22.03.2022 |

Aus dem Gentech-Reaktor: In den USA kommt Milch ohne Kuh auf den Markt

Milch Tasse Milch (Foto: Andreas Levers / flickr, bit.ly/1TLvA1b, creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0)-+-

Das Unternehmen Betterland Foods will diesen Sommer in den USA die erste Milch auf den Markt bringen, die ohne Kühe erzeugt wurde. Sie besteht aus pflanzlichen Ölen und Milcheiweiß. Dieses stammt von gentechnisch veränderten Mikroorganismen, die Kuh-DNA enthalten und damit die Proteine im Bioreaktor herstellen, aus einer Nährlösung mit Zucker.

Entwickelt hat die Gentech-Mikroorganismen und die damit hergestellten Proteine die Firma Perfect Day. Das Startup aus San Francisco begann damit vor acht Jahren, hat inzwischen insgesamt 750 Millionen US-Dollar an Wagniskapital eingeworben und arbeitet an seinem Börsengang. Es wirbt damit, dass seine Herstellungsweise weitaus weniger Wasser verbrauche und Treibhausgase ausstoße als die Milcherzeugung mit Rindern. Laut Perfect Day haben die Proteine von der US-Lebensmittelbehörde FDA den Status „Generally Recognized as Safe“ (generell als sicher anerkannt) bekommen. Das Unternehmen vermarktet sie in den USA bereits als Bestandteil von Eiscreme, Backmischungen und veganem Käse sowie als Proteinpulver zur Nahrungsergänzung.

Perfect Day macht aus der gentechnischen Veränderung des benutzten Schlauchpilzes kein Geheimnis und verweist darauf, dass die gereinigten Proteine keine gentechnisch veränderten Organismen mehr enthalten. Nach diesem Verfahrensprinzip werden übrigens auch Enzyme – die ja ebenfalls Eiweiße sind – hergestellt. Diese Gentech-Enzyme müssen in der EU nicht deklariert werden, da sie nur als Verarbeitungshilfstoffe eingesetzt werden, etwa bei der Pressung von Saft. Von gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GVO) hergestellte Molkeproteine als Zutat in einem Lebensmittel bräuchten jedoch aufgrund des prozessorientierten Ansatzes des EU-Gentechnikrechts eine Zulassung. Denn nach der einschlägigen EU-Verordnung 1829/2003 gelten auch aus GVO hergestellte Produkte als GVO, selbst wenn das geänderte Erbgut sich in ihnen nicht mehr nachweisen lässt.

Nun gibt es auf dem Markt (in den USA ebenso wie in der EU) längst pflanzlichen Milchersatz aus Soja oder Hafer, der ebenfalls mit seinen Umweltvorteilen wirbt und starke Wachstumsraten verzeichnet. Deshalb stehen beim Marketing der Betterland-Milch auch die Milchproteine im Vordergrund. Sie sollen dafür sorgen, dass sich das Produkt ebenso verarbeiten lässt wie Kuhmilch und ebenso schmeckt. Nach Angaben des Herstellers enthält das Produkt mit acht Prozent Eiweiß etwa doppelt soviel davon wie echte Kuhmilch, dafür aber zwei Drittel weniger Zucker. Der Vitamingehalt sei gleich, was darauf schließen lässt, dass die dafür notwendigen Vitamine zugesetzt werden. Die Fette bringen nach Firmenangaben Sonnenblumenöl und MCT-Öl ins Gemisch. Als MCT-Öl werden bestimmte aus Kokos- oder Palmöl gewonnene Fettsäuren-Mischungen bezeichnet. Als frei von Lactose und Cholesterin bewirbt Betterland Food sein Produkt. Milchallergiker allerdings haben Pech: Für sie ist die kuhfreie Milch ebenso unverträglich wie echte. [lf]

20.03.2022 |

Genome Editing: England erleichtert Feldversuche

Mais-Versuch Mais Versuchsfeld (Foto: Infodienst)

