08.12.2021 |

Glyphosatzulassung: Verband kritisiert Behördenbericht als verzerrt

Glyphosat Herbizid Herbizid im Einsatz (Foto: Chafer Machinery / flickr, Chafer Sentry, Applying Defy at 250l/ha on wheat land in Lincolnshire, bit.ly/29E6Sk4, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Die französische Organisation Générations Futures (GF, dt.: künftige Generationen) hat einen vorläufigen amtlichen Bericht zu den Risiken von Glyphosat als verzerrt und unzureichend kritisiert. Die vier nationalen Behörden, die den Bericht im Auftrag der Europäischen Union (EU) für eine mögliche Neuzulassung des Unkrautvernichters verfassten, hätten Tausende oft kritischer Studien als nicht relevant eingestuft, so GF. Ihre Stellungnahme ist einer von mehr als 400 Kommentaren, die während einer zweimonatigen Konsultation der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zu Glyphosat eingingen.

Soll in der EU ein Pestizid zugelassen oder seine Zulassung verlängert werden, erstellen im Sinne der Arbeitsteilung Behörden ausgewählter Mitgliedsländer einen Entwurf für die Risikobewertung des Wirkstoffs. Im Fall des laufenden Verlängerungsantrags für Glyphosat waren das Frankreich, Ungarn, die Niederlande und Schweden. Wie berichtet bewertete ihr im September veröffentlichter Report (RAR) Glyphosat als unschädlich für Gesundheit und Umwelt. Générations Futures (GF) haben das 11.000 Seiten-Werk seither genauer analysiert: Aus den vergangenen zehn Jahren liste der RAR-Bericht 7781 wissenschaftliche Arbeiten zu Glyphosat auf. Sie beschrieben, wie giftig und umweltschädlich das Totalherbizid sei und wie es auf menschliche und tierische Hormone wirke. Von diesen Arbeiten hätten die Länderbehörden 6644 als irrelevant aussortiert. GF gehen davon aus, dass die Behörden dafür in der Regel nur den Titel und die Kurzzusammenfassung der Studien gelesen haben.

Von den verbleibenden 1137 Studien stuften die Behörden nach GF-Analyse ganze 30 als so relevant und hilfreich ein, dass sie in die Risikoabschätzung einbezogen wurden. Aussortiert worden seien etwa alle Studien, die nicht an Säugetieren durchgeführt wurden oder solche, die die Wirkung von Glyphosat auf der Ebene der Zellen erforschten. Auch Studien aus Asien oder Südamerika seien unter den Tisch gefallen, weil sie nicht vergleichbar mit den Bedingungen in Europa seien. Nach den Regeln für Pestizidzulassungen in der EU sollen die Behörden neben der Relevanz auch prüfen, wie verlässlich die Studien sind, also wie belastbar und aussagekräftig die angewandten Methoden. Dieser Prozess sei intransparent verlaufen und ein von der EU-Kommission für diese Prüfung vorgesehenes Verfahren nicht angewandt worden, kritisierte Générations Futures. Ferner seien die meisten Industriestudien, auf die sich der RAR vor allem stützt, alt und untauglich. Dies hatte der Wiener Toxikologie-Professor Siegfried Knasmüller bereits im September in einem Bericht aufgezeigt. Jetzt legte er noch eine Untersuchung nach, in der er elf von den Herstellern neu vorgelegte Studien analysierte. Nur zwei davon bewertete er als zuverlässig.

Damit sich die EFSA mit diesen Argumenten offiziell auseinandersetzen muss, haben Générations Futures und Knasmüller ihre Berichte in die öffentliche Konsultation der EFSA zu Glyphosat eingespeist, die am 22. November zu Ende ging. Unter den mehr als 400 Kommentaren, die alle öffentlich zugänglich sind, waren 144 aus Argentinien, 125 aus Frankreich und 29 aus Deutschland, heißt es auf der EFSA-Webseite. In Argentinien und Frankreich hätten sich mehrere Agrarverbände beteiligt, die sich der Bewertung des RAR anschlossen oder deren Mitglieder betonten, wie wichtig Glyphosat für ihre Arbeit sei. Zahlreiche Kommentare stammten von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern, die oft einzelne neue Arbeiten oder ganze Verzeichnisse unberücksichtigter Studien an die Kommission schickten. Auch der Umweltverband BUND hatte sich an der Konsultation beteiligt. „Die Gefahren von Glyphosat sind enorm. Zusätzlich zur Bedrohung der Artenvielfalt stellt das Totalherbizid ein Krebsrisiko für Menschen dar“, fasste Martha Mertens, Sprecherin des BUND-Arbeitskreises Gentechnik, die Argumente zusammen. Die Biologin betonte, dass bei der Risikobewertung die Wirkung von Glyphosat auf Mikroorganismen im Boden und im Verdauungstrakt von Tieren „bisher komplett unterschätzt wurde“.

