11.01.2022 |

China will Gentech-Mais anbauen

China Fleisch In China steigt der Fleischkonsum rasant - dafür sind enorme Mengen Futtermittel nötig, auch aus Gentechnik-Produktion (Foto: Chelsea Marie Hicks / www.flickr.com/photos/seafaringwoman/6635085253/, CC BY 2.0)

Bisher beschränkte sich der kommerzielle Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in China auf Baumwolle und Pappeln. Nun will die Regierung drei Sorten Gentech-Mais für den Anbau zulassen. Beobachter erwarten weitere Zulassungen für Mais und Soja. Sie sollen die Ernährung der Chinesen sichern und das Land unabhängiger von Importen machen. Gleichzeitig forscht China intensiv mit neuen gentechnischen Verfahren.

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete Ende 2021, dass das chinesische Landwirtschaftsministerium drei gentechnisch veränderten Maissorten die Zulassung für den Anbau erteilen will. Die Unterlagen dafür lägen bis 17. Januar zur Kommentierung aus. Weitere Zulassungen seien geplant. Bei den drei Sorten handelt es sich um herbizid- und insektenresistenten Mais, der von chinesischen Unternehmen entwickelt wurde. Es sei noch unklar, wann die neuen Sorten für einen Markteintritt bereit stünden, schrieb Reuters.
Bereits Mitte November hatte das Ministerium neue Regeln veröffentlicht, um solche Zulassungsverfahren zu vereinfachen. Dies zeige den Saatgutherstellern einen klaren Weg für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen auf, schrieb Reuters damals. Durch die vorgeschlagenen Änderungen könnten bereits auf ihre Sicherheit hin überprüfte gentechnisch veränderte Merkmale, die von chinesischen Unternehmen entwickelt wurden, in einem Jahr marktreif sein.

Die chinesische Global Times berichtete im Dezember, dass Ende des Jahres oder Anfang 2022 eine weitere Serie von Sicherheitszertifikaten für gentechnisch verändertes Saatgut ausgestellt würde. Dies wäre eine Voraussetzung für weitere Zulassungen, vor allem von Mais und Soja-Sorten. Zudem habe die Regierung ein überarbeitetes Saatgutgesetz verabschiedet, das am 1. März 2022 in Kraft treten werde. Es solle den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums stärken, schrieb Global Times. Offensichtlich hat die chinesische Regierung erkannt, dass solche Regelungen notwendig sind, damit chinesische Biotech-Unternehmen zu den großen Gentechnikkonzernen aufschließen können.

Bereits seit Jahren investiert China stark in gentechnische Pflanzenforschung. Doch bisher hielt sich die Regierung beim Anbau zurück. Gleichzeitig importierte sie große Mengen an gentechnisch verändertem Mais und Soja als Futtermittel für die riesigen Schweine- und Hühnerbestände des Landes. Beobachter vermuten, dass der nun offensichtliche Kurswechsel vor allem dazu dient, die Ernährung der 1,4 Milliarden Chinesen sicherzustellen. Bereits im vergangenen Jahr hatte China große Maismengen aufgekauft und gleichzeitig Büros geschlossen, die Markt- und Anbauzahlen aus China veröffentlichten. „Verschleiert China das wahre Ausmaß seiner Rohstoffknappheit?“, fragte damals agrarheute.com.

Die Hongkonger South China Morning Post berichtete, dass Chinas oberste Führung das Saatgut und den Ertrag pro Einheit verbessern wolle, um die heimische Getreideversorgung zu sichern und die Selbstversorgung zu stärken. China sei der weltweit größte Abnehmer von Agrarerzeugnissen, von Sojabohnen und Mais bis hin zu Raps und Palmöl. „Die Anfälligkeit des Landes ist angesichts der Handelsspannungen mit wichtigen Lieferanten wie den USA und des weltweiten Anstiegs der Agrarrohstoffpreise deutlich geworden“, analysierte die Zeitung. Agrarheute.com wies in seiner Analyse darauf hin, dass Staatspräsident Xi Jinping bei einer Agrarkonferenz persönlich die herausragende strategische Bedeutung eines gesicherten Angebots an Lebensmitteln betont habe.

Die nun anstehenden Anbauzulassungen beschränken sich anscheinend noch auf Sorten, die mit alter Gentechnik hergestellt wurden. Doch auch bei neuen gentechnischen Verfahren ist China Weltspitze. Rund 75 Prozent der weltweiten Patente für Genome Editing in der Landwirtschaft kämen aus China, zitierte die Zeitschrift Fortune Erik Fyrwald, Vorstand des Gentechnikkonzerns Syngenta, der dem chinesischen Staatsunternehmen ChemChina gehört. „China ist nicht nur ein Akteur in diesem Bereich, sondern hat sich zu einem klaren Marktführer entwickelt“, sagte Frywald laut Fortune. (lf)

21.12.2021 |

Lemke: Koalitionsvertrag sieht keine Änderung des EU-Gentechnikrechts vor

EU Rat Ministerrat Foto: The Council of the European Union

Die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat klargestellt, dass die Koalition das bestehende EU-Gentechnikrecht nicht ändern will. Auf einer Sitzung der Umweltminister der EU-Staaten betonte Lemke, dass der Koalitionsvertrag eine solche Änderung nicht vorsehe. Bezüglich der fachlichen Bewertung der Crispr/Cas-Verfahren gelte die bekannte Position des Ministeriums, teilte Lemkes Pressesprecher mit. Friends of the Earth Europe und Global 2000 thematisierten zum Umweltministerrat die Lobby-Aktivitäten der Gentechnikkonzerne bei der EU-Kommission.