Trotz vielfältiger Kritik hat das britische Parlament zugestimmt, die Anforderungen an Feldversuche mit genomeditierten Pflanzen in England zu senken. Künftig reicht eine kurze Information ans Agrarministerium, wenn Wissenschaftler einen Versuchsanbau im Freien planen. Und die britische Regierung will die Regeln für Produkte neuer gentechnischer Verfahren weiter lockern. Opposition und Verbände warnen, dass jegliche Sicherheitsvorschriften für Umwelt und Gesundheit aufgegeben werden.
Die Regelung des Agrarministers, der das Londoner Oberhaus diese Woche zustimmte, sieht vor, dass Testanbau mit bestimmten genomeditierten Pflanzen von der geltenden Freisetzungsverordnung für Gentechnik-Gewächse ausgenommen wird. Nicht mehr reguliert werden Versuche mit solchen Pflanzen, die auch konventionell hätten gezüchtet werden oder natürlich hätten entstehen können, erläuterte Staatssekretär Richard Benyon. Sollen solche genomeditierten Pflanzen kommerziell angebaut werden, gelten weiter die bisherigen Regeln. Benyon kündigte Leitlinien an, die festlegen, welche Pflanzen genau unter die Ausnahmeregelung fallen. Nach Information der Organisation Beyond-GM will das Ministerium die Leitlinie bis Ende April vorlegen.
Die Direktorin von Beyond-GM, Pat Thomas, kritisierte, dass es damit keine Regeln geben wird, wie solche Feldversuche von gentechnikfreiem Anbau getrennt werden müssen. Es werde auch nicht verlangt, die Ernte der genomeditierten Versuchspflanzen einzusammeln oder zu zerstören. Sogar ein Selbstschutz sei für gentechnikfreien Anbau unmöglich, da weder Ort, noch Zeit oder Umfang des Versuchsanbaus öffentlich bekannt gemacht werden. Schließlich wies Thomas darauf hin, dass die Feldversuche nicht nur auf die Agrarforschung beschränkt seien. Es könnten auch genomeditierte Blumen, Gräser, Bäume oder Sträucher zu Demonstrations- oder Bildungszwecken angebaut werden, sofern die zuständige Behörde kurz über die Pflanzengattung informiert wurde. Mögliche Risiken für die Umwelt – etwa durch Auskreuzen – würden nicht mehr geprüft, warnte Thomas.
Im Februar hatte bereits ein Spezialausschuss des Oberhauses einen ausführlichen, kritischen Bericht zur geplanten Regelung herausgegeben. Er monierte zum einen, dass die Ausnahme für bestimmte genomeditierte (ge) Pflanzen nicht als Gesetz vom Parlament verabschiedet wurde, sondern als „Statutory Instrument“ (SI). Das SI ist ein britisches Rechtsinstrument, das einer deutschen Verordnung ähnelt, in bestimmten Fällen jedoch vom Parlament bestätigt werden muss. Da die Mehrheit der Briten weiterhin gegen Sonderregeln für ge-Pflanzen sei, wäre eine Diskussion im gesamten Parlament für die Akzeptanz wichtig gewesen, so der Ausschuss für die Kontrolle solcher Instrumente (SLSC).
Außerdem vermisste SLSC wissenschaftliche und regulatorische Kriterien „um festzustellen, ob eine genetische Veränderung auf natürliche Weise oder durch traditionelle Züchtungsmethoden stattgefunden haben könnte". Diese müssten festgelegt werden, bevor die neuen Regeln in Kraft treten, was nun am 4. April der Fall sein wird. Baroness Nathalie Bennett, die für die Grünen im Oberhaus sitzt, hatte die neue Regelung daher auch als "technisch fehlerhaft" kritisiert und vergeblich beantragt, sie abzulehnen.
Bedenklich fanden die Kontrolleure des Oberhauses ferner, dass die Meldepflicht weder den Umfang oder den Ort der Feldversuche noch Schutzmaßnahmen enthalte. Das britische Agrarministerium verwies auf die Verantwortung der Forscher, die Umgebung vor Verunreinigung mit ge-Pflanzenteilen zu schützen. Da die neuen Regeln nur für England gelten werden, befürchtete der Ausschuss schließlich Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen Forschern in verschiedenen Teilen des Vereinigten Königreichs. Schottland und Wales wollen die Regeln derzeit nicht übernehmen.
Der kritische Bericht des SLSC, dem mehrere Eingaben von gentechnikkritischen Organisationen wie Beyond-GM vorausgegangen waren, konnte das Oberhaus jedoch nicht bewegen, das Rechtsinstrument abzulehnen. Das Unterhaus hatte dem SI bereits am 9. März mit 305 zu zwei Stimmen zugestimmt. Zur Freude von Forschern müssen Feldversuche mit ge-Pflanzen in England ab April nicht mehr geprüft und genehmigt werden. Der Bauernverband forderte, dass sowohl der britische Binnenmarkt als auch der Handel mit der Europäischen Union weiter funktionieren müssten. Die nächsten Schritte, wie Großbritannien ge-Pflanzen und ihre Produkte von den Regeln für Anbau und Zulassung für Gentechnik-Pflanzen ausnehmen will, soll die britische Königin Elisabeth demnächst in einer Rede erläutern. [vef]

15.03.2022 |

USA erlauben Crispr-Steaks ohne Kennzeichnung

Rinder Viel Vieh auf wenig Raum (Foto: Cattle pens, RT Peat, bit.ly/RTpeat, bit.ly/2CCBYNCND20)

Die US-Lebensmittelbehörde FDA erlaubt die Vermarktung von Rindern, deren Gene mit der Crispr/Cas-Technologie verändert wurden. Die Tiere haben sehr kurze Haare, sollen dadurch Hitze besser ertragen können und schneller Fleisch ansetzen. Die FDA stufte die Veränderung vergangene Woche als „risikoarm“ ein und gestattete so, das Fleisch dieser Rinder ohne weitere Risikoprüfung und Kennzeichnung auf den Markt zu bringen. Dies könnte in zwei Jahren der Fall sein, schätzte die Behörde.