Nach Abschluss der Konsultation werden der Antragsteller und die berichterstattenden Mitgliedsstaaten (AGG) gebeten, auf alle eingegangenen Stellungnahmen zu reagieren, schreibt die EFSA auf ihrer Webseite. „Die EFSA ermittelt dann alle noch offenen Fragen, die ihrer Ansicht nach in einer Sachverständigensitzung behandelt oder weiterverfolgt werden müssen, und fordert gegebenenfalls zusätzliche Informationen vom Antragsteller an.“ Danach müsse die AGG einen überarbeiteten Risikobericht vorlegen. Mit einer endgültigen Risikobewertung der europäischen Behörden sei in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu rechnen. Das letzte Wort werden dann die EU-Mitgliedsstaaten haben. Anders als 2017 der Vertreter des CSU-Agrarressorts ist die neue deutsche Ampelkoalition dagegen, Glyphosat in der EU über 2022 hinaus zu genehmigen. Die aktuelle Zulassung läuft am 15.12.2022 aus. [lf/vef]

02.12.2021 |

EU-Kommission: Neue Gentechnik ist Teil des Green Deal

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296 Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296

Für Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Verbraucherschutz, sind neue gentechnische Verfahren notwendige Innovationen, um Klimawandel und Umweltprobleme zu bewältigen. Das sagte sie auf einem von ihrer Behörde organisierten High Level Event in Brüssel und machte deutlich, dass sie für diese Techniken einen neuen rechtlichen Rahmen schaffen will. Deregulierung will sie das allerdings nicht nennen.

Schritt für Schritt geht die EU-Kommission ihren Weg hin zu einer Änderung des Gentechnikrechts. Nach dem Abschluss einer ersten Konsultation zu ihren Plänen veranstaltete sie ein High Level Event, dessen Titel klar die Richtung wies: „Neue Gentechniken - der Weg zu sicheren und nachhaltigen Innovationen in Land- und Lebensmittelwirtschaft“. Auch die Themen der drei Podien waren entsprechend formuliert: Wie können Produkte der neuen Gentechnik ihren Nutzen entfalten, welche Risikoabschätzung ist angemessen und wie können die Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen?

Besetzt waren die Podien für EU-Verhältnisse fast ausgewogen mit Kritikern und Befürwortern der neuen Gentechnik. Doch in ihren Ansprachen zu Beginn machten sowohl Kommissarin Kyriakides als auch Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans deutlich, dass sie an die Heilsversprechen der neuen Gentechnik glauben und für diese Verfahren einen neuen Rahmen zimmern wollen, wie es Kyriakides formulierte. Es gehört zu den Standardaussagen der Kommisarin, dass dieser Rahmen das derzeitige hohe Level an Schutz und Sicherheit erhalten müsse. Auch gilt offiziell noch immer, dass das anstehende Impact Assessment der Kommission verschiedene politische Optionen untersuchen werde, auch die Beibehatung des Status quo. „Das Ergebnis ist derzeit noch offen“, schrieb Kyriakides dem Verband Lebensmittel ohne Gentechnik. Man könnte das auch so verstehen, dass das Ergebnis noch nicht veröffentlicht ist – aber alle ahnen, was angesichts der politischen Haltung der Kommission herauskommen wird.

Zahlreiche Organisationen machten in ihren Stellungnahmen zum High Level Event deutlich, dass sie den Beteuerungen der Kommission von einem offenen Ausgang des Verfahrens nicht glauben. Die Kommission verweigere ein Bekenntnis zu Transparenz und Wahlfreiheit, sagte Heike Moldenhauer, Generalsekretärin der ENGA (European Non-GMO Industry Association). Und weiter: „Die Risikobewertung für das Gros mit neuer Gentechnik erzeugter Pflanzen will sie ganz abschaffen“. Die 100 Mitgliedsorganisationen des Dachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR) erklärten, es erfülle sie „mit großer Sorge, dass die EU-Kommission derzeit eine Deregulierung neuer Gentechnikverfahren vorantreiben will, wozu sie aktuell ein Impact Assessment erarbeitet. An dessen Ende soll ein Gesetzgebungsvorschlag stehen, mit dem nach dem Willen der Kommission neue Verfahren der gentechnischen Veränderungen von Pflanzen in Europa künftig nicht mehr der Risikoprüfung, der Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit unterworfen wären.“

Angesichts des offensichtlichen Willens der Kommission zur Deregulierung richten Umwelt- und Bioverbände ihr Augenmerk auf die neue Bundesregierung. So erwarten die DNR-Verbände „von der neuen Regierungskoalition und den Bundesländern, dass sie sich im Rahmen der Diskussion über eine mögliche neue Regulierung gentechnischer Verfahren nachdrücklich für die weiterhin strikte Regulierung auch der neuen Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas einsetzen“. Kennzeichnungs- und Zulassungsregeln müssten unbedingt weiterhin gelten, auch für die neuen Gentechnikverfahren, sagte Alexander Gerber, Vorstand des Bioverbandes Demeter und appellierte an die beiden grünen Regierungsmitglieder Lemke und Özdemir: „Nehmt den Willen der Wählerinnen und Wähler ernst – und setzt ein klares Zeichen für die Wahlfreiheit!“ [lf]

29.11.2021 |

Grüne Minister: Verbände fordern Wahlversprechen zur Gentechnik ein

Steffi Lemke und Cem Özdemir (rechts) 2017 beim Wahlmarathon in Halle. Foto: Bündnis 90/ Die Grünen Steffi Lemke und Cem Özdemir (rechts) 2017 beim Wahlmarathon in Halle. Foto: Bündnis 90/ Die Grünen

