18.10.2023 | permalink
Vor einem Jahr hat Kenias Präsident ein zehnjähriges Moratorium beendet und per Dekret erlaubt, gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen zu importieren und anzubauen. Da diese Entscheidung Umwelt und Gesundheit gefährde und die kenianische Verfassung verletze, klagten Agrar- und Juristenverbände dagegen vor verschiedenen Gerichten. Das Umweltgericht Nairobi gab der Regierung Ruto vergangene Woche recht. Das endgültige Urteil des Hohen Gerichtshofs (High Court) steht aber noch aus.
Bei einem Gericht für Land- und Umweltfragen (Environment and Land Court) hatte die Anwaltsvereinigung LSK (Law Society of Kenya) im Januar Klage gegen den Kabinettsbeschluss vom 3. Oktober 2022 eingereicht, das Verbot des Anbaus und der Einfuhr von gv-Mais aufzuheben. Sie verwies auf die Risiken, die gv-Pflanzen wie herbizidresistenter Mais für Gesundheit und Umwelt darstellen würden. Auch die Ernährungskultur und die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Kenia sah die LSK dadurch in Gefahr, da gentechnisch veränderte Pflanzen sich unbemerkt in heimische Sorten einkreuzen könnten. Aus diesen Gründen hätten vor der Entscheidung, das Gentechnik-Moratorium aufzuheben, ihre ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen abgeschätzt und die Öffentlichkeit beteiligt werden müssen, argumentierte die Vereinigung.
Richter Oscar Angote sah das anders. Ihm sei kein Gesetz genannt worden, das eine öffentliche Beteiligung bei einem solchen Regierungsbeschluss verlangen würde, schrieb er in seinem Urteil. Auch 2012 seien Import und Anbau von gv-Pflanzen verboten worden, ohne dass die Öffentlichkeit gefragt worden sei. Für die behaupteten Gefahren für Umwelt und Gesundheit hätten die Kläger keine Belege vorgelegt. Auch müssten die Menschen in Kenia vor solchen Risiken keine Angst haben. Es gebe „einen rechtlichen und institutionellen Rahmen, der für eine strenge Bewertung von GVO (gentechnisch veränderten Organismen, Anm. d. Red.) geschaffen worden sei“, begründete das Angote.
Die nationale Behörde für biologische Sicherheit sei in der Lage, riskante Lebensmittel zu identifizieren und ihre Sicherheit angemessen zu bewerten. Die Umweltbehörde NEMA prüfe die Umweltauswirkungen von gv-Pflanzen, die freigesetzt werden sollen. Es sei nicht wahr, dass die zuständigen Behörden sich verschworen hätten, um die Bevölkerung den in der Klage erwähnten Katastrophen auszusetzen, heißt es im Urteil. Die betroffenen Kleinbauern sehen das anders: Den Behörden sei nicht zu trauen, sagte Cidy Otieno der „Voice of America“. Der nationale Koordinator des Kleinbauernverbandes Kenya Peasants League erinnerte an ein gv-Produkt aus Südafrika, das länger als ein Jahr ohne Zulassung illegal in Kenia verkauft worden sei. Die Kenianer seien gegen gv-Produkte schlecht geschützt.
Deshalb wollte die Anwaltsvereinigung LSK mit ihrer Klage auch Pläne der Regierung stoppen, tonnenweise gentechnisch veränderten Bt-Mais als Saatgut an Kenias Bauern zu verteilen. LSK argumentierte vor dem Umweltgericht, dass staatliche Stellen dieses Saatgut ohne die notwendigen Risikobewertungen und Zulassungen in Verkehr bringen würden. Dass der Staat das tun wolle, hätten ihm die Kläger aber nicht belegen können, monierte Richter Angote und wies die Klage in diesem Punkt als „verfrüht“ zurück. Diese Passage aus dem Urteil lässt sich auch als vorsorglicher Hinweis an die Behörden und das beteiligte staatliche Forschungszentrum Kalro verstehen, dass sie das gesetzlich vorgesehene Zulassungsverfahren für gv-Pflanzen weiterhin einhalten müssen. Seit das Verbot 2022 aufgehoben wurde, hat Kenia nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters noch keine gv-Pflanzen importiert oder angebaut.
Obwohl sich die LSK noch nicht dazu geäußert hat, ob sie gegen dieses Urteil des Umweltgerichts Berufung einlegen will, berichteten kenianische und internationale Medien bereits, Import und Anbau von gv-Pflanzen seien in Kenia jetzt freigegeben. Dabei steht die Entscheidung in einem zweiten Prozess noch aus: Die Kleinbauernbewegung Kenya Peasants League (KPL) hatte beim High Court geklagt, weil die Aufhebung des Gentechnik-Moratoriums gegen die kenianische Verfassung verstoße. Wie der Infodienst berichtete, hatte High Court-Richterin Mugure Thande deshalb Import und Anbau von gv-Pflanzen Ende 2022 per einstweiliger Verfügung weiterhin für verboten erklärt. Der Versuch der kenianischen Regierung, diese Verfügung zu kippen, scheiterte am 31. März 2023. Für die Entscheidung des High Court in der Hauptsache ist noch kein Termin bekannt. Wie KPL-Koordinator Otieno der „Voice of America“ sagte, rechnet er damit noch in diesem Jahr.
Neben den beiden Prozessen in Kenia beschäftigt das Importverbot auch den Ostafrikanischen Gerichtshof in Tansania (East African Court of Justice). Dort haben Slow Food International und die ungandische Organisation Centre for Food and Adequate Living Rights gegen Präsident Rutos Dekret geklagt. Aus ihrer Sicht verstößt es gegen die Regeln der Ostafrikanischen Gemeinschaft. Diese sieht den freien Warenverkehr zwischen ihren Mitgliedern vor. Doch Uganda und Tansania lehnen gv-Lebensmittel ab. Das Portal „Voice of America“ zitierte einen kenianischen Politikdozenten mit den Worten, Einfuhr und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der Region gefährde die Handelsbeziehungen zwischen Kenia und seinen Nachbarn, da gentechnikfreie Ware und Felder unbemerkt verunreinigt werden könnten. Der ostafrikanische Gerichtshof wacht über das Gemeinschaftsabkommen und soll deshalb klären, inwieweit ein Mitgliedsland einseitig Import und Anbau von gv-Pflanzen zulassen darf. [lf/vef]
13.10.2023 | permalink
Die Chancen der Europäischen Kommission sind gestiegen, dass sie den Unkrautvernichter Glyphosat in der Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2033 zulassen kann. Denn die 27 EU-Mitgliedstaaten haben diesen Vorschlag heute nicht mit der nötigen Mehrheit abgelehnt. Deutschland enthielt sich, weil die Ampelkoalition uneins ist. Sollte sich auch im Berufungsverfahren keine qualifizierte Mehrheit gegen ihren Plan finden, wird die EU-Kommission ihn wohl bis 14. Dezember umsetzen.