Entwickelt hat das Kurzhaar-Rind die Firma Acceligen, indem sie ein Gen namens PRLR verkürzte, das die Haarlänge beeinflusst. Nach Angaben von FDA und Acceligen kommt diese Veränderung auch natürlicherweise bei Rinderrassen vor, die an tropisches Klima angepasst sind. Sie soll sich dominant vererben, so dass Acceligen mit derzeit zwei männlichen Crispr-Kälbern das Erbgut in verschiedene Fleischrinder-Herden einbringen könnte. Die FDA schreibt in ihrer Risikoabschätzung, dass die Freigabe auf die beiden überprüften Rinder, ihre Nachkommen und die daraus hergestellten Produkte wie lebende Tiere, Sperma, Embryonen und Fleisch beschränkt sei.
Die Risikoabschätzung der FDA und ihre Entscheidung, dass es sich um eine risikoarme Veränderung handle, basiert auf den von Acceligen eingereichten Unterlagen. Diese umfassten laut FDA auch eine komplette Genomsequenzierung der Kälber und ihrer gentechnisch unveränderten Eltern. Die FDA-Experten hätten die Sequenzen auf unbeabsichtigte Veränderungen untersucht, die ein Problem für die Tier- oder Lebensmittelsicherheit und ein Risiko für die Umwelt darstellen könnten. Zwar seien etliche unbeabsichtigte Veränderungen festgestellt worden, doch hätten sich daraus keine Sicherheitsbedenken ergeben, schrieb die FDA in ihrer Risikoabschätzung. Aus ihrer Sicht entsprechen die Crispr-Kälber den natürlicherweise vorkommenden Tieren mit verkürztem PRLR-Gen, deren Nutzung seit langem üblich sei und sich als sicher erwiesen habe.
Es ist das erste Mal, dass die FDA ein mit Crispr/Cas verändertes Nutztier für die Lebensmittelproduktion zulässt – und dies auch noch in einem deutlich abgekürzten Verfahren. Steven M. Solomon, Direktor des FDA-Zentrums für Veterinärmedizin geht davon aus, dass die Entscheidung andere Entwickler ermutigen werde, ihre gentechnisch veränderten Tiere zur Risikobestimmung durch die FDA einzureichen. So könnten Tiere mit risikoarmen Veränderungen schneller auf den Markt kommen.
Für die Wissenschaftlerorganisation Center for Science in the Public Interest begrüßte deren Biotechnologie-Experte Greg Jaffe gegenüber der Agentur AP, dass die FDA ihre Entscheidungen vom Einzelfall abhängig mache und nicht generell dereguliere. Er forderte die Behörde auf, ihr Prüfverfahren transparenter zu gestalten und öffentlich zumachen, welche Einzelfälle geprüft würden. Jaydee Hanson von der Verbraucherorganisation Center for Food Safety sagte AP, dass die FDA die Tiere über mehrere Generationen hinweg verfolgen sollte, um sicherzustellen, dass es keine unbeabsichtigten Probleme gebe.
Sollten Steaks dieser Crispr-Rinder in zwei Jahren auf den Markt kommen, könnten sie ungekennzeichnet in die EU importiert werden. Relevanter dürfte sein, dass Zuchtbullen mit dem veränderten Gen oder ihr Samen in die EU eingeführt werden könnten. Damit würde dieses gentechnisch veränderte Erbgut dauerhaft in hiesige Rinderherden eingekreuzt werden und sich verbreiten. In den USA hat der dortige Züchterverband für Rote Angusrinder bereits beschlossen, diese Crisp-Tiere für die Zucht zuzulassen. Acceligen nennt auf seiner Webseite das kanadische Unternehmen Semex als Partner, einer der größten Rinderzüchter der Welt. Der Markt sei nicht auf die USA beschränkt, zitierte AP eine Tiergenetikerin der Universität von Kalifornien: „Seien wir ehrlich, Stiersperma wird in der ganzen Welt verkauft“. [lf]

10.03.2022 |

Neue Gentechnik: das leere Versprechen von klima-angepassten Pflanzen

Dürre Die Landwirtschaft bleibt vom Klimawandel nicht verschont (Foto: CC0)

Mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) könnten schnell Pflanzen hergestellt werden, die widerstandsfähig gegen Dürre und Hitzestress seien. Das erzählen NGT-Befürworter und das glaubt ihnen die EU-Kommission. Für die Umweltorganisationen BUND und Global 2000 sind das dagegen leere Versprechungen. Als Beleg verweisen sie auf eine Studie der EU-Kommission.

Das gemeinsame Forschungszentrum (Joint Research Center, JRC) der EU veröffentlichte im April 2021 einen Bericht über NGT-Pflanzen, an denen Gentechnikkonzerne und Forschungseinrichtungen derzeit arbeiten. Die EU-Experten identifizierten lediglich 16 Pflanzen, deren Entwicklung in einem „vor-kommerziellen“ Stadium sei und die in den nächsten fünf Jahren auf den Markt kommen könnten. Bei sechs der 16 Pflanzen wurde mit NGT eine Herbizidresistenz erzeugt, bei fünf von ihnen der Gehalt bestimmter Inhaltsstoffe verändert. Nur zwei Pflanzen sollen widerstandsfähiger gegen Krankheiten sein. Keine einzige der Pflanzen, die in den nächsten fünf Jahr auf den Markt kommen könnte, ist gegen abiotischen Stress tolerant, womit das JRC Dürre, Hitze, Überflutungen oder salzige Böden meint. In der Kategorie „fortgeschrittene Forschung“ zählte das JRC 15 Projekte zu abiotischer Stresstoleranz und geht davon aus, dass diese Pflanzen „voraussichtlich mittelfristig, das heißt bis 2030“ auf den Markt kommen könnten.

Die Behauptungen der Industrie, kurz- oder mittelfristig Pflanzen für die Klimakrise erzeugen zu können, sei also falsch, folgert der BUND aus diesen Zahlen – und erklärt, warum dies so ist: „Eigenschaften wie Dürretoleranz beruhen nicht auf einzelnen DNA-Strängen, sondern gehen aus einem komplexen Zusammenspiel unterschiedlicher Gene und der Umwelt der Pflanze hervor“. Bei komplexen Eingriffen ins Erbgut mit NTG sei zudem fraglich, ob diese Pflanzen auch außerhalb eines geschützten Laborsettings gedeihen könnten.

„So verführerisch die Versprechungen sein mögen: Es gibt keine einfachen Lösungen“, lautet deshalb das Fazit der BUND-Gentechnik-Expertin Daniela Wannemacher. Statt mit neuer Gentechnik auf ein Weiter so in der Landwirtschaft zu setzen, müsse sich das Agrarsystem grundsätzlich ändern. „Statt Gentech-Hochleistungssorten, deren ökologische Risiken unklar sind, brauchen wir den agrarökologischen Umbau für die Landwirtschaft“, erklärt Wannemacher. In einem Bericht stellen BUND und Global 2000 die positiven Erfahrungen der Agrarökologie den Versprechungen der Gentechnik und der industriellen Landwirtschaft gegenüber. Von der EU-Kommission verlangen beide Organisationen eine klare Richtungsentscheidung. Sie solle „keine öffentlichen Gelder mehr in Gentechnik-Verfahren stecken, die den Status quo der Landwirtschaft aufrechterhalten wollen“, heißt es in dem Bericht. Statt dessen müsse sie „nachhaltige und bereits existierende landwirtschaftliche Techniken wie die Agrarökologie, die nachweislich funktionieren und in großem Maßstab umgesetzt werden könnten, unterstützen“. [lf]

