04.08.2021 |

Großbritannien: Feldversuche mit Gentech-Weizen gescheitert

Weizenpflanzen des Pilton-Projekts im Gewächshaus. Foto: Alexander Schlichter Weizenpflanzen des Pilton-Projekts im Gewächshaus. Foto: Alexander Schlichter

Die Forscher des britischen Rothamsted Research-Instituts (RRI) griffen schon mehrfach ins Weizengenom ein: Mit warnenden Duftstoffen sollten die Pflanzen Blattläuse vertreiben, aufgrund verbesserter Photosynthese mehr Körner tragen und jetzt wollen die Wissenschaftler ein Eiweiß eliminieren, damit nach dem Backen des Brotes kein Krebs drohe. Da auf dem Feld aber noch nichts dergleichen funktioniert hat, haben fast 30 gentechnikkritische Gruppen die britischen Behörden aufgefordert, das nutzlose Eiweißexperiment nicht auf den Acker zu lassen.
„Die Forschung befindet sich in einem frühen Stadium und sollte in einer geschlossenen Umgebung durchgeführt werden“, schrieben die Mitglieder der Kampagne GM Freeze (dt. Gentechnik stoppen) im Juli an das britische Agrarministerium. Mithilfe alter Gentechnik und Crispr-Cas seien Weizengene so verändert worden, dass im Korn weniger von der Aminosäure Asparagin entstehe, die sich bei großer Hitze in krebserregendes Acrylamid verwandele, erläutert das RRI. Die Wissenschaftler von GM Freeze bezweifeln diese Zusammenhänge.
Außerdem seien die Risiken eines solchen Feldversuchs nicht ausreichend bewertet worden, warnen die Umwelt- und Ökoverbände sowie Initiativen gegen Agro-Gentechnik. Es bestehe die Gefahr, dass der gentechnisch veränderte Weizen in die Natur getragen werde und sich dort mit anderen Pflanzen kreuze, wie der in der Gegend verbreiteten Quecke. Da der Weizen auch glufosinatresistent ist, könnten so robuste Unkräuter entstehen. Außerdem könnten Lieferungen von konventionellem Weizen verunreinigt und damit unverkäuflich werden, kritisiert das Bündnis. Ferner sei nicht geprüft worden, ob die veränderte Zusammensetzung der Pflanzen sicher sei oder möglicherweise Allergien hervorrufe. Im Übrigen werde Weizen, der weniger freies Asparagin enthalte, wahrscheinlich keinen signifikanten öffentlichen Nutzen bringen.
Das Rothamsted Research-Institut (RRI) weist die Kritik in einem umfangreichen Frage-Antwort-Katalog auf seiner Webseite zurück. Sollte der Feldversuch in Kooperation mit der Universität von Bristol auf 1500 Quadratmeter Fläche genehmigt werden, soll er nach Angaben des Instituts bis 2026 dauern. Davon sei das erste Jahr durch den staatlichen Biotechnology and Biological Sciences Research Council’s Super Follow-on Fund (BBSRC) finanziert, der biotechnologische Forschung unterstützt. Weitere Gelder werden gesucht. Die britischen Behörden werden offenbar in den nächsten Wochen über den Freisetzungsantrag entscheiden. Das RRI setzt darauf, dass Gentechnikregeln in Großbritannien infolge des Brexit bald weniger streng sein werden. Doch schon bei früheren Verfahren hatte GM Freeze vergeblich gegen die Feldversuche argumentiert.
So hatte das RRI von 2016 bis 2019 Weizen angepflanzt, bei dem mittels Gentechnik die Photosynthese verbessert worden war – jedenfalls im Gewächshaus. „Aber wie unzählige andere experimentelle gentechnisch veränderte Pflanzen versagten sie auf dem Feld“, berichtet die Organisation GMWatch vom Projekt der Universität von Essex, dessen ernüchternde Evaluation auf einer weniger bekannten staatlichen Webseite versteckt war. Kosten dieses gescheiterten Experiments: fast 700.000 Pfund Sterling an Steuermitteln (rund 820.000 Euro). Auch dieses Geld stammte unter anderem von der BBSRC. GMWatch fordert, solche Forschungsergebnisse transparenter zu machen, damit Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger besser erkennen könnten, „ob es wünschenswert ist, noch mehr öffentliche Gelder in die GEN-Forschung zu leiten“.
Weizen, Crispr-Cas – gabs da nicht auch ein groß propagiertes Projekt in Deutschland? Hier wollte der Bundesverband der Pflanzenzüchter (BdP) eigentlich diesen Sommer darüber informieren, ob Weizenpflanzen mittels neuer Gentechnik so verändert werden können, dass ihnen verschiedene Pilzerkrankungen nicht schaden können. An dem 2020 gestarteten, sogenannten Pilton-Projekt sind 55 Unternehmen beteiligt, darunter Größen wie Bayer CropScience und Syngenta. Die Pflanzen seien stabil mit Crispr-Cas verändert worden, teilte eine BdP-Sprecherin auf Anfrage mit. Die Nachfolgegeneration stehe jetzt im Gewächshaus. Über den Sommer werde mit mehreren Schadpilzen getestet, ob der Weizen dagegen resistent ist. Ergebnisse sollen im Frühherbst veröffentlicht werden. Ob sich die dann auch auf den Acker übertragen lassen, wird vorerst offenbleiben. [vef]

29.07.2021 |

Bayer muss Strafe für Kritiker-Listen zahlen

Bayer Crop Science Division Office Headquarters, Foto: Tony Webster, https://bit.ly/2YtecDN, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/ Bayer Crop Science Division Office Headquarters, Foto: Tony Webster, https://bit.ly/2YtecDN, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Die französische Datenschutzbehörde CNIL hat die Bayer-Tochter Monsanto zu 400.000 Euro Bußgeld verurteilt. Sie wertete das geheime Anlegen von Listen mit den Daten von Wissenschaftlern, Journalisten und Aktivisten als Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Aus Deutschland sind keine entsprechenden Verfahren bekannt.