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung kommt das Wort Gentechnik nicht vor. Daraus schließt die Bundesumweltministerin, dass die Bundesregierung das EU-Gentechnikrecht nicht ändern will – sonst stünde das ja als Vorhaben im Vertrag. Damit hat Steffi Lemke die erste Gelegenheit genutzt, um dem Regierungshandeln beim Thema Gentechnik eine klare Richtung zu geben.

Die Gelegenheit dazu bot der gestrige Umweltministerrat, zu dem sich die Umweltminister der EU-Staaten in Brüssel trafen. Die österreichische Delegation hatte ein kurzes Positionspapier zu der von der EU-Kommission geplanten Änderung des Gentechnikrechts eingereicht. Unterstützt von Zypern, Luxemburg und Ungarn betonte Österreich die Bedeutung des Vorsorgeprinzips gerade bei neuen Techniken, bei denen noch keine oder nur wenige Erfahrungen mit möglichen Gesundheits- oder Umweltauswirkungen vorlägen. Es sei von „äußerster Wichtigkeit“, dass das hohe Sicherheitsniveau und die Wahlfreiheit der Verbraucher auch für mit neuer Gentechnik hergestellte Pflanzen erhalten bleibe, heißt es in dem Papier.

Zwar stand das Positionspapier ganz am Ende der Tagesordnung und es gab auch nur eine kurze Aussprache dazu. Doch es war das erste Mal, dass sich die Umweltminister der EU-Länder mit der geplanten Änderung des Gentechnikrechts befassten. Bisher hatten sich nur die Agrarminister mit dem Thema beschäftigt. In ihrem Statement vor den EU-Kollegen bedankte sich Ministerin Lemke bei Österreich für diesen Vorstoß, den sie unterstütze. „Der Koalitionsvertrag, auf dem die neue deutsche Bundesregierung basiert, sieht keine Notwendigkeit einer Novellierung der jetzt gültigen Regulierung“, sagte Lemke. Aus Umweltsicht sei es zwingend, das Vorsorgeprinzip auch im Zulassungsverfahren zu wahren und eine Risikobewertung ohne Abstriche vorzusehen. Zudem sollten die Risiko- und Nachweisforschung ausgebaut werden. Auch müsse die Koexistenz unterschiedlicher Anbauformen gewahrt bleiben. Auf keinen Fall dürften agrarökologische Wachstumsbranchen gefährdet werden. Mit diesem klaren Statement kam die Minsterin einer im Vorfeld von mehreren Umweltorganisationen geäußerten Bitte nach, das Wort für eine strenge Regulierung zu ergreifen.

Zur Ratssitzung veröffentlichten Friends of the Earth Europe und Global 2000 eine Recherche, die aufzeigt, wie sich große Agrarkonzerne über das Patentrecht den Zugriff auf neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas sicherten. So verfüge der Konzern Corteva, hervorgegangen aus den Agrarsparten von Dow und DuPont/Pioneer, über einen Pool von rund 50 Patenten. Wer die Crispr-Technologie kommerziell nutzen wolle, müsse teure Vermarktungslizenzen beantragen, schreibt Global 2000. Die Recherche schildert auch die Lobby-Anstrengungen der Konzerne für eine Deregulierung des Gentechnikrechts. Sie hätten dafür seit 2018 mindestens 36 Millionen Euro aufgewendet. Zudem habe es seit 2018 182 Treffen von Gentechnik-Lobbyisten mit EU-Kommissaren, ihren Kabinetten und Generaldirektoren gegeben, heißt es in der Recherche. Die Deregulierungspläne der Kommission seien ein deutliches Beispiel dafür, wie stark große Agrar- und Biotechnologiekonzerne auf politische Entscheidungsprozesse einwirken würden. Brigitte Reisenberger, Gentechniksprecherin von Global 2000, appellierte deshalb an den Ministerrat: „Die Umweltminister:innen haben die Möglichkeit aufzustehen, und die strenge Regulierung der Gentechnik zu verteidigen, zum Wohle der Natur und der Ökosysteme.“ In ihren Statements taten das neben Lemke die Minister aus Rumänien, Ungarn, Luxemburg, Zypern, Frankreich und der Slowakei. Die Vertreter von Estland, Dänemark, Tschechien und den Niederlanden stellten sich hinter die Pläne der EU-Kommission. [lf]

14.12.2021 |

Schweiz: Ständerat will Moratorium aufweichen

Schweiz Gentechnikfrei Foto: Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)

Der Ständerat, die zweite Kammer des Schweizer Parlaments, will das Schweizer Anbaumoratorium für gentechnisch veränderte Pflanzen abändern. Künftig sollen gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas nur noch unter das Moratorium fallen, wenn durch sie fremdes Erbgut eingefügt wird. Nachdem der Nationalrat, die erste Kammer, das Moratorium ohne Änderung verlängern wollte, müssen beide Kammern nun einen Kompromiss finden.

Der Ständerat besteht aus 46 Vertretern der Kantone und gilt als wirtschaftsfreundlich und konservativ. Das Gremium beschloss, die von der Schweizer Regierung, dem Bundesrat, vorgeschlagene Verlängerung des Ende 2021 auslaufenden Moratoriums abzuändern: Gentechnisch veränderte Organismen, denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde, sollen von der Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis Ende 2025 ausgenommen werden. Nachdem die Abstimmung ein Patt ergab, entschied im Stichentscheid die Stimme von Ständeratspräsident Thomas Hefti. Das gleiche Patt hatte es bereits zwei Wochen zuvor in der Wissenschaftskommission des Ständerats gegeben. In seinem Beschluss beauftragte der Ständerat zudem die Regierung, im Laufe des Jahres 2022 einen Bericht zu erarbeiten. Er soll die rechtlichen Möglichkeiten aufzeigen, die genannten gentechnischen Verfahren vom Gentech-Moratorium auszunehmen.