08.03.2022 |

Update: Schweiz öffnet Moratorium ab 2024 für neue Gentechnik

Schweiz Gentechnikfrei Foto: Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)

Nach dem Nationalrat hat auch die zweite Parlamentskammer der Schweiz, der Ständerat, einem Kompromiss über das Moratorium zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Schweiz zugestimmt: Das Ende 2021 ausgelaufene Moratorium wird bis Ende 2025 verlängert. Die Regierung soll bis Mitte 2024 eine Regelung erarbeiten, die für genomeditierte Pflanzen ohne fremde DNA eine Ausnahme macht.
Erarbeitet hatten den Kompromissvorschlag zur Änderung des Gentechnikgesetzes die Wissenschaftskommission des Nationalrats gemeinsam mit dem Bauernverband. Danach sollen in naher Zukunft auf Schweizer Äckern Pflanzen wachsen dürfen, „die mit Methoden der neuen Züchtungstechnologien (NZT) gezüchtet wurden, denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde und die gegenüber den herkömmlichen Züchtungsmethoden einen nachgewiesenen Mehrwert für Landwirtschaft, die Umwelt oder die Konsumentinnen und Konsumenten haben“. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, solle dem Parlament „spätestens bis Mitte 2024 einen Erlassentwurf für eine risikobasierte Zulassungsregelung“ für solche Pflanzen und Saatgut für Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau vorlegen.
Mehrere Parlamentarier sowie eine Regierungsvertreterin kritisierten im Nationalrat das Vorgehen als überstürzt. Die für Umwelt zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) erinnerte daran, dass das Parlament ihre Regierung erst kürzlich beauftragt hatte, den Einsatz solcher Gentechnikmethoden und ihrer Folgen gründlich zu prüfen. „Sie wollen etwas prüfen lassen und gleichzeitig schreiben Sie schon im Gesetz, was gilt, das ist vom Ablauf her etwas schwierig“, mahnte Sommaruga - auch im Blick auf die Akzeptanz der mehrheitlich kritischen Bevölkerung. Die Regierung plädiere daher weiter dafür, das Moratorium unverändert bis 2025 zu verlängern.
Die Schweizer Allianz gentechnikfrei (SAG) zeigte sich „erleichtert“, dass der Anbau von Gentech-Pflanzen prinzipiell verboten bleiben soll. Die verbleibende Zeit müsse jetzt genutzt werden, für Produkte neuer gentechnischer Verfahren „eine risikobasierte Zulassung auszuarbeiten, die die Sicherheit von Mensch, Umwelt und Wirtschaft gewährleistet sowie die Wahlfreiheit von Konsum und Landwirtschaft sichert. Dazu ist eine Regelung der neuen gentechnischen Verfahren im Gentechnikgesetz zwingend“, betonte die SAG. Sie hob erneut hervor, dass genmanipulierte Pflanzen nicht sicherer seien, wenn keine fremden Gene eingeführt wurden. Da mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas besonders tief ins Erbgut der Pflanzen eingegriffen werden könne, seien die Risiken im Gegenteil größer als bei der klassischen Gentechnik. „Das erhöhte Risiko verlangt nach einer strengeren Regulierung, die eine umfassende Risikoprüfung vorschreibt“, so das Bündnis. Der Anbauverband Bio-Suisse argumentierte, die kleinräume Schweiz sei gut beraten, in Zukunft auf den lukrativen gentechnikfreien Qualitätsmarkt zu setzen, anstatt eine unmögliche und teure Koexistenz von gentechnisch veränderten mit unveränderten Pflanzen zu versuchen.
Wie berichtet hatten Bundesrat und Nationalrat (144 zu 35 Stimmen) vergangenes Jahr empfohlen, das seit 2005 geltende Moratorium unverändert bis 2025 zu verlängern. Nach einem entsprechenden Votum seiner Wissenschaftskommission hatte der Ständerat jedoch im Dezember in einem Stichentscheid dafür votiert, genomeditierte Pflanzen, bei denen keine fremde DNA eingefügt wurde, vom Moratorium auszunehmen. Daraufhin musste sich der Nationalrat erneut mit dem Vorhaben befassen und verabschiedete seinen Kompromiss. "Der Nationalrat hat einen pragmatischen Mittelweg beschlossen, mit dem die Forschung, die Wirtschaft und damit auch die Mehrheit von Kommission und Ständerat leben können, ebenso die Minderheit", sagte Hannes Germann, Vorsitzender der Wissenschaftskommission des Ständerats und empfahl die Annahme. Umweltbundesrätin Simonetta Sommaruga erklärte, dass sich der Bundesrat dem Kompromiss anschließen könne. Dieser muss nun formell noch in einer Schlussabstimmung von beiden Kammern bestätigt werden. [vef/lf]
Update: Beschluss des Ständerates vom 8. März aufgenommen

04.03.2022 |

EU-Behörde: Crispr-Hühner legen nicht nur Gentechnik-Eier

Lässt Crispr/Cas männliche Küken-Embryos künftig schon im Ei sterben? Foto: Fritz Zühlke/pixelio Lässt Crispr/Cas männliche Küken-Embryos künftig schon im Ei sterben? Foto: Fritz Zühlke/pixelio

Ein israelisches Unternehmen hat Legehennen gentechnisch so verändert, dass in ihren Eiern männliche Embryonen unter UV-Licht absterben und nur weibliche Küken schlüpfen. Sind letztere zu Hennen erwachsen, fielen weder diese noch ihre Eier unters Gentechnikrecht und dürften ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung verkauft werden, meint die Generaldirektion Gesundheit der EU-Kommission. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und das Institut Testbiotech kritisieren eine „Deregulierung durch die Hintertür“.

