30.09.2021 |

Die britische Regierung veröffentlicht einen Fahrplan für mehr Gentechnik

London Großbritannien England Westminster Westminster, der Sitz des britischen Parlaments (Foto: David Hunt, bit.ly/1rl8YJz, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de über Wikimedia Commons)

Der Brexit macht’s möglich: Das britische Umweltministerium Defra will das Gentechnikrecht des Landes gravierend ändern, um schnell neue gentechnisch veränderte Pflanzen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Durch ein positives Innovationsklima soll die Rolle Großbritanniens als eines der führenden Länder für Gentechnikforschung gestärkt werden. Das halten allerdings viele Briten nicht für erstrebenswert.

Für sein Vorhaben hat das Ministerium nun einen genaueren Plan veröffentlicht. Noch vor Ende des Jahres will es auf dem Verwaltungsweg eine Verordnung erlassen, die den Wissenschaftlern Feldversuche erleichtert. Hätten die in den Pflanzen vorgenommenen gentechnischen Änderungen auch mit herkömmlichen Züchtungsmethoden entwickelt werden können, brauchen sie künftig keine Genehmigung mehr. Es reicht, den Feldversuch anzumelden.

Im nächsten Schritt sollen solche gentechnisch veränderten Pflanzen aus dem Gentechnikrecht ausgeschlossen werden. Defra stützt sich dabei auf sein gentechnisches Beratungsgremium ACRE, das zu dem Ergebnis kam, von diesen Pflanzen gehe kein höheres Risiko aus als von Produkten herkömmlicher Züchtung. Prüfen will das Ministerium, „welche Maßnahmen erforderlich sind, damit gentechnisch veränderte Produkte auf den Markt gebracht werden können, einschließlich der Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und der Rückverfolgbarkeit.“

Organismen, bei denen fremde DNA ins Erbgut eingefügt wurde, sollen vorerst weiter dem Gentechnikrecht unterliegen. Doch die Regierung kündigte bereits an, dass sie nach diesen ersten Schritten die gesamten Gentechnikregelungen überprüfen wolle. Umweltminister George Eustice lobte die Genom-Editierung als hilfreiches Werkzeug, um „einige der größten Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir stehen - etwa Ernährungssicherheit, Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt.“ Natürlich würden dabei die hohen britischen Standards für Umwelt- und Lebensmittelsicherheit beibehalten und nicht geschwächt. Der Verband der britischen Pflanzenzüchter begrüßte die Ankündigung des Ministers.

Der jetzt verkündete Fahrplan ist die Antwort der Defra auf eine im Februar abgehaltene Konsultation. 6440 Antworten hatte das Ministerium nach eigenen Angaben bekommen. 88 Prozent der Bürgerinnen und 64 Prozent Unternehmen hätten sich dafür ausgesprochen, neue gentechnische Verfahren wie bisher unter das Gentechnikrecht zu stellen. An der Konsultation beteiligt hatten sich auch einige wenige wissenschaftliche (24) und öffentliche Institutionen (12). Von ihnen hatte sich gut die Hälfte für eine Lockerung der Regeln zugunsten neuer gentechnischer Verfahren ausgesprochen. Auf diese Stellungnahmen stützt die Defra ihre Pläne. Eine „Ohrfeige ins Gesicht der Demokratie“, nannte die die Organisation GMWatch deshalb den Fahrplan des Ministeriums. Es ignoriere komplett die wissenschaftlichen Belege für die Risiken neuer gentechnischer Verfahren für Verbraucher und Umwelt. Die Regierung wolle „das Sicherheitsnetz eines angemessenen öffentlichen Schutzes gegen ein HighTech-Chaos eintauschen: unsere Lebensmittel, unsere landwirtschaftlichen Betriebe und die Umwelt haben etwas Besseres verdient“ kommentierte der gentechnikkritische Dachverband GMFreeze. [lf]

28.09.2021 |

Schweiz: Moratorium wird verlängert und gilt auch für neue Gentechnik

Schweiz Gentechnikfrei Foto: Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)

Die Schweiz bleibt weitere vier Jahre gentechnikfrei. Der Nationalrat stimmte dafür, das seit 2005 geltende Moratorium bis Ende 2025 zu verlängern. Die Zustimmung des Ständerats – das ist die zweite Parlamantskammer in der Schweiz – gilt als sicher. Neu ist, dass das Moratorium explizit auch für neue gentechnische Verfahren gilt. Anträge, diese auszunehmen, hatte der Nationalrat mit großer Mehrheit abgelehnt.

Das Moratorium legt fest, dass kein gentechnisch verändertes Saatgut in die Schweiz eingeführt und dort kommerziell angebaut werden darf. Indirekt hat es dazu geführt, dass die Schweiz auch keine gentechnisch veränderten Futtermittel importiert. Für die Forschung allerdings sind Versuche im Freiland erlaubt und finden auch statt. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, hatte bereits im November 2020 beschlossen, das Ende 2021 auslaufende Moratorium um weitere vier Jahre zu verlängern. Er legte dem Parlament eine entsprechende Gesetzesänderung vor. Diese stellte klar, dass das Moratorium auch für Produkte aus neuen gentechnischen Verfahren gelten soll. Dabei lehnte der Bundesrat diese Verfahren nicht grundsätzlich ab. „Das Moratorium soll dafür genutzt werden, offene Fragen zu neuen gentechnischen Verfahren zu beantworten und ihren Stellenwert in einer nachhaltigen Landwirtschaft zu diskutieren“ erklärte die Regierung in ihrer Mitteilung. Gleichzeitig seien „die erforderlichen Kenntnisse für die Nachweisbarkeit der entsprechenden Produkte zu erarbeiten, damit die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten sichergestellt ist.“

Der Nationalrat hat den Gesetzesvorschlag am 23 September beschlossen, mit 144 zu 27 Stimmen bei 19 Enthaltungen. Zuvor waren zwei Anträge der liberalen Parteien FDP und GLP gescheitert, die neue gentechnische Verfahren vom Moratorium ausnehmen wollten. Das Parlament beauftragte den Bundesrat, in den nächsten vier Jahren insbesondere Fragen zur Koexistenz von traditioneller und gentechnikbasierter Landwirtschaft zu klären. Nun ist noch der Ständerat gefragt. „Eine Annahme gilt als sicher“, schreibt die Schweizer Agentur Keystone-SDA.