„Gentechnik hat auf dem Acker nichts verloren“, schreibt die designierte grüne Umweltministerin Steffi Lemke (53) auf ihrer Webseite. Der avisierte grüne Agrarminister Cem Özdemir (55) hat sich bislang eher in der Außen- und Verkehrspolitik profiliert. Umwelt- und Bauernverbände appellieren an die Ampelkoalition, ihre Wahlversprechen umzusetzen und Gentechnik in der Landwirtschaft streng zu regulieren.
So fordern die 100 Mitgliedsorganisationen des Dachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR), gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas auch in Zukunft europaweit „nach den Prinzipien der Wahlfreiheit und der Vorsorge strikt zu regulieren und damit die Rechte von Verbraucher*innen und Landwirt*innen zu stärken“. „Der EU-Kommission muss klarwerden, dass eine Gentechnik-Deregulierung keine Option ist“, ergänzt Alexander Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel Ohne Gentechnik (VLOG). Die neue Bundesregierung „kann und muss als gewichtige Stimme in der EU entscheidend dazu beitragen, sie davon zu überzeugen“. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Transparenz bei gentechnisch veränderten (gv) Produkten sei nur realisierbar, „wenn auch Produkte aus neuen Gentechnik-Verfahren als Gentechnik reguliert bleiben und entsprechend gekennzeichnet werden“, so Hissting.

Dieses klare Bekenntnis vermisst die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft im Koalitionsvertrag. „Die gentechnikkritische Bewegung wird weiter wachsam sein und für das Recht auf gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung kämpfen“, kündigt sie der Ampelregierung an. Wie der Infodienst berichtete, heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrags bisher lediglich, die Partner „stellen Transparenz über Züchtungsmethoden her und stärken die Risiko- und Nachweisforschung.“ Die Gentechnik wird nicht explizit angesprochen. Im Wahlprogramm planten die Grünen für neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas noch „eine Regulierung, die unkontrollierbare Verbreitung ausschließt, sowie eine verbindliche Kennzeichnung“ gemäß dem europäischen Vorsorgeprinzip.

Der Koalitionsvertrag biete im Agrarbereich Lichtblicke wie ambitionierte Aussagen zur Pestizidreduktion und zum Ausbau des Ökolandbaus, meint der Bund für Umwelt- und Naturschutz BUND salomonisch. „Das muss flankiert werden durch ein Nein zur Gentechnik“, fordert BUND-Expertin Daniela Wannemacher. „Es ist gut, dass Transparenz und Risikoforschung, ökologische und konventionelle Züchtung und Forschung für den Ökolandbau gestärkt werden; die weitere Regulierung der Gentechnik muss allerdings auch gesichert sein.“
Zu der überraschenden Entscheidung der Grünen, den Sozialpädagogen Özdemir anstelle des ursprünglich avisierten Biologen Anton Hofreiter zum Agrarminister machen zu wollen, äußerten sich die Umweltverbände nicht. Stattdessen begrüßte der Präsident des deutschen Bauernverbandes, Joachim Ruckwied, die Nominierung des pragmatischen Landsmanns aus Baden-Württemberg. Die Bekanntheit des ehemaligen grünen Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten Özdemir stärke das Agrarministerium, meint Ruckwied. Und ein Bauer sagt dem Portal „agrarheute“ ganz offen, er habe „im Landwirtschaftsministerium lieber einen Realo sitzen als jemanden vom linken Flügel.“ Eine Agraringenieurin wie Steffi Lemke als Umweltministerin könne auch nicht schaden, meint der Landwirt. Sie kenne zumindest aus dem Studium die Perspektive der Landwirtschaft. Ob das alles so kommen wird, darüber entscheiden bis zum 6.12. die Mitglieder oder Parteigremien der Ampelparteien. Stimmen sie Koalitionsvertrag und Personaltableau zu, soll Olaf Scholz (SPD) in der Nikolauswoche zum Bundeskanzler gewählt werden. [vef]

24.11.2021 |

Ampelkoalition: grün für Gentechniknachweis und Risikoforschung

Ampel grün Foto: Rainer Sturm/pixelio

In der ersten Ampelkoalition auf Bundesebene werden die Grünen das Landwirtschaftsministerium, das Umweltressort sowie das neu gestaltete Ministerium für Wirtschaft und Klima besetzen. Das sieht der Entwurf eines Koalitionsvertrags vor, den SPD, Grüne und FDP heute vorstellten. Er muss noch von den Parteigremien verabschiedet werden. Das Konfliktthema Agrogentechnik wurde kaschiert.
Wie berichtet hatten sich SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen gegen den Einsatz von (neuer) Gentechnik in der Landwirtschaft ausgesprochen, die Liberalen dafür. Im Abschnitt Landbau der Koalitionsvereinbarung soll es jetzt heißen: „Die Züchtung von klimarobusten Pflanzensorten wollen wir unterstützen. Dazu verbessern wir die Rahmenbedingungen auch für Populationssorten, fördern Modellprojekte wie Crowd-Breeding, Digitalisierung, stellen Transparenz über Züchtungsmethoden her und stärken die Risiko- und Nachweisforschung.“
Diese Formulierungen vermeiden, ebenso wie der von CDU-Agrarministerin Julia Klöckner geprägte Begriff der „neuen molekularbiologischen Züchtungstechniken“, das Wort Gentechnik. Zugleich lassen sie einigen Interpretationsspielraum. Die Grünen können unter „Transparenz über Züchtungsmethoden“ ihre Forderung subsumieren, dass gentechnisch veränderte Pflanzen gekennzeichnet und damit rückverfolgbar sein müssen, selbst wenn sie mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas nur punktuell verändert wurden. Die Risikoforschung, die gestärkt werden soll, kann sich natürlich auch mit den Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen für Gesundheit und Umwelt befassen. Und Nachweismethoden für Produkte neuer gentechnischer Verfahren fordert die Ökopartei seit 2018 vehement, nachdem der Europäische Gerichtshof klargestellt hatte, dass diese nach Gentechnikrecht in Europa genehmigt werden müssen.
Dass die Grünen beide zuständigen Ministerien besetzen werden – Landwirtschaft wie Umwelt – erhöht die Chancen, dass diese Interpretationen den Weg in die praktische Politik finden. Mit einem – wie das Handelsblatt spekuliert – Agrarminister Anton Hofreiter und einer Umweltministerin Steffi Lemke sollten die Grabenkämpfe zwischen den beiden Ministerien, wo sich in Groko-Zeiten Agrar- (CDU) und Umweltressort (SPD) gegenseitig blockierten, der Vergangenheit angehören. Und noch ein Punkt spricht für eine gentechnikkritische Interpretation des Vertragswerks: das klare Bekenntnis zum ökologischen Landbau. 30 Prozent Flächenanteil bis zum Jahr 2030 ist die Vorgabe. Dabei müssen Bioprodukte grundsätzlich gentechnikfrei produziert werden.
Einen Trumpf hat allerdings auch die gentechnikfreundliche FDP im Spiel: das Forschungsministerium. „Wir wollen in allen Anwendungsgebieten biotechnologischer Verfahren forschen und die Ergebnisse nutzen“, heißt es im Vertragsentwurf der Ampelkoalition. Das schließt nach liberaler Lesart sicher auch die Erforschung neuer gentechnischer Verfahren wie Crispr/Cas, Talen und Co. mit ein. Was die Nutzung in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion angeht, müsste man sich dann mit den grünen Kollegen von Agrar- und Umweltressort verständigen. Womöglich wird künftig hier eine Konfliktlinie verlaufen. [vef]