Das Schreiben der Generaldirektion Gesundheit (DG Sante) vom Juli 2021 an das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erhielt die AbL kürzlich auf eine Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz. Das BVL hatte die DG Sante um eine rechtliche Einschätzung gebeten, nachdem das Unternehmen, das die neue Technik entwickelt und zum Patent angemeldet hat, beim BVL danach gefragt hatte. Das erfuhr der Infodienst vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Das Unternehmen wollte wissen, ob die überlebenden weiblichen Küken und später ihre Eier allein deshalb unter das Gentechnikrecht fallen, weil sie von einer gentechnisch veränderten (gv) Zuchthenne abstammen.

Der gentechnische Eingriff funktioniert wie folgt: Die Entwickler machten sich zunutze, dass beim Haushuhn die Hennen in ihrem Erbgut zwei verschiedene Geschlechtschromosomen haben, ein weibliches (W) und ein männliches (Z). Hähne haben dagegen zwei männliche (ZZ) Geschlechtschromosomen. Weibliche Küken bekommen von der Mutter ein W- und vom Vater ein Z-Chromosom; männliche Küken bekommen von Mutter und Vater je ein Z-Chromosom. Mit Hilfe des Gentechnikverfahrens Crispr/Cas veränderten die Wissenschaftler das männliche Z-Chromosom von Legehennen, das wie dargestellt nur auf männliche Nachkommen vererbt wird. Das dort eingebaute Konstrukt besteht aus einem Gen-Schalter, der durch UV-Licht angeregt wird und dann ein Letalitäts-Gen einschaltet, das den männlichen Embryo im Ei absterben lässt. Ausgebrütet werden nur noch weibliche Küken. Deren Z-Chromosom im Erbgut wäre unverändert, da es vom gentechnisch nicht manipulierten Vater stammt.

Die DG Sante folgerte daraus, dass die weiblichen Küken kein verändertes Erbgut enthielten und damit keine gentechnisch veränderten Organismen (GVO) seien. Deshalb könnten auch die Eier, die diese Tiere legen, wie gentechnikfreie Eier vermarktet werden. Die EU-Behörde wies in ihrem Schreiben aber auch darauf hin, dass es lediglich eine Einschätzung der Arbeitsebene enthalte, die für die EU-Kommission nicht bindend sei. Die AbL ist trotzdem in Sorge: „Die vorliegende Stellungnahme könnte so verstanden werden, dass die Legehennen und ihre Eier in der EU direkt vermarktet werden können, ohne Zulassungsprüfung und Kennzeichnung“, warnte Gentechnikexpertin Annemarie Volling. „Die Eier könnten so völlig unbemerkt in Verkehr gebracht werden. Damit würde die EU-Kommission das Gentechnikrecht und das Vorsorgeprinzip außer Kraft setzen.“

Diese Bedenken teilten AbL und Testbiotech dem EU-Vizepräsidenten und der Gesundheitskommissarin heute in einem offenen Brief mit. Nach der einschlägigen EU-Verordnung 1829/2003 gelten auch aus GVO hergestellte Produkte als GVO, selbst wenn das geänderte Erbgut sich in ihnen nicht mehr nachweisen lässt, heißt es dort. Beispiele sind etwa Soja-Öl aus gv-Sojabohnen oder Maisstärke aus gv-Mais. Dieser prozessorientierte Ansatz sei das entscheidende Kriterium im EU-Gentechnikrecht und deshalb müssten auch die direkten Nachkommen von Crispr-Hühnern als GVO eingestuft werden. Mit ihrem Vorgehen würde die EU-Kommission „von der bisherigen prozessbasierten Risikoprüfung und Bewertung unter der Hand zu einem produktbasierten Regime wechseln“, ergänzte AbL-Anwältin Katrin Brockmann in der Bauernstimme: „Das wäre ein Präzedenzfall.“ ABL und Testbiotech wiesen ferner darauf hin, dass Eingriffe mit Crispr/Cas zu unerwünschten Änderungen im Erbgut führen können. Diese könnten die Mutterhennen an ihren Nachwuchs vererben. Auch deshalb müsse die Sicherheit der Legehennen und ihrer Eier in einem Zulassungsverfahren überprüft werden.

Für das deutsche Agrarministerium (BMEL), die Aufsichtsbehörde des BVL, bleiben bei der Einordnung von Huhn und Ei ebenfalls noch einige Fragezeichen: Die EU-Kommission habe „die Annahme zugrunde gelegt, dass im Rahmen der Vererbung kein transgenes Erbgut an die Legehennen-Generation weitergegeben wird und dass es sich bei den Legehennen nicht um GVO handelt“, schrieb das BMEL dem Infodienst auf Anfrage. Das EU-Schreiben „beantwortet hingegen nicht die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass kein transgenes Material unbeabsichtigt auf die Legehennen übertragen wurde.“ Es sei noch zu klären, ob diese Legehennen als "aus Gentechnik hergestellt" zu betrachten seien, und damit der europarechtlichen Kennzeichnungs- und Zulassungspflicht unterliegen, so eine BMEL-Sprecherin. Überdies müsse gewährleistet werden, dass ganz oder teilweise von GVO stammende Organismen nicht in die ökologische Produktionskette gelangen könnten.

Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) hob hervor, dass in Deutschland bereits 70 Prozent der Eier ohne Gentechnik-Futter produziert werden. „Dieser Erfolg wäre ernsthaft in Gefahr, wenn die EU bei ihrer Bewertung bliebe und die Crispr-Gentechnik-Eier ungeprüft und ungekennzeichnet auf den Markt kämen“, sagte VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting. Die EU-Kommission müsse dringend dem fatalen Eindruck entgegentreten, klammheimlich eine schleichende Deregulierung zu betreiben, und ihre Haltung zu den Gentechnik-Eiern ändern. „Wir erwarten, dass sich der deutsche Agrarminister Cem Özdemir dafür in Brüssel stark macht“, sagte Hissting. [lf/vef]

01.03.2022 |

Bayer/Oxitec: Genveränderter Maisschädling eliminiert sich selbst

Heerwurm Spodoptera frugiperda Heerwurm Spodoptera frugiperda (Foto: Richardus_H / flickr, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0)

Gegen gentechnisch veränderten Bt-Mais wurde der Schädling schnell resistent. Daher greifen die Unternehmen Oxitec und Bayer Crop Science nun in die Gene des Herbst-Heerwurms ein, auf dass sich der Maisschädling selbst ausrottet. Nach ersten Freisetzungsversuchen in Brasilien soll aus dem selbstzerstörerischen Insekt nun ein marktfähiges Produkt entwickelt und dessen Herstellung aufgebaut werden. Mit derselben Technologie produzierte Tigermücken will Oxitec 2022 erneut in Kalifornien und Florida aussetzen.

„Oxitec hat in drei Saisons Herbst-Heerwurm-Männchen in brasilianischen Maisfeldern für einige Wochen freigesetzt und dies wissenschaftlich begleitet“, antwortete Bayer in einer mit Oxitec abgestimmten Antwort auf eine Anfrage des Infodienstes. Die Studien hätten gezeigt, dass der Herbst-Heerwurm von Oxitec unter typischen Feldbedingungen in Brasilien sehr gut funktioniere. „Die Pilotversuche werden in verschiedenen Teilen Brasiliens durchgeführt und fortgesetzt.“ Fragen nach der Zahl der Versuche und der dabei jeweils freigesetzten Menge an Herbst-Heerwurm-Männchen beantwortete Bayer nicht.

Wenig detailliert fielen auch die Angaben zur weiteren Entwicklung aus. Die nächsten Schritte seien die „Validierung und Implementierung unserer Lösung, um den Landwirten in Brasilien und einer Reihe anderer Länder nachhaltige und wirksame Vorteile zu bieten“, schrieb Oxitec im Januar auf seiner Webseite. Bayer ergänzte: „In der aktuellen Forschungsphase konzentriert sich die Zusammenarbeit auf die Produktentwicklung, die Durchführung von Feldversuchen in Brasilien, die Skalierung und auf Aktivitäten rund um die Produktsicherheit.“

Der Herbst-Heerwurm ist die Raupe eines nachtaktiven Eulenfalters (Spodoptera frugiperda), die in den südlichen USA sowie Mittel- und Lateinamerika heimisch ist. Die Raupen fressen, wenn sie massenweise auftreten, ganze Maisfelder kahl. In den USA, Brasilien und Argentinien setzen Landwirte auf gentechnisch veränderten Bt-Mais, der ein Bakteriengift produziert, das die Raupen abtötet. Doch der Heerwurm wird dagegen zunehmend resistent.

Deshalb hatte sich Bayer als Anbieter von Bt-Mais 2020 mit dem britischen Unternehmen Oxitec zusammengetan. Oxitec hat ein gentechnisches Verfahren entwickelt, mit dem Insekten-Männchen so verändert werden, dass nur die männlichen Nachkommen überleben, während die weiblichen noch im Larven- oder Raupenstadium absterben. Bisher hat Oxitec vor allem an gentechnisch veränderten Moskitos geforscht, mit deren Hilfe Mücken-Populationen samt der von ihnen übertragenen Krankheiten wie Dengue-Fieber ausgerottet werden sollten. Die Zustimmung der Behörden vorausgesetzt, will das Unternehmen seine Freisetzungsversuche in Florida und Kalifornien 2022 fortsetzen. In Brasilien will es die Gentech-Mücken bereits auf dem Markt bringen.

Zurück zum Heerwurm: Die Frage, wieviel Geld Bayer in die Kooperation mit Oxitec investiert hat, ließ das Unternehmen offen. Der Tagesspiegel schrieb 2020 von einem zweistelligen Millionenbetrag. Was bei der Kooperation bis Ende 2020 herauskam, lässt sich in einem erst jetzt veröffentlichten Aufsatz von Forschern beider Unternehmen in der Fachzeitschrift BMC Biotechnology nachlesen. Demnach hätten die männlichen Gentech-Falter mit dem Kürzel OX5382G im Labor die Erwartungen erfüllt. Zusätzlich enthielt die Studie Modellberechnungen, wonach die Freisetzung von OX5382G ein „Potenzial als hochwirksame Methode zur Bekämpfung der Resistenz gegen Bt-Pflanzen in den Populationen des Herbst-Heerwurms“ habe.

Eine wirksame Methode gegen den Herbst-Heerwurm sucht auch die Welternährungsorganisation FAO mit ihrem Aktionsplan 2020-2022. Dafür will sie in 70 Ländern insgesamt 500 Millionen US-Dollar investieren. Denn der Schädling gelangte 2016 nach Westafrika, hat sich dort rasend schnell verbreitet und tauchte auch schon in Indien auf. Auf die gentechnischen Experimente von Oxitec geht die FAO in ihrem Aktionsplan nicht ein. Zu Bt-Mais äußert sie sich angesichts der schnell auftauchenden Resistenzen skeptisch. Vor allem aber weist sie darauf hin, dass 98 Prozent aller Mais-Farmer in Afrika Kleinbauern seien, die weniger als zwei Hektar Mais anbauen, Saatgut aus ihrer Ernte fürs nächste Jahr aufheben und kaum Geld in Saatgut investieren. Liegt es womöglich daran, dass Oxitec und Bayer zwar gerne auf drohende Ernteausfälle in Afrika verweisen, aber ihre Versuche doch in Brasilien durchführen, wo Mais von Großbetrieben in Monokultur angebaut wird? „Wenn wir weitere Studien abgeschlossen und entsprechende Erkenntnisse gewonnen haben, werden wir möglicherweise prüfen, wie wir das Produkt Landwirten in anderen Regionen zur Verfügung stellen können“, schrieb Bayer an den Infodienst. [lf/vef]