Der deutsche Agrarminister Cem Özdemir hatte im Vorfeld mehrfach dafür plädiert, den weltweit meistverkauften Spritzmittelwirkstoff nicht weiter auf europäische Äcker zu sprühen, da er der ohnehin gefährdeten Biodiversität weiter schade. Davon versuche er auch andere EU-Mitgliedstaaten zu überzeugen, teilte Özdemirs Ministerium (BMEL) nach der letzten Sitzung des zuständigen EU-Ausschusses im September mit. Doch um den Plan der EU-Kommission zu verhindern, müsste der Grünenpolitiker seinen deutschen Koalitionspartner FDP sowie 14 EU-Mitgliedstaaten auf seine Seite bringen. Zusammen müssten die Länder 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Erst dann wäre die nötige qualifizierte Mehrheit erreicht, um Glyphosat zu stoppen.
Aktuell sieht es nicht so aus, als könne Cem Özdemir die mobilisieren. Wie das Portal agrarheute berichtet, haben nur Österreich, Luxemburg und Kroatien bei der heutigen Sitzung für einen Glyphosat-Stopp gestimmt. Neben Deutschland enthielten sich Bulgarien, Belgien, Malta, die Niederlande und Frankreich. Kritisiert worden seien vor allem fehlende Daten zu den Auswirkungen auf Biodiversität, Böden und Gewässer, informierte das deutsche Agrarministerium. Zwar haben 18 EU-Länder für den Kommissionsvorschlag gestimmt. Sie repräsentierten aber nur 55 Prozent der Bevölkerung, wie agrarheute vorrechnet. Denn bevölkerungsreiche Staaten wie Deutschland oder Frankreich waren nicht darunter.
Der französische Minister für den ökologischen Wandel sagte dem Portal France24, die EU-Kommission sei den französischen Wünschen zwar entgegengekommen, indem sie die Höchstdosis Glyphosat-Spritzmittel pro Hektar in ihrem Vorschlag reduziert habe. Das reiche aber noch nicht für eine Zustimmung. Frankreich erprobt im eigenen Land bereits alternative Spritzmittel und möchte das auch in der EU-Verordnung implementiert sehen. Außerdem will das Land Glyphosat nur bis 2030 zulassen. Es habe intensive Gespräche mit Deutschland gegeben und die Positionen näherten sich an, schreibt France24.
Das Problem bleibt, dass der Agrarminister, der Deutschland in dieser Frage auf EU-Ebene vertritt, nicht kann, wie er will. „Da es aus dem BMDV (dem FDP-geführten Ministerium für Digitales und Verkehr, Anm. d. Red.) Einwände gab, haben wir uns heute in der Abstimmung letztlich enthalten müssen – auch wenn wir es uns anders gewünscht hätten“, schrieb ein Sprecher des BMEL dem Infodienst Gentechnik auf Anfrage. Die Grünen und das SPD-geführte Kanzleramt berufen sich auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“ Wobei sie davon ausgehen, dass Deutschland das rechtssicher nur tun kann, wenn der Wirkstoff auch auf EU-Ebene nicht weiter zugelassen wird. Die FDP dagegen pocht auf eine Passage im Ampelvertrag, nach der Pflanzenschutzmittel „nach wissenschaftlichen Kriterien“ zugelassen werden sollen. Und die europäischen Fachbehörden hatten das Pflanzengift im Sommer nach wissenschaftlichen Studien als unbedenklich eingestuft. Ist sich die Ampel damit uneins, muss sich der BMEL-Vertreter nach den Regularien der Bundesregierung im EU-Ausschuss enthalten.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert, die FDP lege den Koalitionsvertrag "sehr fragwürdig" aus. Und: „Wir sind über das Schweigen der SPD zu diesem wichtigen Verbraucherschutz- und Umweltthema enttäuscht“, so der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Die Ampelkoalition hätte den Kommissionsvorschlag einvernehmlich ablehnen und damit ein wichtiges Signal in Europa für mehr Gesundheit und Artenschutz setzen sollen. Auch beim Umweltinstitut München ist man empört: „Die deutsche Bundesregierung hat es trotz Federführung zweier grüner Ministerien und einem eindeutigen Koalitionsvertrag nicht geschafft, sich klar gegen die Wiederzulassung von Glyphosat zu positionieren”, moniert Sophia Guttenberger, Referentin für Landwirtschaft. “Wir erwarten bei der nächsten Abstimmung ein eindeutiges Statement in Form einer ‘Nein‘-Stimme.“
Das erwartet auch die deutsche Bevölkerung. Wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey vergangene Woche ergab, lehnen es 61,9 Prozent der Bundesbürger ab, Glyphosat neu zuzulassen. 57 Prozent der im Auftrag des BUND Befragten sind selbst dann für ein Glyphosatverbot in Deutschland, wenn der Wirkstoff auf EU-Ebene wieder zugelassen werden sollte. Das verlangt auch BUND-Vorsitzender Bandt. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, protestierte heute eine Delegation des BUND vor dem Agrarministerium und übergab 60.000 Unterschriften der Petition „Besser ohne Gift“.
Hausherr Özdemir kritisiert unterdessen die EU-Kommission: „Sie ignoriert mit ihrem Vorschlag das im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip und schiebt die Verantwortung für die Artenvielfalt sowie den Schutz unserer Gewässer allein auf die Mitgliedstaaten. Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat der Biodiversität schadet, sollte sie keine Wiedergenehmigung von Glyphosat zulasten der Artenvielfalt durchsetzen." Die EU-Kommission scheint sich ihrer Sache jedoch ziemlich sicher: "Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die vielen Kollegen aus den verschiedenen Staaten enorme Mengen an wissenschaftlichen Daten durchforstet haben, glauben wir, dass wir einen guten Vorschlag haben“, bekräftigte ein Sprecher heute vor Journalisten. Der Berufungsausschuss der EU-Staaten werde in der ersten Novemberhälfte über den unveränderten Verordnungsentwurf abstimmen. [vef]
09.10.2023 | permalink
Pflanzenzüchter und Bauernverbände warnen davor, Pflanzen aus neuen gentechnischen Verfahren (NGT) zu patentieren. Auch einige EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, haben der EU-Kommission deutlich gemacht, dass die geplante NGT-Verordnung die Patentierung mitregeln muss. Denn vom Europäischen Patentamt ist wenig Hilfe zu erwarten: Das hat die Vorgaben zur Patentierung von Pflanzen bisher im Interesse der Antragsteller extrem weit ausgelegt. Daher wurde zum 50. Geburtstag der Behörde vergangene Woche lautstark protestiert.