Die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) begrüsste die Verlängerung und die Einbeziehung der neuen gentechnischen Verfahren. „Mit diesem, dem Vorsorgeprinzip entsprechenden Entscheid, wird die nachhaltige Schweizer Qualitätslandwirtschaft gestärkt, Umwelt und Gesundheit geschützt und die Wahlfreiheit der Konsumierenden gesichert“, schreibt die SAG. Dass die Menschen in der Schweiz weiter hinter dem Moratorium stehen, zeigt eine Umfrage der von Syngenta und Bayer finanzierten Plattform swiss-food.ch. Darin lehnten 73 Prozent gentechnisch veränderte Pflanzen ab.79 Prozent sprachen sich für ein verlängertes Moratorium aus. Mit dem Begriff Genomeditierung konnte knapp die Hälfte der Befragten nichts anfangen. Entsprechend fiel die Einordnung genom-editierter Pflanzen aus: 22 Prozent Zustimmung, 33 Prozent Ablehnung und 45 Prozent „weiss nicht“. „Offensichtlich besteht eine grosse Wissenslücke bezüglich genom-editierter Pflanzenzucht“, heißt es in die Studie. Nachdem die Befrager den Begriff verkürzt und wohlwollend, ohne ein Wort zu möglichen Risiken, erklärt hatten, fanden zwei Drittel der Befragten neue gentechnsiche Verfahren nützlich für die Landwirtschaft. Besonders groß war die Zustimmung, wenn ganz konkrete Einsatzmöglichkeiten, etwa feuerbrandresistente Apfelsorten, abgefragt wurden. Die SAG kritisiert diese „schönfärberischen Beispiele mit Wunderpflanzen, von denen real keine auch nur annähernd Marktreife hat“.und verweist auf ein weiteres Ergebnis der Umfrage: 61 Prozent der Befragten waren der Ansicht, es könne auch nochmals vier Jahre gewartet werden, um die Chancen und Risiken später zu beurteilen. So wird es nun gemacht, in der Schweiz. [lf]

24.09.2021 |

Glyphosatzulassung: Die Bewertung der Behörden steht zur Diskussion

Campact übergibt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (re.) 450.000 Unterschriften gegen Glyphosat. Foto: Jakob Huber/Campact (https://bit.ly/2k4ovMU; https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/) Campact übergibt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (re.) 450.000 Unterschriften gegen Glyphosat. Foto: Jakob Huber/Campact (https://bit.ly/2k4ovMU; https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

Im Juni hatten Behörden aus vier EU-Mitgliedsstaaten verkündet, das Herbizid Glyphosat sei unschädlich für Gesundheit und Umwelt; es könne bis zum Jahr 2037 genehmigt werden. Der ausführliche Bericht, auf den sich diese Einschätzung stützt, wurde jetzt veröffentlicht und kann 60 Tage lang kommentiert werden.

Mit dem Start der Konsultation haben die für Lebensmittelsicherheit und Chemikalien zuständigen EU-Behörden EFSA und ECHA die nächste Phase im Verfahren zur erneuten Zulassung von Glyphosat eingeleitet. Begonnen hat dieses Verfahren mit dem Zulassungsantrag, den acht Hersteller im Dezember 2019 unter Federführung der Bayer AG stellten. Sie hatten sich dazu in der Glyphosate Renewal Group (GRG, dt.: Glyphosat-Erneuerungsgruppe) zusammengeschlossen. Im Juni 2020 unterfütterten sie ihren Antrag mit einem Dossier, das nach GRG-Angaben 180.000 Seiten umfasste. Die EU beauftragte die zuständigen Behörden Frankreichs, Ungarns, der Niederlande und Schwedens damit, als Bewertungsgruppe für Glyphosat (Assessment Group of Glyphosate, AGG) das Material zu sichten und eine Empfehlung für die Zulassung und die Gefahrenkennzeichnung des Wirkstoffes vorzulegen. Dies geschah im Juni 2021, wobei damals nur eine kurze Zusammenfassung der Bewertung veröffentlicht wurde. Die AGG kam darin zu der Einschätzung, dass das Pflanzengift weder krebserregend sei, noch Organe, den Hormonhaushalt oder die Fruchtbarkeit schädige. Es könne deshalb mit den gleichen Auflagen wie bisher für weitere 15 Jahre zugelassen werden.

Die Expert*innen gentechnikkritischer Organisationen werden in den kommenden Wochen den rund 11.000 Seiten umfassenden und in gut 30 Dateien gegliederten Bericht analysieren. Dabei sind vor allem zwei Aspekte interessant: Gibt es zur Streitfrage der krebserregenden Wirkung neue Studien oder beschränkte sich die AGG - wie die Behörden in früheren Verfahren –auf eine fragwürdige Interpretation alter Monsanto-Studien? Und zweitens: Wie bewertete die AGG die zahlreichen in den letzten Jahren erschienenen Studien, die auf gesundheitliche und ökologische Gefahren durch Glyphosat hinwiesen? Wurden sie wie ähnliche Arbeiten in früheren Verfahren als wenig aussagekräftig abgetan?

Die Ergebnisse der Expert*innen werden die gentechnikkritischen Organisationen dann in die Konsultation einspeisen. Diese ist jedoch nicht nur für Fachleute gedacht. „Alle interessierten Kreise sind aufgerufen, sich an den Konsultationen zu beteiligen und einschlägige Anmerkungen oder wissenschaftliche Informationen und Daten einzureichen“, schreibt die EFSA. Alle Anmerkungen würden nach Abschluss der Konsultationen veröffentlicht. Anschließend werden die AGG und der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der ECHA die eingereichten Anmerkungen und Daten sichten. Der RAC wird danach einen Vorschlag für die Gefahreneinstufung von Glyphosat machen.