Im Mai 2019 berichteten französische Medien darüber, dass die Bayer-Tochter Monsanto in den Jahren 2016 und 2017 von der Agentur FleishmanHillard Listen mit Hunderten Wissenschaftlern und Politikern, Verbraucherschützern und Journalisten hatte erstellen lassen. Die französische Nachrichtenagentur AFP, von der einige Journalisten ebenfalls auf der Liste standen, bezeichnete Monsantos Vorgehen damals als inakzeptabel und beschwerte sich bei der Datenschutzbehörde CNIL.

Diese fasste die insgesamt bei ihr eingegangenen sieben Beschwerden zusammen und beendete das Verfahren jetzt nach zwei Jahren mit einem Bußgeldbescheid über 400.000 Euro. Zwar sei es nicht illegal, Kontaktdateien zu Lobbyingzwecken anzulegen, schrieb die Behörde. „Doch müssen die in die Liste aufgenommenen Personen über die Existenz der Datei informiert werden, damit sie ihre Rechte, insbesondere ihr Widerspruchsrecht, wahrnehmen können“. Dieser Pflicht aus der Datenschutz-Grundverordnung sei Monsanto erst nachgekommen, nachdem Medien über diese Datei berichtet hatten. Zudem hätte Monsanto in seinen Verträgen mit der beauftragten Agentur Vorgaben zur Datensicherheit machen müssen. Dies sei nicht geschehen.

Die Datenschutzbehörde habe „keinerlei unangemessenen Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse, illegale Überwachung von Stakeholdern oder irgendwelche anderen illegalen Lobbyaktivitäten" nachgewiesen“, kommentierte Bayer laut Spiegel das Bußgeld. Es sei lediglich kritisiert worden, dass die aufgelisteten Personen nicht benachrichtigt worden seien. Allerdings findet sich in der Mitteilung der CNIL kein Hinweis darauf, dass die Behörde über das Anlegen der Liste hinaus Lobbyaktivtäten von Bayer überhaupt untersucht hat. Die Datenschützer teilten lediglich mit, dass jede Person in der Liste ein bis fünf Punkte erhalten hatte, um ihren Einfluss, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Unterstützung für Monsanto bei verschiedenen Themen wie Pestiziden oder gentechnisch veränderten Organismen zu bewerten.

Kurz nach den Enthüllungen in Frankreich wurde bekannt, dass Monsato auch in Deutschland und anderen Ländern Listen hatte erstellen lassen. Insgesamt 1.475 Personen aus zehn Ländern sowie von EU-Institutionen waren betroffen. Obwohl es Beschwerden auch in anderen Ländern gab, wurden anscheinend bisher keine weiteren Bußgelder verhängt. Im GDPR Enforcement Tracker, der Urteile mit Bezug zur Datenschutz-Grundverordnung sammelt, ist die französische Entscheidung die einzige. Das Umweltinstitut München hatte sich 2019 über die Sammlung von Daten von drei Mitarbeitern durch Monsanto bei der nordrhein-westfälischen Datenschutzbehörde beschwert und die Löschung dieser Daten verlangt. „Die Behörde schrieb uns, dass sie keinen Anlass sieht, tätig zu werden“, berichtet Jurek Vengels, Vorstandsmitglied des Instituts. [lf]

26.07.2021 |

Philippinen: „goldener“ Reis und Gentech-Aubergine zugelassen

Gold Goldener und weißer Reis (Foto: IRRI Photos)

Vom kommenden Jahr an soll Saatgut für gentechnisch veränderten „goldenen“ Reis an ausgewählte philippinische Bauern verteilt werden. Wie das philippinische Agrarministerium vergangene Woche mitteilte, habe es genehmigt, das Saatgut kommerziell zu vermehren. Nach Angaben des internationalen Reisforschungsinstitut IRRI sind die Philippinen das erste Land der Welt, das den Anbau des Beta Carotin-haltigen Reises erlaubt.
Derzeit werden gemeinsam mit lokale Akteuren Gemeinden ausgesucht, wo viele Menschen unter Vitamin A-Mangel leiden. Denn die Wissenschaftler des IRRI gehen davon aus, dass der menschliche Körper das im Gentech-Reis enthaltene Beta-Carotin in Vitamin A umwandeln kann. Etwa jedes fünfte Kind aus den ärmsten Gemeinden der Philippinen leide an Vitamin-A-Mangel, schreibt das IRRI. Weltweit mangele es schätzungsweise 190 Millionen Kindern an dem Vitamin, das für Sehkraft und Immunsystem wichtig ist. Der mit einem Maisgen veränderte gelbe Reis könne den besonders bedürftigen Kleinkindern bis zu 50 Prozent des geschätzten durchschnittlichen Bedarfs an Vitamin A liefern, so das auf den Philippinen angesiedelte Institut.
Das ist jedoch umstritten. So vermisste das Münchner Institut Testbiotech belastbare Daten, wieviel Betacarotin der Körper unter den Bedingungen einer Mangelernährung aus dem gv-Reis überhaupt aufnehmen und umwandeln kann. Weitere Kritikpunkte wie ein geringerer Ertrag beim Einkreuzen in heimische Sorten seien inzwischen behoben, versicherte das IRRI. Es werde ein umfassendes Qualitätssicherungssystem eingerichtet, „das die gesamte Wertschöpfungskette von der Saatgutproduktion über die Verarbeitung nach der Ernte bis hin zur Vermarktung abdeckt", kündigte das Reisforschungsinstitut der philippinischen Regierung an. Die neuen Sorten müssten noch durch den National Seed Industry Council registriert werden.
Schäden für Umwelt oder Gesundheit befürchten die Behörden offenbar nicht: Die zuständigen Ministerien hätten die biologische Sicherheit des gv-Reises geprüft, bevor er genehmigt worden sei, so das philippinische Agrarministerium. Eine philippinische Vereinigung von Bauern-, Wissenschaftlern und zivilgesellschaftlichen Gruppen bezweifelt das: Nachfragen bei den einzelnen Ministerien hätten keine Hinweise auf eine substanzielle Überprüfung und unabhängige Bewertungen der gesundheitlichen, kulturellen und sozioökonomischen Auswirkungen und Risiken des gv-Reises erbracht, kritisierte die Organisation Masipag. Außerdem machten die Befürworter des Carotinreises ihre wissenschaftlichen Ergebnisse und Berichte nicht ausreichend transparent.
Nach Ansicht von Masipag löst der gv-Reis nicht die eigentlichen Probleme: Menschen seien vor allem deshalb unterernährt, weil sie aufgrund von Armut und veränderten Produktionsbedingungen keinen ausreichenden Zugang zu nahrhaften und sicheren Lebensmitteln hätten. GV-Pflanzen förderten jedoch nur agrarindustrieabhängige Monokulturen. Die Vereinigung ruft deshalb zu Protesten gegen die „übereilte“ Genehmigung auf. Auch die Umweltorganisation Greenpeace verlangt, den Bescheid zurückzunehmen. Angesichts des Klimanotstands fordert Greenpeace das Agrarministerium auf, die Bauern durch widerstandsfähige Ernährungs- und Landwirtschaftssysteme wie den Ökolandbau zu unterstützen, der den Filipinos mannigfaltiges Getreide, Obst und Gemüse für eine vielfältige Ernährung biete, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Doch die philippinischen Behörden lassen sich in ihrer Gentechnik-Offensive offenbar nicht beirren. Neben dem gelben Reis genehmigte das Agrarministerium vergangene Woche auch eine Aubergine als Lebens- und Futtermittel, die mittels Bacillus thuringiensis gegen den Auberginenbohrer (Leucinodes orbonalis) resistent gemacht wurde. Masipag und die Umweltorganisation Greenpeace hatten eine Petition dagegen eingereicht, weil sie die Bt-Auberginen nicht für sicher halten. Trotzdem kann das Gemüse jetzt beispielsweise aus Bangladesh importiert werden. Denn dort ist bereits sein Anbau erlaubt.
Auch für den gv-Reis rechnet das IRRI in Bangladesch in Kürze mit einer Anbaugenehmigung. Außerdem arbeiten die Wissenschaftler aktuell an einer Reislinie, welche die Mikronährstoffe Eisen und Zink enthält. Ihr Ziel: ein Reisevent mit Dreifachversorgung. Von insgesamt 30 gv-Reissorten in der Entwicklungspipeline sprach Masipag bereits 2020. Mit Pflanzenvielfalt in der Agrarlandschaft haben die Verbände aber wohl etwas Anderes gemeint. [vef]