Derzeit sind Pflanzen, die mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) hergestellt wurden, patentierbar. Grundlage dafür ist die Biotechnik-Richtlinie, die generell erlaubt, gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere patentieren zu lassen. Schon jetzt gibt es zahlreiche Patente auf NGT-Pflanzen, obwohl kaum welche auf dem Markt sind. Aus diesem Grund warnt Jan Plagge, Präsident von Bioland, vor einer „Patentflut, die bäuerliche Betriebe und den Mittelstand in der Pflanzenzucht in noch größere Abhängigkeit zu den großen Agrochemie-Konzernen zwingt“. Seine Forderung: „Das Patentrecht muss überarbeitet werden, bevor das Gentechnikrecht angefasst wird.“
Auch Bundesagrarminister Cem Özdemir hat bei den aktuellen Beratungen über eine neue NGT-Verordnung in Brüssel deutlich gemacht, dass ein Ausufern von Patenten auf Nutzpflanzen verhindert werden muss. Der Deutsche Bauernverband hält es ebenfalls für „unabdingbar, eine Lösung in der Frage der Patente zu schaffen“. Der Verband der deutschen Pflanzenzüchter (BDP) warnt, NGT-Patente „könnten den Zugang zu neuen Technologien und biologischem Material, welches für die Züchtungsarbeit unverzichtbar ist, einschränken und dadurch den Züchtungsfortschritt massiv gefährden“. Deshalb müsse „eine schnelle, rechtsverbindliche Lösung geschaffen werden, nach der biologisches Material, das auch in der Natur vorkommen oder entstehen könnte, nicht patentiert werden kann“, forderte BDP-Geschäftsführer Carl-Stephan Schäfer.
Doch so schnell wird keine Lösung kommen. Denn dafür müsste die Biotechnik-Richtlinie der EU geändert werden. Dazu gibt es bisher offiziell nur die Zusage der EU-Kommission, ab 2026 über eine Änderung nachzudenken. Sollte in den Jahren nach 2026 die Patentierbarkeit von NGT tatsächlich eingeschränkt werden, würde dies nur für dann neu eingereichte Patentanträge gelten. Alle bis dahin eingegangenen Anträge würden vom Europäischen Patentamt (EPA) noch nach altem Recht entschieden. Und das könnte dazu führen, warnen Verbände, dass sich die großen Saatgutkonzerne zahllose natürlich vorhandene Pflanzeneigenschaften, etwa Krankheitsresistenzen, mit Hilfe von NGT-Patenten unter den Nagel reißen. Denn für ein solches Patent reiche es zu zeigen, dass sich die Eigenschaft mit Hilfe von Crispr/Cas erzielen lässt. Es würde also nichts neu erfunden, sondern lediglich eine bereits in der Natur vorkommende Mutation technisch nachgebaut. Das dafür erteilte Patent würde dann alle Pflanzen dieser Art mit der entsprechenden Eigenschaft umfassen, warnen Kritiker – selbst dann, wenn die mit NGT herbeigeführte Mutation natürlich entstanden ist und diese Pflanzenvariante schon lange existiert. Dies könnte dazu führen, dass Zuchtbetriebe und Landwirt:innen überraschend mit kostspieligen Patentansprüchen auf Pflanzen konfrontiert werden, mit denen sie bisher unbehelligt arbeiten konnten.
Um das zu verhindern, müssten in der Biotechnik-Richtlinie Patente auf NGT-Pflanzen verboten werden. Doch selbst das würde womöglich nicht ausreichend Schutz bieten. Dies zeigt ein Blick auf die derzeitige Patentierungspraxis EPA. Eigentlich ist es der Behörde längst rechtlich verboten, Patente auf Pflanzen aus herkömmlicher Züchtung zu erteilen. Trotzdem entwickele das EPA immer wieder neue juristische Begründungen, um dieses im europäischen Patentrecht verankerte Verbot zu umgehen, kritisiert das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“. So hatte die Behörde im September einen konventionell gezüchteten Brokkoli der Bayer-Tochter Semenis patentiert. Das sei kein Einzelfall, so Johanna Eckhardt vom Bündnis: „2023 wurden bereits ein Dutzend weitere Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt, die Paprika, Melonen, Tomaten, Weizen, Spinat, Gurken, Zuckerrüben und Stevia betreffen.“ In einem im Juli vorgelegten Bericht schildert das Bündnis die dabei angewandten rechtlichen Tricks.
So genügt es für ein Patent bereits, wenn ein Unternehmen herausfindet, welcher Genabschnitt im Erbgut einer Pflanze eine erwünschte Eigenschaft hervorruft. Es meldet diesen als QLT (Quantitative Trait Locus) bezeichneten Abschnitt samt der Markergene, die dabei helfen, ihn im Erbgut zu finden, zum Patent an. Dieses Patent gilt – einmal erteilt – dann für alle Pflanzen einer Art, die diesen QLT enthalten. Beispielhaft erläutert „Keine Patente auf Saatgut!“ das anhand des 2022 erteilten Patents EP3560330 des deutschen Züchtungskonzerns KWS für einen besonders verdaulichen Mais.
Ein weiterer Trick ist es, Pflanzensamen zuerst einer nicht zielgerichteten Mutagenese zu unterziehen. Bei diesem in der herkömmlichen Züchtung üblichen Verfahren wird das Saatgut mit Chemikalien oder radioaktiver Strahlung behandelt, um viele Mutationen im Erbgut zu erzeugen. Ist darunter eine Mutation, die zu einer erwünschten Eigenschaft führt, reicht die Mutagenese bereits aus, damit ein Unternehmen die Rechte an dieser Pflanze (und alle anderen dieser Art bei denen diese Mutation vorkommt) beanspruchen kann. Denn dem EPA gilt die nicht zielgerichtete Mutagenese als technisches Verfahren, dessen Ergebnisse patentierbar sind. In einem Bericht der Bundesregierung vom September 2022 beschreibt das Bundesjustizministerium dieses Vorgehen des EPA und die Unlust der meisten europäischen Staaten, diesen Tricks einen Riegel vorzuschieben.
Um auf die Gefahren für die Landwirtschaft durch bestehende und künftige Patente aufmerksam zu machen, nutzte „Keine Patente auf Saatgut!“ den 50. Geburtstag des EPA zum Protest. In einem Festakt feierten die EU-Kommissionspräsidentin und der Bundeskanzler das Europäische Patentübereinkommen von 1973 und die Arbeit des EPA. Währenddessen trommelten vor dem Eingang des EPA mehrere große Skulpturen, die patentierte Tomaten, Brokkoli, Braugerste und Mais symbolisierten, auf Kochtöpfen. [lf]
04.10.2023 | permalink
Ein kanadisches Startup will einen gentechnisch veränderten Reis entwickeln, der im Meer angebaut werden kann. Die Meldungen über dessen erste Versuche verschweigen, dass laufend salztolerante Reissorten ganz ohne Gentechnik gezüchtet und auch angebaut werden.
Weil der Meerespiegel steigt und Flächen falsch bewässert werden, nimmt der Salzgehalt in vielen Böden zu. Das vertragen die meisten Nutzpflanzen nicht; Reis ist dabei besonders empfindlich. In der herkömmlichen Züchtung ist Salztoleranz deshalb seit Jahren ein wichtiges Züchtungsziel, damit auf versalzenen Flächen auch weiterhin Nahrungsmittel angebaut werden können.
