Verfahren vom Moratorium ausnehmen wollten. Das Parlament beauftragte den Bundesrat, in den nächsten vier Jahren insbesondere Fragen zur Koexistenz von traditioneller und gentechnikbasierter Landwirtschaft zu klären. Nun ist noch der Ständerat gefragt. „Eine Annahme gilt als sicher“, schreibt die Schweizer Agentur Keystone-SDA.

Die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) begrüsste die Verlängerung und die Einbeziehung der neuen gentechnischen Verfahren. „Mit diesem, dem Vorsorgeprinzip entsprechenden Entscheid, wird die nachhaltige Schweizer Qualitätslandwirtschaft gestärkt, Umwelt und Gesundheit geschützt und die Wahlfreiheit der Konsumierenden gesichert“, schreibt die SAG. Dass die Menschen in der Schweiz weiter hinter dem Moratorium stehen, zeigt eine Umfrage der von Syngenta und Bayer finanzierten Plattform swiss-food.ch. Darin lehnten 73 Prozent gentechnisch veränderte Pflanzen ab.79 Prozent sprachen sich für ein verlängertes Moratorium aus. Mit dem Begriff Genomeditierung konnte knapp die Hälfte der Befragten nichts anfangen. Entsprechend fiel die Einordnung genom-editierter Pflanzen aus: 22 Prozent Zustimmung, 33 Prozent Ablehnung und 45 Prozent „weiss nicht“. „Offensichtlich besteht eine grosse Wissenslücke bezüglich genom-editierter Pflanzenzucht“, heißt es in die Studie. Nachdem die Befrager den Begriff verkürzt und wohlwollend, ohne ein Wort zu möglichen Risiken, erklärt hatten, fanden zwei Drittel der Befragten neue gentechnsiche Verfahren nützlich für die Landwirtschaft. Besonders groß war die Zustimmung, wenn ganz konkrete Einsatzmöglichkeiten, etwa feuerbrandresistente Apfelsorten, abgefragt wurden. Die SAG kritisiert diese „schönfärberischen Beispiele mit Wunderpflanzen, von denen real keine auch nur annähernd Marktreife hat“.und verweist auf ein weiteres Ergebnis der Umfrage: 61 Prozent der Befragten waren der Ansicht, es könne auch nochmals vier Jahre gewartet werden, um die Chancen und Risiken später zu beurteilen. So wird es nun gemacht, in der Schweiz. [lf]

24.09.2021 |

Glyphosatzulassung: Die Bewertung der Behörden steht zur Diskussion

Campact übergibt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (re.) 450.000 Unterschriften gegen Glyphosat. Foto: Jakob Huber/Campact (https://bit.ly/2k4ovMU; https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/) Campact übergibt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (re.) 450.000 Unterschriften gegen Glyphosat. Foto: Jakob Huber/Campact (https://bit.ly/2k4ovMU; https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

Im Juni hatten Behörden aus vier EU-Mitgliedsstaaten verkündet, das Herbizid Glyphosat sei unschädlich für Gesundheit und Umwelt; es könne bis zum Jahr 2037 genehmigt werden. Der ausführliche Bericht, auf den sich diese Einschätzung stützt, wurde jetzt veröffentlicht und kann 60 Tage lang kommentiert werden.

Mit dem Start der Konsultation haben die für Lebensmittelsicherheit und Chemikalien zuständigen EU-Behörden EFSA und ECHA die nächste Phase im Verfahren zur erneuten Zulassung von Glyphosat eingeleitet. Begonnen hat dieses Verfahren mit dem Zulassungsantrag, den acht Hersteller im Dezember 2019 unter Federführung der Bayer AG stellten. Sie hatten sich dazu in der Glyphosate Renewal Group (GRG, dt.: Glyphosat-Erneuerungsgruppe) zusammengeschlossen. Im Juni 2020 unterfütterten sie ihren Antrag mit einem Dossier, das nach GRG-Angaben 180.000 Seiten umfasste. Die EU beauftragte die zuständigen Behörden Frankreichs, Ungarns, der Niederlande und Schwedens damit, als Bewertungsgruppe für Glyphosat (Assessment Group of Glyphosate, AGG) das Material zu sichten und eine Empfehlung für die Zulassung und die Gefahrenkennzeichnung des Wirkstoffes vorzulegen. Dies geschah im Juni 2021, wobei damals nur eine kurze Zusammenfassung der Bewertung veröffentlicht wurde. Die AGG kam darin zu der Einschätzung, dass das Pflanzengift weder krebserregend sei, noch Organe, den Hormonhaushalt oder die Fruchtbarkeit schädige. Es könne deshalb mit den gleichen Auflagen wie bisher für weitere 15 Jahre zugelassen werden.

Die Expert*innen gentechnikkritischer Organisationen werden in den kommenden Wochen den rund 11.000 Seiten umfassenden und in gut 30 Dateien gegliederten Bericht analysieren. Dabei sind vor allem zwei Aspekte interessant: Gibt es zur Streitfrage der krebserregenden Wirkung neue Studien oder beschränkte sich die AGG - wie die Behörden in früheren Verfahren –auf eine fragwürdige Interpretation alter Monsanto-Studien? Und zweitens: Wie bewertete die AGG die zahlreichen in den letzten Jahren erschienenen Studien, die auf gesundheitliche und ökologische Gefahren durch Glyphosat hinwiesen? Wurden sie wie ähnliche Arbeiten in früheren Verfahren als wenig aussagekräftig abgetan?

Die Ergebnisse der Expert*innen werden die gentechnikkritischen Organisationen dann in die Konsultation einspeisen. Diese ist jedoch nicht nur für Fachleute gedacht. „Alle interessierten Kreise sind aufgerufen, sich an den Konsultationen zu beteiligen und einschlägige Anmerkungen oder wissenschaftliche Informationen und Daten einzureichen“, schreibt die EFSA. Alle Anmerkungen würden nach Abschluss der Konsultationen veröffentlicht. Anschließend werden die AGG und der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der ECHA die eingereichten Anmerkungen und Daten sichten. Der RAC wird danach einen Vorschlag für die Gefahreneinstufung von Glyphosat machen.

Parallel dazu erarbeiten die EFSA und die Behörden der EU-Mitgliedstaaten in einem Peer-Review genannten Verfahren eine abschließende Risikobewertung, in die auch die Stellungnahme des RAC einfließt. In diesem Rahmen werden auch die deutschen Behörden Stellung beziehen. Auf der Webseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums heißt es dazu: „In Deutschland prüfen die an der Pflanzenschutzmittelzulassung beteiligten Behörden Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Julius Kühn-Institut (JKI) und Umweltbundesamt (UBA) den von dem berichterstattenden Konsortium vorgelegten Bericht und bringen die Erkenntnisse der deutschen Behörden in die weiteren fachlichen Erörterungen bei der EFSA ein.“


Die abschließende EFSA-Bewertung soll in der zweiten Jahreshälfte 2022 vorliegen. Auf ihrer Basis schlägt die EU-Kommission vor, ob und wie lange Glyphosat erneut zugelassen wird. Entscheiden darüber müssen die Mitgliedsstaaten mit einer qualifizierten Mehrheit. Letzter Termin dafür ist der 15. Dezember 2022, an dem die bestehende Zulassung für Glyphosat ausläuft. [lf]

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