23.02.2022 |

Testbiotech warnt vor Risiken transgener Bohnen in Afrika

Augenbohnen Kuhbohnen Bohnen Saatgut Augenbohnen - ein wichtiges Nahrungsmittel in vielen afrikanischen Ländern (Foto: Toby Hudson / wikimedia commons, bit.ly/1ZKgXMh, creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Das gentechnikkritische Institut Testbiotech hat die Risikobewertung gentechnisch veränderter (gv) Kuhbohnen untersucht, die in Nigeria bereits zum Anbau zugelassen sind. Dabei wurden „erhebliche Defizite“ festgestellt. Die Bohnen, die zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Westafrika zählen, könnten zu einer Gefahr für Mensch und Umwelt werden, warnen die Wissenschaftler.
Die transgenen Pflanzen produzieren ein insektengiftiges Bt-Toxin, das sie vor bestimmten Raupen schützen soll. Für seine Publikation hat Testbiotech öffentlich verfügbare Daten analysiert. Dabei kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass die gv-Bohnen sich wahrscheinlich mit traditionellen Sorten und wilden Verwandten kreuzen werden. So könnten die Transgene in die Umwelt gelangen. Was das für Langzeitfolgen haben wird, sei weder vorhersagbar noch kontrollierbar. Darüber hinaus könnten Kontaminationen zu einer Gefahr für Saatgutsammlungen, traditionelle Anbaumethoden und das einzigartige Erbe der afrikanischen Landwirtschaft werden.
Nach Erkenntnis von Testbiotech wurde auch nicht untersucht, ob das Insektengift, das von den transgenen Pflanzen produziert wird, Schäden an der biologischen Vielfalt, Insekten und Bodenorganismen verursachen kann. Dies sei besonders bedenklich, da Kuhbohnen natürlicherweise Inhaltsstoffe produzierten, die ihre Bt-Toxine wesentlich giftiger machen. Diese synergistischen Effekte könnten auch die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln beeinträchtigen, geben die Experten zu bedenken. Doch diese Risikopotentiale seien von den nigerianischen Behörden nicht in Betracht gezogen worden.
Ein besonderes Problem sieht Testbiotech für Allergiker: Neben den Allergenen, die Kuhbohnen natürlicherweise enthalten, stehen ihre Bt-Toxine im Verdacht, Immunreaktionen auszulösen oder zu verstärken. Es lägen jedoch keine experimentellen Daten zur Sicherheit der auch als Augenbohne bezeichneten Hülsenfrucht als Lebens- oder Futtermittel vor. All diese Risiken müssten ernst genommen und die Zulassung der Kuhbohnen vorläufig ausgesetzt werden, fordert Testbiotech. Solange die von ihnen möglicherweise ausgehenden Gefahren nicht genauer untersucht worden seien, dürften die Bohnen nicht mehr angebaut werden – weder in Nigeria noch in einem anderen afrikanischen Land. [vef]

18.02.2022 |

Erste Freilandversuche mit Crispr-Pflanzen in der EU

Mais  Foto: CCO Mais Foto: CCO

Das von mehreren belgischen Universitäten betriebene Forschungsinstitut VIB (Vlaams Interuniversitair Instituut voor Biotechnologie) hat Freilandversuche für drei mit Crispr/Cas gentechnisch veränderte Mais-Linien beantragt. In Spanien und Tschechien haben die Behörden Freisetzungsanträge für Brokkoli und Gerste auf dem Tisch. In Schweden wachsen die ersten Crispr-Kartoffeln.

Diese Informationen stammen aus dem zentralen Register der Europäischen Kommission für Freilandversuche, an das die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten bei ihnen eingegangene Anträge melden. In diesem Jahr wurden dort schon sieben Anträge veröffentlicht. Drei davon stammen aus Belgien. Auf rund 2.000 Quadratmetern Fläche des staatlichen Forschungsinstituts ILVO will das VIB dort drei mit Crispr/Cas veränderte Maislinien freisetzen, jeweils über drei Jahre.
Bei einer dieser Maislinien haben die Wissenschaftler ein Gen ausgeschaltet, das bei Dürrestress die DNA zusammenfaltet und so ein weiteres Wachstum der Pflanze unterbindet. Im Gewächshaus wuchsen diese Maispflanzen laut VIB unter Dürrestress besser als unveränderte Exemplare. Das gleiche Ergebnis erzielte ein VIB-Forschungsteam, das beim Mais einen Regulator ausschaltete, der bei Trockenheit das Zellwachstum verlangsamt. Bei beiden Maislinien will das VIB nun überprüfen, ob sich diese Eigenschaften auch unter normalen Umweltbedingungen zeigen.
Bei der dritten Maislinie veränderten die Wissenschaftler den Ligningehalt in den Maiszellwänden. Das soll die Pflanze als Tierfutter leichter verdaulich machen und die industrielle Verarbeitung zu Maisstärke oder Alkohol erleichtern. Auf dem Feld will das VIB untersuchen, ob die Pflanze gute Erträge liefert und bei starken Winden standfest bleibt. Partner für das Vorhaben ist der französische Saatgutkonzern Limagrain. Bei allen drei Maisversuchen steht die Genehmigung der belgischen Behörde FOD Volksgezondheid noch aus, die erst einmal – noch bis 19. Februar - die Öffentlichkeit beteiligte.

