22.06.2021 |

Glyphosatzulassung: alte Studien, altes Ergebnis?

Glyphosat Herbizid Herbizid im Einsatz (Foto: Chafer Machinery / flickr, Chafer Sentry, Applying Defy at 250l/ha on wheat land in Lincolnshire, bit.ly/29E6Sk4, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Auf europäischer Ebene haben die Hersteller des Unkrautvernichters Glyphosat einen Etappensieg errungen: Risikobewerter aus vier EU-Mitgliedsstaaten halten das Totalherbizid weiterhin für unschädlich für Gesundheit und Umwelt; es könne bis zum Jahr 2037 genehmigt werden. Der deutsche Bundesrat will den Glyphosat-Einsatz hierzulande dagegen am Freitag ab 2023 beschränken – eigentlich.
Die zuständigen Behörden Frankreichs, Ungarns, der Niederlande und Schwedens – die von der EU-Kommission beauftragte Bewertungsgruppe für Glyphosat (Assessment Group of Glyphosate, AGG) – kommen auf rekordverdächtigen 11.000 Seiten zu der Einschätzung, dass das Pflanzengift weder krebserregend sei, noch Organe, den Hormonhaushalt oder die Fruchtbarkeit schädige. Der Bericht, den die AGG der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA vergangene Woche vorlegte, basiert nach offiziellen Angaben im Wesentlichen auf einem 180.000seitigen Dossier von acht Glyphosat-Herstellern. Diese Glyphosate Renewal Group (GRG, dt.: Glyphosat-Erneuerungsgruppe) hatte der AGG das Dossier im Juni 2020 als Teil ihres Antrags eingereicht, die Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union über 2022 hinaus zu verlängern.
Dieses Dossier wiederum ähnelt offenbar in weiten Teilen seiner Vorgängerversion aus dem Jahr 2015 (Verlängerungsantrag für 2017): Von den rund 1500 wissenschaftlichen Studien zu Glyphosat, von denen viele die Agrarchemieunternehmen selbst erstellten, seien etwa 100 neu, heißt auf der GRG-Webseite. Neu ist auch, dass man die Studien und andere Inhalte des Dossiers jetzt bei der GRG anfordern kann. „Dass die aktuelle Bewertung nun im Wesentlichen weiter auf alten Studien auf Basis teilweiser überholter Leitlinien oder mit zweifelhaften Kontrolldaten beruhen soll, ist unfassbar“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete und Pestizidexperte Harald Ebner. Da sei es wenig überraschend, dass man auch zum selben Ergebnis komme wie in der Vergangenheit, ergänzt die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG).
Ebner kritisiert unisono mit der österreichischen Umweltorganisation „Global 2000“, dass trotz anhaltender Kontroversen und Zehntausender Klagen krebskranker Glyphosatnutzer in den USA keine neuen Krebsstudien mit Tierexperimenten durchgeführt wurden. Auch aktuelle Langzeitstudien fehlten. „Das ist unfassbar verantwortungslos und fahrlässig“, schimpft der Umweltchemiker von „GLOBAL 2000“, Helmut Burtscher-Schaden. „Das Gesetz verlangt, dass Pestizidhersteller anhand von Studien auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft darlegen, dass ihr Pestizid die Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllt." Die CBG führt neuere Studien an, die „auf deutliche gentoxische, reproduktionstoxische, hormonelle und zellschädigende (Plazenta, Nabelschnur, Embryo) Wirkungen“ hinweisen. Die Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation WHO, die 2015 auf der Basis von Untersuchungen des Herstellers Monsanto zu dem Ergebnis kam, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“, hätten die EU-Behörden auf durchsichtige Weise angezweifelt, so die CBG.
„Die EU-Risikobewertungsbehörden und die Wissenschaft sind nun gefordert, die Schlussfolgerungen der Berichte gründlich zu prüfen und herstellerunabhängige Studien angemessen zu berücksichtigen“, so der Abgeordnete Ebner. Dazu besteht im weiteren Verfahren noch reichlich Gelegenheit: Ab August wird es eine Konsultation zum AGG-Bericht geben, ab September mit Beteiligung der Öffentlichkeit. Auch die europäische Chemikalienagentur ECHA wird sich äußern. Die Schlussfolgerungen der beiden EU-Behörden sollen im Mai beziehungsweise Juni 2022 vorliegen. Spätestens dann müssen die Mitgliedsstaaten sich positionieren, die mit einer qualifizierten Mehrheit verhindern können, dass das Totalherbizid weitere 15 Jahre zugelassen wird. Ein Kenner der Brüsseler Vorgänge, den das Handelsblatt zitiert, hält es für wahrscheinlich, dass Glyphosat gestoppt wird: Die politische Stimmung gegen das Mittel sei sehr aufgeheizt.
Die aktuelle Bundesregierung wird dann nicht mehr im Amt sein. Sie hat aber noch ein Insektenschutzprogramm auf den Weg gebracht, das glyphosathaltige Spritzmittel ab 2024 komplett verbieten will (nach dem Ende der Zulassung 2022 ist noch eine Aufbrauchfrist vorgesehen). Am Freitag soll der Bundesrat über die entsprechende Verordnung entscheiden. In seiner vorletzten Sitzung dieser Legislaturperiode, deren Tagesordnung so lang ist wie noch nie in der 72jährigen Geschichte des Verfassungsorgans, ist das Thema Tagesordnungspunkt 110. Aber selbst wenn es dazu kommen sollte, dass die bereits einmal vertagte Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung verabschiedet wird, hat die Regierungskoalition ein Hintertürchen offengelassen: Sollte die EU-Kommission die Zulassung von Glyphosat über 2022 hinaus verlängern, könne eine Überprüfung der Verordnung erforderlich sein, heißt es in der Begründung. [vef]

14.06.2021 |

Australien: Gene drives gegen Mäuseplage?