20.07.2021 |

In Belgien wachsen Gentech-Pappeln

Pappel Baum Bäume Foto: sonnentau / flickr, 2007 Pappel, bit.ly/2bn1uSK, creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0

Belgische Forscher dürfen vier Jahre lang Pappeln anbauen, deren Ligningehalt durch das Verfahren Crispr/Cas9 gentechnisch verändert wurde. Dadurch sollen sich die Bäume leichter zu Papier oder Ethanol verarbeiten lassen. Die Idee ist nicht neu, doch bisher waren die Versuche, industrietaugliche Bäume zu entwickeln, wenig erfolgreich.

Das Holz von Bäumen besteht aus einer Mischung von Lignin, Hemizellulose und Zellulose, wobei das Lignin für die Festigkeit des Holzes sorgt. Um aus Zellulose Papier oder Ethanol (Alkohol) herstellen zu können, muss das Lignin zuvor aufwändig entfernt werden. Wissenschaftler des Flämischen Instituts für Biotechnologie (VIB) haben mit Crispr/Cas9 in Pappeln die Bildung eines Enzyms teilweise blockiert, das die Pflanze benötigt, um Lignin zu produzieren. Die gentechnisch veränderten Pappeln bildeten 19 bis 25 Prozent weniger Lignin und dafür 8 bis 13 Prozent mehr Cellulose, heißt es in der Beschreibung des Freisetzungsversuchs. Allerdings wuchsen die Pappeln bisher nur im Gewächshaus des VIB unter kontrollierten Bedingungen. Nun wollen die Forscher herausfinden, ob sich die gentechnisch induzierten Eigenschaften auch in freier Natur ausbilden – und ob die Pappeln dort wachsen wie normal.

Genau das hat bisher nicht funktioniert. Bereits 2009 und 2014 hatten die VIB-Wissenschaftler Gentech-Pappeln ausgesetzt, bei denen sie (noch mit alter Gentechnik) andere Enzyme aus der Biosynthese von Lignin blockiert hatten. Die Pappeln konnten die guten Ergebnisse aus dem Gewächshaus nicht bestätigen. Die gentechnische Veränderung erwies sich als nicht besonders stabil und die Gentech-Bäume wuchsen langsamer als nicht veränderte Pappeln.

Dieses Mal pflanzen die VIB-Wissenschaftler zwei gentechnisch veränderte Linien und eine Kontrolllinie, die jeweils aus 48 Bäumen bestehen, in einer sogenannten Kurzumtriebsplantage – also dicht hintereinander in einer Reihe. Sie sollen 2025 abgeschnitten, gehäckselt, untersucht und verarbeitet werden. Ein besonderes Risiko sehen die Wissenschaftler nicht und argumentieren, eine veränderte Enzymaktivität könne auch durch natürliche Mutationen vorkommen. Allerdings könne „nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass die Modifikation an einer ungünstigen Stelle im Genom der Pappel erfolgt ist und sie infolgedessen noch einen anderen Effekt hat als nur eine Änderung des Lignins“. Auch könne angesichts der langen Generationszeit von Bäumen „nur schwer präzise vorhergesagt werden, welche langfristigen Auswirkungen die modifizierten Eigenschaften in der Natur haben“. Da die Gentech-Pappeln nur vier Jahre lang wachsen, sei eine Blüte und damit eine Weiterverbreitung der Eigenschaften über Samen unwahrscheinlich. Allerdings würden bei einem späteren kommerziellen Anbau diese Gentech-Pappeln nicht schon nach vier Jahren abgeholzt. Sie würden dann nach fünf bis acht Jahren zu blühen beginnen und der Pollen mit den geänderten Eigenschaften könnte sich unkontrolliert verbreiten.