23.02.2022 |

Testbiotech warnt vor Risiken transgener Bohnen in Afrika

Augenbohnen Kuhbohnen Bohnen Saatgut Augenbohnen - ein wichtiges Nahrungsmittel in vielen afrikanischen Ländern (Foto: Toby Hudson / wikimedia commons, bit.ly/1ZKgXMh, creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Das gentechnikkritische Institut Testbiotech hat die Risikobewertung gentechnisch veränderter (gv) Kuhbohnen untersucht, die in Nigeria bereits zum Anbau zugelassen sind. Dabei wurden „erhebliche Defizite“ festgestellt. Die Bohnen, die zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Westafrika zählen, könnten zu einer Gefahr für Mensch und Umwelt werden, warnen die Wissenschaftler.
Die transgenen Pflanzen produzieren ein insektengiftiges Bt-Toxin, das sie vor bestimmten Raupen schützen soll. Für seine Publikation hat Testbiotech öffentlich verfügbare Daten analysiert. Dabei kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass die gv-Bohnen sich wahrscheinlich mit traditionellen Sorten und wilden Verwandten kreuzen werden. So könnten die Transgene in die Umwelt gelangen. Was das für Langzeitfolgen haben wird, sei weder vorhersagbar noch kontrollierbar. Darüber hinaus könnten Kontaminationen zu einer Gefahr für Saatgutsammlungen, traditionelle Anbaumethoden und das einzigartige Erbe der afrikanischen Landwirtschaft werden.
Nach Erkenntnis von Testbiotech wurde auch nicht untersucht, ob das Insektengift, das von den transgenen Pflanzen produziert wird, Schäden an der biologischen Vielfalt, Insekten und Bodenorganismen verursachen kann. Dies sei besonders bedenklich, da Kuhbohnen natürlicherweise Inhaltsstoffe produzierten, die ihre Bt-Toxine wesentlich giftiger machen. Diese synergistischen Effekte könnten auch die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln beeinträchtigen, geben die Experten zu bedenken. Doch diese Risikopotentiale seien von den nigerianischen Behörden nicht in Betracht gezogen worden.
Ein besonderes Problem sieht Testbiotech für Allergiker: Neben den Allergenen, die Kuhbohnen natürlicherweise enthalten, stehen ihre Bt-Toxine im Verdacht, Immunreaktionen auszulösen oder zu verstärken. Es lägen jedoch keine experimentellen Daten zur Sicherheit der auch als Augenbohne bezeichneten Hülsenfrucht als Lebens- oder Futtermittel vor. All diese Risiken müssten ernst genommen und die Zulassung der Kuhbohnen vorläufig ausgesetzt werden, fordert Testbiotech. Solange die von ihnen möglicherweise ausgehenden Gefahren nicht genauer untersucht worden seien, dürften die Bohnen nicht mehr angebaut werden – weder in Nigeria noch in einem anderen afrikanischen Land. [vef]

18.02.2022 |

Erste Freilandversuche mit Crispr-Pflanzen in der EU

Mais  Foto: CCO Mais Foto: CCO

Das von mehreren belgischen Universitäten betriebene Forschungsinstitut VIB (Vlaams Interuniversitair Instituut voor Biotechnologie) hat Freilandversuche für drei mit Crispr/Cas gentechnisch veränderte Mais-Linien beantragt. In Spanien und Tschechien haben die Behörden Freisetzungsanträge für Brokkoli und Gerste auf dem Tisch. In Schweden wachsen die ersten Crispr-Kartoffeln.

Diese Informationen stammen aus dem zentralen Register der Europäischen Kommission für Freilandversuche, an das die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten bei ihnen eingegangene Anträge melden. In diesem Jahr wurden dort schon sieben Anträge veröffentlicht. Drei davon stammen aus Belgien. Auf rund 2.000 Quadratmetern Fläche des staatlichen Forschungsinstituts ILVO will das VIB dort drei mit Crispr/Cas veränderte Maislinien freisetzen, jeweils über drei Jahre.
Bei einer dieser Maislinien haben die Wissenschaftler ein Gen ausgeschaltet, das bei Dürrestress die DNA zusammenfaltet und so ein weiteres Wachstum der Pflanze unterbindet. Im Gewächshaus wuchsen diese Maispflanzen laut VIB unter Dürrestress besser als unveränderte Exemplare. Das gleiche Ergebnis erzielte ein VIB-Forschungsteam, das beim Mais einen Regulator ausschaltete, der bei Trockenheit das Zellwachstum verlangsamt. Bei beiden Maislinien will das VIB nun überprüfen, ob sich diese Eigenschaften auch unter normalen Umweltbedingungen zeigen.
Bei der dritten Maislinie veränderten die Wissenschaftler den Ligningehalt in den Maiszellwänden. Das soll die Pflanze als Tierfutter leichter verdaulich machen und die industrielle Verarbeitung zu Maisstärke oder Alkohol erleichtern. Auf dem Feld will das VIB untersuchen, ob die Pflanze gute Erträge liefert und bei starken Winden standfest bleibt. Partner für das Vorhaben ist der französische Saatgutkonzern Limagrain. Bei allen drei Maisversuchen steht die Genehmigung der belgischen Behörde FOD Volksgezondheid noch aus, die erst einmal – noch bis 19. Februar - die Öffentlichkeit beteiligte.