22.11.2021 |

Brasilien öffnet seinen Markt für argentinischen Gentech-Weizen

Weizen Foto: Alexander Schimmeck / flickr, -+-Weizen - Wheat, bit.ly/2acvv7R, Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

Die brasilianische Gentechnikbehörde CTNBio hat die Einfuhr von Weizenmehl erlaubt, das aus dem gentechnisch veränderten Weizen HB4 der argentinischen Firma Bioceres hergestellt wurde. Doch die brasilianischen Weizenverarbeiter wollen von den Gentech-Körnern nichts wissen. Sie fürchten um ihre Märkte.

Vor gut einem Jahr bekam das Unternehmen Bioceres von den argentinischen Behörden die Erlaubnis, seinen dürretoleranten Gentechweizen der Linie HB4 kommerziell zu vermarkten. Auf 55.000 Hektar wurde die gentechnisch veränderte (gv) Pflanze laut Firmenangaben 2021 bereits angebaut. Die Ernte werde gerade eingefahren. Allerdings knüpfte die Genehmigungsbehörde die Vermarktung der Körner daran, dass der Weizen im Nachbarland Brasilien, dem wichtigsten Abnehmer, auch verkauft werden darf. Diese Hürde hat Bioceres mit der Genehmigung genommen. Das Unternehmen betonte, dass CTNBio nach einer rigorosen Sicherheitsüberprüfung bestätigt habe, dass von dem verarbeiteten Weizen kein Risiko für die Gesundheit ausgehe.

Die brasilianischen Weizenverarbeiter hat CTNBio mit seiner Zulassung nicht überzeugt. Schon im Vorfeld hatte der Verband der Weizenindustrie Abitrigo ebenso wie die Organisationen der Bäcker und der Teigwarenhersteller erklärt, dass sie gv-Weizen ablehnen und keinen argentinischen Weizen mehr kaufen würden, sollte dort in großem Stil HB4-Weizen angebaut werden. Sie begründeten ihre Haltung mit Sicherheitsbedenken und der Ablehnung von gv-Weizen in der Bevölkerung. Auf die Genehmigung hin teilte Abitrigo mit, man werde Einspruch erheben. Gleichzeitig verlangte der Verband, unverzüglich den aus mehreren Ministern bestehenden Nationalen Ausschuss für biologische Sicherheit einzuberufen. Dieses Gremium, das seit zehn Jahren nicht mehr getagt hat, soll umfassend analysieren, wie sich gentechnisch veränderter Weizen aus Argentinien auf dem brasilianischen Markt auswirken würde. Bis dahin soll die Entscheidung der CTNBio nach dem Willen des Verbandes ausgesetzt werden.
Das argentinische Magazin La Tinta meldete, dass in Argentinien die Staatsanwaltschaft Bundesrichter aufgefordert habe, die letztes Jahr erteilte Zulassung von HB4 unverzüglich auszusetzen. Die Staatsanwälte warnen laut La Tinta, dass die Genehmigung des Landwirtschaftsministeriums gegen Artikel 41 der nationalen Verfassung verstoße, der das Recht auf eine gesunde Umwelt garantiert. Die Agentur Reuters meldete, argentinische Getreideexporteure hätten ihre Regierung gebeten, die Landwirte zu ermitteln, die HB4 angebaut hätten. Sie würden aus diesen Regionen keinen Weizen mehr aufkaufen.