Mäuse, Foto: grebrov/Flickr https://bit.ly/3pQ6anX https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/ Mäuse, Foto: grebrov/Flickr https://bit.ly/3pQ6anX https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/

Angesichts der größten Mäuseplage seit 40 Jahren erwägt der australische Bundesstaat New South Wales (NSW), diese künftig mit neuer Gentechnik, sogenannten Gene Drives, zu bekämpfen. Wie der Agrarminister Anfang Juni mitteilte, stellt er für ein dreijähriges Forschungsprogramm dazu 1,8 Millionen australische Dollar (etwa 1,15 Millionen Euro) bereit. Unterdessen hat sich das Europäische Parlament gegen den Einsatz von Gene Drives ausgesprochen. EU-Kommission und EU-Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, sich bei einer internationalen Konferenz im Oktober für ein weltweites Moratorium für Gene drives einzusetzen.
Nach Medienberichten fielen in NSW und Teilen von Queensland in jüngster Zeit Tausende Mäuse über die Felder her und fraßen - teils innerhalb von Stunden – stellenweise fast die gesamte Ernte. Auch der frisch gesäte Winterraps habe teils stark gelitten, berichtete das Portal agrarheute.com. Die Bauernvereinigung "NSW Farmers' Association" rechne mit Einnahmeausfällen von rund einer Milliarde australischer Dollar. Neben den massiven Schäden für die Landwirtschaft registrierten die Behörden bis Ende April bereits doppelt so viele Kranke mit Leptospirose wie im ganzen Jahr 2020, berichtete der Bayrische Rundfunk. Die Krankheit, die zu Nierenversagen und Hirnhautentzündung führen kann, wird von Mäusen übertragen.
Wie also die Tiere loswerden? Neben der Ansiedlung natürlicher Fressfeinde wie Greifvögel oder Echsen und einer erweiterten Zulassung des gefährlichen Giftes Bromadiolon zur Mäusebekämpfung wird nun auch darüber nachgedacht, die Zahl der Mäuse mittels Gene Drive, einer Art gentechnischem Vererbungsturbo, zu kontrollieren. „Indem sie gezielte Gene drives nutzen, wollen die Wissenschaftler den Fortpflanzungszyklus der Mäuse unterbrechen und die Population auf beherrschbarem Level halten“, erläuterte NSW-Agrarminister Adam Marshall in der Hoffnung auf einen „besseren Weg“ als bisher. Forscher der Universität Adelaide sollen den Vererbungsturbo auf zwei Arten testen: Entweder soll den Mäusemännchen ein sogenannter „X-Schredder“ eingebaut werden, der Sperma mit X-Chromosom vernichtet, so dass mehr männliche Nachkommen geboren werden. Oder die weiblichen Mäuse sollen gentechnisch unfruchtbar gemacht werden. Das Vorgehen könne perspektivisch auch auf andere Tierarten wie Ratten, Kaninchen oder Wildkatzen übertragen werden und die Bekämpfung solcher Plagen für immer verändern, so Marshall.
Bedenken hat der australische Minister offenbar nicht. Das Europäische Parlament sorgt sich hingegen schon: In seiner Entschließung zur EU-Biodiversitätsstrategie verwies es vergangene Woche darauf, dass es Sachverständige bisher für schwierig halten, das Verhalten von Gene-Drive-Organismen (GDO) vorherzusagen, ihre Risiken zu bewerten und sie nach der Freisetzung zu kontrollieren. Die Gefahr: GDO könnten selbst zu invasiven Arten werden. Deshalb müssten sie global reguliert, sowie „wirksame Mechanismen zur Kontrolle und Umkehrung der Auswirkungen von Gene Drive-Organismen vollständig entwickelt werden“, schreibt das EU-Parlament. Gesundheitliche, ökologische, ethische und andere Auswirkungen von GDO seien zu erforschen. Bis dahin dürften sie im Blick auf das europarechtliche Vorsorgeprinzip nicht in die Umwelt entlassen werden.
Und weil GDO an Grenzen nicht haltmachen, sondern wie die Mäuse mit Schiffen selbst über Weltmeere gelangen, hatte das Europäische Parlament die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten bereits im Januar 2020 aufgefordert, sich für ein globales Moratorium für Gene Drives einzusetzen. Das sollte eigentlich schon vergangenen Herbst passieren. Die 15. Vertragsstaatenkonferenz zur Konvention über die biologische Vielfalt (COP 15) wurde jedoch pandemiebedingt auf Oktober 2021 verschoben. Die "wichtige Botschaft" sollte daher in die laufenden Vorverhandlungen zur COP 15 sowie in die Diskussionen zur globalen Regulierung der Technologie auf dem nächsten Treffen der Internationalen Union für Naturschutz (IUCN) im September in Marseille eingebracht werden, forderte Mareike Imken von der "Stop gene drive"-Kampagne. Um mögliche australische Gene Drive-Mäuse zu stoppen, wäre das noch zeitig genug. [vef]

08.06.2021 |

Syngenta: virusresistente Tomaten ohne Gentechnik

Tomate Foto: flickr / theentiremikey [creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0]