Zwei aktuelle Anträge im EU-Register kamen aus Spanien. Die deutsche Biotech-Firma Nomad Bioscience hat – mit alter Gentechnik – Tabakpflanzen so verändert, dass sie den natürlich vorkommenden Süßstoff Thaumatin produzieren. Die Produktion im Pilot-Maßstab habe begonnen und man wolle 2024 auf dem Markt sein, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Derzeit bringe man mit Partnern in Spanien und Deutschland das Herstellungsverfahren auf ein industrielles Niveau. Für sein Gentech-Thaumatin hat das Unternehmen bereits eine Unbedenklichkeitszulassung in den USA erhalten. Der zweite spanische Antrag bezieht sich auf Brokkoli, bei dem mehrere Gene mit Hilfe von Crispr/Cas ausgeschaltet wurden, um die Pflanzen toleranter gegenüber Trockenheit und hohem Salzgehalt im Boden zu machen. Gestellt hat den Antrag die Grupo Lucas, ein großer spanischer Obst- und Gemüseproduzent.

In Schweden arbeitet die agrarwissenschaftliche Universität (SLU) in Alnarp an Kartoffeln mit einer stärkeren Widerstandskraft gegen Krankheiten. Um diese zu erreichen haben deren Wissenschaftler mit Crispr/Cas verschiedene Gene in den Kartoffeln stillgelegt und untersuchen bereits seit vergangenem Jahr, wie sich diese Knollen im Freiland verhalten. Neu hinzu kam im Januar ein Antrag des schwedischen Unternehmens SweTree Technologies, das Pappeln mit einem verringerten Ligningehalt im Freien testen will. Um zu verhindern, dass gentechnisch veränderte Pollen freigesetzt und mit dem Wind verweht werden, will SweTree nur weibliche Klone anbauen, die keine Pollen produzieren.

Die tschechische Firma Usovsko arbeitet schon seit Jahren mit alter Gentechnik an einer Gerste, die das LL-37 Peptid produziert, ein im menschlichen Immunsystem vorkommendes und gegen Mikroben wirkendes Eiweiß. Nach einer ersten Versuchsreihe hat das Unternehmen nun den Anbau der Gerste auf über einem Hektar für weitere sieben Jahre beantragt. Ein isländisches Unternehmen baut seit letztem Jahr Gerste an, die einen menschlichen Wachstumsfaktor produzieren soll. Beide Pflanzen sollen dazu dienen, Arzneimittelwirkstoffe herzustellen, und sind nicht als Lebensmittel gedacht. [lf]

15.02.2022 |

Neue Studie: wie Glyphosat und Roundup Krebs verursachen

RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, http://bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/) RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Eine Studie des Londoner King’s College hat gezeigt, was Glyphosat alleine sowie glyphosthaltige Herbizide in der Leber von Ratten bewirken. Dabei beschrieben die Wissenschaftler zwei Wege, auf denen Glyphosat Krebs erzeugen kann: indem es in den Zellen oxidativen Stress erzeugt und Botenstoffe beeinflusst. Nachweisen ließen sich die Wirkungen bei Konzentrationen, die bisher in Tierversuchen keine Effekte hervorgerufen hatten.
Die Molekulargenetiker um Michael Antoniou und Robin Mesnage hatten den Ratten über 90 Tage Glyphosat pur oder als ein in der EU zugelassenes Roundup-Herbizid (MON 52276) verabreicht, in Konzentrationen von 0, 0,5, 50 und 175 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht (mg/kg KG). Die 50 mg gelten bei den Zulassungsbehörden als die Dosis, bei der im Tierversuch keine negativen Effekte mehr beobachtet wurden – bisher. Die Londoner Wissenschaftler wiesen bei mehreren Ratten bei dieser Dosis Leberschäden und eine Entwicklung hin zur Fettleber nach, sowohl für Glyphosat als auch für das fertige Herbizid. Fettleber gilt als Hauptrisikofaktor für einen späteren Leberkrebs.
Auf der Suche danach, wie diese Schädigungen entstanden sein könnten, fanden die Wissenschaftler zwei Wirkmechanismen. In Zellversuchen konnten sie zeigen, dass sowohl Glyphosat als auch das fertige Herbizid in den Zellen oxidativen Stress auslösen, also die Menge freier Radikale erhöhen und damit verbunden auch die Zahl der Erbgutschäden in den Zellen. Diese können zwar repariert werden, mit der Zahl der Reparaturen steigt allerdings das Risiko, dass sich ein Fehler einschleicht und die Zelle mutiert – und daraus ein Tumor entstehen kann. Diese DNA-Schäden ließen sich auch in den Lebern der Versuchstiere nachweisen, nicht allerdings in deren Nieren.
Die Forscher konnten auch zeigen, dass Glyphosat in der 50 mg-Dosis in der Leber die Arbeit von 20 Genen beeinflusste. Das fertige Herbizid wirkte sich sogar auf fast 100 Gene aus, die dadurch herunter- oder hochgeregelt wurden. Diese Effekte beruhen nach den Ergebnissen der Studie darauf, dass Glyphosat die Menge bestimmter Botenstoffe (miRNA) beeinflusst, die wiederum die Funktion der Gene steuern. „Die miRNAs, deren Spiegel in Leberproben durch Glyphosat und Roundup MON 52276 verändert wurden, sind nachweislich an der Entstehung von Krebs beteiligt“, schreiben die Wissenschaftler. „Die neuen Daten, die Veränderungen in den miRNA-Mustern zeigen, sind ein weiterer Beweis für das krebserregende Potenzial von Glyphosat und Roundup“, erläuterte Michael Antoniou auf GMWatch.org. Zudem hätten die Ergebnisse gezeigt, dass nicht nur Roundup, sondern auch Glyphosat alleine ein krebserregendes Potential habe. Nach Ansicht von GMWatch zeige die Studie auch, dass die Regulierungsbehörden der EU und der USA nur deshalb zu dem Schluss kommen konnten, Glyphosat habe bei der untersuchten Dosis von 50 mg/kg Körpergewicht keine beobachtbare schädliche Wirkung, weil die Tests, die sie von der Industrie verlangen, nicht empfindlich genug seien. [lf]