Zwei aktuelle Anträge im EU-Register kamen aus Spanien. Die deutsche Biotech-Firma Nomad Bioscience hat – mit alter Gentechnik – Tabakpflanzen so verändert, dass sie den natürlich vorkommenden Süßstoff Thaumatin produzieren. Die Produktion im Pilot-Maßstab habe begonnen und man wolle 2024 auf dem Markt sein, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Derzeit bringe man mit Partnern in Spanien und Deutschland das Herstellungsverfahren auf ein industrielles Niveau. Für sein Gentech-Thaumatin hat das Unternehmen bereits eine Unbedenklichkeitszulassung in den USA erhalten. Der zweite spanische Antrag bezieht sich auf Brokkoli, bei dem mehrere Gene mit Hilfe von Crispr/Cas ausgeschaltet wurden, um die Pflanzen toleranter gegenüber Trockenheit und hohem Salzgehalt im Boden zu machen. Gestellt hat den Antrag die Grupo Lucas, ein großer spanischer Obst- und Gemüseproduzent.

In Schweden arbeitet die agrarwissenschaftliche Universität (SLU) in Alnarp an Kartoffeln mit einer stärkeren Widerstandskraft gegen Krankheiten. Um diese zu erreichen haben deren Wissenschaftler mit Crispr/Cas verschiedene Gene in den Kartoffeln stillgelegt und untersuchen bereits seit vergangenem Jahr, wie sich diese Knollen im Freiland verhalten. Neu hinzu kam im Januar ein Antrag des schwedischen Unternehmens SweTree Technologies, das Pappeln mit einem verringerten Ligningehalt im Freien testen will. Um zu verhindern, dass gentechnisch veränderte Pollen freigesetzt und mit dem Wind verweht werden, will SweTree nur weibliche Klone anbauen, die keine Pollen produzieren.

Die tschechische Firma Usovsko arbeitet schon seit Jahren mit alter Gentechnik an einer Gerste, die das LL-37 Peptid produziert, ein im menschlichen Immunsystem vorkommendes und gegen Mikroben wirkendes Eiweiß. Nach einer ersten Versuchsreihe hat das Unternehmen nun den Anbau der Gerste auf über einem Hektar für weitere sieben Jahre beantragt. Ein isländisches Unternehmen baut seit letztem Jahr Gerste an, die einen menschlichen Wachstumsfaktor produzieren soll. Beide Pflanzen sollen dazu dienen, Arzneimittelwirkstoffe herzustellen, und sind nicht als Lebensmittel gedacht. [lf]

15.02.2022 |

Neue Studie: wie Glyphosat und Roundup Krebs verursachen

RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, http://bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/) RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Eine Studie des Londoner King’s College hat gezeigt, was Glyphosat alleine sowie glyphosthaltige Herbizide in der Leber von Ratten bewirken. Dabei beschrieben die Wissenschaftler zwei Wege, auf denen Glyphosat Krebs erzeugen kann: indem es in den Zellen oxidativen Stress erzeugt und Botenstoffe beeinflusst. Nachweisen ließen sich die Wirkungen bei Konzentrationen, die bisher in Tierversuchen keine Effekte hervorgerufen hatten.
Die Molekulargenetiker um Michael Antoniou und Robin Mesnage hatten den Ratten über 90 Tage Glyphosat pur oder als ein in der EU zugelassenes Roundup-Herbizid (MON 52276) verabreicht, in Konzentrationen von 0, 0,5, 50 und 175 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht (mg/kg KG). Die 50 mg gelten bei den Zulassungsbehörden als die Dosis, bei der im Tierversuch keine negativen Effekte mehr beobachtet wurden – bisher. Die Londoner Wissenschaftler wiesen bei mehreren Ratten bei dieser Dosis Leberschäden und eine Entwicklung hin zur Fettleber nach, sowohl für Glyphosat als auch für das fertige Herbizid. Fettleber gilt als Hauptrisikofaktor für einen späteren Leberkrebs.
Auf der Suche danach, wie diese Schädigungen entstanden sein könnten, fanden die Wissenschaftler zwei Wirkmechanismen. In Zellversuchen konnten sie zeigen, dass sowohl Glyphosat als auch das fertige Herbizid in den Zellen oxidativen Stress auslösen, also die Menge freier Radikale erhöhen und damit verbunden auch die Zahl der Erbgutschäden in den Zellen. Diese können zwar repariert werden, mit der Zahl der Reparaturen steigt allerdings das Risiko, dass sich ein Fehler einschleicht und die Zelle mutiert – und daraus ein Tumor entstehen kann. Diese DNA-Schäden ließen sich auch in den Lebern der Versuchstiere nachweisen, nicht allerdings in deren Nieren.
Die Forscher konnten auch zeigen, dass Glyphosat in der 50 mg-Dosis in der Leber die Arbeit von 20 Genen beeinflusste. Das fertige Herbizid wirkte sich sogar auf fast 100 Gene aus, die dadurch herunter- oder hochgeregelt wurden. Diese Effekte beruhen nach den Ergebnissen der Studie darauf, dass Glyphosat die Menge bestimmter Botenstoffe (miRNA) beeinflusst, die wiederum die Funktion der Gene steuern. „Die miRNAs, deren Spiegel in Leberproben durch Glyphosat und Roundup MON 52276 verändert wurden, sind nachweislich an der Entstehung von Krebs beteiligt“, schreiben die Wissenschaftler. „Die neuen Daten, die Veränderungen in den miRNA-Mustern zeigen, sind ein weiterer Beweis für das krebserregende Potenzial von Glyphosat und Roundup“, erläuterte Michael Antoniou auf GMWatch.org. Zudem hätten die Ergebnisse gezeigt, dass nicht nur Roundup, sondern auch Glyphosat alleine ein krebserregendes Potential habe. Nach Ansicht von GMWatch zeige die Studie auch, dass die Regulierungsbehörden der EU und der USA nur deshalb zu dem Schluss kommen konnten, Glyphosat habe bei der untersuchten Dosis von 50 mg/kg Körpergewicht keine beobachtbare schädliche Wirkung, weil die Tests, die sie von der Industrie verlangen, nicht empfindlich genug seien. [lf]

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