Der Agrarchemiekonzern Syngenta hat auf konventionellem Weg zwei Tomatensorten gezüchtet, die gegen das Brown Rugose Fruit-Virus (ToBRFV) immun sind. Mithilfe von Genmarkern gelang es nach Unternehmensangaben, die nötigen Resistenzmerkmale in der hauseigenen Keimplasmabibliothek zu identifizieren und so die Züchtung zu beschleunigen. Für das gentechnikkritische Portal GMWatch belegt das, dass die konventionelle Züchtung der Gentechnik weiterhin überlegen ist.
Die Syngenta-Forscher sind allerdings noch nicht ganz zufrieden. Denn die beiden neuen Sorten sogenannter Beefsteak-Tomaten mit den Namen Lansor und Barosor sind nur intermediär resistent. Das heißt, dass leichte Symptome des Brown Rugose Fruit-Virus wie Mosaikmuster auf den Tomatenblättern, eingerollte Blätter, gelbe Flecken auf den Früchten und Nekrosen am Stamm und anderen Pflanzenteilen zwar auftauchen. Der Ernteertrag sei dadurch jedoch nicht gefährdet. Längerfristiges Züchtungsziel sei nun, mit Hilfe von zwei Resistenzgenen hochresistente Pflanzen zu schaffen, erläutert der Chef der globalen Tomatensparte von Syngenta, Ruud Kaagman, auf der Firmenwebseite.
Der Vorteil: Indem sie in den Syngenta-Saatgutlinien drei Genabschnitte identifizierten, die für die Resistenzbildung zuständig sind, konnten die Forscher den Züchtungsprozess von bislang zehn auf weniger als drei Jahre verkürzen. Diese Form des schnellen Eingreifens "hat es bisher noch nie gegeben", sagt Kaagman. Seine Experten wollen diese Gene nun nutzen, um neue Tomatenhybride zu entwickeln und die widerständigen Eigenschaften mittels sogenannter Introgression in bestehende kommerzielle Sorten einbringen. Dabei handele es sich um kein biotechnologisches Verfahren, sondern lediglich um eine datenwissenschaftlich gestützte Beschleunigung herkömmlicher Kreuzungstechniken, erläutert das Unternehmen.
Syngenta sei mit mehr als 350 Sorten in 35 Segmenten, darunter zahlreiche Beefsteak-, Pflaumen- und Kirschtomaten sowie etliche Spezial-Sorten, weltweit zweitgrösster Anbieter für Tomatensaatgut. Marketing, Vertrieb und Verkauf zusammengerechnet, betrage der Wert der globalen Tomatensparte beinahe 200 Milliarden US-Dollar. Da auch das Brown Rugose Fruit-Virus weltweit unterwegs ist und sich nur schwer eindämmen lässt, besteht nachvollziehbarer Handlungsbedarf. Die Sorte Lansor, die seit Dezember 2020 auf dem Markt ist, werde im Mittelmeerraum und im Nahen Ostens, bereits erfolgreich angebaut.
GMWatch begrüßt es, dass Syngenta offenbar eingesehen habe, dass man komplexe Eigenschaften wie Krankheitsresistenz, hoher Ertrag und Anpassung an extreme Boden- und Klimabedingungen bei Pflanzen besser konventionell züchten könne als mithilfe von Gentechnik. Das liege daran, dass bei der konventionellen Züchtung ganze Genfamilien in Netzwerken zusammenarbeiten, während mittels Gentechnik nur ein oder wenige Gene manipuliert werden könnten. Das Problem sei allerdings, dass Unternehmen immer häufiger auch konventionelle Züchtungserfolge patentieren ließen und damit kleineren Züchtern den Zugriff verwehrten. Initiativen wie „Keine Patente auf Saatgut“ laufen dagegen seit Jahren Sturm. Gerade heute hat das Europäische Patentamt jedoch wieder eine entsprechende Beschwerde abgewiesen. [vef]

02.06.2021 |

Erster Freispruch im Südtiroler Prozess gegen Pestizidkritiker

FotoProzessUmweltinstitut Angeklagt wegen Pestizidkritik: Karl Bär, Umweltinstitut München, und Autor Alexander Schiebel (rechts, Foto: Jörg Farys, Umweltinstitut München)

Das Buch "Das Wunder von Mals" von Alexander Schiebel enthält keine üble Nachrede. So hat es das Landesgericht in Bozen in Südtirol entschieden und den Filmemacher und Buchautor von diesem Vorwurf freigesprochen. Das Verfahren wegen übler Nachrede gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München will das Gericht jedoch fortführen.

Schiebel und Bär hatten 2017 den massiven Pestizideinsatz beim Obstanbau in Südtirol deutlich kritisiert: Schiebel in seinem beim oekom Verlag erschienen Buch "Das Wunder von Mals", Bär mit einer Kampagne für „Pestizidtirol“, bei der er die Südtiroler Tourismuswerbung aufs Korn nahm. Das brachte beiden Anzeigen des Südtiroler Landesrates für Landwirtschaft, Arnold Schuler, sowie von 1376 Landwirten ein. Verhandelt werden die beiden Fälle jedoch einzeln, von unterschiedlichen Richtern.

Bärs Prozess begann im September 2020, sorgte für große Aufmerksamkeit und brachte Südtirol schlechte Presse. Nicht nur Umweltschützer werteten das Verfahren als SLAPP-Klage, also als einen Versuch, unliebsame Kritiker mit juristischen Mitteln mundtot zu machen. Parallel zu Bärs drittem Verhandlungstag eröffnete ein zweiter Richter das Verfahren gegen Schiebel und beendete es nach wenigen Minuten mit einem Freispruch: Eine üble Nachrede liege nicht vor. „Aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Sieg für die Meinungsfreiheit. Und natürlich eine große Erleichterung für mich und meine Familie“, kommentierte Alexander Schiebel seinen Freispruch. Karl Bär gab sich optimistisch, dass auch sein Verfahren bald beendet werde.

Das wäre auch den meisten Südtiroler Obstbauern inzwischen recht. Landesrat Schuler und zwei Obleute der Obstgenossenschaft hatten vor dem Prozesstermin ihre Nebenklagen zurückgezogen. Auch hätten fast alle Obstbauern unterschrieben, dass sie ihre Strafanzeigen zurücknehmen wollen, berichtete die Neue Südtiroler Tageszeitung. Nur zwei Brüder blieben hartnäckig und deshalb müsse das Verfahren aus formalen Gründen fortgesetzt werden.