Im Schweizer Parlament sind beide Kammern gleichberechtigt. Die Angelegenheit geht nun zurück in den Nationalrat, der sich laut der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in der kommenden Frühlingssession mit dem Votum des Ständerats befassen wird. Dreimal können beide Kammern die Angelegenheit hin- und herschieben, dann tritt eine Einigungskonferenz aus beiden Kammern zusammen, die einen Kompromiss finden muss, der dann beide Kammern bindet. Dass das geltende Moratorium Ende 2021 ausläuft, sei kein Problem – es würden einfach bis zur Bereinigung des Gesetzes keine Versuchsprojekte bewilligt, heißt es in der Bauernzeitung.

Paul Scherer, Geschäftsführer der Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) bestätigte im Gespräch mit dem Infodienst, dass der Bundesrat mitgeteilt habe, eventuelle Zulassungsanträge für den Anbau zu sistieren, also auf Eis zu legen, bis das Gesetz beschlossen sei. Scherer rechnet mit einer endgültigen Entscheidung über das Moratorium inklusive einer möglichen Einigungskonferenz noch im Frühjahr 2022.

Die SAG und die Kleinbauern-Vereinigung bedauerten die vom Ständerat beschlossene Abschwächung. Sie führe zu „einer immensen Rechtsunsicherheit für Produzent:innen sowie Konsument:innen“ Der Beschluss gefährde die Existenz aller Branchen, die auf gentechnikfreie Produktion fokussieren ebenso wie die gentechnikfreie Produktion als Alleinstellungsmerkmal der Schweizer Qualitätsproduktion. Um dies zu vermeiden, appellierten SAG und Kleinbauern-Vereinigung an den Nationalrat, seinen Beschluss aufrecht zu erhalten und nicht dem Ständerat zu folgen.

Der Schweizer Bauernverband wertete die Entscheidung des Ständerats als „Schuss ins Abseits“. Bevor die neuen Züchtungsmethoden ausgenommen werden könnten, brauche es eine saubere Klärung, wie diese künftig sinnvoll reguliert werden könnten, schrieb der Verband. Damit schließt die größere der beiden Schweizer Bauernvereinigungen eine Deregulierung nicht völlig aus. Denn wichtige Erzeugerverbände wie der Schweizer Obstverband, der Verband Schweizer Gemüseproduzenten oder die Schweizer Kartoffelproduzenten setzen auf neue gentechnische Verfahren. Sie haben sich mit den größten Einzelhändlern der Schweiz – Migros, Coop und Denner – sowie dem Konsumentenverband im Verein Sorten für morgen zusamengeschlossen. Er will genau jene gentechnischen Verfahren voranbringen, bei denen kein artfremdes Erbgut in einen Organismus eingefügt wird. Der Verein wertete den Beschluss des Ständerats als „einen Schritt in die richtige Richtung“. Der Verein erwartet nun vom Bundesrat, „dass er verschiedene Regelungsansätze aufzeigt, die danach in der Gesellschaft breit und faktenbasiert zu diskutieren sind.“ Das bloße Verlängern des Moratoriums um weitere vier Jahre stelle keine Zukunftsstrategie dar. [lf]

08.12.2021 |

Glyphosatzulassung: Verband kritisiert Behördenbericht als verzerrt

Glyphosat Herbizid Herbizid im Einsatz (Foto: Chafer Machinery / flickr, Chafer Sentry, Applying Defy at 250l/ha on wheat land in Lincolnshire, bit.ly/29E6Sk4, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Die französische Organisation Générations Futures (GF, dt.: künftige Generationen) hat einen vorläufigen amtlichen Bericht zu den Risiken von Glyphosat als verzerrt und unzureichend kritisiert. Die vier nationalen Behörden, die den Bericht im Auftrag der Europäischen Union (EU) für eine mögliche Neuzulassung des Unkrautvernichters verfassten, hätten Tausende oft kritischer Studien als nicht relevant eingestuft, so GF. Ihre Stellungnahme ist einer von mehr als 400 Kommentaren, die während einer zweimonatigen Konsultation der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zu Glyphosat eingingen.

Soll in der EU ein Pestizid zugelassen oder seine Zulassung verlängert werden, erstellen im Sinne der Arbeitsteilung Behörden ausgewählter Mitgliedsländer einen Entwurf für die Risikobewertung des Wirkstoffs. Im Fall des laufenden Verlängerungsantrags für Glyphosat waren das Frankreich, Ungarn, die Niederlande und Schweden. Wie berichtet bewertete ihr im September veröffentlichter Report (RAR) Glyphosat als unschädlich für Gesundheit und Umwelt. Générations Futures (GF) haben das 11.000 Seiten-Werk seither genauer analysiert: Aus den vergangenen zehn Jahren liste der RAR-Bericht 7781 wissenschaftliche Arbeiten zu Glyphosat auf. Sie beschrieben, wie giftig und umweltschädlich das Totalherbizid sei und wie es auf menschliche und tierische Hormone wirke. Von diesen Arbeiten hätten die Länderbehörden 6644 als irrelevant aussortiert. GF gehen davon aus, dass die Behörden dafür in der Regel nur den Titel und die Kurzzusammenfassung der Studien gelesen haben.

Von den verbleibenden 1137 Studien stuften die Behörden nach GF-Analyse ganze 30 als so relevant und hilfreich ein, dass sie in die Risikoabschätzung einbezogen wurden. Aussortiert worden seien etwa alle Studien, die nicht an Säugetieren durchgeführt wurden oder solche, die die Wirkung von Glyphosat auf der Ebene der Zellen erforschten. Auch Studien aus Asien oder Südamerika seien unter den Tisch gefallen, weil sie nicht vergleichbar mit den Bedingungen in Europa seien. Nach den Regeln für Pestizidzulassungen in der EU sollen die Behörden neben der Relevanz auch prüfen, wie verlässlich die Studien sind, also wie belastbar und aussagekräftig die angewandten Methoden. Dieser Prozess sei intransparent verlaufen und ein von der EU-Kommission für diese Prüfung vorgesehenes Verfahren nicht angewandt worden, kritisierte Générations Futures. Ferner seien die meisten Industriestudien, auf die sich der RAR vor allem stützt, alt und untauglich. Dies hatte der Wiener Toxikologie-Professor Siegfried Knasmüller bereits im September in einem Bericht aufgezeigt. Jetzt legte er noch eine Untersuchung nach, in der er elf von den Herstellern neu vorgelegte Studien analysierte. Nur zwei davon bewertete er als zuverlässig.