Das belgische VIB ist nicht das einzige Institut, das an Gentech-Pappeln arbeitet. Auch das bundeseigene Thünen-Instititut für Forstgenetik forscht daran, Pappeln mit Crispr/Cas zu verändern. Die Universität von Umea in Schweden arbeitet zusammen mit dem Unternehmen SweTree Technologies an den verwandten Espen (Zitterpappeln). Hier sollen die gentechnischen Veränderungen vor allem das Wachstum beschleunigen. Deren aktueller Freisetzungsversuch wurde 2020 genehmigt. [lf]

16.07.2021 |

Welche US-Restaurants servieren Gentech-Lachs?

Lachs Lachs (Foto: Denise Chan/Flickr, Dorky Salmon, bit.ly/2at0MAT, creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)

Die US-Firma Aquabounty hat in diesem Frühjahr erstmals im großen Stil ihren gentechnisch veränderten Lachs abgefischt. Sie will die Tiere an Restaurants verkaufen, weil diese auf der Speisekarte nichts von Gentechnik schreiben müssen. Viele Gastro-Ketten und Caterer haben dem Aquabounty-Lachs die Rote Karte gezeigt. Doch was ist mit den kleinen Restaurants?

Einige Tonnen Lachs hat Aquabounty in seiner Lachsfarm im US-Staat Indiana aus den Becken gefischt und verarbeitet. Die Tiere wurden gentechnisch so verändert, dass sie doppelt so schnell heranwachsen wie gewöhnlicher Lachs und schon nach 18 Monaten schlachtreif sind. Aquabounty kündigte an, den Lachs bevorzugt über Restaurants und Kantinen vermarkten zu wollen. Denn anders als im Einzelhandel müssen die Lachsgerichte dort nicht als gentechnisch verändert deklariert werden. Zudem halten große US-Supermarktketten wie Walmart, Kroger und Whole Foods an ihrem bereits 2015 verkündeten Boykott von Gentech-Lachs fest. Aufgrund von Verbraucherprotesten haben nun auch große Caterer wie Aramark und Sodexo sowie Restaurant-Ketten Aquabounty eine Absage erteilt. Sie reagierten damit auf den öffentlichen Druck, den zahlreiche Organisationen mit ihrer „Block Corporate Salmon“ – Kampagne erzeugt hatten. Diese verknüpfte ökologische und mögliche gesundheitliche Risiken des Gentechnik-Lachses mit Konzernkritik und dem Kampf indigener, vom Lachs lebender Völker um ihre bedrohte Zukunft.

Wie die Nachrichtenagentur AP meldete, habe bisher mit Samuels and Son Seafood aus Philadelphia nur ein Fischhändler sein Interesse an dem Lachs bekundet. „Wir wissen, dass die Nachfrage weiter steigen wird“, zitierte die Agentur die Aquabounty-Geschäftsführerin Sylvia Wulf. Sie teilte auch mit, dass in Brasilien die dortige Gentechkbehörde CTNBio den Verkauf von Gentech-Lachs erlaubt habe. Nach Kanada und den USA ist dies das dritte Land, das seinen Bürgern „Frankenfish“ serviert, wie US-Kritiker den Lachs gerne titulieren.

Thomas Gremillion von der US-Verbraucherorganisation CFA beschrieb für das Portal Food Safety News, wie er mit seiner Familie das erste Mal seit langer Zeit wieder in ein Restaurant ging und Lachs bestellte. „Das nächste Mal werde ich eine andere Wahl treffen“, schrieb der Verbraucherschützer. Er begründete dies damit, dass sich zwar große Ketten gegen den Aquabounty-Lachs ausgesprochen hätten, nicht aber die vielen kleinen Gastronomen „einschließlich (soweit ich das beurteilen kann) des Restaurants, in dem meine Familie neulich gegessen hat“. Gremillion plädierte deshalb dafür, die Kennzeichnungspflicht auf Restaurants auszudehnen: „Abgesehen von der Lebensmittelsicherheit müssen Verbraucher die Möglichkeit haben, sich mit den ethischen und politischen Fragen zu befassen, die mit gentechnisch veränderten Tieren verbunden sind, bevor sie diese verzehren.“ [lf]

14.07.2021 |

Glyphosat-Zulassung: Toxikologe bewertet Industriestudien als „nicht zuverlässig“

Glyphosat Herbizid Herbizid im Einsatz (Foto: Chafer Machinery / flickr, Chafer Sentry, Applying Defy at 250l/ha on wheat land in Lincolnshire, bit.ly/29E6Sk4, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Der Herbizidwirkstoff Glyphosat war 2017 auch deshalb zugelassen worden, weil die europäischen Behörden keine Krebsgefahr sahen. 53 der Industriestudien, die das belegen sollten und wieder Teil des aktuellen Verlängerungsantrags sind, hat jetzt ein Experte im Auftrag einer Nichtregierungsorganisation analysiert. Das Ergebnis sei ein „Desaster“, sagte Siegfried Knasmüller kürzlich dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Knasmüller arbeitet am Institut für Krebsforschung der Universität Wien. Das Spezialgebiet des Professors ist die Gentoxizität, also die Schädigung des Erbguts durch chemische Substanzen und Umwelteinflüsse. Knasmüller ist deshalb auch Experte für all die Tests, mit denen analysiert wird, ob eine Chemikalie das Erbgut schädigen und dadurch womöglich Krebs auslösen kann.

Bei ihrer Bewertung von Glyphosat kamen das deutsche Institut für Risikobewertung und die europäische Lebensmittelbehörde EFSA 2015 zu dem Ergebnis, dass Glyphosat nicht gentoxisch wirke und damit auch nicht krebserregend sein könne. Diese Bewertung stützte sich auf Studien der Hersteller, die damals geheim waren. Erst 2019 entschied der Europäische Gerichtshof, dass diese Studien herausgegeben werden müssen. Die konzernkritische Organisation SumOfUs forderte daraufhin 53 Industrie-Studien zur Gentoxizität von Glyphosat aus dem Zulassungsverfahren an und beauftragte Professor Knasmüller damit, diese zu analysieren.

Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hatte 2015 bereits 45 dieser Studien als vollwertige und sechs weitere als ergänzende Beweise dafür akzeptiert, dass Glyphosat nicht gentoxisch wirke. Knasmüller und sein Kollege Armen Nersesyan kamen zu dem Ergebnis, dass 34 dieser Studien „substantiell“ von den für solche Zulassungsstudien verbindlichen OECD-Testrichtlinien abwichen und werteten sie deshalb als „nicht zuverlässig“. Mal habe die untersuchte Zellenzahl nicht gereicht, mal seien nicht genügend Bakterienstämme verwendet worden, schreibt „Der Spiegel“. Bei weiteren 17 Studien waren die Abweichungen weniger bedeutend, sie wurden als „teilweise zuverlässig“ eingestuft. Nur zwei Studien bewerteten die Experten als „zuverlässig“. Nach Angaben der Umweltorganisation Global 2000 untersuchten diese beiden Studien die Wirkung auf Knochenmarkszellen. Für Glyphosat hätten Tierversuche jedoch gezeigt, dass die Tumore vor allem in Leber und Niere auftauchten.

Die beiden Autoren weisen darauf hin, dass ihr Maßstab die jeweils aktuelle Fassung der OECD-Richtlinien im Jahr 2015 war. Denn in diesem Jahr erschien der überarbeitete Renewal Assessment Report (RAR) von BfR und EFSA zu Glyphosat, die wissenschaftliche Grundlage dafür, dass der Wirkstoff 2017 neu zugelassen wurde. Global 2000 verweist darauf, dass laut EU-Pestizidverordnung das Risiko eines Wirkstoffs anhand des aktuellen wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstandes bewertet werden müsse. „Daher müssen die regulatorischen Studien, die die Grundlage für diese Bewertung bilden, mit den geltenden Prüfrichtlinien übereinstimmen und den Stand der Wissenschaft widerspiegeln“, schreibt die Umweltorganisation.

Dass die Industriestudien, die teilweise noch aus den 90er Jahren stammen, diesem Anspruch nicht gerecht werden, hat die Analyse von Knasmüller belegt. Deshalb müssten für ein erneutes Zulassungsverfahren die zuständigen Behörden neue Gentoxizitätsstudien nach OECD-Richtlinien insbesondere für Leber und Niere einfordern. Die vier nationalen Behörden, die kürzlich anhand der alten Industriestudien Glyphosat einen erneuten Freifahrtschein ausstellten, hätten dies versäumt. BfR und EFSA antworteten auf die Bitte um Stellungnahme zu Knasmüllers Bericht mit dem Hinweis, dass im laufenden Glyphosat-Zulassungsverfahren im September eine öffentliche Konsultation vorgesehen sei. Dort könne die Analyse von Professor Knasmüller „in das EU-Verfahren eingebracht werden und somit Berücksichtigung im weiteren Bewertungsprozess finden“, schrieb das BfR. [lf]

11.07.2021 |

Patente auf neue Gentechnik: Züchter zahlen an Konzerne

EPO EPA Patentamt Patente Das Europäische Patentamt in München (Foto: EPA)

Neue gentechnische Verfahren seien einfach anzuwenden und deshalb auch für mittelständische Züchtungsunternehmen geeignet, sagen ihre Befürworter. Ein Bericht des gentechnikkritischen Instituts Testbiotech zeigt: Die großen Saatgutkonzerne haben sich in Europa längst wichtige Rechte gesichert und lassen sie sich bezahlen - allen voran der Konzern Corteva.

Die Mehrzahl der beim Europäischen Patentamt (EPA) für neue Gentechnik beantragten Patente bezieht sich laut Bericht auf das Verfahren Crispr/Cas. Die Wissenschaftlerteams, die das Verfahren entwickelten, haben dazu zahlreiche Patente bei der Behörde eingereicht. „Bis Ende 2020 hatte das EPA bereits mehr als 30 Patente auf die Crispr/Cas-Technologie für die Feng-Zhang-Gruppe und etwa 15 Patente der Gruppe um Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier erteilt“, heißt es im Testbiotech-Bericht. Die Wissenschaftlerinnen Doudna und Charpentier hatten 2012 entdeckt, wie sich mit Crispr/Cas DNA schneiden lässt; Feng Zhang hatte es auf RNA übertragen.

Den Zugriff auf diese Patente haben sich die großen Konzerne schon früh durch Lizenzvereinbarungen mit den beiden Forschergruppen gesichert. Besonders erfolgreich sei dabei der Konzern Corteva gewesen, der aus den Agrarsparten von Dow und Dupont hervorging. Demnach „gelang es der Firma, 48 Grundlagenpatente in einen gemeinsamen Patente-Pool zu vereinen“, heißt es in dem Bericht. Die meisten davon hält das Team um Feng Zhang vom Broad Institute des MIT in Harvard. Der Zugang zu diesem Pool sei notwendig, um Crispr/Cas „vollumfänglich in der Pflanzenzucht einsetzen zu können“. Zuchtunternehmen seien „nicht nur gezwungen, Lizenzen zu zahlen, sondern auch Verträge über die Einhaltung von Leitlinien und Vertraulichkeit abzuschließen“, schreibt Testbiotech.

Eines dieser Unternehmen ist der große niederländische Gemüsezüchter Bejo. Er schloss im Mai eine „nicht-exklusive Forschungs- und kommerzielle Lizenzvereinbarung“ mit Corteva Agriscience und dem Broad Institute. „Durch die Vereinbarung erhält Bejo Zugang zum geistigen Eigentum von Crispr/Cas9 für die Genom-Editierung zur landwirtschaftlichen Nutzung. Dies ermöglicht Forschungsarbeiten und -programme sowie potenzielle zukünftige kommerzielle Anwendungen“ etwa bei Kohlgemüse, Zwiebeln oder Karotten, heißt es in einer Mitteilung von Corteva. Deren Chief Technology Officer Sam Eathington erklärte, man freue sich, Bejo „bei der Erforschung neuer Anwendungen dieses leistungsstarken Werkzeugs in Gemüsekulturen zu unterstützen“. Die Investition von Bejo in die Genom-Editierung spiegele „das wachsende Vertrauen wider, dass sich das politische Umfeld in der Europäischen Union (EU) weiter öffnen wird“. Ähnliche Vereinbarungen unterschrieben auch der französische Züchter Vilmorin oder der US-Kartoffelzüchter Simplot. Testbiotech sieht die EU-Kommission gefordert. Sie müsse untersuchen, wie sich die marktbeherrschende Stellung Cortevas und deren Kontrolle des Zugangs zu patentierter Technologie im Bereich der Neuen Gentechnik auf den Wettbewerb auswirke.