Sowohl in Brasilien als auch in anderen lateinamerikanischen Ländern engagieren sich schon seit einem Jahr zahlreiche Organisationen mit der Kampagne „Nicht mit unserem Brot“ gegen den Gentech-Weizen. HB4 ist weltweit der erste gv-Weizen, der eine Zulassung für den kommerziellen Anbau erhalten hat. Die Pflanze enthält ein Gen der Sonnenblume, mit dessen Hilfe sie Hitze und Salz besser aushalten soll als herkömmlicher Weizen. Zudem ist sie resistent gegen das Herbizid Glufosinat. Seit 17 Jahren hat die argentinische Firma Bioceres die Pflanze entwickelt, zusammen mit dem französischen Pflanzenzüchter Florimond Desprez. Die ersten Feldversuche starteten bereits 2009. Dabei soll der Weizen nach Firmenangaben bei Trockenheit bis zu 20 Prozent höhere Erträge geliefert haben als Vergleichssorten. [lf]

15.11.2021 |

Schwerin: rot-rote Koalition fordert Zulassung neuer Züchtungstechniken

Die rot-rote Koalitionsvereinbarung in Mecklenburg-Vorpommern spricht sich für neue gentechnische Verfahren aus (Foto: unsplash / pixabay, CC0) Die rot-rote Koalitionsvereinbarung in Mecklenburg-Vorpommern spricht sich für neue gentechnische Verfahren aus (Foto: unsplash / pixabay, CC0)

In der am Wochenende von den Parteigremien von SPD und "Die Linke" verabschiedeten Koalitionsvereinbarung für Mecklenburg-Vorpommern findet sich ein Absatz zu neuen gentechnischen Verfahren. Beide Parteien fordern darin Bund und Europäische Union (EU) auf, neue Züchtungstechniken „zuzulassen“. Gentechnikkritiker fürchten, dass nun auch bei den laufenden Koalitionsverhandlungen im Bund die bisher ablehnende Position der SPD wackeln könnte. Denn der alte und neue mecklenburg-vorpommersche Landwirtschaftsminister Till Backhaus leitete für die SPD die Verhandlungen der Arbeitsgruppe Landwirtschaft für den künftigen Ampel-Vertrag auf Bundesebene.

Der Passus in der Koalitionsvereinbarung von Mecklenburg-Vorpommern (MV) lautet: „Der wissensbasierte Einsatz neuer Züchtungsmethoden ist in Zeiten des Klimawandels notwendig. Wir fordern die Zulassung neuer Züchtungstechniken beim Bund und der EU ein.“ Was die Koalition damit genau meint, bleibt jedoch unklar. Denn schon bisher können auch Produkte neuer gentechnischer Verfahren in der EU zugelassen werden, wenn sie auf ihre Risiken geprüft und gekennzeichnet werden. Im eigenen Wirkungsbereich will das Land „technologieoffene Verfahren“ für „die mittelständische Pflanzenzucht in Mecklenburg-Vorpommern“ fördern.

Der erste Satz über den wissensbasierten Einsatz neuer Züchtungsmethoden stand so bereits im Wahlprogramm der Landes-SPD. Die konkrete Forderung an Bund und EU kam erst in den Koalitionsverhandlungen dazu – vermutlich nicht von der Linken. In deren Landeswahlprogramm kam im ausführlichen Landwirtschaftsteil das Thema Gentechnik gar nicht vor. Auf der Webseite der Partei heißt es, die grüne Gentechnik sei keine Zukunftsoption, „da weder der Nutzen noch die Sicherheitsfragen bei genveränderten Pflanzen geklärt sind“. Es scheint also so, als hätte sich die MV-SPD mit ihrer gentechnikfreundlichen Haltung in den Verhandlungen durch- und inhaltlich sogar noch einen draufgesetzt.

Denn ihre Forderung an Bund und EU soll wohl so verstanden werden, dass sich beide für eine Deregulierung des EU-Gentechnikrechts zugunsten neuer gentechnischer Verfahren einsetzen sollen. Dieses Statement hat Gewicht, denn MV-Landwirtschaftsminister Till Backhaus hat für die SPD in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft die Vorlage für den Koalitionsvertrag im Bund federführend ausgehandelt. Über das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe ist bisher wenig bekannt. Top Agrar online schreibt, das Papier sei inhaltlich „außerordentlich dünn, heißt es im politischen Berlin. Auch das Verhandlungsklima sei nicht optimal in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft gewesen“. Im Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen vom Oktober hieß vieldeutig: "Pflanzen sollen so geschützt werden, dass Nebenwirkungen für Umwelt, Gesundheit und Biodiversität vermieden werden.“

Von der FDP ist bekannt, dass sie das EU-Gentechnikrecht gerne dereguliert sähe. Die SPD hatte im Bundestagswahlprogramm lediglich geschrieben: „Wir bleiben beim Nein zu gentechnisch veränderten Pflanzen“, und sich inhaltlich nicht weiter festgelegt. Wenn sich nun eines der großen SPD-regierten Agrarländer für neue gentechnische Verfahren ausspricht, könnte das die Gewichte in den abschließenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene weiter zugunsten der neuen Gentechnik verschieben.

„Wollen ausgerechnet die SPD und die LINKEN den rot-roten Teppich für die Gentechnik-Industrie ausrollen und ihnen einen Freifahrtschein erteilen“, fragte Helmut Peters, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in MV, im Vorfeld der Entscheidung. Die Versprechen der neuen Gentechnik-Verfahren seien groß. Aber weder das Hungerproblem noch die Klimakrise würden damit gelöst, argumentierte der Ackerbauer aus Rostock: „Auch neue Gentechniken bergen unkalkulierbare Risiken und sind deshalb gemäß dem Vorsorgeprinzip nach EU-Gentechnik-Recht zu regulieren“. Kritik kam auch vom Agrarexperten der Umweltorganisation BUND, Burkhard Roloff. Das Vorsorgeprinzip sowie die Wahlfreiheit von Landwirten und Verbrauchern seien die politischen Voraussetzungen für den Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. [lf]

10.11.2021 |

Neue Studie: Glyphosat schädigt nützliche Bakterien

Glyphosat Glyphosat auf EU-Äckern noch bis 2022? (Foto: Chafer Machinery/Flickr.com)

Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat in einer Übersichtsstudie dargestellt, wie sich Glyphosat auf Gemeinschaften von Mikroorganismen, Mikrobiome genannt, auswirkt. Das Ergebnis: Glyphosat schädigt Mikrobiome, die wichtig für die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen sind. Die Wissenschaftler forderten die Behörden auf, diese Effekte zu berücksichtigen und die bisherigen Rückstandsgrenzwerte für Glyphosat zu überarbeiten.