Termin dafür ist der 22. Oktober 2021. An diesem Tag will das Gericht die zwei Brüder als Zeugen der Anklage hören. Nach deren Auftritt sollen im weiteren Prozess insgesamt 88 Zeugen das Umweltinstitut verteidigen und die negativen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen des hohen Pestizideinsatzes in den Südtiroler Apfelplantagen darlegen. Wie hoch der Pestizideinsatz ist, belegen Aufzeichnungen der Landwirte, die vom Gericht angefordert wurden und die das Umweltinstitut derzeit auswertet. Auch diese Zahlen will es in das Verfahren einbringen. Ob es soweit kommt liegt nun an den beiden Südtiroler Obstbauern. Deren Haltung bezeichnete ihr einstiger Verbündeter, Landesrat Schuler, als „sehr bedauerlich“. [lf]

31.05.2021 |

Glyphosat: Bayer erwägt Verkaufsstopp an US-Privatkunden

Bayer Crop Science Division Office Headquarters, Foto: Tony Webster, https://bit.ly/2YtecDN, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/ Bayer Crop Science Division Office Headquarters, Foto: Tony Webster, https://bit.ly/2YtecDN, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Wie kann der Bayerkonzern in Zukunft die Gefahr verringern, dass Krebskranke ihn wegen seines Unkrautvernichters Glyphosat auf Schadenersatz verklagen? Indem er das Totalherbizid in den USA nicht mehr an Privatanwender verkauft. Dies ist einer von fünf Punkten, die der Agrarchemiekonzern jetzt in eigener Regie angehen will. Vergangene Woche hatte ein US-Richter auch einen zweiten Vorschlag abgelehnt, wie sich die Leverkusener über künftige Glyphosat-Klagen außergerichtlich einigen wollten.

Etwa 95 Prozent der bislang etwa 125.000 Glyphosatklagen in den USA seien von Privatanwendern eingereicht worden, sagte ein Unternehmensvertreter vergangenen Donnerstag bei einer Telefonkonferenz. Für den Einsatz in Gärten und auf Grünflächen würden glyphosathaltige Spritzmittel im Wert von etwa 300 Millionen Euro pro Jahr verkauft, so der Chef der Agrarsparte, Liam Condon. Jetzt wolle Bayer mit seinen Handelspartnern darüber diskutieren, ob man solche Spritzmittel künftig mit einem anderen Wirkstoff herstellt. Bis dahin würden die Glyphosat-Spritzmittel für Gärten und Grünflächen in den USA weiter verkauft.

Wie der Infodienst bereits mehrfach berichtete, war die Regelung über künftige Glyphosat-Klagen Teil der Vergleichsverhandlungen, zu denen der zuständige US-Bundesrichter Vince Chhabria Bayer im April 2019 verpflichtet hatte. Der Vergleich, den Bayer im Sommer 2020 vorstellte, bestand aus zwei Teilen. Mit 9,6 Milliarden US Dollar wollte der Chemiekonzern laufende und bereits absehbare Klagen beilegen. Von diesen 9,6 Milliarden wurden nach Unternehmensangaben bis Ende März 2021 rund sechs Milliarden US Dollar ausgezahlt. In dem von Bayer vorgelegten Fünf-Punkte-Plan heißt es, rund 96.000 der aktuellen Verfahren seien verglichen, würden derzeit verglichen oder entsprächen nicht den Kriterien für einen Vergleich. Wie in der Telefonkonferenz deutlich wurde, hat Bayer diese 96.000 Verfahren abgehakt.

Weniger klar scheint das Schicksal der verbleibenden rund 30.000 Glyphosat-Klagen. Das weitere Vorgehen bei Vergleichen zu aktuellen Klagen „wird überprüft“, heißt es dazu im Fünf-Punkte-Plan. Bayer sei weiterhin offen für Vergleichsverhandlungen „soweit die Kläger den Teilnahmekriterien entsprechen und angemessene Ergebnisse erreicht werden können“. Bayer wolle die Klagen gütlich beilegen, „allerdings behält sich das Unternehmen vor, regelmäßig zu prüfen, ob dieser Ansatz noch im besten Interesse des Unternehmens ist“. Für zukünftige Klagen, also etwa von Menschen, die erst später erkranken, hatte Bayer zwei Milliarden Dollar für die nächsten vier Jahre vorgesehen. Bei dieser Summe soll es bleiben, auch wenn Bundesrichter Vince Chhabria die von Bayer und einigen Kanzleien ausgearbeiteten Verfahrensvorschläge vergangene Woche ablehnte.

Bayer will das Problem künftiger Klagen jetzt in Eigenregie angehen: Der Konzern will eine „Internetseite mit wissenschaftlichen Studien zur Sicherheit von Glyphosat-basierten Produkten“ erstellen und auf seinen Produkten darauf hinweisen. Weiterhin will er ein „unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium“ einrichten, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Sicherheit des Herbizids Roundup überprüfen soll. Ein solches Gremium hatte Richter Chhabria abgelehnt, da die bisherigen Gerichtsurteile zu der Frage eindeutig seien.

Große Hoffnung setzt Bayer-Chef Werner Baumann jetzt in den Supreme Court, das höchste Gericht der USA. Er kündigte an, die Berufungsverfahren in den Fällen Hardeman und Pilliod weiterzuführen. Man rechne im Sommer 2022 mit ersten Ergebnissen. Hinzu kommt das Verfahren Carson, in dem es um das für die Glyphosatklagen wichtige Verhältnis von Bundesrecht zu dem der Einzelstaaten geht. Bayer habe dem bisher Unterlegenen John Carson eigens 100.000 Dollar gezahlt, damit dieser in Berufung gehe und so der Fall vor den Supreme Court komme, warf die Coordination gegen Bayer-Gefahren dem Konzern vor.

In der Wirtschaftspresse wird Chhabrias Ablehnung und Bayers Reaktion darauf als weiterer Tiefschlag für den Konzern eingeordnet. Das Manager Magazin schrieb, die Geduld der Aktionäre mit Baumann „dürfte sich ohnehin dem Ende zuneigen“. Zudem bleibe Bayer „ein Ziel für aggressive Hedgefonds, die den Konzern angreifen und auf eine Zerlegung in einen Agrar- und einen Pharmateil drängen“. Business Insider sieht Baumann wackeln und stellt schon mal einen potentiellen Nachfolger vor. Der kommt aus dem Unternehmen, denn es „möchte wohl niemand von außen dieses schwierige Erbe antreten“, schreibt Business Insider. [lf/vef]