11.02.2022 |

Europäischer Gerichtshof verhandelt über Neue Gentechnik

Gericht EU Foto: Gerichtshof der Europäischen Union

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich noch einmal mit der Zulassung neuer gentechnischer Verfahren befassen. 80 europäische Landwirtschafts- und Umweltorganisationen verlangten deshalb von der EU-Kommission, sie solle ihre Pläne, das Gentechnikrecht zu deregulieren, vorerst auf Eis legen und die EuGH-Entscheidung abwarten. EU-Parlamentarier forderten die Kommission parteiübergreifend auf, endlich Risikoforschung und Nachweisverfahren zu neuen gentechnischen Verfahren zu fördern.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich nach seinem Urteil von 2018 erneut mit der Zulassung neuer gentechnischer Verfahren beschäftigen. Das oberste französische Verwaltungsgericht, der Conseil d’Etat, hat im November 2021 dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese zielen darauf ab, offene Punkte aus der Entscheidung von 2018 zu klären. Bereits das damalige Verfahren wurde von Fragen des Conseil d’Etat ausgelöst.

In einem Schreiben wiesen mehr als 80 Organisationen die zuständigen EU-Kommissare auf dieses anstehende Verfahren hin und forderten sie auf, die Kommissionspläne für eine Änderung des Gentechnikrechts zurückzustellen, bis eine Entscheidung des EuGH vorliege. Die vorgelegten Fragen beträfen nicht nur die Anwendung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18, sondern auch Grundprinzipien des EU-Rechts, wie das Vorsorgeprinzip, heißt es in dem Schreiben. Sollte die Kommission vorpreschen, riskiere sie, einen Vorschlag vorzulegen, der nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Deshalb sollte sie „unter Beachtung der Gewaltenteilung“ die Entscheidung des EuGH abwarten und sie anschließend in ihren Vorschlag einbeziehen. Wann der EuGH die Fragen aus Frankreich beantwortet, ist offen. Beim letzten Verfahren dauerte es zwei Jahre.

Konkret geht es laut dem Schreiben in den beiden vorgelegten Fragen darum, ob es ausreicht, nur die gentechnische Veränderung zu betrachten und ansonsten davon auszugehen, dass die veränderte Pflanze sich substanziell nicht von Pflanzen aus traditionellen Züchtungsverfahren unterscheide. So argumentieren Befürworter einer Deregulierung gerne. Oder muss die gesamte gentechnisch veränderte Pflanze betrachtet werden, einschließlich aller ungewollten Veränderungen, die sich aus dem angewandten gentechnischen Verfahren ergeben und Risiken für die Gesundheit, die Umwelt und die landwirtschaftlichen Systeme mit sich bringen könnten. Verbunden damit sehen die Organisationen die Frage, ob sich die Risken neuer gentechnischer Pflanzen ausschließlich mit Laborergebnisssen bewerten lassen oder ob es dafür Freisetzungen unter realistischen Anbaubedingungen brauche.

Wegen der Risikobewertung neuer gentechnischer Verfahren haben sich 31 Abgeordnete aus fünf Fraktionen des Europäischen Parlaments an die EU-Kommission gewandt. Sie kritisierten, dass die EU bislang keine Forschungsprojekte fördere, die sich gezielt mit den Risiken und Nachweisverfahren für die Neue Gentechnik befassen würden. Statt dessen habe die Kommission in vier Jahren 271 Millionen Euro ausgegeben, um die Verfahren und ihre Anwendung voranzutreiben. „Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die EU viele Millionen in die Entwicklung der Neuen Gentechnik steckt, doch keinerlei Forschung zu ihren Risiken für Umwelt und Gesundheit beauftragt“, sagte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling, der den Vorstoß initiierte. Auch die EU-Mitgliedsländer würden nur 1,6 Prozent ihrer Forschungsbudgets zur neuen Gentechnik in die Bereiche Risikobewertung und Nachweisverfahren stecken, monierte Häusling. Dabei lasse sich mit Verfahren wie CRISPR/Cas das Erbgut von Pflanzen tiefgreifender und schneller modifizieren als das mit konventioneller Züchtung oder den Verfahren der alten Gentechnik möglich sei. [lf]

07.02.2022 |

Crispr/Cas soll das Kükentöten verhindern

Derzeit werden männliche Küken geschreddert oder vergast (Foto:  Timo Klostermeier  / pixelio.de) Derzeit werden männliche Küken geschreddert oder vergast (Foto: Timo Klostermeier / pixelio.de)

Wissenschaftler in Australien und Israel haben eine Methode entwickelt, mit der sich das Geschlecht eines künftigen Hühnerkükens bestimmen lässt, sobald das Ei gelegt wurde. Damit ließe sich verhindern, dass männliche Küken von Legehennen-Linien gleich nach dem Schlüpfen aussortiert und getötet werden. Doch dazu müssten die Zuchthennen mit Crispr/Cas gentechnisch verändert werden. Ein Beispiel mehr, wie mit Hilfe neuer gentechnischer Verfahren Nutztiere an die Bedingungen der Massentierhaltung angepasst werden sollen.