Neben diesem Patente-Pool, mit dem es den Zugang zu Crispr/Cas –Anwendungen kontrollieren kann, hat Corteva laut Bericht auch gut 70 eigene Patentanträge gestellt, von denen das EPA bisher 27 stattgegeben hat. Viele davon beziehen sich auf ältere Verfahren wie Talen oder Zinkfinger-Nukleasen. Auf den Plätzen zwei und drei liegen hier Bayer mit knapp 50 Patentanmeldungen und der deutsche Konzern KWS mit 30. Es folgen das US-Unternehmen Calyxt sowie BASF und Syngenta. Erteilt wurden an die anderen Konzerne bisher nur wenige Patente, weil viele Anträge neueren Datums sind und die patentrechtlichen Abläufe Zeit brauchen. Die Zahlen recherchierte Testbiotech in öffentlich zugänglichen Datenbanken des EPA.

Testbiotech wirft den Konzernen vor, in vielen ihrer Patentanträge „die fundamentalen biologischen und technischen Unterschiede zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung zu verwischen“. Damit solle die Reichweite der Patente auf traditionelle Züchtungsverfahren ausgeweitet werden. Das könnte passieren, wenn etwa ein Patent bestimmte Züchtungsmerkmale wie Trockenstressresistenz abdeckt, unabhängig davon, ob dieses Merkmal durch traditionelle Züchtung oder durch ein gentechnisches Verfahren erzielt wurde. [lf]

06.07.2021 |

Zukunftskommission Landwirtschaft: Neue Gentechnik braucht Zulassung

Feld Die Landwirtschaft birgt Bedrohung und Potenzial für die Artenvielfalt (Foto: CC0)

Neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas sollen auch künftig auf ihre Risiken geprüft und unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips zugelassen werden. Dafür spricht sich die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) in ihrem Abschlussbericht aus, den sie heute der Bundeskanzlerin überreichte. Eine gesetzliche Regulierung müsse Landwirtschaft und Verbrauchern die Wahl lassen, ob sie Produkte mit oder ohne Gentechnik bevorzugen.
Die gentechnikfreie Produktion sei in Deutschland von großer Bedeutung, begründet dies das 187seitige Papier zum Thema „Zukunft Landwirtschaft“. 31 Vertreterinnen aus Landwirtschaft, Wirtschaft, Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz sowie Wissenschaft hatten im Auftrag der Bundeskanzlerin zehn Monate an Empfehlungen und Vorschlägen gearbeitet, um eine nachhaltige, also ökologisch und ökonomisch tragfähige sowie sozial verträgliche Landwirtschaft in Deutschland auch in Zukunft zu ermöglichen.
Bei der Pflanzenzüchtung müssten Schutzrechtssysteme und Lizenzstrukturen so ausgestaltet sein, dass sie allen Unternehmen den Zugang zu Techniken, Merkmalen und Zuchtmaterial ermöglichten, heißt es im Bericht weiter. Die fünf beteiligten Umwelt- und Naturschutzverbände sowie zwei gentechnikkritische Agrarverbände begrüßten diese Feststellungen. Weniger begeistert waren sie von der Behauptung des Berichts, neue gentechnische Verfahren könnten „zur effektiven Züchtung von Sorten beitragen, die dann ihrerseits zur Erreichung der Klima- und Umweltziele im Agrar- und Ernährungssystem beitragen“. Als „leere Versprechen für Klima und Landwirtschaft", kritisierte das Pia Voelker vom genethischen Netzwerk, das nicht in der Kommission mitgearbeitet hat. "Konventionelle Züchtungsverfahren sind bisher deutlich erfolgreicher, Pflanzen mit derart komplexen Eigenschaften zu erzeugen“, so Voelker.
Doch insgesamt dominiert die Freude darüber, im hochumstrittenen Feld der Agrarpolitik alte Gräben überwunden und sich einstimmig auf politische Kompromisse geeinigt zu haben. Die Gentechnik war dabei dem Vernehmen nach einer der umstrittensten Punkte. „Es ist uns in der Zukunftskommission Landwirtschaft gelungen, nicht die Positionen, sondern die Sache ins Zentrum zu stellen“, so Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring. „Das war das Geheimrezept für unseren Erfolg: Das gemeinsame Interesse daran, den Klimawandel zu bremsen, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen und dabei eine vielfältige und zukunftsfähige Landwirtschaft zu ermöglichen.“
Auch der Vorsitzende des Bund für Umwelt- und Naturschutz, Olaf Bandt, begrüßt, „dass die Zukunftskommission sich bei den neuen Gentechnikverfahren klar für das Vorsorgeprinzip und die daran ausgerichtete Regulierung ausspricht. Nur mit gesetzlich festgeschriebener Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit lassen sich Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirtschaft sowie die Lebensmittelbranche sicherstellen, und ökologische Risiken vermeiden.“ „Mit dem Abschlussbericht liegt jetzt ein richtig guter Fahrplan vor, die Landwirtschaft nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen“, ergänzt Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Elisabeth Fresen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft bringt die gemeinsame Schlussfolgerung auf den Punkt: „Jetzt müssen wir uns zusammen stark dafür einsetzen, dass sich die zentralen Bestandteile des ZKL-Berichts in den Koalitionsvereinbarungen der neuen Bundesregierung wiederfinden.“ Alle drei Verbandsvertreter waren wie Niebert Mitglieder der Expertenkommission.