Parallel dazu erarbeiten die EFSA und die Behörden der EU-Mitgliedstaaten in einem Peer-Review genannten Verfahren eine abschließende Risikobewertung, in die auch die Stellungnahme des RAC einfließt. In diesem Rahmen werden auch die deutschen Behörden Stellung beziehen. Auf der Webseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums heißt es dazu: „In Deutschland prüfen die an der Pflanzenschutzmittelzulassung beteiligten Behörden Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Julius Kühn-Institut (JKI) und Umweltbundesamt (UBA) den von dem berichterstattenden Konsortium vorgelegten Bericht und bringen die Erkenntnisse der deutschen Behörden in die weiteren fachlichen Erörterungen bei der EFSA ein.“


Die abschließende EFSA-Bewertung soll in der zweiten Jahreshälfte 2022 vorliegen. Auf ihrer Basis schlägt die EU-Kommission vor, ob und wie lange Glyphosat erneut zugelassen wird. Entscheiden darüber müssen die Mitgliedsstaaten mit einer qualifizierten Mehrheit. Letzter Termin dafür ist der 15. Dezember 2022, an dem die bestehende Zulassung für Glyphosat ausläuft. [lf]

22.09.2021 |

Gene Drives und Artenschutz: Weltnaturschutzunion sucht Position

Schutzbedürftige Vogelwelt nahe Hawaii  Schutzbedürftige Vogelwelt nahe Hawaii. (Foto: Terns on Tern_Island_Flickr_Lieutenant Elizabeth Crapo_NOAACorps)

Die Weltnaturschutzunion IUCN will in den nächsten drei Jahren eine breite interne Diskussion führen, ob Gentechnik und Gene Drives im Naturschutz eingesetzt werden sollen. Mit diesem Beschluss ist der Versuch gentechnikfreundlicher Organisationen, mit Artenschutz-Argumenten neuen gentechnischen Verfahren die Tür zu öffnen, vorerst abgewehrt.

Der 1948 gegründeten International Union for Conservation of Nature gehören über 1300 staatliche und nichtstaatliche Naturschutzorganisationn aus aller Welt an. Sie trafen sich Mitte September in Marseille zu ihrem Weltnaturschutzkongress und verabschiedeten dabei mit der Resolution Nummer 75 auch einen Fahrplan, um zu einer „IUCN-Politik zur synthetischen Biologie in Bezug auf den Naturschutz“ zu gelangen. Der Begriff synthetische Biologie umfasst dabei alle gentechnischen Verfahren, mit denen biologische Systeme künstlich konstruiert oder umgestaltet werden.

In der Resolution heißt es, dass es große Daten- und Wissenslücken sowie ungelöste ethische, soziale, kulturelle und ökologische Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung gentechnischer Veränderungen bei wild lebenden Arten gebe. Diese Ungewissheiten erforderten es, dass das Vorsorgeprinzip angewandt und auch bei der Positionierung der IUCN berücksichtigt werden müsse. Zudem sei bei den Beratungen über diese Technologien den Perspektiven, dem Wissen und den Rechten indigener Völker und lokaler Gemeinschaften ein hoher Stellenwert einzuräumen.

Deutsche Naturschutzorganisationen lehnen gentechnische Verfahren einhellig ab. Doch es gibt einige IUCN-Mitglieder wie die Island Conservation aus Kalifornien, die gentechnische Verfahren einsetzen wollen, um bedrohte Arten zu schützen. Etwa um eingeschleppte Mäuse oder Ratten zu bekämpfen, die auf abgelegenen Inseln die dort heimische Vogelwelt dezimieren. Auf Hawaii wollen Ökologen bedrohte Vogelarten resistent gegen einen neu aufgetauchten Virus machen. Andere Artenschützer wollen in den USA pilzresistente Gentech-Kastanien aussetzen, um die amerikanische Esskastanie vor dem Aussterben zu bewahren. Im Focus solcher Pläne stehen sehr oft Gene Drives, weil mit diesem gentechnischen Vererbungsturbo künstliche Veränderungen in einem wildlebenden Bestand schnell durchgesetzt werden können.

Bereits auf dem letzten Weltnaturschutzkongress 2016 waren Gene Drives ein heiß diskutiertes Thema. Die Versammlung beschloss damals, einen Bericht zu den Auswirkungen von synthetischer Biologie und Gene Drives für den Schutz der Biodiversität zu erstellen. Auf dem Kongress 2020 – der pandemiebedingt auf 2021 verschoben wurde – sollte dann bereits eine Entscheidung fallen. Der IUCN installierte eine Arbeitsgruppe, die im Mai 2019 ihren Bericht veröffentlichte. Zahlreiche IUCN-Mitglieder sowie Naturschutz- und Entwicklungsorganisationen aus aller Welt kritisierten ihn als einseitig. Die kanadische Nichtregierungsorganisation ETC Group stellte fest, dass die Mehrzahl der Autoren des Berichts Befürworter der Gentechnik seien und zum Teil wirtschaftliche Eigeninteressen bei diesem Thema hätten.

Aufgrund dieser geballten Kritik entstand schließlich der nun in Marseille verabschiedete Resolutionsentwurf. In den darin beschlossenen breiten Diskussionsprozess setzt Mareike Imken von Stop Gene Drives große Hoffnungen. Er werde das Bewusstsein der IUCN-Mitglieder dafür schärfen, „dass der Eingriff in die natürlichen Evolutionsregeln durch die Anwendung der Gene-Drive-Technologie eine neue Dimension des Eingriffs in die natürliche Welt darstellt und deren irreversible Veränderung mit sich bringt.“ [lf]

15.09.2021 |

Bundestagswahl: Das sagen Kandidat*innen und Fraktionen zur Agro-Gentechnik

Foto: Marco Verch https://bit.ly/2Xm5CMe https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de Foto: Marco Verch https://bit.ly/2Xm5CMe https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