Bei Hühnern haben Hennen in ihrem Erbgut zwei verschiedene Geschlechtschromosomen, ein weibliches und ein männliches (WZ), die Hähne dagegen zwei männliche (ZZ). Die Wissenschaftler des israelischen Start-Ups EggXYt und der australischen Wissenschaftsorganisation CSIRO hatten unabhängig voneinander die gleiche Idee: Mit Crispr/Cas fügten sie zum männlichen Chromosom der Hennen ein Gen für ein Leuchtprotein hinzu. Bei der Paarung mit einem unveränderten Hahn geben die Hennen ihr leuchtendes Z-Chromosom an den männlichen Nachwuchs weiter. Die Hennen hingegen bekommen vom Hahn ein unverändertes, nicht leuchtendes Z-Chromosom. Damit wären alle männlichen Embryos optisch markiert. Unter UV-Licht ließen sie sich gleich nach dem Legen der Eier erkennen. Die Eier mit männlichem Nachwuchs könnten aussortiert und noch als Lebensmittel verkauft werden; nur die Eier mit weiblichen Küken würden ausgebrütet.

Die Firma EggXYt erhielt für die Entwicklung ihrer Methode von der EU-Kommission 3,3 Millionen Euro aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon. Denn ein solches Verfahren hätte eine große wirtschaftliche Bedeutung. In der industriellen Hühnerhaltung gibt es zwei Arten von eigens gezüchteten Hochleistungstieren: Legehennen-Linien, bei denen die Hennen 300 Eier im Jahr legen, und Mast-Linien, bei denen die Tiere binnen fünf Wochen zwei Kilo Gewicht zulegen. Für die Mast können Hähne und Hennen verwendet werden. Fürs Eierlegen braucht es nur die Hennen, die Hähne sind wirtschaftlich wertlos, weil sie zuchtbedingt nur sehr langsam Fleisch ansetzen. Deshalb werden sie schon als Küken am ersten Tag aussortiert, getötet und als Tierfutter verkauft. Laut EU-Kommission trifft das jedes Jahr sieben Milliarden Hahnenküken weltweit.

In Deutschland ist diese Praxis seit Anfang 2022 verboten. Statt dessen werden in den Brütereien die Eier angebohrt, etwas Flüssigkeit entnommen und so das Geschlecht bestimmt. Das ist technisch derzeit erst am achten oder neunten Bruttag möglich. Tierschützer kritisieren, dass der Embryo dann schon Schmerzen empfinden kann, wenn er samt Ei verarbeitet wird. Deshalb erlaubt das deutsche Gesetz solche Eingriffe ab Anfang 2024 nur noch vor dem siebten Tag. Bisher gibt es jedoch noch kein Verfahren, das diese frühe Geschlechtsbestimmung im großen Stil ermöglicht. Die gentechnikfreundliche Plattform Transgen.de schreibt über EggXYt: „Das Unternehmen rechnet mit einem marktreifen Produkt bis 2022“ und suggeriert damit, dass diese Crispr-Hennen eine Lösung sein könnten.

Doch dazu müsste das fremde Erbgut für das Leuchtprotein in die Mutterhennen-Linien der großen Geflügelzuchtkonzerne eingebracht werden. Diese modifizierten Hennen müssten anschließend ein Zulassungsverfahren nach EU-Gentechnikrecht durchlaufen. Bisher gab es in der EU noch kein Verfahren für gentechnisch veränderte Nutztiere. Es wäre also Neuland und würde entsprechend lange dauern. Die weiblichen Nachkommen dieser Crispr-Hennen, die dann als Legehennen in den Ställen Eier produzieren, haben das eingefügte Leucht-Gen nicht. Doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch den Crispr-Eingriff im Erbgut der Mütter zu unerwünschten Veränderungen kommt. Auf dieses Risiko weisen zahlreiche Studien hin. Diese Veränderungen könnten die Crispr-Hennen dann an ihre weiblichen Nachkommen weitergeben. Das wirft die rechtliche Frage auf, ob diese Nachkommen ebenfalls als gentechnisch veränderter Organismus zu betrachten sind. Nur wenn diese Frage mit „ja“ beantwortet wird, müssten die Eier dieser nachfolgenden Generation nach EU-Recht gekennzeichnet werden.