Damit sich die EFSA mit diesen Argumenten offiziell auseinandersetzen muss, haben Générations Futures und Knasmüller ihre Berichte in die öffentliche Konsultation der EFSA zu Glyphosat eingespeist, die am 22. November zu Ende ging. Unter den mehr als 400 Kommentaren, die alle öffentlich zugänglich sind, waren 144 aus Argentinien, 125 aus Frankreich und 29 aus Deutschland, heißt es auf der EFSA-Webseite. In Argentinien und Frankreich hätten sich mehrere Agrarverbände beteiligt, die sich der Bewertung des RAR anschlossen oder deren Mitglieder betonten, wie wichtig Glyphosat für ihre Arbeit sei. Zahlreiche Kommentare stammten von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern, die oft einzelne neue Arbeiten oder ganze Verzeichnisse unberücksichtigter Studien an die Kommission schickten. Auch der Umweltverband BUND hatte sich an der Konsultation beteiligt. „Die Gefahren von Glyphosat sind enorm. Zusätzlich zur Bedrohung der Artenvielfalt stellt das Totalherbizid ein Krebsrisiko für Menschen dar“, fasste Martha Mertens, Sprecherin des BUND-Arbeitskreises Gentechnik, die Argumente zusammen. Die Biologin betonte, dass bei der Risikobewertung die Wirkung von Glyphosat auf Mikroorganismen im Boden und im Verdauungstrakt von Tieren „bisher komplett unterschätzt wurde“.

Nach Abschluss der Konsultation werden der Antragsteller und die berichterstattenden Mitgliedsstaaten (AGG) gebeten, auf alle eingegangenen Stellungnahmen zu reagieren, schreibt die EFSA auf ihrer Webseite. „Die EFSA ermittelt dann alle noch offenen Fragen, die ihrer Ansicht nach in einer Sachverständigensitzung behandelt oder weiterverfolgt werden müssen, und fordert gegebenenfalls zusätzliche Informationen vom Antragsteller an.“ Danach müsse die AGG einen überarbeiteten Risikobericht vorlegen. Mit einer endgültigen Risikobewertung der europäischen Behörden sei in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu rechnen. Das letzte Wort werden dann die EU-Mitgliedsstaaten haben. Anders als 2017 der Vertreter des CSU-Agrarressorts ist die neue deutsche Ampelkoalition dagegen, Glyphosat in der EU über 2022 hinaus zu genehmigen. Die aktuelle Zulassung läuft am 15.12.2022 aus. [lf/vef]

02.12.2021 |

EU-Kommission: Neue Gentechnik ist Teil des Green Deal

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296 Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296

Für Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Verbraucherschutz, sind neue gentechnische Verfahren notwendige Innovationen, um Klimawandel und Umweltprobleme zu bewältigen. Das sagte sie auf einem von ihrer Behörde organisierten High Level Event in Brüssel und machte deutlich, dass sie für diese Techniken einen neuen rechtlichen Rahmen schaffen will. Deregulierung will sie das allerdings nicht nennen.

Schritt für Schritt geht die EU-Kommission ihren Weg hin zu einer Änderung des Gentechnikrechts. Nach dem Abschluss einer ersten Konsultation zu ihren Plänen veranstaltete sie ein High Level Event, dessen Titel klar die Richtung wies: „Neue Gentechniken - der Weg zu sicheren und nachhaltigen Innovationen in Land- und Lebensmittelwirtschaft“. Auch die Themen der drei Podien waren entsprechend formuliert: Wie können Produkte der neuen Gentechnik ihren Nutzen entfalten, welche Risikoabschätzung ist angemessen und wie können die Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen?

Besetzt waren die Podien für EU-Verhältnisse fast ausgewogen mit Kritikern und Befürwortern der neuen Gentechnik. Doch in ihren Ansprachen zu Beginn machten sowohl Kommissarin Kyriakides als auch Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans deutlich, dass sie an die Heilsversprechen der neuen Gentechnik glauben und für diese Verfahren einen neuen Rahmen zimmern wollen, wie es Kyriakides formulierte. Es gehört zu den Standardaussagen der Kommisarin, dass dieser Rahmen das derzeitige hohe Level an Schutz und Sicherheit erhalten müsse. Auch gilt offiziell noch immer, dass das anstehende Impact Assessment der Kommission verschiedene politische Optionen untersuchen werde, auch die Beibehatung des Status quo. „Das Ergebnis ist derzeit noch offen“, schrieb Kyriakides dem Verband Lebensmittel ohne Gentechnik. Man könnte das auch so verstehen, dass das Ergebnis noch nicht veröffentlicht ist – aber alle ahnen, was angesichts der politischen Haltung der Kommission herauskommen wird.