Wenn Kandidat*innen für den Bundestag in Fernsehen oder Onlinemedien befragt werden, geht es selten um das Thema Gentechnik in der Landwirtschaft. Gentechnikkritische Verbände und Initiativen haben jedoch im Vorfeld der Bundestagswahl am 26. September bei Kanzlerkandidat*innen und Fraktionen nachgefragt, wie sie zum Einsatz von neuen gentechnischen Verfahren bei der Lebensmittelproduktion stehen. Der Infodienst gibt einen Überblick über die Antworten.
Der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, will sich „weiterhin auf allen Ebenen für eine strikte Regulierung der neuen Gentechniken einsetzen“, schrieb er einer Gruppe von sieben gentechnikkritischen Verbänden und Stiftungen unter Führung des Vereins Testbiotech. Basis jeder Kontrolle sei es, passende Nachweismethoden für genomeditierte Pflanzen zu entwickeln. Die SPD werde sich ferner in der nächsten Legislaturperiode erneut dafür einsetzen, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, die in Europa zugelassen sind, in Deutschland zu verbieten, versprach der SPD-Politiker. Hier hatte sich die aktuelle große Koalition nicht auf eine Regelung verständigen können.
Auch der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, betont, dass mit Crispr/Cas oder anderen neuen gentechnischen Verfahren veränderte (= genomeditierte) Pflanzen ebenso zugelassen und gekennzeichnet werden müssen wie Produkte „alter“ Gentechnik. Bei uns „rennen Sie offene Türen ein“, versicherte Miersch der Initiative Zivilcourage Miersbach, die allen Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag ans Herz gelegt hatte, auch bei genomeditierten Pflanzen deren Risiken für andere Pflanzen, Tiere, Menschen sowie die Biodiversität zu berücksichtigen. Um diese unabhängig zu erforschen, habe seine Fraktion erreicht, dass das Umweltministerium für drei Jahre 350.000 Euro zusätzliche Mittel erhält, so Miersch in seiner Mail.
Die Kanzlerkandidatin von Bündnis90/Die Grünen will ebenfalls die Risikoforschung stärken. „Die neuen Gentechniken sind mächtige Instrumente, die von kleinsten Änderungen bis hin zu großen Umgestaltungen der DNA eines Lebewesens eingesetzt werden können“, schrieb Annalena Baerbock an Testbiotech & Co.. Daher müsse das europarechtlich verankerte Vorsorgeprinzip greifen. „Auch nach der Bundestagswahl wird sich meine Partei dafür einsetzen, dass das geltende EU-Zulassungsverfahren weiterhin für Anwendungen der neuen Gentechnik gilt und nicht aufgeweicht wird“, verspricht Baerbock.
Ganz besonders ausführlich und detailliert hat der Gentechnikexperte der grünen Bundestagsfraktion die Fragen der Zivilcourage zu Genome Editing beantwortet: So hält Harald Ebner es für naiv, Herausforderungen von wachsender Weltbevölkerung und Klimakrise „mit einem reinen Techno-Fix wie der Gentechnik zu begegnen. Es braucht umfassende Gesamtkonzepte für klimaresiliente Agrarökosysteme.“ Außerdem müssten robuste Sorten gezüchtet sowie die Forschung zu alternativen Ansätzen gestärkt werden, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen. Dabei sieht er die Gefahr, dass Universitäten und Forschungseinrichtungen auch auf Drittmittel der Unternehmen angewiesen sind, die gentechnisch veränderte Pflanzen entwickeln und verkaufen wollen. Wegen knapper Budgets müssten Hochschulen oft selbst darauf achten, ihre Forschungsergebnisse gewinnbringend zu verwerten. Hier müsse die Forschungspolitik künftig gegensteuern, fordert der Grünen-Politiker.
Schlösse man von Absender und Umfang einer Antwort darauf, wie wichtig ein Thema für eine Partei ist, dann hätte die neue Gentechnik für die CDU/CSU nur wenig Bedeutung. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ließ eine Referentin antworten, die aus dem Aufruf der Verbände „zur strikten Regulierung der neuen Gentechnik“ ein "Schreiben zu neuen genomischen Züchtungstechnologien" macht. Mit dieser Formulierung macht die CDU in ihren Statements regelmäßig deutlich, dass sie mit neuen gentechnischen Verfahren veränderte Pflanzen nicht nach Gentechnikrecht behandeln will. In den drei Absätzen des Briefes geht es vor allem um Chancen und Potentiale der neuen Techniken. Die CDU begrüße, dass die Europäische Kommission Konsultationen begonnen habe, ob der europäische Rechtsrahmen für die neuen Technologien angepasst, sprich gelockert werden sollte. Auf den Brief des Miesbacher Aktionsbündnisses an CDU-Fraktionschef Brinkhaus im Bundestag mit acht detaillierten Fragen zu den neuen Techniken antwortete ein Fraktionsreferent nur mit einer monatealten Pressemitteilung.
Deshalb haben sich die Miesbacher jetzt Verstärkung geholt und gemeinsam mit weiteren Zivilcourage-Gruppen aus sieben bayerischen Landkreisen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder um Hilfe gebeten. „Wir sehen in der offiziellen Stellungnahme der Fraktion den Versuch, mit der Unterstützung einer Änderung des europäischen Gentechnikrechts das Urteil des EUGH auszuhebeln, ohne dass für die neuen Verfahren ausreichende Risikoprüfungen vorgesehen sind“, schrieben sie vergangene Woche an ihren Landesherrn. „Wir bitten Sie als bayerischer Ministerpräsident und als Vorsitzender der Regierungspartei CSU diesen verhängnisvollen Prozess zu stoppen.“ In einem Bundesland mit zahlreichen gentechnikfreien Kommunen, denen der frühere Umweltminister Söder noch selbst die Urkunden ausgehändigt hatte, hoffen sie offenbar auf mehr Interesse und Sachverstand als in der Bundespartei.
Bei der FDP lobte der in die Kritik geratene Vize-Fraktionschef Frank Sitta „grüne Biotechnologie und die Innovationen von Gentechnik“. „Innovationen sind der Schlüssel und die Basis für unser wirtschaftliches Wachstum und unseren Wohlstand“, so der Agrarsprecher der FDP, der mit dem Ende der Legislaturperiode aus dem Bundestag ausscheiden wird. In seiner knappen Mail verwies er auf eine Reihe von Forschungseinrichtungen, die dafür sind, die Regeln für neue Gentechnik zu lockern.
„Auch wir beobachten das zunehmende Getrommel für die sogenannten ‚Neuen Züchtungstechniken‘ auf Bundes- und EU-Ebene mit Sorge“, schrieb dagegen die Fraktion Die Linke „mit solidarischen Grüßen“ an die Zivilcourage Miersbach. „Wir lehnen ab, das so wichtige Vorsorgeprinzip mit quasi Verfassungsrang aufzuweichen durch ein Innovationsprinzip. Wichtig ist aus Sicht der Linken, die systemischen Ursachen der Probleme zu bekämpfen statt technischer Symptomlinderung, von der vor allem Konzerne profitieren statt Natur, Klima und die menschliche Gesellschaft.“ Für die Linke sollten neue gentechnische Methoden „mindestens“ so streng geregelt werden, wie die alte Gentechnik. Besser wäre es, wenn „noch Defizite des Zulassungsverfahrens beseitigt werden, z. B. hinsichtlich Transparenz oder Unabhängigkeit und Vollständigkeit der Prüfung, inklusive langfristiger und ungewollter Wirkungen“, heißt es in den Antworten. Die Fraktion warnt, „dass die sogenannte Koexistenz weder mit der konventionellen noch mit der Ökolandwirtschaft auf Dauer funktioniert bzw. der Versuch extrem teuer wird aufgrund der Trennung der gesamten Lieferkette“. Mit den wirtschaftlichen Risiken würden die Anwender allein gelassen, da sie keine Versicherung übernimmt. [vef]