Jenseits dieser gentechnikrechtlichen Debatte hat diese Crispr-Lösung – ebenso wie andere Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei – ein ethisches Problem. Solche Verfahren zementieren eine extreme Hochleistungszucht, die aus Sicht des Tierschutzes automatisch zu Qualen für die Tiere bei der Haltung führt, bei Legehennen ebenso wie bei Masthühnern. „Die heutigen Legehennen sind hochgezüchtete Eierlegemaschinen innerhalb eines kaputten Systems, die Kükenfrage damit auch eine Systemfrage“, argumentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Die einzige Methode, die sowohl das Kükentöten verhindern als auch die zuchtbedingten Probleme der Legehennen lösen könne, sei die Rückkehr zum Zweinutzungshuhn. [lf]

02.02.2022 |

Studie: Pflanzen schützen wichtige Gene vor Mutation

DNA Genom DNA-Modell der Ausstellung "Genome: The Secret of How Life Works" im Jahr 2012 (Foto: George Bush Presidential Library and Museum / flickr, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)

Eine neue Studie internationaler Molekularbiologen schürt Zweifel an Darwins Evolutionstheorie. Sie zeigt, dass das Erbgut von Pflanzen nicht zufällig und an jeder Stelle gleichermaßen mutiert. Manche Bereiche schützt die Natur vor ungewollten Änderungen. Mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas lassen sich aber auch dort gezielt Gene verändern. Sie wirken also anders als natürliche Mutation. Das Institut Testbiotech fordert daher, dass die Risiken solcher Crispr-Eingriffe genau untersucht werden müssen, bevor entsprechende Pflanzen zugelassen werden.
Befürworter einer Lockerung des Gentechnikrechts behaupten häufig, dass eine durch Crispr/Cas herbeigeführte Änderung im Erbgut auch durch eine zufällige Mutation entstehen könne, also auch nicht mehr Risiken berge als diese. Doch das haben Molekularbiologen unter Führung des Max-Planck-Instituts für Biologie Tübingen und der Universität von Kalifornien jetzt in Frage gestellt. Sie bauten im Labor Acker-Schmalwand an, ein weitverbreitetes Wildkraut, das Genetiker gerne als Modellpflanze verwenden. Die Forscher suchten in den Pflanzen nach neu aufgetauchten Mutationen und erwarteten, dass diese zufällig über das ganze Erbgut verteilt wären. Denn die Darwinsche Evolutionstheorie geht davon aus, dass Mutationen rein zufällig entstehen und erst danach die natürliche Auslese bestimmt, ob veränderte Gene sich durchsetzen oder nicht.

Statt einer zufälligen Verteilung fanden die Forscher Abschnitte im Erbgut, in denen Mutationen selten waren, und andere, in denen Mutationen viel häufiger vorkamen. In den Regionen mit wenigen Mutationen kamen gehäuft Gene vor, die in jeder Zelle benötigt werden und somit für das Überleben jeder Pflanze wichtig sind. „Das sind die Regionen des Genoms, die am empfindlichsten auf die schädlichen Auswirkungen neuer Mutationen reagieren“, erklärte Detlef Weigel, wissenschaftlicher Direktor am Max-Planck-Institut für Biologie und Hauptautor der Studie. „Die DNA-Reparatur scheint daher in diesen Regionen besonders effektiv zu sein.“ So minimiere die Evolution das Risiko, dass die wichtigsten Gene geschädigt werden. Auch die Struktur der Chromosomen und der Ort, an dem sich die Gene befinden, beeinflusste bei den Versuchen, wie häufig ein Gen mutiert. „Die Ergebnisse, die jetzt in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurden, haben das Potenzial, unsere Sichtweise der Evolution drastisch zu verändern“, schrieb das Max-Planck-Institut.

Auch für die Diskussion über neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas sind diese Erkenntnisse wichtig: Denn mit Crispr/Cas können auch Gene verändert werden, die durch natürliche Reparaturprozesse besonders gut geschützt sind. Das gentechnische Verfahren verhindere, „dass die Zellen das Erbgut wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen können“, schrieb das Institut Testbiotech. Auch weitere Schutzmechanismen könnten durch die sogenannte „Gen-Schere“ außer Kraft gesetzt werden. „So spielt es bei ihrem Einsatz kaum eine Rolle, an welcher Stelle im Erbgut Gene, die verändert werden sollen, lokalisiert sind“, erklärte Testbiotech. Mit Crispr/Cas lassen sich also tiefgreifende genetische Veränderungen herbeiführen, die von Natur aus nur selten möglich wären. Derart veränderte Pflanzen „können sich deutlich von den Pflanzen unterscheiden, die aus konventioneller Züchtung stammen“, argumentierte Testbiotech und folgerte daraus: „Ihre Risiken müssen deshalb eingehend geprüft werden.“ [lf]

28.01.2022 |

Südtirol: Nachrede-Klage gegen Pestizidkritiker vom Tisch

FotoProzessUmweltinstitut Angeklagt wegen Pestizidkritik: Karl Bär, Umweltinstitut München, und Autor Alexander Schiebel (rechts, Foto: Jörg Farys, Umweltinstitut München)

Der Vorwurf der üblen Nachrede gegen Karl Bär, damals beim Umweltinstitut München, ist vom Tisch: Vor dem Landgericht Bozen zog der letzte verbliebene Kläger heute seine Anzeige gegen Bär zurück. Das Umweltinstitut will die Pestiziddaten aus dem Prozess nun mit den Südtiroler Obstbauern bei einer Veranstaltung diskutieren. Offen bleibt der Anklagepunkt der Markenfälschung. Das abschließende Urteil wird am 6. Mai 2022 erwartet.