Zahlreiche Organisationen machten in ihren Stellungnahmen zum High Level Event deutlich, dass sie den Beteuerungen der Kommission von einem offenen Ausgang des Verfahrens nicht glauben. Die Kommission verweigere ein Bekenntnis zu Transparenz und Wahlfreiheit, sagte Heike Moldenhauer, Generalsekretärin der ENGA (European Non-GMO Industry Association). Und weiter: „Die Risikobewertung für das Gros mit neuer Gentechnik erzeugter Pflanzen will sie ganz abschaffen“. Die 100 Mitgliedsorganisationen des Dachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR) erklärten, es erfülle sie „mit großer Sorge, dass die EU-Kommission derzeit eine Deregulierung neuer Gentechnikverfahren vorantreiben will, wozu sie aktuell ein Impact Assessment erarbeitet. An dessen Ende soll ein Gesetzgebungsvorschlag stehen, mit dem nach dem Willen der Kommission neue Verfahren der gentechnischen Veränderungen von Pflanzen in Europa künftig nicht mehr der Risikoprüfung, der Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit unterworfen wären.“

Angesichts des offensichtlichen Willens der Kommission zur Deregulierung richten Umwelt- und Bioverbände ihr Augenmerk auf die neue Bundesregierung. So erwarten die DNR-Verbände „von der neuen Regierungskoalition und den Bundesländern, dass sie sich im Rahmen der Diskussion über eine mögliche neue Regulierung gentechnischer Verfahren nachdrücklich für die weiterhin strikte Regulierung auch der neuen Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas einsetzen“. Kennzeichnungs- und Zulassungsregeln müssten unbedingt weiterhin gelten, auch für die neuen Gentechnikverfahren, sagte Alexander Gerber, Vorstand des Bioverbandes Demeter und appellierte an die beiden grünen Regierungsmitglieder Lemke und Özdemir: „Nehmt den Willen der Wählerinnen und Wähler ernst – und setzt ein klares Zeichen für die Wahlfreiheit!“ [lf]

29.11.2021 |

Grüne Minister: Verbände fordern Wahlversprechen zur Gentechnik ein

Steffi Lemke und Cem Özdemir (rechts) 2017 beim Wahlmarathon in Halle. Foto: Bündnis 90/ Die Grünen Steffi Lemke und Cem Özdemir (rechts) 2017 beim Wahlmarathon in Halle. Foto: Bündnis 90/ Die Grünen

„Gentechnik hat auf dem Acker nichts verloren“, schreibt die designierte grüne Umweltministerin Steffi Lemke (53) auf ihrer Webseite. Der avisierte grüne Agrarminister Cem Özdemir (55) hat sich bislang eher in der Außen- und Verkehrspolitik profiliert. Umwelt- und Bauernverbände appellieren an die Ampelkoalition, ihre Wahlversprechen umzusetzen und Gentechnik in der Landwirtschaft streng zu regulieren.
So fordern die 100 Mitgliedsorganisationen des Dachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR), gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas auch in Zukunft europaweit „nach den Prinzipien der Wahlfreiheit und der Vorsorge strikt zu regulieren und damit die Rechte von Verbraucher*innen und Landwirt*innen zu stärken“. „Der EU-Kommission muss klarwerden, dass eine Gentechnik-Deregulierung keine Option ist“, ergänzt Alexander Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel Ohne Gentechnik (VLOG). Die neue Bundesregierung „kann und muss als gewichtige Stimme in der EU entscheidend dazu beitragen, sie davon zu überzeugen“. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Transparenz bei gentechnisch veränderten (gv) Produkten sei nur realisierbar, „wenn auch Produkte aus neuen Gentechnik-Verfahren als Gentechnik reguliert bleiben und entsprechend gekennzeichnet werden“, so Hissting.

Dieses klare Bekenntnis vermisst die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft im Koalitionsvertrag. „Die gentechnikkritische Bewegung wird weiter wachsam sein und für das Recht auf gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung kämpfen“, kündigt sie der Ampelregierung an. Wie der Infodienst berichtete, heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrags bisher lediglich, die Partner „stellen Transparenz über Züchtungsmethoden her und stärken die Risiko- und Nachweisforschung.“ Die Gentechnik wird nicht explizit angesprochen. Im Wahlprogramm planten die Grünen für neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas noch „eine Regulierung, die unkontrollierbare Verbreitung ausschließt, sowie eine verbindliche Kennzeichnung“ gemäß dem europäischen Vorsorgeprinzip.

Der Koalitionsvertrag biete im Agrarbereich Lichtblicke wie ambitionierte Aussagen zur Pestizidreduktion und zum Ausbau des Ökolandbaus, meint der Bund für Umwelt- und Naturschutz BUND salomonisch. „Das muss flankiert werden durch ein Nein zur Gentechnik“, fordert BUND-Expertin Daniela Wannemacher. „Es ist gut, dass Transparenz und Risikoforschung, ökologische und konventionelle Züchtung und Forschung für den Ökolandbau gestärkt werden; die weitere Regulierung der Gentechnik muss allerdings auch gesichert sein.“
Zu der überraschenden Entscheidung der Grünen, den Sozialpädagogen Özdemir anstelle des ursprünglich avisierten Biologen Anton Hofreiter zum Agrarminister machen zu wollen, äußerten sich die Umweltverbände nicht. Stattdessen begrüßte der Präsident des deutschen Bauernverbandes, Joachim Ruckwied, die Nominierung des pragmatischen Landsmanns aus Baden-Württemberg. Die Bekanntheit des ehemaligen grünen Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten Özdemir stärke das Agrarministerium, meint Ruckwied. Und ein Bauer sagt dem Portal „agrarheute“ ganz offen, er habe „im Landwirtschaftsministerium lieber einen Realo sitzen als jemanden vom linken Flügel.“ Eine Agraringenieurin wie Steffi Lemke als Umweltministerin könne auch nicht schaden, meint der Landwirt. Sie kenne zumindest aus dem Studium die Perspektive der Landwirtschaft. Ob das alles so kommen wird, darüber entscheiden bis zum 6.12. die Mitglieder oder Parteigremien der Ampelparteien. Stimmen sie Koalitionsvertrag und Personaltableau zu, soll Olaf Scholz (SPD) in der Nikolauswoche zum Bundeskanzler gewählt werden. [vef]