07.09.2021 |

Glyphosat: Einsatz weiter eingeschränkt

RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, http://bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/) RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Ab morgen ist es soweit: Landwirte dürfen den Unkrautvernichter Glyphosat nur noch in Grenzen versprühen, Privathaushalte bundesweit gar nicht mehr. Das sieht die geänderte Pflanzenschutzanwendungs-Verordnung vor, die heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Sie ist Teil eines Gesetzespakets zum Natur- und Insektenschutz, das Bundestag und Bundesrat nach langem Ringen in der großen Koalition Ende Juni verabschiedet hatten.
Komplett und bundesweit verboten ist das Totalherbizid demnach in Haus- und Kleingärten sowie auf Flächen, die für die Allgemeinheit zugänglich sind wie Spielplätze oder Parkanlagen. Das galt schon bisher in einigen Bundesländern. In manchen wie etwa in Niedersachsen gibt es auch bereits freiwillige Vereinbarungen zwischen Landwirten und Naturschützern, um den Pestizideinsatz zu reduzieren, die über die Verordnung hinausgehen. Daher hatte der Bundesrat seine Zustimmung unter die Bedingung gestellt, dass weitergehende Regelungen auch unter der neuen Verordnung fortbestehen oder neu vereinbart werden können.
Kein Glyphosat darf künftig in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten sowie Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten versprüht werden. Für Naturschutzgebiete, Nationalparks und gesetzlich geschützte Biotope war es bisher schon verboten. In bestimmten Fällen können die Behörden aber Ausnahmegenehmigungen erteilen, etwa für die Deutsche Bahn. Die hat sich inzwischen jedoch selbst vorgenommen, ihre Schienen ab 2023 ohne das Pflanzengift von Bewuchs freizuhalten. Und schon 2020 hatte sie ihren gesamten Herbidizeinsatz nach eigenen Angaben von früher mittleren zweistelligen Werten auf 1,3 Tonnen reduziert.
In der Landwirtschaft darf Glyphosat nur noch gespritzt werden, wenn vorbeugende Maßnahmen, wie die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge, eines geeigneten Aussaatzeitpunktes, mechanischer Maßnahmen im Bestand oder das Anlegen einer Pflugfurche, nicht durchgeführt werden können und andere technische Maßnahmen nicht geeignet oder zumutbar sind. Zur Vorsaat- und Stoppelbehandlung ist Glyphosat nur noch erlaubt, um ausdauernde Unkräuter wie Ackerkratzdistel, Ampfer oder Quecke zu bekämpfen. Ein Einsatz kurz vor der Ernte zur Sikkation und Unkrautbekämpfung ist verboten. Auf Grünland darf das Gift partiell gegen Unkräuter eingesetzt werden, die für Weidetiere giftig sind. Zu Gewässern muss ein Abstand von fünf bis zehn Metern eingehalten werden.
Bereits im Juni wies der Bundesrat darauf hin, dass diese Regeln nicht ausreichen werden, um den Pestizidverbrauch - wie von der Europäischen Union beschlossen – bis 2030 zu halbieren. Er bat die Bundesregierung, in enger Abstimmung mit den Ländern weitere Vorschläge zum Schutz und zur Stärkung der Artenvielfalt zu erarbeiten. Glyphosat soll nach der Verordnung ab 1. Januar 2024 komplett verboten sein. Wenn nicht die Europäische Kommission die Zulassung für den Unkrautvernichter Ende kommenden Jahres verlängert. Denn dann, so heißt es in der Begründung, könnte eine Überprüfung der Verordnung erforderlich sein. [vef]

30.08.2021 |

Großbritannien: erster Feldversuch mit Crispr-Weizen

weizen 3 freilandversuch genehmigt Freilandversuch mit Gentechnik-Weizen genehmigt (Foto: Wilhelmine Wulff / pixelio.de)