Bär und der Buchautor AlexanderSchiebel hatten 2017 den massiven Pestizideinsatz beim Obstanbau in Südtirol deutlich kritisiert: Schiebel in seinem beim oekom Verlag erschienen Buch „Das Wunder von Mals“, Bär mit einer Kampagne für „Pestizidtirol“, bei der er die Südtiroler Tourismuswerbung aufs Korn nahm. Das brachte beiden Anzeigen des Südtiroler Landesrates für Landwirtschaft, Arnold Schuler, sowie von 1376 Landwirten ein. Schiebel war bereits im Mai 2021 freigesprochen worden. Im Lauf des Jahres zogen der Landesrat und fast alle Landwirte dann ihre Anzeigen gegen Bär zurück. Am heutigen Prozesstag willigte nun auch der letzte Kläger, Tobias Gritsch, ein, seinen Strafantrag zurückzunehmen. „Nach eineinhalb Prozessjahren ist es endlich so weit: Die Südtiroler Obstwirtschaft sucht den Dialog, statt an unhaltbaren Klagen festzuhalten“, kommentierte Karl Bär den Schritt. Damit ermögliche Gritsch eine konstruktive Diskussion außerhalb des Gerichtssaales.

Für diese Diskussion gibt es bereits einen konkreten Plan. Das Umweltinstitut teilte mit, es werte derzeit die Betriebshefte fast aller Obstbäuerinnen und -bauern aus, die ursprünglich Anzeige gegen Karl Bär erstattet hatten. Die Hefte enthalten Angaben darüber, welche und wie viel Pestizide die Landwirte im Jahr 2017 verwendet haben. Die Unterlagen wurden im Prozess dem Umweltinstitut auf Antrag der Staatsanwaltschaft als Beweismittel zur Verfügung gestellt. „Wir planen, die Ergebnisse der Auswertung dieser Daten über Pestizideinsätze auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit Vertreter:innen der Obstwirtschaft in Südtirol zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren“, kündigte Bär an, der aktuell für die Grünen im Bundestag sitzt.

Doch einmal muss Bär noch vor Gericht erscheinen. Denn für die Pestizidtirol-Kampagne hatte er ein Plakat der Südtiroler Tourismuswerbung ironisch verfremdet. Aus dem Schriftzug Südtirol wurde „Pestizidtirol“. Dies trug ihm eine Anzeige wegen Fälschung der geschützten Wort-Bild-Marke „Südtirol“ ein. Noch ist also der Versuch der Südtiroler Landesregierung, Pestizidkritiker mundtot zu machen, nicht endgültig gescheitert. Im Oktober 2020 hatte der Europarat die Klagen gegen Pestizidkritiker in Südtirol als strategische Klage und damit als Angriff auf die Meinungsfreiheit eingestuft. Diese Art der Klagen wird in der Fachwelt als Strategic Litigation against Public Participation (SLAPP) bezeichnet. Die EU-Kommission erarbeitet derzeit eine Anti-SLAPP-Initiative, die Organisationen und Journalisten besser davor schützen soll, mit solchen Klagen mundtot gemacht zu werden. Am 1. Februar wird die Koalition gegen SLAPP in Europa (CASE) 185.000 in den letzten Monaten gesammelte Unterschriften an Vera Jourová, EU-Vizepräsidentin und Kommissarin für Werte und Transparenz übergeben. [lf]

26.01.2022 |

Großbritannien erleichtert Versuchsanbau von Crispr-Pflanzen

weizen 3 freilandversuch genehmigt Freilandversuch mit Gentechnik-Weizen genehmigt (Foto: Wilhelmine Wulff / pixelio.de)