24.11.2021 |

Ampelkoalition: grün für Gentechniknachweis und Risikoforschung

Ampel grün Foto: Rainer Sturm/pixelio

In der ersten Ampelkoalition auf Bundesebene werden die Grünen das Landwirtschaftsministerium, das Umweltressort sowie das neu gestaltete Ministerium für Wirtschaft und Klima besetzen. Das sieht der Entwurf eines Koalitionsvertrags vor, den SPD, Grüne und FDP heute vorstellten. Er muss noch von den Parteigremien verabschiedet werden. Das Konfliktthema Agrogentechnik wurde kaschiert.
Wie berichtet hatten sich SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen gegen den Einsatz von (neuer) Gentechnik in der Landwirtschaft ausgesprochen, die Liberalen dafür. Im Abschnitt Landbau der Koalitionsvereinbarung soll es jetzt heißen: „Die Züchtung von klimarobusten Pflanzensorten wollen wir unterstützen. Dazu verbessern wir die Rahmenbedingungen auch für Populationssorten, fördern Modellprojekte wie Crowd-Breeding, Digitalisierung, stellen Transparenz über Züchtungsmethoden her und stärken die Risiko- und Nachweisforschung.“
Diese Formulierungen vermeiden, ebenso wie der von CDU-Agrarministerin Julia Klöckner geprägte Begriff der „neuen molekularbiologischen Züchtungstechniken“, das Wort Gentechnik. Zugleich lassen sie einigen Interpretationsspielraum. Die Grünen können unter „Transparenz über Züchtungsmethoden“ ihre Forderung subsumieren, dass gentechnisch veränderte Pflanzen gekennzeichnet und damit rückverfolgbar sein müssen, selbst wenn sie mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas nur punktuell verändert wurden. Die Risikoforschung, die gestärkt werden soll, kann sich natürlich auch mit den Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen für Gesundheit und Umwelt befassen. Und Nachweismethoden für Produkte neuer gentechnischer Verfahren fordert die Ökopartei seit 2018 vehement, nachdem der Europäische Gerichtshof klargestellt hatte, dass diese nach Gentechnikrecht in Europa genehmigt werden müssen.
Dass die Grünen beide zuständigen Ministerien besetzen werden – Landwirtschaft wie Umwelt – erhöht die Chancen, dass diese Interpretationen den Weg in die praktische Politik finden. Mit einem – wie das Handelsblatt spekuliert – Agrarminister Anton Hofreiter und einer Umweltministerin Steffi Lemke sollten die Grabenkämpfe zwischen den beiden Ministerien, wo sich in Groko-Zeiten Agrar- (CDU) und Umweltressort (SPD) gegenseitig blockierten, der Vergangenheit angehören. Und noch ein Punkt spricht für eine gentechnikkritische Interpretation des Vertragswerks: das klare Bekenntnis zum ökologischen Landbau. 30 Prozent Flächenanteil bis zum Jahr 2030 ist die Vorgabe. Dabei müssen Bioprodukte grundsätzlich gentechnikfrei produziert werden.
Einen Trumpf hat allerdings auch die gentechnikfreundliche FDP im Spiel: das Forschungsministerium. „Wir wollen in allen Anwendungsgebieten biotechnologischer Verfahren forschen und die Ergebnisse nutzen“, heißt es im Vertragsentwurf der Ampelkoalition. Das schließt nach liberaler Lesart sicher auch die Erforschung neuer gentechnischer Verfahren wie Crispr/Cas, Talen und Co. mit ein. Was die Nutzung in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion angeht, müsste man sich dann mit den grünen Kollegen von Agrar- und Umweltressort verständigen. Womöglich wird künftig hier eine Konfliktlinie verlaufen. [vef]

22.11.2021 |

Brasilien öffnet seinen Markt für argentinischen Gentech-Weizen

Weizen Foto: Alexander Schimmeck / flickr, -+-Weizen - Wheat, bit.ly/2acvv7R, Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

Die brasilianische Gentechnikbehörde CTNBio hat die Einfuhr von Weizenmehl erlaubt, das aus dem gentechnisch veränderten Weizen HB4 der argentinischen Firma Bioceres hergestellt wurde. Doch die brasilianischen Weizenverarbeiter wollen von den Gentech-Körnern nichts wissen. Sie fürchten um ihre Märkte.

Vor gut einem Jahr bekam das Unternehmen Bioceres von den argentinischen Behörden die Erlaubnis, seinen dürretoleranten Gentechweizen der Linie HB4 kommerziell zu vermarkten. Auf 55.000 Hektar wurde die gentechnisch veränderte (gv) Pflanze laut Firmenangaben 2021 bereits angebaut. Die Ernte werde gerade eingefahren. Allerdings knüpfte die Genehmigungsbehörde die Vermarktung der Körner daran, dass der Weizen im Nachbarland Brasilien, dem wichtigsten Abnehmer, auch verkauft werden darf. Diese Hürde hat Bioceres mit der Genehmigung genommen. Das Unternehmen betonte, dass CTNBio nach einer rigorosen Sicherheitsüberprüfung bestätigt habe, dass von dem verarbeiteten Weizen kein Risiko für die Gesundheit ausgehe.