27.05.2021 |

Neue Gentechnik: EU-Kommissarin plant hohe Sicherheitsstandards

EU Rat Ministerrat Foto: The Council of the European Union

Umweltschutz versus Pestizideinsatz, Nährstoffanreicherung versus Gesundheitsgefahren, Vorsorgeprinzip versus Innovation: Bei einer öffentlichen Sitzung haben Europas Agrarminister gestern zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte darüber aufgerufen, wie der Einsatz neuer gentechnischer Verfahren in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion künftig gesetzlich geregelt werden soll. Lebensmittelketten und Umweltschützer warnten davor, die geltenden Regeln aufzuweichen.
Wie die europäische Gesundheitskommissarin waren auch zahlreiche Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten der Ansicht, dass die geltenden, teils 20 Jahre alten Vorschriften des europäischen Gentechnikrechts den neuen wissenschaftlichen Entwicklungen nicht mehr gerecht würden. Ein wesentlicher Diskussionspunkt war, ob bei bestimmten Produkten neuer gentechnischer Verfahren wie Crispr/Cas, die die Gene der Pflanzen teils nur in winzigen Punkten verändern, die Regeln über Risikoprüfung und Kennzeichnung geändert werden sollten. Dabei waren die Meinungen unter den Mitgliedsstaaten breit gefächert; teils divergierten sie innerhalb einzelner Länderregierungen.
So hob Bundesagrarministerin Julia Klöckner die Chancen der neuen Pflanzenzüchtung hervor, die gezielter, schneller und erfolgreicher sein könne als die herkömmliche Züchtung. „Ich plädiere persönlich auch dafür, dass wir hier den Rechtsrahmen anpassen“, sagte die CDU-Politikerin. Die mit dem Bundesumweltministerium (BMU) abgestimmte Position der Bundesregierung, die Klöckner mit auf den Weg gegeben worden war, liest sich etwas offener: Deutschland spreche sich dafür aus, „ergebnisoffen nach den besten Lösungen für die offenen Fragen und Herausforderungen zu suchen“, so eine Sprecherin des BMU auf Anfrage des Infodiensts. Das bedeute „sowohl nach Ansätzen im bestehenden Rechtsrahmen zu suchen, als auch zu überlegen, wie die Rechtsvorschriften belastbarer und zukunftssicherer im Rahmen der primärrechtlichen Leitplanken der EU gemacht werden können.“ Einigkeit besteht offenbar darin, dass die Auswirkungen der neuen Techniken auf Mensch, Tier und Umwelt wissenschaftsbasiert ermittelt werden sollen und das europäische Vorsorgeprinzip beachtet werden soll.
Auch mehrere andere EU-Staaten sowie Gesundheitskommissarin Kyriakides betonten, dass neue gesetzliche Regeln unbedingt das europarechtliche Vorsorgeprinzip berücksichtigen müssten: Die Sicherheitsstandards für Gesundheit und Umwelt müssten gehalten werden. Länder wie Frankreich und Dänemark legten dagegen Wert darauf, dass künftige Regeln für neue Gentechnikverfahren Raum für Innovation lassen. Ebenso wie die Niederlande können sie sich vorstellen, bestimmte Produkte neuer gentechnischer Verfahren (NGT) von der Risikobewertung auszunehmen. Auch Stella Kyriakides verwies auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach bestimmte NGT-Pflanzen ebenso sicher seien wie konventionell gezüchtete. Länder wie Irland und die Slowakei sorgten sich dagegen um die gentechnikfreie Existenz der ökologischen Landwirtschaft, deren Zukunft in ihren Augen vorrangig gesichert werden müsse. Die EU-Kommission plane eine umfangreiche Kommunikationsoffensive, um die Ergebnisse der Studie und die nächsten Schritte in den kommenden Monaten mit den Mitgliedstaaten, dem europäischen Parlament und den Stakeholdern zu diskutieren, heißt es auf ihrer Webseite. Diese Debatte soll auch die geplante Folgenabschätzung begleiten.
Die europäische Umweltorganisation Frieds of the Earth (Freunde der Erde) ruft alle Beteiligten dazu auf, das nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Sommer 2018 geltende Recht beizubehalten. Danach müssen auch NGT-Produkte auf Risiken geprüft, zugelassen und gekennzeichnet werden. So könne man am besten sicherstellen, dass in der EU nur sichere Pflanzen angebaut, das Wahlrecht der Verbraucher erhalten und wirklich innovative, umweltfreundliche Ernährungssysteme gefördert werden.
In ein ähnliches Horn blasen Unternehmen und Verbände der europäischen Lebensmittelwirtschaft: „Wir bestehen darauf, dass die aktuell gültige EU-Gentechnikgesetzgebung – mit dem Vorsorgeprinzip, einer Risikobewertung und klaren Anforderungen an Transparenz als wesentlichen Eckpfeilern – auch weiterhin für neue GVOs angewendet wird. Neue GVOs müssen genauso reguliert bleiben wie alte GVOs“, heißt es in einer Resolution, die der europäische Ohne Gentechnik-Verband ENGA zum Agrarministerrat veröffentlichte. Unterzeichnet haben diese „Retailer Resolution“ zahlreiche, vor allem deutschsprachige Lebensmitteleinzelhändler, darunter Aldi, Lidl, Metro und die wichtigsten österreichischen Handelsketten. Auch die Bio-Filialisten Alnatura und Denn‘s, der Großhändler Dennree und der Bundesverband Naturkost Naturwaren unterstützen den Vorstoß. Sie alle eint die Sorge, die EU-Kommission könne der Gentechnik-Lobby nachgeben und die Regeln für die neuen gentechnischen Verfahren aufweichen.
„Als Einzelhändler sind wir voll verantwortlich und haftbar für die Sicherheit aller Produkte, die wir verkaufen“, argumentieren die Unternehmen. Das Risiko, ungeprüfte und nicht gekennzeichnete GVO aus den Verfahren der Neuen Gentechnik ungewollt und unwissentlich zu verkaufen, sei für sie inakzeptabel: „Volle Transparenz und Wahlfreiheit für unsere Kundinnen und Kunden ist einer unserer wichtigsten Werte.“
Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik der grünen Bundestagsfraktion, mahnte die Bundesregierung, sie müsse „die Bedenken der Handelsunternehmen gegenüber jeglicher Deregulierung der neuen Gentechniken wie Crispr/Cas ernst nehmen“. Nachweisverfahren und Nachverfolgbarkeit entlang der gesamten Herstellungskette seien dringend notwendig. Auch die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag forderte die EU-Kommission und die Bundesregierung auf, dem Vorsorgeprinzip zu folgen. Die Landwirtschaft brauche einen Systemwechsel hin zu einer regionaleren, klimagerechteren und sozialeren Lebensmittelproduktion, so Kirsten Tackmann. [vef/lf]