Die Gentechnik-Lobbyorganisation ISAAA (International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications ) meldete im September, das kanadische Startup-Unternehmen Alora habe mithilfe der Crispr-Technologie salztoleranten Reis hergestellt, der im Meer wachsen könne. Die kurze Meldung und weitere Artikel zeigen, dass der Reisanbau im Meer zwar das erklärte Ziel des kleinen Unternehmens ist, aber noch in weiter Ferne liegt. Über die genauen Veränderungen, die Alora mit Crispr/Cas an den Reispflanzen vorgenommen hat, finden sich in den Artikeln keine Informationen sondern nur die Anmerkung, dass die Technik zum Patent angemeldet sei. Ein Artikel auf der Plattform Agfundernews.com berichtet von einem Anbauversuch an der Universität Guelph in Kanada, bei dem der Alora-Reis in Wasser mit acht Gramm Salz pro Liter wuchs. Meerwasser enthält die vierfache Menge an Salz, jedoch seien die acht Gramm je Liter mehr als alle anderen Nutzpflanzen bisher geschafft hätten, zitiert der Artikel die Alora-Gründer.
Die EU-Datenbanke SAGE listet eine handvoll wissenschaftlicher Arbeiten auf, die sich mit der Züchtung gentechnisch veränderter und salztoleranter Reissorten befassen, vor allem aus China und Indien. Meist handelt es sich dabei um Konzeptstudien, in denen ein Gen verändert wurde. Doch es handelt sich bei Salztoleranz um komplexe Eigenschaften, an denen mehrere Gene beteiligt sind, so dass die Veränderung eines einzelnen Gens oft nicht zum Erfolg führt.
Ein großes, bisher noch gentechnikfreies Züchtungsprogramm für salztoleranten Reis läuft seit Jahren am Qingdao Saline-Alkali Tolerant Rice Research and Development Centre in China. Im Oktober 2022 berichtete die chinesische Global Times von einer Rekordernte von 11,5 Tonnen Reis je Hektar. Die konventionell gezüchteten Hybridsorten wuchsen dabei in einem salzigen und alkalischen Boden und wurden mit Wasser gegossen, das vier Gramm Salz pro Liter enthielt. Die South China Morning Post berichtete, dass der salztolerante Reis in acht bis zehn Jahren auf sieben Millionen Hektar wachsen könnte. Bei der weiteren Entwicklung wollen die chinesischen Forschenden auch mit gentechnisch veränderten Reislinien arbeiten, schrieben sie in einem Artikel in der Fachzeitschrift Plant Breeding. Darin erwähnten sie auch, dass die ersten salztoleranten Reissorten bereits vor 70 Jahren gezüchtet wurden, beschreiben die bisher gentechnikfreie Züchtungsarbeit in verschiedenen Ländern und nennen die daraus entstandenen Sorten.
So hat etwa Indien systematisch salztolerante Linien in seine beliebtesten Reissorten eingekreuzt und so 13 salztolerante Sorten konventionell gezüchtet. Sie würden inzwischen jedes Jahr auf 1,2 Millionene Hektar Fläche angebaut, heißt es in einer Übersichtsarbeit. Auf den Philippinen züchten Kleinbäuer:innen und Wissenschaftler:innen in der Organisation Masipag gemeinsam Reissorten, die an die jeweiligen lokalen Verhältnise angepasst sind. Im Rahmen dieser Arbeit entstanden in den letzten Jahren 20 salztolerante Sorten. Von 2016 bis 2019 züchtete das EU-finanzierte Neurice-Projekt salztolerante Reissorten für die kommerzielle Nutzung in Europa. Das ostafrikanische Tansania entwickelte 2016 eine salztolerante Reissorte. Basis für deren Züchtung waren Reissorten, die in Japan die Überschwemmungen durch den Tsunami 2011 gut überstanden hatten.
Während die Landwirt:innen bei Masipag ganz traditionell züchten, nutzen die Forschenden etwa in China, Indien oder der Europäischen Union biotechnologische Methoden wie Markergene, um die Züchtung zu beschleunigen. Das EU-Projekt Neurice schaffte es damit in drei Jahren, anbauwürdige Sorten zu entwickeln, die ihre Salztoleranz von der ersten salztoleranten Reisorte Pokkali geerbt haben, die 1939 in Sri Lanka gezüchtet worden war. [lf]
29.09.2023 | permalink
Die geplante Verordnung der Europäischen Kommission, nach der neue Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft weitestgehend unreguliert eingesetzt werden könnte, könnte wegen zahlreicher Rechtsfehler erfolgreich vor einem europäischen Gericht angegriffen werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein juristisches Gutachten im Auftrag der Fraktion Bündnis ‘90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Als „deutliches Stoppschild für die EU-Kommission“ bewertet der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik die Expertise und warnt vor großer Rechtsunsicherheit für Lebensmittelbranche und Verbraucher:innen.
Der europäische Verordnungsentwurf verstoße gegen das in den EU-Verträgen verankerte Vorsorgeprinzip, bringt der grüne Bundestagsabgeordnete Karl Bär das Gutachten auf den Punkt. „Vorsorgeprinzip heißt, dass Risiken bewertet und gemanagt werden“, erklärt der agrarpolitische Sprecher der Fraktion. Doch die EU-Kommission wolle die Gefahren von NGT-Pflanzen für Umwelt und Gesundheit künftig nicht mehr prüfen. Mehr als 90 Prozent der NGT-Pflanzen sollen nach ihren Plänen wie konventionell gezüchtete Gewächse ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung bis hin zu den fertigen Lebensmitteln auf den Markt kommen.
Gutachter Georg Buchholz von der Anwaltskanzlei GGSC führt aus, dass NGT-Pflanzen allein aufgrund von Art und Zahl der Änderungen der DNA-Sequenz von der Verordnung privilegiert werden sollen. Ob die Pflanzen nützliche oder gefährliche Eigenschaften hätten, spiele keine Rolle. „Eine solche Privilegierung von NGT-Pflanzen gegenüber sonstigen GVO ist nicht gerechtfertigt, weil sowohl nach den Feststellungen des EuGH (Europäischer Gerichtshof, Anm. d. Red.) als auch nach eigener Aussage der Kommission von NGT-Pflanzen vergleichbare Risiken ausgehen können wie von sonstigen GVO“, erläutert das Gutachten. Der EuGH habe bereits mehrfach geurteilt, dass Produkte neuer gentechnischer Verfahren wie Crispr/Cas nur dann vom Gentechnikrecht ausgenommen werden können, wenn sie erfahrungsgemäß sicher sind – was für NGT-Pflanzen bislang wissenschaftlich nicht belegt sei. Daher verlange das im Vertrag von Lissabon vereinbarte Vorsorgeprinzip, dass die Risiken solcher Pflanzen für Gesundheit und Umwelt zunächst geprüft werden, so die juristische Bewertung. Da der EU-Vorschlag das nicht vorsehe, wäre eine solche Verordnung „null und nichtig“, sagte Buchholz jüngst bei einer Konferenz in Brüssel.