Die brasilianischen Weizenverarbeiter hat CTNBio mit seiner Zulassung nicht überzeugt. Schon im Vorfeld hatte der Verband der Weizenindustrie Abitrigo ebenso wie die Organisationen der Bäcker und der Teigwarenhersteller erklärt, dass sie gv-Weizen ablehnen und keinen argentinischen Weizen mehr kaufen würden, sollte dort in großem Stil HB4-Weizen angebaut werden. Sie begründeten ihre Haltung mit Sicherheitsbedenken und der Ablehnung von gv-Weizen in der Bevölkerung. Auf die Genehmigung hin teilte Abitrigo mit, man werde Einspruch erheben. Gleichzeitig verlangte der Verband, unverzüglich den aus mehreren Ministern bestehenden Nationalen Ausschuss für biologische Sicherheit einzuberufen. Dieses Gremium, das seit zehn Jahren nicht mehr getagt hat, soll umfassend analysieren, wie sich gentechnisch veränderter Weizen aus Argentinien auf dem brasilianischen Markt auswirken würde. Bis dahin soll die Entscheidung der CTNBio nach dem Willen des Verbandes ausgesetzt werden.
Das argentinische Magazin La Tinta meldete, dass in Argentinien die Staatsanwaltschaft Bundesrichter aufgefordert habe, die letztes Jahr erteilte Zulassung von HB4 unverzüglich auszusetzen. Die Staatsanwälte warnen laut La Tinta, dass die Genehmigung des Landwirtschaftsministeriums gegen Artikel 41 der nationalen Verfassung verstoße, der das Recht auf eine gesunde Umwelt garantiert. Die Agentur Reuters meldete, argentinische Getreideexporteure hätten ihre Regierung gebeten, die Landwirte zu ermitteln, die HB4 angebaut hätten. Sie würden aus diesen Regionen keinen Weizen mehr aufkaufen.

Sowohl in Brasilien als auch in anderen lateinamerikanischen Ländern engagieren sich schon seit einem Jahr zahlreiche Organisationen mit der Kampagne „Nicht mit unserem Brot“ gegen den Gentech-Weizen. HB4 ist weltweit der erste gv-Weizen, der eine Zulassung für den kommerziellen Anbau erhalten hat. Die Pflanze enthält ein Gen der Sonnenblume, mit dessen Hilfe sie Hitze und Salz besser aushalten soll als herkömmlicher Weizen. Zudem ist sie resistent gegen das Herbizid Glufosinat. Seit 17 Jahren hat die argentinische Firma Bioceres die Pflanze entwickelt, zusammen mit dem französischen Pflanzenzüchter Florimond Desprez. Die ersten Feldversuche starteten bereits 2009. Dabei soll der Weizen nach Firmenangaben bei Trockenheit bis zu 20 Prozent höhere Erträge geliefert haben als Vergleichssorten. [lf]

15.11.2021 |

Schwerin: rot-rote Koalition fordert Zulassung neuer Züchtungstechniken

Die rot-rote Koalitionsvereinbarung in Mecklenburg-Vorpommern spricht sich für neue gentechnische Verfahren aus (Foto: unsplash / pixabay, CC0) Die rot-rote Koalitionsvereinbarung in Mecklenburg-Vorpommern spricht sich für neue gentechnische Verfahren aus (Foto: unsplash / pixabay, CC0)

In der am Wochenende von den Parteigremien von SPD und "Die Linke" verabschiedeten Koalitionsvereinbarung für Mecklenburg-Vorpommern findet sich ein Absatz zu neuen gentechnischen Verfahren. Beide Parteien fordern darin Bund und Europäische Union (EU) auf, neue Züchtungstechniken „zuzulassen“. Gentechnikkritiker fürchten, dass nun auch bei den laufenden Koalitionsverhandlungen im Bund die bisher ablehnende Position der SPD wackeln könnte. Denn der alte und neue mecklenburg-vorpommersche Landwirtschaftsminister Till Backhaus leitete für die SPD die Verhandlungen der Arbeitsgruppe Landwirtschaft für den künftigen Ampel-Vertrag auf Bundesebene.

Der Passus in der Koalitionsvereinbarung von Mecklenburg-Vorpommern (MV) lautet: „Der wissensbasierte Einsatz neuer Züchtungsmethoden ist in Zeiten des Klimawandels notwendig. Wir fordern die Zulassung neuer Züchtungstechniken beim Bund und der EU ein.“ Was die Koalition damit genau meint, bleibt jedoch unklar. Denn schon bisher können auch Produkte neuer gentechnischer Verfahren in der EU zugelassen werden, wenn sie auf ihre Risiken geprüft und gekennzeichnet werden. Im eigenen Wirkungsbereich will das Land „technologieoffene Verfahren“ für „die mittelständische Pflanzenzucht in Mecklenburg-Vorpommern“ fördern.

Der erste Satz über den wissensbasierten Einsatz neuer Züchtungsmethoden stand so bereits im Wahlprogramm der Landes-SPD. Die konkrete Forderung an Bund und EU kam erst in den Koalitionsverhandlungen dazu – vermutlich nicht von der Linken. In deren Landeswahlprogramm kam im ausführlichen Landwirtschaftsteil das Thema Gentechnik gar nicht vor. Auf der Webseite der Partei heißt es, die grüne Gentechnik sei keine Zukunftsoption, „da weder der Nutzen noch die Sicherheitsfragen bei genveränderten Pflanzen geklärt sind“. Es scheint also so, als hätte sich die MV-SPD mit ihrer gentechnikfreundlichen Haltung in den Verhandlungen durch- und inhaltlich sogar noch einen draufgesetzt.