20.05.2021 |

US-Richter weist Glyphosat-Vergleichsvorschlag erneut zurück

Justiz Gericht Gesetz Schild am Eingang eines Gerichts in Newcastle (Foto: smlp.co.uk, https://bit.ly/3TJJODo, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Ein wichtiger Teil des milliardenschweren Glyphosat-Vergleichs der Bayer AG in den USA hängt weiter in der Schwebe. Der US-Bundesrichter Vince Chhabria wies zum zweiten Mal einen Vorschlag zurück, der den Umgang mit künftigen Verfahren regeln sollte. Er empfahl dem Konzern stattdessen, auf Roundup-Verpackungen vor der Krebsgefahr zu warnen.

Um die Glyphosatklagen endgültig beizulegen, braucht Bayer eine Regelung für zukünftige Fälle, in denen Menschen an Lymphdrüsenkrebs erkranken und dies auf den Gebrauch des Herbizids Roundup der Bayer-Tochter Monsanto zurückführen. Dazu hatte das Unternehmen mit Klägeranwälten im letzten Sommer einen ersten Vorschlag gemacht, ihn nach Chhabrias Kritik zurückgezogen und im Februar ein überarbeitetes Konzept vorgelegt. Demnach stellt der Konzern zwei Milliarden US-Dollar für einen Fonds zur Verfügung, aus dem in den nächsten vier Jahren Glyphosatanwender, die an Lymphdrüsenkrebs erkranken, mit bis zu 200.000 US-Dollar entschädigt werden können. Ebenso berechtigt wären Glyphosatnutzer, die bereits erkrankt sind, aber noch keinen Rechtsanwalt mit einer Klage beauftragt haben. Wer die Entschädigung annimmt, würde auf sein Recht verzichten, Bayer auf Strafschadensersatz zu verklagen.

In einer Anhörung zu dem Vorschlag zeigte sich US-Bundesrichter Vince Chhabria skeptisch. Es falle dem Gericht schwer zu beurteilen, ob die Summe angemessen sei, da Bayer keine Angaben über die Höhe der Zahlungen bei den bisher getroffenen außergerichtlichen Einigungen mache und überdies die Zahl der Anspruchsberechtigten nicht abzuschätzen sei, erklärte Chhabria. Er monierte, dass der Vorschlag alle künftig möglicherweise Geschädigten binde, die vor Februar 2021 mit Glyphosat in Berührung kamen. Gleichzeitig sei der Entschädigungsfonds aber nur auf vier Jahre ausgelegt. Chhabria bemängelte auch, dass noch gesunde Roundup-Anwender den Vergleichsvorschlag nicht verstehen könnten, da er „von einem Problem spricht, das zu weit entfernt ist“, zitierte die Agentur Reuters. Sie berichtete auch, dass Chhabria dem Konzern vorschlug, Roundup mit einem Warnhinweis zu versehen. So ließen sich künftige Klagen am besten vermeiden.

Weiterhin kritisch sah der Richter, dass ein Wissenschaftsgremium binnen vier Jahren einen Bericht vorlegen soll, ob und unter welchen Bedingungen Roundup Lymphdrüsenkrebs auslösen kann – als Basis für zukünftige Verfahren. Er könne nicht nachvollziehen, was für einen Vorteil die Betroffenen davon hätten, wenn sie dieser Regelung zustimmen, sagte Chhabria. Schließlich seien alle bisherigen Geschworenenprozesse zu ihren Gunsten ausgegangen. In drei Fällen in erster Instanz wurde Bayer bisher zu hohen Schadensersatzzahlungen verurteil. In zwei dieser Fälle verlor Bayer auch das Berufungsverfahren. Erst vor wenigen Tagen bestätigte ein Bundesgericht, dass der Konzern an den Rentner Edwin Hardemann 25 Millionen Dollar als Schadensersatz und Strafe zahlen muss. Bayer prüfe, das Oberste Gericht, den US Supreme Court, einzuschalten, berichtete das Manager Magazin.

Chhabria kündigte an, die Prüfung des Vorschlags werde einige Zeit in Anspruch nehmen und legte Bayer und den Klägeranwälten nahe, den Vorschlag zurückzuziehen. Es sei üblich, dass Gerichte gewisse Änderungswünsche an solche Vereinbarungen hätten, sagte Bayer gegenüber Reuters: „Wir sind zuversichtlich, die vom Gericht aufgeworfenen Punkte gemeinsam mit den Klägeranwälten lösen zu können.“ Allerdings arbeitet Bayer nur mit einigen Anwälten zusammen, die gut an der Abwicklung eines solchen Vergleichs verdienen würden. Die Organisation U.S. Right to Know berichtete, dass 160 Anwälte von über 90 Kanzleien bei Chhabria ihre Ablehnung des Vorschlags zu Protokoll gegeben hatten. Der Vergleich würde die Rechte künftiger Betroffener beschneiden, während Bayer unbehelligt ein als gefährlich geltendes Produkt weiter vertreiben dürfe, argumentierten sie. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) sieht für den Konzern bloß eine Möglichkeit, die Klage-Welle zu beenden. So lange das Mittel auf dem Markt bleibe, werde es auch Geschädigte und somit Prozesse geben, sagte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann: „Darum muss Bayer die Vermarktung von Glyphosat endlich stoppen.“ [lf]

17.05.2021 |

Indien: Bayer einigt sich in einem Patentstreit um Baumwolle

Baumwolle Indien Foto: Jeremy Evans Thomas / flickr, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0-+-