Der Boden, Pflanzenwurzeln, Haut und Darm von Tieren und Menschen sind alle von charakteristischen Mikrobiomen besiedelt. Diese bestehen aus Bakterien, Pilzen und allen Arten von mikroskopisch kleinen Tieren. Sie arbeiten mit ihrem Wirtsorganismus zusammen, liefern Nährstoffe oder schützen ihn vor Krankheiten. Die Forscher aus den Niederlanden, Deutschland, China und den USA werteten Studien aus, die sich mit der Wirkung von Glyphosat auf solche Mikrobiome befassten. Und zwar bei Rückstandskonzentrationen, wie sie in der Umwelt vorkommen. In einer Mitteilung der Universität Kassel, deren Professorin Maria Finckh an der Arbeit beteiligt war, heißt es: „Bis vor kurzem erschienen die Auswirkungen relativ geringer Rückstandskonzentrationen auf Mikrobiome im Boden, auf und in Pflanzen und in Tieren in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig.“ Doch die Autoren des Übersichtsartikels hätten festgestellt, dass sich immer dann Effekte zeigten, wenn das Mikrobiom nicht nur oberflächlich betrachtet, sondern einzelne Gattungen und Arten von Mikroorganismen oder spezifische Prozesse analysiert wurden.

Als Beispiele nennt die Übersichtsarbeit, dass Glyphosat die Stickstofffixierung durch Bakterien in Hülsenfrüchten beeinträchtigt. Bei Bienen und Ratten habe sich gezeigt, dass Glyphosat, über Pollen oder Futter aufgenommen, das Mikrobiom im Darm schädige. Dadurch entwickelte sich das Immunsystem bei Bienen schlechter, die in der Folge empfindlicher gegenüber einem Parasiten und einem Virus wurden. Auch die Entwicklung des Nervensystems von Rattenbabys sei gestört gewesen und die Tiere hätten ADHS-ähnliche Symptome gezeigt.

Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass gutartige oder gar nützlichen Bakterien schon bei sehr geringen Konzentrationen von Glyphosat geschädigt werden können, während viele krankheitserregende Bakterien höheren Konzentrationen von Glyphosat widerstehen würden. „Jüngste DNA-Forschungen haben gezeigt, dass bis zu 26 Prozent der Bakterien im menschlichen Darm empfindlich auf Glyphosat reagieren“, schreibt die Universität Kassel. Es könne also zu einer Verschiebung des Mikrobioms kommen. „Die Autoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass die tolerierbaren Rückstände in der Ernährung von Mensch und Tier gesenkt werden sollten.“ Bevor eine Entscheidung über eine eventuelle weitere Zulassung von Glyphosat getroffen wird, sollten „all diese Faktoren ernsthaft in Betracht gezogen werden“, heißt es in der Uni-Mitteilung.

Bisher haben die Behörden dies nicht getan. So veröffentlichte die EU-Lebensmittelbehörde EFSA erst Ende Oktober eine Stellungnahme, in der sie den bestehenden Glyphosat-Rückstandsgrenzwert von 20 Milligramm je Kilogramm für Sojabohnen bestätigte. In der Zusammenfassung heißt es: „Die EFSA kam zu dem Schluss, dass die kurz- und langfristige Aufnahme von Rückständen, die sich aus den bestehenden Verwendungen von Glyphosat und der Einfuhrtoleranz für Sojabohnen ergeben, wahrscheinlich kein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher darstellt“. Die öffentliche Konsultation der EFSA zur erneuten Glyphosatzulassung läuft noch bis 22. November. [lf]

05.11.2021 |

Neue Kartoffelsorte: resistent gegen Krautfäule und gentechnikfrei

Kartoffel Vielfalt Kartoffel-Vielfalt Foto: Informationsdienst Gentechnik

Das Internationale Kartoffelzentrum in Peru (CIP) und die internationale Organisation Crop Trust haben eine neue gentechnikfrei gezüchtete Kartoffelsorte vorgestellt. CIP-Matilde ist resistent gegen die Kraut- und Knollenfäule, die gefährlichste Pilzinfektion bei Kartoffeln. Die auf peruanische Verhältnisse hin gezüchtete CIP-Matilde wird parallel schon in einigen afrikanischen Ländern eingesetzt, um dort neue, resistente Sorten zu züchten. In Europa gibt es bereits einige gentechnikfreie Kartoffelsorten, die gut mit der Krautfäule fertig werden.