Denn ihre Forderung an Bund und EU soll wohl so verstanden werden, dass sich beide für eine Deregulierung des EU-Gentechnikrechts zugunsten neuer gentechnischer Verfahren einsetzen sollen. Dieses Statement hat Gewicht, denn MV-Landwirtschaftsminister Till Backhaus hat für die SPD in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft die Vorlage für den Koalitionsvertrag im Bund federführend ausgehandelt. Über das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe ist bisher wenig bekannt. Top Agrar online schreibt, das Papier sei inhaltlich „außerordentlich dünn, heißt es im politischen Berlin. Auch das Verhandlungsklima sei nicht optimal in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft gewesen“. Im Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen vom Oktober hieß vieldeutig: "Pflanzen sollen so geschützt werden, dass Nebenwirkungen für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität vermieden werden.“

Von der FDP ist bekannt, dass sie das EU-Gentechnikrecht gerne dereguliert sähe. Die SPD hatte im Bundestagswahlprogramm lediglich geschrieben: „Wir bleiben beim Nein zu gentechnisch veränderten Pflanzen“, und sich inhaltlich nicht weiter festgelegt. Wenn sich nun eines der großen SPD-regierten Agrarländer für neue gentechnische Verfahren ausspricht, könnte das die Gewichte in den abschließenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene weiter zugunsten der neuen Gentechnik verschieben.

„Wollen ausgerechnet die SPD und die LINKEN den rot-roten Teppich für die Gentechnik-Industrie ausrollen und ihnen einen Freifahrtschein erteilen“, fragte Helmut Peters, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in MV, im Vorfeld der Entscheidung. Die Versprechen der neuen Gentechnik-Verfahren seien groß. Aber weder das Hungerproblem noch die Klimakrise würden damit gelöst, argumentierte der Ackerbauer aus Rostock: „Auch neue Gentechniken bergen unkalkulierbare Risiken und sind deshalb gemäß dem Vorsorgeprinzip nach EU-Gentechnik-Recht zu regulieren“. Kritik kam auch vom Agrarexperten der Umweltorganisation BUND, Burkhard Roloff. Das Vorsorgeprinzip sowie die Wahlfreiheit von Landwirten und Verbrauchern seien die politischen Voraussetzungen für den Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. [lf]

10.11.2021 |

Neue Studie: Glyphosat schädigt nützliche Bakterien

Glyphosat Glyphosat auf EU-Äckern noch bis 2022? (Foto: Chafer Machinery/Flickr.com)

Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat in einer Übersichtsstudie dargestellt, wie sich Glyphosat auf Gemeinschaften von Mikroorganismen, Mikrobiome genannt, auswirkt. Das Ergebnis: Glyphosat schädigt Mikrobiome, die wichtig für die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen sind. Die Wissenschaftler forderten die Behörden auf, diese Effekte zu berücksichtigen und die bisherigen Rückstandsgrenzwerte für Glyphosat zu überarbeiten.

Der Boden, Pflanzenwurzeln, Haut und Darm von Tieren und Menschen sind alle von charakteristischen Mikrobiomen besiedelt. Diese bestehen aus Bakterien, Pilzen und allen Arten von mikroskopisch kleinen Tieren. Sie arbeiten mit ihrem Wirtsorganismus zusammen, liefern Nährstoffe oder schützen ihn vor Krankheiten. Die Forscher aus den Niederlanden, Deutschland, China und den USA werteten Studien aus, die sich mit der Wirkung von Glyphosat auf solche Mikrobiome befassten. Und zwar bei Rückstandskonzentrationen, wie sie in der Umwelt vorkommen. In einer Mitteilung der Universität Kassel, deren Professorin Maria Finckh an der Arbeit beteiligt war, heißt es: „Bis vor kurzem erschienen die Auswirkungen relativ geringer Rückstandskonzentrationen auf Mikrobiome im Boden, auf und in Pflanzen und in Tieren in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig.“ Doch die Autoren des Übersichtsartikels hätten festgestellt, dass sich immer dann Effekte zeigten, wenn das Mikrobiom nicht nur oberflächlich betrachtet, sondern einzelne Gattungen und Arten von Mikroorganismen oder spezifische Prozesse analysiert wurden.

Als Beispiele nennt die Übersichtsarbeit, dass Glyphosat die Stickstofffixierung durch Bakterien in Hülsenfrüchten beeinträchtigt. Bei Bienen und Ratten habe sich gezeigt, dass Glyphosat, über Pollen oder Futter aufgenommen, das Mikrobiom im Darm schädige. Dadurch entwickelte sich das Immunsystem bei Bienen schlechter, die in der Folge empfindlicher gegenüber einem Parasiten und einem Virus wurden. Auch die Entwicklung des Nervensystems von Rattenbabys sei gestört gewesen und die Tiere hätten ADHS-ähnliche Symptome gezeigt.

Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass gutartige oder gar nützlichen Bakterien schon bei sehr geringen Konzentrationen von Glyphosat geschädigt werden können, während viele krankheitserregende Bakterien höheren Konzentrationen von Glyphosat widerstehen würden. „Jüngste DNA-Forschungen haben gezeigt, dass bis zu 26 Prozent der Bakterien im menschlichen Darm empfindlich auf Glyphosat reagieren“, schreibt die Universität Kassel. Es könne also zu einer Verschiebung des Mikrobioms kommen. „Die Autoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass die tolerierbaren Rückstände in der Ernährung von Mensch und Tier gesenkt werden sollten.“ Bevor eine Entscheidung über eine eventuelle weitere Zulassung von Glyphosat getroffen wird, sollten „all diese Faktoren ernsthaft in Betracht gezogen werden“, heißt es in der Uni-Mitteilung.

Bisher haben die Behörden dies nicht getan. So veröffentlichte die EU-Lebensmittelbehörde EFSA erst Ende Oktober eine Stellungnahme, in der sie den bestehenden Glyphosat-Rückstandsgrenzwert von 20 Milligramm je Kilogramm für Sojabohnen bestätigte. In der Zusammenfassung heißt es: „Die EFSA kam zu dem Schluss, dass die kurz- und langfristige Aufnahme von Rückständen, die sich aus den bestehenden Verwendungen von Glyphosat und der Einfuhrtoleranz für Sojabohnen ergeben, wahrscheinlich kein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher darstellt“. Die öffentliche Konsultation der EFSA zur erneuten Glyphosatzulassung läuft noch bis 22. November. [lf]

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