Um das Problem anschaulich zu mache, nennt er ein Beispiel: Ein durch NGT für industrielle Zwecke optimierter Raps, der für Menschen und Tiere giftig ist, könnte uneingeschränkt angebaut und verkauft werden, ohne dass er vorher geprüft werden müsste. Würde ein solcher NGT-Raps beim Anbau auf benachbarte Rapsfelder auskreuzen und dieser Raps zu Lebens- oder Futtermitteln verarbeitet werden, könnte das zu Vergiftungen führen. Womit sich die Frage stellt, wer dafür haftet. Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) verweist auf die Warnung des Gutachters, die geplante NGT-Verordnung führe sowohl für die Unternehmen des Lebensmittelsektors wie für die Gentechnik-Hersteller selbst zu großer Rechtsunsicherheit: Wären Gentechnik-Hersteller für Schäden verantwortlich oder alle, die die Produkte wissentlich oder unwissentlich verwenden? Müssten jedenfalls wegen der zivilrechtlichen Produkthaftung die Risiken der NGT-Pflanzen geprüft werden? Welche Versicherungen würden welche Schäden ersetzen? VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting appelliert an den Agrarminister: „Wenn Cem Özdemir es ernst meint mit dem Schutz von Koexistenz und ‚Ohne Gentechnik‘-Sektor, sollte er sich in Brüssel für einen kompletten Neustart statt für faule Kompromisse einsetzen.“
Auch die österreichischen Grünen sind entsetzt: Das Gutachten zeige, dass der Kommissionsvorschlag in der Praxis einer Abschaffung des bisherigen Gentechnikrechts gleichkäme, so Clemens Stammler, Landwirtschaftssprecher im dortigen Parlament. Damit falle für NGT-Pflanzen auch das nationale Anbauverbot, mahnt der grüne Agrarexperte. Mangels passender Maßnahmen ließe sich die Koexistenz von gentechnischer und gentechnikfreier Landwirtschaft künftig nicht mehr sichern. „Es wird also der Bio-Landwirtschaft überlassen sich zu überlegen, wie sie weiterhin die Gentechnikfreiheit gewährleisten kann“, kritisiert Stammler. „Am Ende bleibt der Eindruck, dass die EU-Kommission hier in Windeseile den Forderungen der Agrarindustrie nachgegeben hat. Wir müssen nun gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament alles daransetzen, die Umsetzung dieses Vorschlags zu verhindern.“ [vef]
20.09.2023 | permalink
Die Europäische Kommission schlägt vor, den Unkrautvernichter Glyphosat in Europa weitere zehn Jahre zu erlauben. Über diesen heute veröffentlichten Entwurf sollen die EU-Mitgliedstaaten am 13. Oktober abstimmen. Nach Angaben eines hochrangigen Kommissionsbeamten habe sich bisher nur ein Land dagegen ausgesprochen; einige hätten sich noch nicht festgelegt. Umwelt- und Ökoverbände fordern seit Monaten vom deutschen Agrarminister dafür zu kämpfen, dass das Totalherbizid nicht länger auf europäischen Äckern versprüht werden darf.
„Der grüne Agrarminister Cem Özdemir ist für eine Landwirtschaft angetreten, die wieder mehr im Einklang mit unseren Lebensgrundlagen wirtschaften soll“, sagt etwa Gerald Wehde von Bioland. Daher müsse er im Oktober Farbe bekennen und gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat stimmen. Nach ZDF-Informationen ist Deutschland das erwähnte eine Land, das sich gegen den Kommissionsvorschlag wendet. Offiziell klingt das aus dem Mund das Agrarministers so: "Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat der Biodiversität schadet, sollte die Genehmigung in der EU auslaufen. Eine vielfältige und intakte Pflanzen- und Tierwelt ist die Voraussetzung für sichere Ernten heute und in 10, 20 oder 50 Jahren. Ob Glyphosat vom Markt genommen wird, entscheiden wir aber nicht alleine. Deshalb sind wir mit unseren Partnern in der EU dazu in intensiven Gesprächen." Der Plan, Glyphosat Ende 2023 in Deutschland aus dem Verkehr zu ziehen, ist zwar im Koalitionsvertrag verankert. Doch Cem Özdemir hat schon deutlich gemacht, dass er rechtliche Probleme sieht, sollten die EU-Gremien anders entscheiden.
Die Mehrheit der Deutschen jedenfalls wünscht ein Verbot von Glyphosat. Und auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland warnt: „Zehn weitere Jahre Glyphosat wären eine Katastrophe für Mensch und Artenvielfalt. Es ist belegt, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend und neurotoxisch ist, oxidativen Stress auslösen kann und das Mikrobiom des Darms schädigt“, so Pestizidexpertin Corinna Hölzel. Sie wirft der EU-Kommission vor, unabhängige Studien einfach zu ignorieren. Selbst die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die im Sommer die Unbedenklichkeit des Totalherbizids bescheinigte, hatte eingeräumt, dass es in bestimmten Bereichen Datenlücken gebe. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren hat diese Datenlücken in einem Brief an den Bayer-Konzern vergangene Woche detailliert aufgelistet.
Ein Sprecher der EU-Kommission betonte dagegen heute, der Vorschlag seiner Behörde sei wissenschaftlich fundiert und habe den Schutz von Mensch und Umwelt im Auge. Um mögliche Schäden für die Artenvielfalt zu vermeiden, sollten die Mitgliedsstaaten den Gebrauch von glyphosathaltigen Spritzmitteln entsprechend beschränken, wenn sie sie zulassen, so der Entwurf. Theoretisch, sagte ein hochrangiger Kommissionsbeamter, könnten die Mitgliedstaaten sämtliche glyphosathaltigen Spritzmittel für ihr Territorium verbieten, wenn sie es mit der regionalen Landwirtschaft und Umwelt begründen könnten. Die Kommission selbst will künftig nur vorschreiben, dass fünf bis zehn Meter breite Randstreifen der Äcker nicht mehr gespritzt werden dürfen. Außerdem sollen spezielle Düsen dafür sorgen, dass das Totalherbizid auf den vorgesehenen Feldern landet und nicht weggeweht wird. Schließlich soll, wie in Deutschland bereits geschehen, auch EU-weit die Vorerntebehandlung verboten werden.
Bereits diesen Freitag werden die 27 EU-Mitgliedstaaten im zuständigen Ausschuss in Brüssel über den Vorschlag diskutieren, der ihnen gestern zugesandt wurde. Die Zeit drängt, denn Glyphosat ist nur noch bis 15. Dezember zugelassen. Findet sich am 13. Oktober keine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag der Kommission, muss ein Berufungsausschuss entscheiden. Fehlt auch dort das nötige Quorum, kann die EU-Kommission das Pflanzengift am Ende selbst bis 2033 genehmigen.