Peru ist die Heimat der Kartoffel, die es dort in einer großen genetischen Vielfalt gibt, darunter zahlreiche Wildsorten, aus denen die essbaren Knollen einst gezüchtet wurden. Das CIP startete vor 20 Jahren ein Programm, in dem die vielen Wildsorten auf hilfreiche Eigenschaften wie die Resistenz gegen Krautfäule untersucht wurden. Geeignete Kandidaten wurden dann züchterisch so bearbeitet, dass die Resistenzen erhalten blieben, aber negative Eigenschaften der wilden, nicht essbaren Knollen aussortiert wurden. Pre-breeding nennt sich dieser Prozess, bei dem genetische Marker und Labormethoden eingesetzt werden, das Erbgut aber unverändert bleibt. Von einer „Vorbereitung für eine züchterische Nutzung“ spricht das Julius Kühn-Institut.

Das so gewonnene Zuchtmaterial wurde mit gängigen peruanischen Sorten gekreuzt. Daraus entstanden schließlich mehrere Kartoffellinien mit unterschiedlichen Eigenschaften, die gegen Krautfäule resistent waren. Sie wurden von Kleinbauern in den Anden angebaut und überprüft. Diese entschieden sich schließlich für die Sorte CIP-Matilde. Ihre Erträge waren vergleichbar mit denen der beliebtesten peruanischen Kartoffelsorte, auch ohne Fungizide als Schutz vor Pilzkrankheiten, schrieb das Fachportal Potato News Today. Die Knollen sollen nun in Peru vermarktet werden und stehen ebenso wie die weiteren resistenten Linien Züchtern aus anderen Ländern zur Verfügung. Voraussetzung ist allerdings, dass diese sich an den Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen halten. Er sichert den Zugang zum Züchtungsmaterial und verhindert eine rein profitorientierte Vermarktung der resistenten Knollen.

CIP-Matilde ist nicht die erste Kartoffelsorte, die der Krautfäule widersteht. „So gibt es mindestens 17 kommerzielle Kartoffelsorten mit einem Resistenzgen gegen die Krautfäule (Stand 2019)“, schreibt die Schweizer Plattform bioaktuell.ch. Doch diese einzelnen Gene bieten keinen vollständigen Schutz und können von dem Pilz auch überwunden werden. CIP-Matilde dagegen vereinigt in sich Resistenzgene mehrerer Wildsorten und biete damit „eine fast komplette Resistenz“, schreibt Potato News Today.

Die peruanischen Wissenschaftler, Züchter und Bauern haben damit geschafft, was Gentechniker zwar oft versprochen, aber noch nicht auf den Markt gebracht haben. Schon seit 2009 bauen Wissenschaftler der niederländischen Universität Wageningen Kartoffeln in Feldversuchen an, denen sie Resistenzgene wildwachsender Arten ins Erbgut eingesetzt haben. Cis-Genetik nennt sich diese Art der Gentechnik. Doch bisher gibt es keinen Zulassungsantrag für den Anbau dieser Gentechnik-Knollen. [lf]

03.11.2021 |

Oberstes Gericht: Gentech-Mais bleibt in Mexiko verboten

Mais Mexiko Vielfalt Mais ist wichtiges Grundnahrungsmittel in Mexiko (Foto: © Curt Carnemark / World Bank, Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)

Mexiko wehrt sich gegen gentechnisch veränderten (gv) Mais: Nachdem Präsident Manuel López Obrador bereits im Januar angekündigt hatte, Anbau und Import schrittweise zu verbieten, bestätigte das Oberste Nationalgericht im Oktober ein richterliches Anbauverbot aus dem Jahr 2013. Das Problem: Der Gerichtsbeschluss ist nur vorläufig und im Jahr 2021 importierte das nordamerikanische Land mehr gv-Mais als zuvor.

Ein Kollektiv aus Landwirten, Wissenschaftlern und Imkern, das 2013 gegen gv-Mais in Mexiko geklagt hatte, bezeichnete den Richterspruch trotzdem als „historische Entscheidung“ zugunsten der heimischen Maisvielfalt und der Ausübung kollektiver Rechte. Einstimmig habe das Gericht die 130 Argumente der vier Agrarchemieunternehmen zurückgewiesen, die sich seit acht Jahren mit Dutzenden von Klagen vor zehn Bundesgerichten gegen das vorläufige Verbot von gv-Mais in Mexiko gewehrt hätten, heißt es in einer Presseinformation der Gruppe Demanda Colectiva Maíz (dt.: Sammelklage Mais). Den Unternehmen Bayer/Monsanto, Syngenta, Dow Agrosciences (heute Corteva) und PHI-Mexiko warf das Klagekollektiv vor, die Risiken von gv-Mais für Mexiko nicht untersucht zu haben. Die Initiative sieht die natürlichen heimischen Maissorten durch Einkreuzung und Verunreinigung bedroht. Außerdem gefährdeten die mit dem herbizidresistenten Mais verbundenen Pestizide Insekten und Biodiversität.

Ein erstinstanzliches Gericht hatte gv-Mais 2013 vorläufig verboten, bis die damals eingereichte Klage des Kollektivs in der Hauptsache entschieden ist. Das ist bislang nicht der Fall. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um das endgültige Verbot von transgenem Mais in Mexiko zu erreichen“, meint das Klagekollektiv. Etwas optimistischer ist Greenpeace Mexiko: Man hoffe, dass der Beschluss des Nationalgerichts „eine klare Botschaft für diejenigen sein wird, die mit Klagen die Erfüllung des Präsidialdekrets umgehen wollen, das den Anbau von transgenem Mais und den Einsatz von Glyphosat bis 2024 endgültig verbietet. Die Verteidigung unseres Rechts auf eine gesunde Umwelt, auf Gesundheit und auf eine nahrhafte, qualitativ hochwertige und kulturell angemessene Ernährung, frei von GVO und Ackergiften, muss über den Interessen der agroindustriellen Konzerne stehen“, so Greenpeace.