Aus der ZKL ausgestiegen war im März der geschäftsführende Vorstand der Umweltorganisation Greenpeace. Martin Kaiser bemängelte, dass Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), die wie alle Ministeriumsvertreter in der Kommission Beobachterstatus hatte, die absehbaren Empfehlungen der ZKL durch ihre Gesetzgebung behinderte. „Die Zukunftskommission hat die notwendigen finanziellen Mittel für den ökologischen Umbau der Landwirtschaft auf 7 bis 11 Milliarden Euro veranschlagt“, hebt Kaiser jetzt hervor. Bei den Verhandlungen zur EU-Agrarreform habe Klöckner dem Gießkannenprinzip den Vorzug gegeben, statt Agrarsubventionen für Zukunftsaufgaben zu sichern. „Jetzt fehlt das Geld, das dringend gebraucht würde, um Landwirtinnen und Landwirte beim Schutz von Tieren, Artenvielfalt und Klima gezielt zu unterstützen“, kritisiert Kaiser.

Auch für die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast ist der ZKL-Bericht „auffällig konträr“ zur Politik der amtierenden Agrarministerin. Für Künast sind die Empfehlungen so kurz vor der Bundestagswahl Arbeitsauftrag für die kommende Legislaturperiode. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach ebenfalls von einem "neuen Aufbruch in der Agrarpolitik". Die Agrarministerin selbst bezeichnete den Kommissionsbericht dagegen als „Rückenwind“ für ihre Politik. Ob dieser Wind sie in die nächste Legislaturperiode tragen und ihr die Chance geben wird, an der Umsetzung mitzuarbeiten, bleibt offen. [vef]

29.06.2021 |

Oxitec darf in Brasilien gentechnisch veränderte Mais-Schädlinge freisetzen

Heerwurm Spodoptera frugiperda Heerwurm Spodoptera frugiperda (Foto: Richardus_H / flickr, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0)

Die brasilianische Gentechnik-Behörde CTNBio hat es der britischen Firma Oxitec erlaubt, gentechnisch veränderte Schmetterlinge freizusetzen. Sie sollen ihre unveränderten Artgenossen dezimieren, weil deren Raupen sich von Maispflanzen ernähren. Mitfinanziert wird diese neue Art der Schädlingsbekämpfung von der Bayer AG. Denn deren Gentech-Maispflanzen haben an Wirkung gegen die gefräßigen Raupen verloren.

Spodoptera frugiperda ist eine Schmetterlingsart aus der Familie der nachtaktiven Eulenfalter und in Mittel- und Südamerika heimisch. Ihre Raupen fressen die Blätter und Stängel von Mais und sind deshalb bei Landwirten ein gefürchteter Schädling, der fall armyworm (Herbstheerwurm) genannt wird. 2016 gelangte diese Art nach Afrika und hat sich rasant über den Kontinent sowie Teile Asiens bis nach Australien ausgebreitet.

Um dieses inzwischen weltweite Schädlingsproblem zu lösen, setzt Oxitec auf das gleiche gentechnische Verfahren, mit dem das Unternehmen bereits die ägyptische Tigermücke verändert hat. Freigesetzt werden Männchen, deren weibliche Nachkommen im frühen Larvenstadium absterben. Männliche Nachkommen hingegen überleben und geben das geänderte Gen an die nächste Generation weiter. Oxitec will nun die Produktion männlicher gv-Falter hochfahren und in Brasilien großflächige Pilotprogramme durchführen. Explizit betont das Unternehmen, dass seine gv-Falter andere Bekämpfungsmaßnahmen wie Insektizide und Gentech-Pflanzen ergänzen und deren Effektivität sicherstellen sollen.

Den Herbstheerwurm sollten schon gentechnisch veränderte Maispflanzen besiegen, die Bt-Toxine als Schädlingsgift produzierten. Bereits 2008 zeigte sich, dass die Falter binnen weniger Jahre gegen ein Bt-Toxin (Cry1F1) resistent wurden. Seither liegen, insbesondere aus Brasilien, auch Resistenz-Nachweise für andere Bt-Toxine vor. Als Hersteller davon betroffen ist neben anderen die Bayer-Tochter Monsanto. In einem Text über den Schädling räumt Bayer ein, „dass einige der wirksameren Kontrollstrategien resistenzanfällig geworden sind“. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich der Konzern für Oxitecs Arbeit interessiert. Bayer habe einen zweistelligen Millionenbetrag in das Projekt investiert, meldete der Tagesspiegel im September 2020 und zitierte Bayers Kommunikationschef Matthias Berninger: „Es ist das erste Mal, dass sich Bayer an einem Projekt zur gentechnischen Veränderung von Schädlingen beteiligt.“ In einem eigenen Beitrag auf Linkedin spricht Berninger bezogen auf Oxitec von Zusammenschluss und Zusammenarbeit, die sich derzeit „auf Brasilien konzentriert“. Im Text selbst beschreibt er vor allem die Schäden, die der Heerwurm in den letzten Jahren auf den Feldern afrikanischer Kleinbauern angerichtet hat.

Ob Oxitecs Verfahren den Heerwurm nachhaltig reduzieren kann, ist fraglich. Versuche mit den manipulierten Tigermücken des Unternehmens ergaben, dass die Zielbestände zwar abnahmen, sich nach 18 Monaten aber wieder erholt hatten. Dagegen könnten regelmäßige Freisetzungen von Milliarden von Insekten helfen, was jedoch massive Kosten verursachen würde. Im Tagesspiegel wies ein Insektenforscher auf einen weiteren Punkt hin: Es sei nicht klar, ob sich die Eulenfalterweibchen mehrfach und mit unterschiedlichen Männchen paaren. Das würde die Wirkung der Gentech-Männchen verringern. Auch sind die Falter sehr mobil, so dass benachbarte Populationen schnell eine Region mit geringem Befall neu besiedeln könnten. [lf]

25.06.2021 |

Sie haben die Wahl – auch beim Thema Gentechnik

Sitzung des Deutschen Bundestages (Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Trutschel/photothek.net) Sitzung des Deutschen Bundestages (Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Trutschel/photothek.net)

UPDATE+++ 60,4 Millionen Menschen in Deutschland können am 26. September 2021 die Abgeordneten für den Bundestag wählen. Auch wenn Gentechnik nicht das beherrschende Thema der Wahl sein wird, so haben die Parteien doch in ihre Wahlprogramme einige Sätze mit ihren Absichten geschrieben.