Doch auch dann ist das Thema für sie noch nicht ausgestanden. Denn die Aurelia-Stiftung klagt beim EU-Gericht in Luxemburg gegen die Entscheidung der EU-Kommission aus dem Jahr 2022, die Glyphosatzulassung vorläufig um ein Jahr zu verlängern, weil noch nicht alle Daten für eine endgültige Entscheidung ausgewertet werden konnten. Die Stiftung sieht die Verantwortung für verspätet oder gar nicht eingereichte Daten vor allem bei den Herstellern der Spritzmittel. Es sei – auch bei anderen Wirkstoffen - gängige Praxis in der EU, dass nicht abschließend geprüfte Substanzen weiter zugelassen werden. Das hofft die Stiftung mit einem Grundsatzurteil stoppen zu können. „Der breite Einsatz von Glyphosat zerstört Lebensräume und Nahrungsgrundlagen von Insekten“, kritisiert Stiftungsvorstand Thomas Radetzki. „Die für uns alle bedrohliche Zerstörung der Artenvielfalt durch Ackergifte muss beendet werden.“ [vef]
18.09.2023 | permalink
Zwei Umweltorganisationen haben sich bei der Europäischen Ombudsstelle beschwert: Die Europäische Kommission habe die Folgenabschätzung zu ihrem Verordnungsvorschlag für neue gentechnische Verfahren (NGT) nicht wie vorgeschrieben „transparent, objektiv und ausgewogen“ erarbeitet. Die EU-Kommission hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Nun muss die Ombudsstelle entscheiden, ob sie sich damit zufriedengibt oder die Folgenabschätzung vertieft untersucht. Gründe dafür gäbe es.
Im Februar hatten Friends of the Earth Europe und Corporate Europe Observatory die Ombudsstelle angeschrieben, die daraufhin im April der EU-Kommission einen Brief mit sieben Fragen schickte. Unter anderem wollte sie wissen, wie die Kommission die Meinung von Interessengruppen und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse unterscheidet oder ob in der Folgenabschätzung auch die Risiken von NGT-Pflanzen für die natürliche Umwelt bewertet werden. Als Quelle für solche Risiken verwies die Ombudsstelle auf eine Stellungnahme des deutschen Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Gefragt hat sie auch, für wie verlässlich die EU-Kommission denn die Versprechungen der Unternehmen halte ihre künftigen NGT-Pflanzen betreffend. Schließlich sollte die Kommission noch mitteilen, ob sie im Hinblick auf die Folgenabschätzung ihres Regelungsentwurfs vollständig über alle Sitzungen und den Austausch zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Beteiligten berichtet hat.
Inzwischen ist mit dem Verordnungsvorschlag seit Anfang Juli auch die Folgenabschätzung der EU-Kommission im Internet nachlesbar. Ebenso veröffentlicht hat die Kommission die Studie über die Konsultationen und Befragungen, die den wesentlichen Input für die Folgenabschätzung lieferten. Sie wurde im Auftrag der Kommission von den Unternehmen Technopolis und Arcadia sowie der Universität Wageningen erstellt. Es liegen nun also alle Unterlagen vor, anhand derer die Ombudsstelle untersuchen könnte, ob die Folgenabschätzung „transparent, objektiv und ausgewogen“ erarbeitet wurde.
Die Kommission antwortet der Ombudsstelle: „In der Folgenabschätzung werden die Ansichten der Interessengruppen immer klar als solche wiedergegeben“ und fährt fort: „Die Gemeinschaft der Forschenden (im Original „research/academic community“) wird als eine von dem Vorschlag direkt betroffene Interessengruppe behandelt“. NGOs hatten im Vorfeld kritisiert, dass Anliegen und Aussagen von Wissenschaftler:innen viel stärker gewichtet wurden als die anderer Interessengruppen wie Ökolandbau und gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft.
Was die nicht berücksichtigten Argumente des BfN und anderer Organisationen angeht, lassen sich die umfangreichen Ausführungen der Kommission an die Ombudsstelle so zusammenfassen, wie es in der Folgenabschätzung steht: „Die EFSA hat die von diesen Organisationen im Rahmen der öffentlichen Konsultationen vorgelegte wissenschaftliche Literatur bewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass sie keine neuen Erkenntnisse liefern, die die Schlussfolgerungen der wissenschaftlichen Gutachten der EFSA in Frage stellen.“ Offenbar lässt es die EU- Kommission es also dabei bewenden, dass die EFSA selbst feststellt, dass die Kritik an ihr nicht zutrifft. Dabei gehören auch hier viele Expert:innen dieser Behörde zur Interessengruppe der Forschenden.
Zur Frage nach den behaupteten Vorteilen der NGT-Pflanzen verweist die Kommission auf die Studie ihrer Forschungsstelle JRC, die 2021 die Pipelines der Unternehmen und Forschungseinrichtungen untersucht hatte. Diese allerdings kam zu Ergebnissen, die von der Kommission nicht weiter erwähnt wurden. So ergab die JCR-Arbeit etwa, dass in den nächsten fünf Jahren keine NGT-Pflanzen mit Trockentoleranz marktreif sein würden.
Die Transparenz beim Austausch mit Beteiligten endet für die EU-Kommission offenbar bei den Lobbyisten: Treffen mit Interessengruppen gebe sie nicht auf ihrer Webseite bekannt, schrieb die Kommission. Doch könnten Interessierte die Ergebnisse solcher Sitzungen mit Verweis auf die Transparenzverordnung (EU 1049/2001) abfragen. Das hatte Corporate Europe Observatory 2021 bereits einmal getan. Die ausgewerteten Mails zwischen einzelnen EU-Behörden und Lobbyverbänden zeigten, „dass seit dem EuGH-Urteil im Juli 2018 eine sehr breite Palette von Agrarkonzernen Lobbyarbeit bei der Kommission betrieben hat“, schrieb CEO damals. [lf]
12.09.2023 | permalink
Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland wollen, dass Glyphosat verboten wird. Das ergab eine Umfrage im Auftrag des europäischen Pestizid Aktions-Netzwerkes PAN Europe. Die europäische Koalition Stop Glyphosate forderte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides auf, eine erneute Glyphosatzulassung zu verhindern. In einer Studie stellte die Koalition erneut dar, warum Glyphosat als vermutlich krebserregend eingestuft werden müsste. Am 22. September will die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten im zuständigen Ausschuss ihren Vorschlag für eine erneute Zulassung des Herbizidwirkstoffes vorlegen.
Die Meinungsforscher:innen des französischen Unternehmens Ipsos hatten Anfang August je 1000 Menschen in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Rumänien, Polen und Spanien befragt. Im Schnitt sprachen sich 62 Prozent der Befragten für ein Verbot von Glyphosat aus, wobei die Zustimmung in Frankreich und Deutschland mit 70 und 68 Prozent besonders hoch war. Für eine weitere Zulassung votierten in den einzelnen Ländern zwischen 12 und 19 Prozent der Befragten. In Deutschland waren es 15 Prozent. Rund ein Viertel der Teilnehmenden hatte keine Meinung zu der Frage. Bei der Befragung wies Ipsos einleitend darauf hin, dass sich die Expert:innen derzeit nicht über die mit Glyphosat verbundenen Gesundheitsrisiken einig seien. PAN Europe erinnerte daran, dass bereits 2017 über eine Million EU-Bürger:innen die europäische Bürgerinitiative für ein Verbot von Glyphosat unterstützt hatten. Damals verlängerten die EU-Kommission und die Mehrheit der Mitgliedsstaaten die Zulassung um weitere fünf Jahre. „Die Zeit ist abgelaufen, und jetzt ist es an der Zeit, diese giftige Geschichte ein für alle Mal zu beenden“, schreibt PAN Europe.