Sechs Jahre lang stritt die Bayer-Tochter Monsanto mit einem indischen Saatguthersteller über Lizenzzahlungen. Nun haben sich beide Parteien verglichen und damit ein weiteres der vielen Verfahren beigelegt, die Bayer mit der Übernahme von Monsanto mit eingekauft hatte. Es klingt wie ein Erfolg, doch der Verlierer der gesamten Auseinandersetzung heißt Bayer: Im Laufe der Auseinandersetzung attestierten die indischen Wettbewerbshüter dem Konzern Missbrauch seiner Marktmacht und die Regierung legte die Lizenzgebühren für Monsantos Gentech-Baumwolle auf Null fest.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte den Vergleich gemeldet und zitierte Bayer mit den Worten, es habe eine gütliche Einigung gegeben, die offenen Fragen und Streitigkeiten seien gelöst. Bayers Kontrahent, die Nuziveedu Seeds Ltd (NSL), gab gegenüber Reuters keine Stellungnahme ab. Die Agentur berief sich bei den Details ihres Berichts auf eine anonyme, mit dem Vorgang befasste Quelle.

Darum ging es in dem Streit: Monsanto hatte Anfang des Jahrtausends mit dem indischen Hybridsaaatguthersteller Mahyco ein Joint Venture gegründet, um Monsantos gentechnisch veränderte (gv)-Baumwollsaat in Indien zu vertreiben. Nach Angaben von Mahyco Monsanto Biotech (MMB) integrierten 45 indische Saatguthersteller die insektenresistente Bt-Baumwolle in ihre Zuchtlinien – und zahlten dafür Lizenzen. Doch 2015 weigerten sich NSL und andere indische Saatgutanbieter, weiterhin Lizenzgebühren für die patentierte gv-Baumwolle zu zahlen. Sie begründeten dies damit, dass die insektenresistente gv-Baumwolle nicht mehr wirksam sei, da die Schädlinge sich an das von der Pflanze produzierte Gift gewohnt hätten. Außerdem dürfe Monsanto nach indischem Recht gar keine Lizenzgebühren verlangen. Die hindu-nationalistische Regierungspartei BJP unterstützte die Position von NSL.

2018 entschied das höchste indische Gericht, dass MMB das Recht habe, Lizenzgebühren für seine patentierten Baumwolle zu verlangen und im Frühjahr 2019 bestätigten zuerst ein Schiedsgericht und danach der Bombay High Court, dass NSL die seit 2015 aufgelaufenen Lizenzgebühren zahlen müsse. Als Summe wurden in den Medien damals 1,38 Milliarden Rupien genannt, etwa 17 Millionen Euro. Weitaus erfolgreicher war eine Beschwerde von NSL bei den indischen Wettbewerbshütern. Sie kamen 2019 zu dem Ergebnis, dass MMB seine Marktmacht missbraucht habe, um erhöhte Lizenzgebühren zu verlangen. Im März 2020 strich die indische Regierung per Erlass die Lizenzzahlungen für gv-Baumwolle ganz, die sie bereits 2016 deutlich gekürzt hatte.

„Der Streit löste eine Reihe von Gerichtsverfahren, kartellrechtlichen Untersuchungen und Anordnungen des Landwirtschaftsministeriums gegen Monsanto aus, die Monsanto jährlich Dutzende von Millionen Dollar an entgangenen Einnahmen kosteten und schließlich die indische und die US-Regierung auf den Plan riefen“, fasste Reuters die Ereignisse zusammen. Sie dürften Bayer schließlich dazu bewogen haben, einen Vergleich zu schließen. „Es war ein sehr großer Streit ... Das wird eine Erleichterung für beide sein“, zitierte Reuters seine Quelle. Welche Summen in dem nun geschlossenen Vergleich tatsächlich flossen, blieb geheim. [lf]

12.05.2021 |

Oxitec lässt in Florida Gentechnik-Mücken fliegen

Moskito Aedes aegypti Die Ägyptische Tigermücke (Foto: James Gathany, US Department of Health and Human Services / wikipedia, gemeinfrei)

Erstmals wurden in den USA gentechnisch veränderte Moskitos freigesetzt. Sie sollen die dort lebenden Stechmücken dezimieren, die Zika- oder Dengue-Viren übertragen können. Doch hat das schon in anderen Versuchen nicht richtig funktioniert.

In den nächsten drei Monaten werden auf den Florida Keys, einer Inselgruppe 200 Kilometer vor der Südspitze des US-Staates Florida, 140.000 männliche Mücken aus eigens deponierten Eiern schlüpfen. Sie wurden von der britische Firma Oxitec gentechnisch so verändert, dass von ihnen gezeugte weibliche Moskitos im frühen Larvenstadium absterben. Männliche Nachkommen hingegen überleben und geben das geänderte Gen an die nächste Generation weiter. So soll die Population der ägyptischen Tigermücke (Aedis aegypti) eingedämmt werden, die mehrere Krankheitserreger übertragen kann. Zwar mache diese Mückenart laut Oxitec nur vier Prozent der gesamten Stechmückenpopulation auf den Inseln aus, doch gingen fast alle Krankheitsübertragungen auf ihr Konto. Nach diesem ersten Versuch will Oxitec in einer zweiten Welle 20 Millionen Mücken freisetzen. Im kommenden Jahr sollen dann in Florida und Texas über eine Milliarde Gentech-Mücken freigelasssen werden.

Zehn Jahre hatte Oxitec gebraucht, um von den US-Behörden die Zulassung zu diesem Experiment zu bekommen und der Widerstand in der betroffenen Bevölkerung ist nach wie vor groß. Ein Grund für die Ablehnung sind die Erfahrungen bisheriger Versuche von Oxitec etwa in Brasilien. Um 90 Prozent sei die Stechmücken-Population dort zurückgegangen, betont das Unternehmen. Doch 18 Monate nach Beginn der Freisetzungen hatte sich die Population wieder erholt, stellten Wissenschaftler der Universität von Yale fest. Sie fanden zudem in einem Teil der Mücken Erbgut der freigesetzten Gentech-Moskitos und befürchten, dass dadurch besonders robuste Hybrid-Mücken entstehen könnten.