Das britische Agrarministerium hat die europaweit ersten Feldversuche mit einem Weizen genehmigt, dessen Gene mit dem neuen Gentechnikverfahren Crispr/Cas verändert wurden. Das teilte das Forschungsinstitut Rothamsted Research (RRI) vergangene Woche mit, das den asparaginreduzierten Weizen ab September fünf Jahre lang jeden Herbst auf seinen Feldern nördlich von London pflanzen wird. „Dieser hochexperimentelle Weizen ist ein Risiko für die Landwirte und die Nahrungskette“, warnte das Verbändebündnis GM Freeze.
Nach Angaben des RRI haben die Wissenschaftler bei einem Weichweizen (Triticum aestivum) mittels alter und neuer Gentechnik das Gen TaASN2 ausgeschaltet. Dadurch produzierten die Pflanzen im Gewächshaus teils nur noch rund zehn Prozent der üblichen Menge der Aminosäure Asparagin. Asparagin verwandele sich beim Backen oder Rösten in das krebserregende Acrylamid, erläuterte Projektleiter Nigel Halford. Acrylamid „kommt in Brot vor und nimmt erheblich zu, wenn das Brot geröstet wird, ist aber auch in anderen Weizenprodukten und vielen pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, die gebraten, gebacken, geröstet oder getoastet werden, einschließlich Chips und anderen Snacks, Bratkartoffeln und Kaffee“. In der europäischen Union gelten Grenzwerte für Acrylamid in Lebensmitteln.
Auf einem 1500 Quadrameter großen Versuchsfeld wollen die Forscher nun feststellen, wieviel Asparagin der genmanipulierte Weichweizen unter freiem Himmel produziert und wie die Genveränderung Ertrag und Proteingehalt der Pflanzen beeinflusst. Mittelfristiges Ziel sei es, solche Pflanzen zu selektieren, die keine Werkzeuge der alten Gentechnik mehr enthalten und damit nach Ansicht von Halford nicht mehr gentechnisch verändert seien. Obwohl es in Kürze losgehen soll, ist von der Feldversuchsreihe nach Angaben des RRI erst das erste Jahr finanziert. Wie berichtet kommt das Geld von einem staatlichen Fonds. Die Mittel für das Stipendium des Doktoranden, der die Weizenpflanzen gentechnisch veränderte, steuerten unter anderem fünf britische Weizenzüchter bei.
„Es ist schwer, das Denken zu verstehen, das Gentechnik-Entwickler zu der Entscheidung führt, dass die Verstümmelung der DNA einer Grundnahrungsmittelpflanze eine effektivere Reaktion auf die umstrittenen Gefahren von verbranntem Toast ist, als den Menschen beizubringen, wie man einen Toaster richtig benutzt“, spottete die Direktorin von GM Freeze, Liz O'Neill. Der Eingriff schädige das Weizengenom weit mehr als nur bei der Asparagin-Produktion. Die genetischen Mutationen seien nicht stabil, wirkten sich aber bereits negativ auf die Keimung aus und veränderten die Samengröße, warnte O‘Neill. Wie berichtet hatten Wissenschaftlerinnen von GM Freeze im Vorfeld bereits in einer ausführlichen Stellungnahme die Gefahren des Versuchs aufgelistet. So warnten sie unter anderem davor, dass die Pflanzen sich bei einem Versuchsanbau auf offenem Feld unkontrolliert ausbreiten könnten.
Die Forscher des RRI halten eine Auskreuzung des Gentech-Weizens für relativ unwahrscheinlich, da Weizen eine selbstbestäubende Kulturpflanze sei. Trotzdem verlangt das britische Agrarministerium, dass eine drei Meter breite Pollenbarriere um das Versuchsfeld herum angepflanzt wird. Andere Weizenfelder müssen einen Mindestabstand von 20 Metern haben. Der Feldversuch wird von staatlichen Inspektoren kontrolliert. Unbefugte müssen vom Gelände ferngehalten werden. [vef]

18.08.2021 |

Reismehlfall: tonnenweise Süß- und Backwaren zurückgerufen

Rce Rice (Photo: CC0)

Der Fall des in Frankreich gefundenen, gentechnisch verunreinigten Reismehls hat eine größere Dimension als bisher bekannt. Wie die Europäische Kommission dem Infodienst Gentechnik mitteilte, wurden insgesamt 500 Tonnen weißer indischer Bruchreis nach Europa importiert, zu Reismehl verarbeitet, weiterverkauft und unter anderem als Zutat von Schokolinsen und Backwaren in zahlreichen europäischen Ländern auf den Markt gebracht.
Aufgefallen waren die nicht zugelassenen, gentechnischen Bestandteile bei firmeninternen Kontrollen eines französischen Herstellers von Spezialmehlen, der die Behörden informierte. Die EU-Kommission meldete die französischen Funde in den hitzebehandelten Reismehlen „Westhove Rice H1 und L3“ bereits am 21. Juni im europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel RASFF. Von welcher gentechnisch veränderten (gv) Reissorte die gefundenen Bestandteile stammten, konnte nach Behördenangaben nicht ermittelt werden. Da gv-Reis in Europa generell nicht zugelassen ist, musste die Sorte auch nicht weiter spezifiziert werden, um einen Rückruf anordnen zu können. Hersteller der Westhove-Reismehlmischungen ist laut eigener Webseite das französische Unternehmen Limagrain-Ingredients. Schriftliche Fragen des Infodiensts Gentechnik zu dem Vorgang ließ Limagrain unbeantwortet.
Wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Anfrage mitteilte, wurde das verunreinigte Westhove-Reismehl in drei europäische Länder und zwei Drittstaaten verkauft. Nach Deutschland sei es nicht gelangt, habe die Rückverfolgung ergeben. Allerdings habe Belgien einen Betrieb gemeldet, der 200 Tonnen des gleichen indischen Bruchreises, der auch an Limagrain geliefert worden war, an ein deutsches Unternehmen weiterverkauft habe, so das BVL. Das deutsche Unternehmen habe bei Eigenkontrollen jedoch keine gentechnische Verunreinigung der Ware feststellen können. Ferner habe der belgische Betrieb Teile des Bruchreises selbst zu 25 Tonnen Reismehl verarbeitet und an ein weiteres deutsches Unternehmen geliefert. Dieses Reismehl hat der belgische Betrieb nach Erkenntnissen des BVL bereits im Juni vollständig zurückgenommen. Außer den zurückgerufenen Schokolinsen von Mars (der Infodienst berichtete) gebe es keinen Hinweis, dass Lebensmittel in Deutschland gentechnisch verunreinigtes Reismehl enthalten, versicherte die Behörde.
Schlechter lief es da für die Italiener: Dort wurde eine nicht genannte Menge des verunreinigten französischen Westhove-Reismehls in elf verschiedenen Backwaren verarbeitet, die in mehrere EU-Mitgliedsstaaten exportiert wurden, teilte die EU-Kommission dem Infodienst mit. Sie mussten allesamt zurückgerufen werden. Außerdem sei man immer noch dabei zu ermitteln, ob möglicherweise weitere Lebensmittel mit diesem Reismehl hergestellt wurden.
Nicht vollständig aufklären ließ sich auch die Frage, wie der Rückruf der Schokolinsen von Mars mit den beschriebenen Vorgängen zusammenhängt. In einer zweiten RASFF-Meldung ist ersichtlich, dass die französischen Behörden kurz nach den obigen Funden bei firmeninternen Kontrollen selbst aktiv wurden und am 24. Juni bei offiziellen Marktkontrollen Reismehl beprobten. Nicht zu erfahren war, bei welchen Firmen sie diese Kontrollen durchführten. Jedenfalls fanden sie wie bei der ersten RASFF-Meldung in hitzebehandeltem Reismehl mit indischem Ursprung die gleichen gentechnischen Verunreinigungen. Insgesamt 144 Tonnen dieses Reismehls hatte Mars als Zutat in Schokolinsen verarbeitet, teilte die EU-Kommission mit. Dabei handele es sich um die gleiche Ausgangscharge wie bei den Backwaren. Mars selbst wollte zu seinem Lieferanten und weiteren Details keine Auskunft erteilen. Die betroffenen Schokolinsen wurden zurückgerufen. [vef]