Die britische Regierung will Feldversuche mit genomeditierten Pflanzen erleichtern. Das teilte das Agrarministerium vergangene Woche mit. „Vorerst“ müssten solche Pflanzen aber weiter als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zugelassen werden, wenn sie auf den Markt gebracht werden sollen. Die Organisation GMWatch kritisierte Feldversuche ohne Risikoprüfung als 'Wilden Westen' für GVO-Entwickler zum Nachteil von Umwelt und Gesundheit.
„Die heute erlassenen Rechtsvorschriften sind der erste Schritt auf dem Weg zu einem wissenschaftlicheren und verhältnismäßigeren Ansatz für die Regulierung der Gentechnologien, der es uns ermöglichen wird, Innovationen mit diesen Technologien weiter zu erschließen“, heißt es in der sehr ausführlichen Presseinformation des Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft sowie der Ministerin für Agrarinnovation und Klimaanpassung, Jo Churchill. „Neue Gentechnologien könnten uns helfen, einige der größten Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen – in Bezug auf Ernährungssicherheit, Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt“, wird diese darin zitiert. Der Austritt aus der Europäischen Union gebe die Freiheit, diese Themen jetzt unbürokratisch zu regeln. „Die neue Gesetzgebung wird auch das Bestreben des Vereinigten Königreichs vorantreiben, bis 2030 eine globale Wissenschaftssupermacht zu werden.“
Ein Grund für diese Überzeugungsoffensive ist wohl, dass die Briten sich bei einer öffentlichen Konsultation im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen hatten, die Regeln für genomeditierte Pflanzen zu lockern. Kein Wunder, dass der Pressetext dann auch vor allem darüber informiert, was sich nicht ändert: Wissenschaftler, die mit Gentechnologien forschen, müssen das Ministerium weiterhin über alle Forschungsversuche informieren. Die Sicherheit sei nicht beeinträchtigt. Erleichtert würde auch nur die Forschung an Pflanzen, „bei denen die Genomeditierung verwendet wird, um neue Sorten zu schaffen, die denen ähneln, die durch traditionelle Züchtungsverfahren langsamer hätten produziert werden können“. Gemeint sind damit Produkte neuer gentechnischer Verfahren wie Crispr/Cas, bei denen keine fremde DNA in die Pflanze eingeführt wird.
Auf Nachfrage des Portals Newscientist sagte ein wissenschaftlicher Regierungsberater, die Neuregelung sei eher symbolisch: Es werde zwei Monate weniger Zeit brauchen, bis Versuche genehmigt würden. Und die Forscher sparten pro Versuch rund 10.000 Pfund an Kosten. Die neuen Regeln sollen offenbar zunächst nur für England gelten. Man wolle damit das Signal geben, dass der erste Schritt gemacht sei, so Gideon Henderson. Der nächste sei dann, dass geneditierte Lebensmittel kommerziell angebaut und verkauft werden können. Und nach den Pflanzen komme das Vieh. Wann entsprechende Gesetze kommen sollen, ließ er offen. Er wies jedoch darauf hin, dass es mindestens fünf Jahre dauern werde, bis Lebensmittel aus den Feldversuchen auf den Markt kommen könnten.
Erst bei der gentechnikkritischen Organisation GMWatch lesen wir dann, dass die Gentechnikforscher künftig nicht mehr verpflichtet sein sollen, vor ihren Feldversuchen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzulegen. Die Gefahr, dass Teile gentechnisch veränderter Pflanzen das Versuchsgelände verlassen könnten, muss demnach nicht mehr untersucht werden. Das Ministerium müsse zwar noch informiert werden, die Versuche jedoch nicht mehr ausdrücklich genehmigen, so GMWatch. "Die Regierung ist immer noch wild entschlossen, den Schutz für Gesundheit und Umwelt aufzugeben, um der GVO-Industrie in England freie Hand zu lassen“, kritisiert GMWatch-Expertin Claire Robinson. Denn es gebe keine Beweise dafür, dass die durch moderne Gentechnik hervorgerufenen Veränderungen in einer Pflanze auf natürliche Weise hätten entstehen können, diese Pflanzen also konventionell gezüchteten ähnlich wären. „Tatsächlich gibt es viele Beweise dafür, dass Gen-Editing genetisches Chaos verursacht“, so Robinson. Deshalb müssten geneditierte Pflanzen genau untersucht werden, welche unbeabsichtigten Veränderungen durch den Eingriff entstanden sind, die Gesundheit oder Umwelt schädigen könnten. [vef]

20.01.2022 |

Monsanto beschäftigt Gerichte weltweit

Monsanto Kreativer Protest gegen Agro-Gentechnik (Foto: Joe Brusky / flickr, creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0)-+-

Für den Agrarchemiekonzern Bayer begann das neue Jahr, wie das alte aufgehört hat: mit einer juristischen Niederlage, eingebrockt vom 2018 erworbenen Tochterunternehmen Monsanto. Von Steuernachforderungen über Schadenersatz wegen gefährlichem Pestizideinsatz bis hin zu Investoren, die sich bei der Megaübernahme getäuscht sehen, reicht die Palette der Prozesse. 2022 könnten richtungweisende Entscheidungen fallen.
In der Schweiz hat Monsanto 34 Millionen Schweizer Franken Steuerschulden, stellte das Schweizer Bundesgericht Ende Dezember fest. Wie Schweizer Medien übereinstimmend berichteten, hatte der Kanton Waadt dem Unternehmen zehn Jahre lang sämtliche Steuern erlassen, nachdem es 2004 dort einen Standort eingerichtet hatte. Dafür verpflichtete sich der damals noch amerikanische Konzern, 20 Jahre zu bleiben. 2020 gab die neue Mutter Bayer den Standort jedoch vorzeitig auf und das Bundesgericht bestätigte jetzt, dass Bayer damit die Steuern nachzahlen muss.
Drei Jahre Haft auf Bewährung verhängte Anfang Januar ein Bezirksgericht auf Hawaii wegen 31 Umweltvergehen mit Agrarchemikalien: Monsanto habe sich schuldig bekannt, sie falsch gelagert, verwendet und Mitarbeitende unzureichend vor gesundheitlichen Gefahren gewarnt und geschützt zu haben, berichtete das Portal Hawaii News Now. Wie die kalifornische Staatsanwaltschaft informierte, erklärte sich die Bayer-Tochter ferner bereit, insgesamt 22 Millionen US-Dollar zu zahlen, die sich etwa hälftig aus Geldstrafen und Zahlungen an gemeinnützige hawaiianische Einrichtungen zusammensetzen. Außerdem wird der Konzern für weitere drei Jahre ein umfassendes Umwelt-Compliance-Programm fortsetzen, das von einem externen Prüfer begleitet wird. Wie der Infodienst berichtete, laufen ferner Schadenersatzklagen schwer erkrankter Anwohner von Monsanto-Feldern auf Hawaii.
Nach Unternehmensangaben sind in den USA noch rund 29.000 Klagen von Bürgern offen, die Erkrankungen wie ein Non-Hodgkin-Lymphom auf regelmäßigen Kontakt mit Bayers Unkrautvernichter Glyphosat zurückführen. Hier hofft der Chemiekonzern, dass das oberste US-Gericht, der Supreme Court, sich mit der Frage befassen wird, ob Bayer vor den Gefahren des Totalherbizids hätte warnen müssen, oder ob das Bundesrecht in den USA das ausschließt. Mit einer Entscheidung, ob der Supreme Court sich zu dieser Rechtsfrage äußern wird, rechnen Experten im Frühsommer. Wie er sie beantwortet, wird die Welt wohl erst 2023 erfahren. Zunächst wurde die US-Regierung gebeten, Stellung zu nehmen. Die Vergleichsverhandlungen mit den Klägern lässt Bayer einstweilen ruhen.
Einen längeren Atem brauchen wohl auch 320 Investoren, die bis zum Ende der Verjährungsfrist am 31. Dezember beim Landgericht Köln Klage gegen die Bayer AG eingereicht haben. Dazu gehören nach Angaben der Kanzlei Tilp Rechtsanwälte mittlerweile 288 Institutionen wie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds aus mehreren Ländern sowie zahlreiche Privatanleger. Dabei gehe es um eine Schadensumme von insgesamt 2,2 Milliarden Euro, teilte die auf solche Musterverfahren spezialisierte Kanzlei mit. Der Aktiengesellschaft wird vorgeworfen, im Zuge der Übernahme des US-Saatgutgiganten Monsanto ihre Anleger in den Jahren 2016 bis 2019 nicht ausreichend über die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken informiert zu haben. In der Folge des Megadeals zum Preis von 66 Milliarden US-Dollar, der 2016 angekündigt wurde, brach der Aktienkurs von Bayer vor allem aufgrund der hohen Klagewelle in den USA massiv ein. Bayer wies die Vorwürfe stets zurück. Die Kanzlei Tilp geht davon aus, dass der Prozess in Köln im Lauf des Jahres starten wird. [vef]