„Körper, Blut und Privateigentum meiner Familie werden in diesem Experiment ohne Sicherheitsstudien am Menschen und ohne meine Zustimmung verwendet", zitierte das Center for Food Safety (CFS) eine der betroffenen Bewohnerinnen von Key West. Jaydee Hanson, politischer Direktor des CFS, kritisierte, dass die Umweltbehörde EPA relevante Dokumente von Oxitec über die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt als vertrauliche Geschäftsinformationen zurückgehalten habe.

Die Kritiker des Versuchs bezweifeln auch, ob es hilft, nur die zugereiste Tigermücke zu bekämpfen, da auch die anderen Mückenarten Krankheiten übertragen könnten. Doch wenn es die Tigermücke sein soll, gebe es auch etablierte gentechnik- und chemikalienfreie Methoden, sie zu dezimieren, berichtete die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). So könnten Tigermücken im Labor mit dem Bakterium Wolbachia infiziert werden, das die Männchen steril macht. Versuche in Indonesien hätten gezeigt, dass sich damit lokal die Rate an Dengue-Infektionen um bis zu 77 Prozent senken lasse. In Kalifornien seien 2018 Millionen dieser Wolbachia-Mücken freigesetzt worden – ganz ohne Akzeptanzprobleme. Eine US-Firma, die diese Technik anbietet, sei derzeit ausverkauft, heißt es in der NZZ.[lf]

09.05.2021 |

Pilotprojekt: Drei Länder kontrollieren Zuckermaissaat

Mais  Foto: CCO Mais Foto: CCO

Nachdem Ende 2019 eine Partie Zuckermais-Saatgut eines niedersächsischen Händlers gentechnisch verunreinigt war, untersuchten jetzt erstmals drei Bundesländer Zuckermaissaat als Pilotprojekt. Sie fanden nichts, wollen aber auch 2022 wieder testen. Routinemäßig wurden bis März bundesweit zehn Sorten Saat auf Gentechnik kontrolliert. In fünf Proben Futtermais wurde man fündig.
Sweet Wonder hieß die Zuckermais-Sorte aus den USA, die ein niedersächsisches Unternehmen im Winter 2019/20 in Deutschland und Europa vertrieben hatte. Ein ungarisches Labor fand darin etwa 0,1 Prozent der gentechnisch veränderten Maislinien MON88017 und MON89034 der Bayer-Tochter Monsanto. Dies löste im Frühjahr 2020 hektische Suchaktionen aus, denn die verunreinigte Saat wuchs bereits auf den Äckern. Greenpeace, Bioland und die IG Saatgut forderten daraufhin die Bundesländer auf, auch Zuckermais in ihre Routinekontrollen mit aufzunehmen. Denn bisher zogen die Saatgutüberwacher der Bundesländer nur Proben von Futtermais. Zuckermais, im Volksmund auch als Gemüsemais bezeichnet, rutschte durchs Raster.
Die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Gentechnik veröffentlichte Tabelle mit den Ergebnissen der Saatgutuntersuchungen von 01.10.2020 bis 31.03.2021 zeigt, dass Niedersachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt insgesamt 23 Proben Zuckermais untersucht haben. Es seien, wie beim Saatgutmonitoring üblich, zehn Prozent der nach Sachsen-Anhalt gelieferten Partien analysiert worden, teilte das dortige Umweltministerium auf Anfrage mit. Dabei habe es sich um verschiedene Sorten aus Neuseeland, Australien und den USA gehandelt. Bayern untersuchte sechs verschiedene Sorten aus Ungarn. Niedersachsen beprobte „16 Prozent der bei zwei Großhändlern zum Verkauf stehenden Zuckermaispartien“, schrieb das dortige Umweltministerium. Es habe sich neben Sweet Wonder um sechs weitere Sorten aus den Herkunftsländern Chile, USA und Frankreich gehandelt. Das Pilotprojekt „Probenahme beim Zuckermaissaatgut“ werde auch im Jahr 2022 fortgeführt. Im Anschluss werde dann über eine Aufnahme der Zuckermais-Beprobung in die Routinekontrolle entschieden. Auch Sachsen-Anhalts Umweltministerium will Zuckermais wegen des bestehenden Verunreinigungsrisikos weiter testen, weist aber auf eine wichtige Lücke hin: „Zuckermaissaatgut wird oftmals, mitunter auch in kleinen Mengen, direkt vom Hersteller bezogen“.
Erfolgreich war die bundesweite Routinekontrolle beim Futtermais: In Bayern war eine Partie der Sorte Bayrossa mit der insektenresistenten Maislinie MIR604 von Syngenta verunreinigt. In Baden-Württemberg waren vier Maisproben aus zwei chilenischen Maispartien mit mehreren Gentechnik-Linien kontaminiert, teilte das dortige Agrarministerium auf Anfrage mit. Neben MIR604 fand sich unter anderem jeweils zweimal der herbizidresistente Mais NK-603 von Monsanto sowie der herbizid- und insektenresistente Mais 59122 „Herculex“ von Pioneer. Die zuständigen Behörden hätten umgehend reagiert und die insgesamt 44 Tonnen betroffenen Maissaatguts vor der Aussaat zurückgerufen, so eine Sprecherin des Ministeriums.
Erstmals seit sieben Jahren wurde bei den Routinekontrollen wieder Leinsaat untersucht. Das dürfte damit zu tun haben, dass Ende vergangenen Jahres in Baden-Württemberg eine gentechnische Verunreinigung in geernteten und teils bereits verkauften Leinsamen gefunden worden war. Die Konsequenz, Leinsaat als Risiko einzustufen und zu testen, zogen allerdings nur die Bundesländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein mit zusammen zehn Proben. Gentechnisch veränderte Leinsaat fanden sie nicht.
Insgesamt hatten die Bundesländer über den Winter 439 Proben Maissaat, 40 Proben Soja und kleinere Mengen an Zuckerrüben-, Sommerraps-, Senf-, Tomaten- und Zucchinisaatgut untersucht. In den nächsten Wochen werden die Behörden vor allem Winterraps beproben, der im Herbst ausgesät wird. [lf/vef]

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