Doch die Realität sieht einstweilen noch anders aus. Ein Analyst der Beratungsgesellschaft GCMA, die den Getreidehandel des Landes statistisch erfasst, verwies gegenüber dem Portal Agricensus darauf, dass Mexiko in den ersten acht Monaten dieses Jahres bereits 10,73 Millionen Tonnen gelben Mais aus den USA einführte – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Anstieg von 9,4 Prozent. Während Mexiko bei weißem Mais weitgehend autark sei, importiere es gelben Mais aus den USA, bei dem es sich überwiegend um GVO-Mais handele, so Abel Rodriguez Montejo von GCMA. In Mexiko selbst wurden laut Schätzung des US-Landwirtschaftsministeriums im laufenden Wirtschaftsjahr 2020/21 rund 28 Millionen Tonnen Mais geerntet. Nach der Statistik der unternehmensnahen Organisation ISAAA war darunter schon 2019 kein gv-Mais mehr. Doch nach Erkenntnissen des Klagekollektivs wurde auf der Halbinsel Yucatan in der Vergangenheit ungestraft gv-Mais angebaut – trotz eines Verbots des Obersten Gerichtshofs. [vef]

29.10.2021 |

Saatgutkontrollen: Behörden finden Gentechnik in fünf Maispartien

Mais  Foto: CCO Mais Foto: CCO

In den diesjährigen Kontrollen von Saatgut auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO) haben die zuständigen Länderbehörden in fünf von 740 beprobten Saatgutpartien Verunreinigungen nachgewiesen. Dabei handelte es sich um Maissaatgutpartien, von denen vier in Baden-Württemberg und eine in Bayern entdeckt wurden. Das verunreinigte Saatgut wurde nach Behördenangaben nicht ausgesät. Greenpeace, Bioland und die IG Saatgut forderten die Bundesländer auf, ihre Saatgutkontrollen zu verstärken und Saatgut auch auf Verunreinigungen mit neuer Gentechnik zu überprüfen.

Von den 740 Proben, die die Länderbehörden von 01.10.2020 bis 30.09.2021 analysiert hatten, entfielen 439 auf Mais und 173 auf Winterraps. Daneben analysierten die Länder Sojabohnen (40 Proben), Zuckerrüben (21), Sommerraps (17) sowie einige Proben von Senf, Tomaten, Zucchini, Luzerne und Rote Rüben. Neu aufgenommen ins Monitoring hatten einzelne Bundesländer Leinsaat (10 Proben) und Zuckermais (23). Sie zogen damit die Konsequenzen aus Verunreinigungsfällen des vergangenen Jahres.
Leinsaat beprobten Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Baden-Württemberg, das 2020 Verunreinigungen in geernteten Leinsamen festgestellt hatte, sah darin offensichtlich keinen Anlass, Leinsaat nun auch vor der Aussaat zu untersuchen. Proben aus Zuckermais zogen Bayern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Wie der Infodienst bereits berichtete, prüfen diese Länder in einem Pilotprojekt, ob der Zuckermais künftig neben dem Silomais in die Routinekontrollen mit aufgenommen werden soll. Denn 2020 hatten ungarische Kontrollbehörden gentechnische Verunreinigungen in Zuckermaissaatgut entdeckt. Das Saatgut kam aus den USA und wurde über Deutschland vertrieben, dort aber nicht beprobt. Von diesem verunreinigten Saatgut waren damals in sechs Bundesländern rund 2,3 Millionen Körner ausgesät worden. Im diesjährigen Probelauf wurde im Zuckermais keine Gentechnik gefunden.

Greenpeace, Bioland und die IG Saatgut forderten die Bundesländer auf, ihre Saatgutkontrollen zu verstärken. „Dass es immer wieder zu Verunreinigungen kommt, zeigt, dass die derzeit praktizierte, stichprobenartige Untersuchung nur eines Teils der Partien nicht ausreicht“, sagte Bioland-Präsident Jan Plagge. „Bei Kulturarten, die, wie Mais, einem hohen Verunreinigungsrisiko ausgesetzt sind, ist es leider mittlerweile notwendig, alle Saatgutpartien zu überprüfen.“ Das BVL schreibt zur Probenhäufigkeit: „Mindestens zehn Prozent der in Deutschland zur Anerkennung vorgestellten Saatgutpartien sollen untersucht werden.“
Bei den Kontrollen müsse nach allen bekannten Gentechnik-Pflanzen gesucht werden, mahnte Dirk Zimmermann von Greenpeace: „Das ist immer noch nicht der Fall, obwohl genom-editierte Pflanzen wie Raps in Nordamerika bereits angebaut werden und ein entsprechendes Analyseverfahren vorliegt“. Dieses Verfahren müsse in die Kontrollen integriert werden, forderte Zimmermann. Zudem müssten die Behörden weitere Methoden für den Nachweis anderer, mittels neuer Gentechnik veränderter Pflanzen, entwickeln und anwenden.
Die neue Bundesregierung solle sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die neue Gentechnik unter dem geltenden Gentechnikrecht reguliert bleibe, verlangte Stefanie Hundsdorfer von der IG Saatgut: „Denn ohne Regulierung wären neuartige, bisher illegale gentechnisch veränderte Organismen nicht mehr verboten – die Nulltoleranz würde außer Kraft gesetzt.“ Auch wäre die Gen-Manipulation von Saatgut nicht mehr kennzeichnungspflichtig. [lf]

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