12.08.2021 |

Gentechnisch verunreinigtes Reismehl in Schokolinsen

Reismehl Foto: 경빈마마 - http://blog.daum.net/kbmana/8878929, CC BY 2.0 kr, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66827696 Reismehl Foto: 경빈마마 - blog.daum.net/kbmana/8878929, CC BY 2.0 kr, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66827696

Weil er gentechnisch verunreinigtes Reismehl darin verarbeitet hat, ruft der Süßwarenhersteller Mars bestimmte Packungen seiner Schokolinsen M&M’s Crispy zurück. Französische Behörden hätten die Verunreinigung entdeckt, als sie Reismehl kontrollierten, das ein Unternehmen mit Sitz in Holland an Mars geliefert habe, teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Anfrage mit.
Laut europäischem Schnellwarnsystem für Lebensmittel RASFF waren die Proben in Frankreich bereits am 24. Juni genommen worden. Im Labor seien „drei verschiedene genetische Elemente in geringen Mengen und vergleichbaren Konzentrationen nachgewiesen“ worden, so das BVL. „Diese Elemente wurden häufig für die Entwicklung von GVO (= gentechnisch veränderte Organismen) verwendet.“ Es konnte jedoch keine spezifische, gentechnisch veränderte (gv) Reislinie oder eine andere Pflanzenspezies bestimmt werden, von der die Verunreinigung stammt, so die Information der Behörde aus dem Analysebericht. Hersteller Mars geht jedenfalls davon aus, dass es sich um eine Reislinie und keine andere Pflanze handelt. „In jedem Fall ist für Reis nach EU-Recht kein GVO zugelassen, so dass die Produkte zurückgerufen werden müssen“, schrieb eine Unternehmenssprecherin dem Infodienst.
Auf die beiden Reisevents LLRICE 62 und LL601, die bereits im Jahr 2006 konventionelle Reislieferungen in Europa und den USA verunreinigt hatten, testeten die Kontrolleure nach BVL-Angaben vergeblich. Die beiden Reis-Events sind gegen das damals vom Agrarchemiekonzern Bayer produzierte Herbizid Liberty Link (Wirkstoff Glufosinat) resistent. Obwohl der Langkornreis LL 601 in den Jahren 1998 bis 2001 in den USA nur zu Versuchszwecken angebaut worden und nirgends auf der Welt zum Verzehr zugelassen war, war er ab 2003 allerorten in konventionellen Reischargen gefunden worden, berichtete damals unter anderen der Infodienst Gentechnik. Auch auf gv-Soja wurde das Reismehl dem Vernehmen nach aktuell vergeblich getestet.
Mars war nach eigenen Angaben vom Lieferanten des Reismehls informiert worden, dass die französischen Kontrolleure in der gelieferten Charge gentechnische Verunreinigungen gefunden hatten. Außerdem informierte Frankreich die Europäische Union, die den Vorgang am 4. August zeitgleich mit dem Rückruf der Schokolinsen durch Mars im Schnellwarnsystem RASFF veröffentlichte. In 20 Länder weltweit hatte Mars die M&M’s Crispy mit bestimmten Mindesthaltbarkeitsdaten aus seinem Werk im französischen Haguenau vertrieben. Da die Süßigkeiten jedoch nicht in allen Ländern bereits in den Handel gelangt waren, seien nicht überall Rückrufe gestartet worden, so eine Unternehmenssprecherin. In Deutschland betrifft die Lebensmittelwarnung alle Bundesländer. Wie Mars weiter versicherte, sei die gesamte Produktion mit diesem Reismehl gestoppt und alle Produkte, die mit der betroffenen Charge hergestellt wurden, zurückgehalten worden. Das verunreinigte Reismehl sei bei Mars ausschließlich für Schokolinsen verwendet worden, sagte die Sprecherin.

Welche Reissorte zu dem Mehl verarbeitet wurde und wo dieser Reis gewachsen ist, war bislang nicht in Erfahrung zu bringen. Auch zum Hersteller des Reismehls wollte Mars keine Angaben machen. „Wir werden mit dem Zulieferer der Zutat zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass zukünftig noch gründlichere Kontrollen durchgeführt werden, damit das Problem nicht wieder auftritt“, versicherte das Unternehmen. [vef]

06.08.2021 |

Bayer stellt weitere 3,5 Milliarden Euro für Glyphosatklagen zurück

Bayer-Monsanto: eine Hochzeit mit Folgen Bayer-Monsanto: eine Hochzeit mit Folgen

Die Bayer AG hat im zweiten Quartal 2021 weitere 3,5 Milliarden Euro in ihre Rücklagen eingestellt. Damit sollen die Klagen künftiger Krebspatienten gegen das glyphosathaltige Bayer-Herbizid Roundup abgedeckt werden. Durch die Rückstellung weist die Halbjahresbilanz des Konzerns einen Verlust von 246 Millionen aus.