17.01.2022 |

Neue Studie: Glyphosat schädigt Spermien

Notfellchen, gerettete Laborratte, https://bit.ly/3ntMB4X, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de Notfellchen, gerettete Laborratte, https://bit.ly/3ntMB4X, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de

Der Herbizidwirkstoff Glyphosat beeinträchtigt im Langzeitversuch die Spermien männlicher Ratten. Das ergab eine Studie chinesischer Wissenschaftler. Sie verabreichten den Tieren Glyphosat in Konzentrationen, die weit unter denen früherer Versuche lagen. Deshalb sind die Ergebnisse relevant für die laufende Sicherheitsbewertung des Herbizids.

Die Forscher fütterten die Ratten vier Monate lang mit Glyphosat. Eine Gruppe bekam 2 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht (mg/kg KG), die andere 50, die Kontrollgruppe blieb glyphosatfrei. Nach vier Monaten ließ sich in beiden Glyphosatgruppen das Herbizid im Hoden der Ratten nachweisen. Die Spermien waren langsamer, weniger beweglich und geschädigt. Die Effekte zeigten sich in beiden Gruppen, waren aber in der 50 Milligramm-Gruppe deutlich ausgeprägter, also dosisabhängig. Schon in älteren Arbeiten finden sich Belege dafür, dass Glyphosat Spermien schädigt und die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigt. Die Forscher konnten mit ihren Versuchen auch zeigen, wie dies passiert. Sie wiesen nach, durch welche molekularen Reaktionen Glyphosat die Schranke zwischen Blutversorgung und Hoden überwindet und durch oxidativen Stress dann die Spermien schädigt. Dabei habe Glyphosat „potenzielle Eigenschaften eines endokrinen Disruptoren gezeigt“, also einer hormonaktiven Substanz, heißt es in der Arbeit. Verwundert waren die Forscher darüber nicht. „Eine wachsende Zahl von Belegen weist darauf hin, dass Glyphosat und seine Formulierungen potentiell endokrine Disruptoren sein können“, schreiben sie.

Die Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass bisher für Fruchtbarkeitsschädigungen durch Glyphosat im Tierversuch ein NOAEL-Level von 1000 mg/kg Köpergewicht (KG) angenommen wurde, aufgestellt in einer mehr als 20 Jahre alten Studie. NOAEL steht für 'No observed adverse effect level’ und meint die Dosis, bei der in Tierversuchen noch kein toxischer Effekt auftritt. Nun hat sich gezeigt, dass Glyphosat bereits bei einer Konzentration von 2 mg/kg KG die Fortpflanzung der Tiere beeinträchtigte. Zur Einordnung nennen die Foscher noch eine Zahl: Die US-Umweltbehörde EPA hält es für unbedenklich, wenn ein Mensch über die Nahrung täglich 1,75 mg/kg KG Glyphosat aufnimmt. In der Europäischen Union liegt dieser sogenannte ADI-Wert (accetable dayly intake) bei 0,5 mg/kg KG. Die Behörden berechnen ADI-Werte üblicherweise, indem sie den NOAEL-Wert aus dem Tierversuch durch 100 teilen, um auf der sicheren Seite zu sein. Beeinträchtigen also schon 2 mg/kg KG die Fruchtbarkeit männlicher Ratten, liegt der NOAEL noch darunter und der ADI-Wert beim Menschen müsste auf jeden Fall deutlich kleiner sein als 0,02 mg/kg KG.
Relevant sind solche Überlegungen, weil die europäische Lebensmittelbehörde EFSA derzeit die Neuzulassung von Glyphosat bearbeitet. Die aktuelle Genehmigung läuft am 15.12.2022 aus. Sollte die EFSA bis dahin vorschlagen, den Einsatz des Totalherbizids darüber hinaus zu erlauben, muss sie auch einen ADI-Wert festlegen und begründen. [lf]

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