Parallel zur Umfrage veröffentlichte die europäische Koalition Stop Glyphosate eine wissenschaftliche Arbeit, wonach die europäische Chemikalienagentur ECHA die krebserregende Wirkung von Glyphosat falsch bewertet habe. ECHA habe die in Krebsstudien beobachtete Häufigkeit von Tumoren als irrelevant abgetan und alle Hinweise außer Acht gelassen, dass Glyphosat oxidativen Stress verursache, ein Mechanismus, der anerkanntermaßen zu Krebs führen könne, argumentierten die Verfasser der Studie. Dies führe „zu sehr schwerwiegenden Mängeln bei der Bewertung der potenziellen Gefahren von Glyphosat und der ihnen zugrundeliegenden Mechanismen“, sagte der Toxikologe Peter Clausing, einer der Autoren. In einem Schreiben informierte Stop Glyphosate EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides über die Studie und forderte sie auf „die beschleunigte Wiederzulassung von Glyphosat auf der Grundlage der dargelegten Beweise zu stoppen und das Vorsorgeprinzip anzuwenden, das den Kern des EU-Pestizidrechts bildet“.
Anfang Juli hatte die EU-Lebensmittelbehörde EFSA ihre Risikobewertung von Glyphosat veröffentlicht. Darin machte sie sich die Krebsbewertung der ECHA zu eigen und sah auch ansonsten keine „kritischen Probleme“. Trotz der massiven Kritik an der EFSA-Bewertung erarbeitete die EU-Kommission umgehend einen Vorschlag für eine erneute Zulassung. Dieser soll nun am 22. September mit den Mitgliedsstaaten im zuständigen Ausschuss (ScoPAFF) besprochen und im Oktober verabschiedet werden. Gleichzeitig teilte die EFSA auf ihrer Glyphosatwebseite mit, dass sie die Hintergrunddokumente für ihre Bewertung erst bis Mitte Oktober veröffentlichen werde. Das heißt, eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Bewertung der EFSA kann erst dann stattfinden, wenn nach dem Willen der EU-Kommission Glyphosat bereits neu zugelassen ist. Stop Glyphosat spricht in seinem Brief an Kyriakides deshalb von einem „überstürzten Zeitplan“ und einer „Abweichung von demokratischen Verfahren“. Der Öffentlichkeit und der wissenschaftlichen Gemeinschaft bleibe wenig bis gar keine Zeit, die Tausende von Seiten umfassenden Dokumente zur EU-Bewertung von Glyphosat zu prüfen. Dies sei angesichts der bereits jetzt festgestellten schwerwiegenden Mängel „besorgniserregend“.
Im ScoPAFF muss sich auch Deutschland zum Neuzulassungsvorschlag der Kommission positionieren. Im Koalitionsvertrag steht: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“. Damit dies problemlos umgesetzt werden kann, müsste Deutschland im ScoPAFF gegen jede weitere Zulassung stimmen. Die EU-Kommission hatte der Bundesregierung Mitte Juli ihren vorläufigen Bericht zur Neuzulassung von Glyphosat übersandt, mit Bitte um Stellungnahme bis zum 27. Juli 2023. Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) es habe, wie im Rahmen der Wirkstoffbewertung üblich, als federführende Behörde das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Stellung genommen. Diese Stellungnahme sei mit den zu beteiligenden Bewertungsbehörden abgestimmt und vertraulich zu behandeln. Die grundsätzliche Position der Bundesregierung sei in der Stellungnahme berücksichtigt. Der Bitte, diese „grundsätzliche Position“ auszuformulieren, kam das BMEL nicht nach. Hintergrund könnte ein Streit innerhalb der Ampelregierung sein: Denn Koalitionspartner FDP erklärte gegenüber der Tagesschau, es spreche nichts gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat. Außerdem habe man im Koalitionsvertrag klar vereinbart, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen müsse. Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad bezeichnete das Koalitionsvorhaben, Glyphosat zu verbieten gar als „intellektuelle Faulheit“. Bei gegensätzlichen Positionen in der Bundesregierung wäre auf EU-Ebene eine Enthaltung üblich. Zwei Drittel der Menschen in Deutschland erwarten von der Bundesregierung etwas Anderes. [lf]
04.09.2023 | permalink
Das bundeseigene Julius Kühn-Institut (JKI) hat einen pilzresistenten Apfel gezüchtet, der nun als Sorte zugelassen wurde. Die neue Sorte Pia41 widersteht Schorfpilzen, die die Resistenzen anderer Sorten bereits durchbrochen haben. Erzielt wurde der Züchtungserfolg ohne gentechnische Veränderungen durch herkömmliche Kreuzung.
Dabei verwendeten die Forschenden des JKI-Fachinstituts für Züchtungsforschung an Obst in Dresden-Pillnitz die Apfelsorten Honeycrisp und Nicoter. Nicoter ist eine belgische Züchtung aus den gängigen Sorten Gala und Braeburn, die auch als exklusive Klubsorte unter dem Namen Kanzi vermarktet wird. Die bei uns kaum bekannte Honeycrisp wurde an der Universität von Minnesota gezüchtet und gehört inzwischen zu den Top-3-Sorten der USA. Sie hat in ihrem Erbgut zwei Schorfresistenzgene namens Rvi19 und Rvi20. Mindestens eines davon, Rvi19, hat Honeycrisp an Pia41 vererbt.
Der Vorteil aus Sicht der Apfelanbauenden: Die Resistenz bekannter europäischer Apfelsorten wie etwa Santana, Topaz oder Natyra gegen den durch den Schlauchpilz Venturia inaequalis hervorgerufenen Apfelschorf basiert auf dem Resistenzgen Rvi6 des Wildapfels Malus floribunda. Viele Schorfpilze sind inzwischen in der Lage, diese Resistenz zu durchbrechen, so dass die Wirkung immer mehr schwindet. Bei Rvi19 und Rvi20 sind solche Durchbrüche in Europa noch nicht bekannt. Die JKI-Forschenden hatten Pia41-Pflanzen im Gewächshaus mit Schorf-Isolaten infiziert, die eine vom Gen Rvi6 vermittelte Resistenz brechen können. Die Pflanzen zeigten keinen Schorfbefall und blieben auch in der fünfjährigen Testungsphase schorffrei. Auch sonst zeigten sie keine besonderen Anfälligkeiten, schreibt Herbert Knuppen von der Firma Neue Obstsorten und Beratung, der vom JKI die Lizenz für die Vermehrung und Vermarktung der neuen Sorte bekommen hat.