Die erneute Rückstellung war notwendig geworden, nachdem es zu keinem Vergleich über mögliche künftige Fälle kam. Für diesen im Mai 2021 endgültig gescheitertenVergleich hatte der Konzern zwei Milliarden Euro eingeplant. Nun rechnet er mit wesentlich höheren Zahlungen. Allerdings setzt Konzernchef Werner Baumann große Hoffnungen in das höchste Gericht der USA, den Supreme Court. Ihn will Bayer noch im August anrufen, um die Schadensersatzklage von Edwin Hardemann abschließend zu entscheiden. In den zwei Instanzen zuvor war Bayer zu einem Schadensersatz von 25 Millionen US-Dollar verurteilt worden.

Sollte der Supreme Court das Verfahren annehmen, wolle man bis zur Entscheidung keine Vergleichsverhandlungen in Einzelfällen mehr führen, erklärte Bayer. Der Konzern hofft auf eine vorteilhafte Entscheidung „in Bezug auf übergreifende rechtliche Aspekte wie etwa der Vorrang von Bundesrecht, wodurch die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat in den USA weitgehend beenden würden“. Sollte der Supreme Court das Verfahren nicht annehmen oder zu einer für Bayer negativen Entscheidung kommen, würde der Konzern „ein eigenes Programm aufsetzen, um mit Klagen und Ansprüchen umzugehen“. Die zurückgestellten 3,5 Milliarden Euro sind für dieses Programm gedacht.

Zu den von Bayer angesprochenen rechtlichen Aspekten zählt etwa die Frage, ob der Konzern überhaupt vor einer Krebsgefahr bei Roundup hätte warnen dürfen, wenn die Umweltbehörde EPA im Zulassungsverfahren ein Krebsrisiko explizit ausschließt. In einem neuen vierten Fall (Donella Stephens vs. Monsanto), der in dieser Woche in Kalifornien nach der Wahl der Jury mit den Eröffnungsstatements begann, war genau diese Frage Thema. Der Richter strich bereits im Vorfeld der Verhandlung diesen Klagepunkt von der Liste. Der Vorwurf, Monsanto hätte auf der Verpackung von Roundup vor der Krebsgefahr warnen müsse, wird im Fall Stephens nicht verhandelt, weil das Bundesrecht eine solche Warnung nicht zugelassen hätte. Stephens Anwälte werden deshalb einen anderen Vorwurf in den Mittelpunkt stellen und zu beweisen versuchen: Monsanto habe ein unsicheres Herbizidprodukt hergestellt und es wissentlich auf den Markt gebracht hat, obwohl wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt hätten, dass Herbizide auf Glyphosatbasis Krebs verursachen können. Fast 70 Zeugen will die Jury in den nächsten acht Wochen hören. Allein die Liste an Studien, internen Monsanto-Dokumenten und anderen vorzulegenden Beweisen sei 250 Seiten lang, berichtete die US-Bürgerrechtsorganisation U.S. Right to Know in ihrer Prozessvorschau.

Durchaus verständlich, dass Bayer angesichts dieser Beweislage nicht alleine auf den Supreme Court setzt. Der Konzern teilte mit, dass er und seine Partner „von 2023 an die Glyphosat-basierten Produkte im US-Privatkundenmarkt durch Produkte mit neuen Formulierungen ersetzen werden, die alternative Wirkstoffe enthalten“. Dieser Schritt sei „ausschließlich der Minimierung von Rechtsrisiken geschuldet und reflektiert in keinerlei Hinsicht etwaige Sicherheitsbedenken“. Der größte Teil der bisher vorliegenden Klagen kamen von Privatkunden. An Landwirte will Bayer das Herbizid weiterhin verkaufen.

Glyphosat ist die größte, aber nicht die einzige Monsanto-Altlast, die Bayer übernommen hat. Eine Geschworenenjury in Seattle sprach vier Beschäftigten einer Schule Schadensersatz in Höhe von 185 Millionen US-Dollar zu. Sie hatten das von Monsanto hergestellte Umweltgift PCB (polychlorierte Biphenyle) für Hirnschädigungen verantwortlich gemacht. Bayer kündigte bereits an, in Berufung zu gehen. In einem weiteren, noch laufenden Verfahren wollen mehrere US-Städte 650 Millionen US-Dollar als Schadensersatz für PCB-verschmutzte Gewässer. Hier steuern die Parteien auf einen Vergleich zu, schreibt die Zeit. Das Geld dafür hatte der Konzern schon im letzten Jahr in seine Rücklagen eingestellt. Noch keine Risikovorsorge gibt es hingegen für zwei Anfang des Jahres eingereichte Investorenklagen. Ein US-amerikanischer und ein britischer Investor klagen vor dem Landgericht Köln gegen Bayer. Sie argumentieren, Bayer habe Prozessrisiken im Zusammenhang mit der Monsanto-Übernahme verschwiegen und damit kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Pflichten verletzt. Allein der US-Investmentfonds verlangt deshalb 37 Millionen Euro Schadensersatz. Bayer verweist auf vorliegende Gutachten, die dem Vorstand bestätigen, in dieser Hinsicht korrekt gehandelt zu haben.

Nach Mitteilung des Halbjahresergebnisses brach die Bayer-Aktie zeitweise um sechs Prozent ein. Das erstaunt, da die Rückstellung bereits eine Woche vorab mitgeteilt worden war. Vermutlich reagierten die Anleger damit darauf, dass zwar Bayers Umsätze im ersten Halbjahr deutlich stiegen, nicht aber der Ertrag. Über das um acht Prozent gewachsene Agrargeschäft des Konzerns schrieb das Handelsblatt: „Die operative Ertragsentwicklung dagegen ist weiterhin enttäuschend.“ Synergieeffekte aus der Monsanto-Übernahme und weitere Effizienzmaßnahmen seien bisher weitgehend verpufft. Dieses Verpuffen findet sich auch in den Halbjahreszahlen wieder. Der Konzern verbuchte ein Wertminderung seines Agrargeschäfts von 460 Millionen Euro. [lf]

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