Im „Programm für Stabilität und Erneuerung“ von CDU/CSU kommt das Wort Gentechnik nicht vor. Im Landwirtschaftsteil steht der Satz: „Digitalisierung und neue molekularbiologische Züchtungstechnologien können die Landwirtschaft umweltfreundlicher und wettbewerbsfähiger machen, Ernten stabil halten bei weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz und geringerem Wasserverbrauch im Klimawandel.“ CDU/CSU wollen deshalb „einen verantwortungsvollen, auf klaren Regeln basierenden Einsatz der neuen Züchtungstechnologien ermöglichen“. Sie versprechen, sich „für eine Modernisierung des europäischen Rechtsrahmens“ einzusetzen. Das im Programm von 2017 abgelehnte Klonen von Tieren erwähnen die beiden Parteien diesmal nicht.

„Deutschland. Alles ist drin“ heißt das Wahlprogrammm von Bündnis 90/Die Grünen. Drin ist als Leibild für die Landwirtschaft eine „ sich weiter entwickelnde ökologische Landwirtschaft mit ihren Prinzipien Tiergerechtigkeit, Gentechnikfreiheit und Freiheit von chemisch-synthetischen Pestiziden“. Bezogen auf neue gentechnische Verfahren wollen die Grünen „einerseits die Freiheit der Forschung gewährleisten und andererseits bei der Anwendung Gefahren für Mensch und Umwelt ausschließen“. Deshalb wollen sie „an einem strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip festhalten. Dazu bleiben Risikoprüfungen auf umfassender wissenschaftlicher Basis und eine Regulierung, die unkontrollierbare Verbreitung ausschließt, sowie eine verbindliche Kennzeichnung, die gentechnikfreie Produktion und dieWahlfreiheit der Verbraucher*innen schützt, nötig“. Auch sollen Risiko- und Nachweisforschung gestärkt werden. Das Patentrecht wollen die Grünen so ausrichten, „dass es keine Patente auf Lebewesen und ihre genetische Anlagen mehr gibt.“ Die Anwendung von Gene Drives soll ausgeschlosen werden.

Im „Zukunftsprogramm der SPD“ kommt die Landwirtschaft nur kurz im Kapitel „Natur respektieren“ vor. Dort findet sich auch der einzige Satz des Programms zum Thema Gentechnik: „Wir bleiben beim Nein zu gentechnisch veränderten Pflanzen“. Mehr ist nicht. Selbst das Wort Biotechnologie kommt nur einmal vor – im Zusammenhang mit Rüstungskontrolle.

Die FDP bekennt sich in ihrem Wahlprogramm klar zur Agro-Gentechnik: „Grüne Gentechnik eröffnet neue Möglichkeiten, um Böden zu schonen, Biodiversität zu fördern und die Effizienz des Betriebsmitteleinsatzes zu erhöhen“, schreiben die Freien Demokraten und fordern „Technologieoffenheit für die nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft“. Für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen müssten daher „aktuelle und wissenschaftlich basierte Zulassungskriterien gelten. Ebenso setzen wir uns für die zügige Zulassung von In-vitro-Fleisch in der EU ein.“ Auch verspricht die FDP, „alle Innovationen in Züchtung, Pflanzenschutz, Digitalisierung und anderen Bereichen“, zu unterstützen, wenn sie dazu beitragen, die Belastung der Umwelt zu minimieren. Generell wollen die Freien Demokraten „ für politische Entscheidungen das Innovationsprinzip ergänzend zum Vorsorgeprinzip“ einführen. Bei der Folgenabschätzung solle nicht nur auf mögliche Risiken einer Maßnahme geschaut werden.

Die Linke schreibt in ihrem Wahlprogramm: „Wir wollen den Anbau und den Handel mit gentechnisch veränderten Pflanzen, auch aus neuen Gentechnikverfahren, verbieten.“ Das Verbot soll auch für Importe gelten. Stärken will die Linke die klassische gentechnikfreie und die ökologische Züchtung mit höheren Fördermitteln. Das Klonen von Tieren soll verboten bleiben. Zudem will die Linke „eine Kennzeichnung von importierten Lebensmitteln, die aus geklonten Tieren und ihren Nachkommen hergestellt werden“. Verboten werden sollen „Patente auf Leben“. Zudem verspricht die Linke, sich für „ein globales Moratorium über die Freisetzung von Gene-Drive-Organismen“ einzusetzen.

Die AFD schreibt in ihrem Wahlprogramm, sie wolle „eine Aufklärungsinitiative über den heute schon sichtbaren Nutzen der Gentechnik ins Leben rufen und einen pragmatischen Ordnungsrahmen für diese Technik schaffen“. Die wissenschaftliche Nutzen- und Risikobewertung von Wirkstoffen sowie des Umgangs mit Giftpflanzen und Gentechnik müssten „unabhängige Forschungseinrichtungen“ übernehmen.

Längst nicht alle Versprechen schaffen es nach der Wahl auch in die Koalitionsverträge. Deshalb lohnt ein Blick in die Vereinbarung der neuen grün-schwarzen Regierung in Baden-Württemberg. „Agro-Gentechnik wollen wir weder auf unseren Tellern noch auf unseren Äckern, in unseren Wäldern oder im Futter unserer Tiere“, heißt es dort. Deshalb wolle man „konsequent alle landespolitischen Spielräume nutzen, um Baden-Württemberg gentechnikfrei zu halten“. Neue gentechnische Verfahren müssten, wie andere Technologien auch, „mit Blick auf ihre Chancen, Risiken und ökologischen sowie sozioökonomischen Folgen umfassend auf wissenschaftlicher Grundlage bewertet werden. Wir halten bei den neuen gentechnischen Methoden am strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip fest.“ Auch lehnt die neue Landesregierung die Zulassung und Freisetzung von Gene-Drive-Organismen ab und fordert ein Freisetzungsmoratorium. Im zeitgleich unterschriebenen rot-grün-gelben Koalitionsvertrag von Rheinland-Pfalz hingegen kommt das Thema Gentechnik nicht vor. [lf]

Update: Beim Progamm der Linken wurden die Formulierungen aus dem Programmentwurf durch die endgültige Version ersetzt (02.07.21).

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