Neben der Schorfresistenz achteten die Züchtenden auch auf Optik, Geschmack und andere wichtige Vermarktungseigenschaften wie die Lagerfähigkeit. Denn ein Apfel, der nicht schmeckt oder schnell vergammelt, ist für die Kund:innen im Laden und damit auch für die Obsterzeuger:innen uninteressant. „Eine grün-gelbe Schale, saftig-knackiges Fruchtfleisch und ein süßer Geschmack mit intensivem Aroma, das sind die hervorstechenden Eigenschaften von Pia41“, schrieb das JKI dazu. Die Früchte seien sehr gut lagerfähig und hielten sich in gekühlten und gasdichten Lagern ohne Qualitätsverluste bis ins Frühjahr. „Das erhöht die Chance, dass sich resistente Sorten wie Pia41 auf dem Markt etablieren können“, erläuterte Henryk Flachowsky, der das Fachinstitut für Züchtungsforschung leitet.
Während die JKI-Züchter:innen ohne Gentechnik erfolgreich waren, kommen die Gentechniker:innen nicht voran. Bereits 2011 begannen Forschende der niederländischen Universität Wageningen Feldversuche mit Äpfeln der Sorte Gala, in die sie das Rvi6-Gen eingebaut hatten. Die Versuche liefen laut der gentechnikfreundlichen Plattform transgen.de bis 2021. Warum sie danach eingestellt und die Pflanzen nie vermarktet wurden, steht dort nicht, erscheint aber offensichtlich: Es wurden längst konventionell gezüchtete schorfresistente Sorten angebaut und der Pilz konnte das Rvi6-Gen schon überwinden. Deshalb sind bisher keine gentechnisch veränderten (gv) schorfresistenten Äpfel auf dem Markt.
Für den Apfelkundler (Pomologen) und Öko-Züchter Hans-Joachim Bannier ist das Einkreuzen (mit und ohne Gentechnik) von einzelnen Resistenzgenen grundsätzlich der falsche Weg. Zwar könne eine solche Sorte für eine gewisse Zeit Anbauvorteile mit sich bringen. „Doch die Strategie monogener Resistenzen beinhaltet immer das Risiko von Resistenzdurchbrüchen“, erklärt Bannier. Außerdem würden die modernen, generell sehr krankheitsanfälligen Apfelsorten durch das Einkreuzen einzelner Gene nicht insgesamt widerstandfähiger gegen Krankheiten. Sie benötigten weiterhin sehr viele Pestizide. Mit der Züchtungsinitiative apfel:gut e.V. verfolgt Bannier einen anderen Weg, um robuste Apfelsorten zu züchten: „Wir schauen uns in ungespritzten Obstbeständen die Vitalität von Apfelsorten an und verwenden als Elternsorten immer mindestens eine polygen gegen Krankheiten robuste Sorte. Wir schauen also nicht auf einzelne Gene, sondern einfach auf die Vitalität der gesamten Pflanze draußen im Feld und nicht nur im Labor.“ [lf]
28.08.2023 | permalink
Die Grünen sind, was die Anwendung neuer gentechnischer Verfahren (NGT) in der Landwirtschaft angeht, gespalten. Das führt die Diskussion um den NGT-Vorschlag der EU-Kommission vor Augen. Vor allem grüne Wissenschaftspolitiker:innen machen sich für den Kommissionsvorschlag stark – gegen die große ablehnende Mehrheit in ihrer Partei und Wählerschaft.
Dieser Streit ist nicht neu; er brach bereits 2018 auf. Die damaligen Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock nutzten die anstehende Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm dazu, die strikt ablehnde Haltung der Partei zur Agro-Gentechnik in Frage zu stellen. Die Grünen „sollten aber noch einmal hinterfragen, ob bestimmte neue Technologien nicht helfen könnten, die Versorgung mit Nahrungsmitteln auch dort zu garantieren, wo der Klimawandel für immer weniger Regen oder für versalzenen Boden sorgt,“ formulierten sie damals. Das motivierte prominente grüne Wissenschaftspolitiker:innen, sich offen für die Anwendung neuer gentechnischer Verfahren auszusprechen. Bei den Abstimmungen zum Grundsatzprogramm im November 2020 konnte sich diese Position nicht durchsetzen. Zur Anwendung der neuen Gentechnik steht jetzt im Grundsatzprogramm: „Es gilt daher, an einem strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip festzuhalten. Dazu bleiben Risikoprüfungen auf umfassender wissenschaftlicher Basis und eine Regulierung nötig, die unkontrollierbare Verbreitung ausschließen und über eine verbindliche Kennzeichnung die gentechnikfreie Produktion und die Wahlfreiheit der Verbraucher*innen schützen.“ Ebenso hat es auch die Bundestagsfraktion von Bündis90/Die Grünen als Position auf ihrer Webseite formuliert.
Seither war öffentlich Ruhe, nur das Grüne Netzwerk Evidenzbasierte Politik kommentierte gelegentlich die grüne Gentechnikpolitik kritisch. „30 Jahre Forschung, über 3.000 Studien, alle Wissenschaftsorganisationen sind sich einig: grüne Gentechnik ist weder für den Menschen noch für die Umwelt gefährlich“, steht wenig differenzierend auf deren Themenseite Landwirtschaft. Fleißig für ihre Positionen warben und werben im Netz einige studierende und forschende Grüne im Verein Ökoprogressives Netzwerk und dessen Projekt Progressive Agrarwende.
Als die EU-Kommission im Juli ihren NGT-Vorschlag vorlegte, forderten die Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olschowski ihre Parteifreunde in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf, ihre Ablehnung des Kommissionsvorschlags zu überdenken. Die frühere baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer äußerte sich in der Stuttgarter Zeitung ähnlich. Das Medienecho war breit; das wäre es aber auch, wenn zwei FDP-Landesminister ihre Partei auffordern würden, den Spitzensteuersatz auf 60 Prozent zu erhöhen und eine Vermögenssteuer einzuführen.
Dennoch lässt sich nur schwer abschätzen, wie groß der Einfluss der NGT-Fans in der grünen Partei ist. Zum Grünen Netzwerk Evidenzbasierte Politik gehören zwei Europaabgeordnete und ein Mitglied der Bundestagsfraktion. Die „Gentechnik zeitgemäß regulieren“ wollten im Juni 2020 auch der heutige baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz und die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Anna Christmann. Der hohe Anteil an grünen NGT-Befürwortern in Baden-Württemberg fällt auf und mag ein Grund dafür sein, dass sich der schwäbische Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir um eine klare Positionierung beim Thema NGT drückt und statt dessen vermitteln will. Schließlich wird Özdemir nachgesagt, er würde gerne den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann beerben. Die grüne Landtagsfraktion in Stuttgart sah sich immerhin „aus aktuellen Anlass“ genötigt, auf den Koalitionsvertrag zu verweisen und ein Positionspapier zu Gentechnik in der Landwirtschaft zu beschließen. Darin heißt es zu NGT-Pflanzen, man sei „gegen eine Freisetzung dieser Pflanzen in die Umwelt und damit in unserer Nahrungskette“. Der Beschluss sei „mit deutlicher Mehrheit“ gefallen, teilte die Pressestelle der Fraktion mit. [lf]
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