27.04.2023 |

Bayer: Gentechnik- "Innovationen" nach bekanntem Muster

Mais  Foto: CCO Mais Foto: CCO

Die morgige Hauptversammlung wird für Bayer-Vorstandschef Werner Baumann nach 35 Jahren im Unternehmen die letzte sein. Am 1. Juni übernimmt sein Nachfolger, der US-amerikanische Manager Bill Anderson. In seiner vorab veröffentlichten Rede lobt Baumann das Unternehmen mit seiner „enormen Innovationskraft, innovativen Produkten und Technologien“. Doch der Infodienst stieß bei seinen Recherchen zu gentechnischen Neuentwicklungen vor allem auf pestizidresistente und schädlingstötende Mais-, Soja- und Baumwollpflanzen. Und Bayers Hoffnungsträger stammt aus konventioneller Züchtung.

Auf den Markt brachte Bayer beim gentechnisch veränderten (gv) Saatgut in den letzten Jahren vor allem Mais, Soja und Baumwolle mit zusätzlichen Erbgutveränderungen (Traits), um Insekten zu töten oder weiteren Pestiziden zu widerstehen. Dadurch sollen die Landwirte mit den zunehmenden Resistenzen bei Schädlingen und Unkräutern besser zurechtkommen. Für die Anbausaison in diesem Frühjahr bietet Bayer US-Farmern erstmals eine gv-Baumwolle an, die auch Gifte gegen Wanzen und Thripse produziert. Die neueste Maisvariante VT4PRO, die kurz vor der Markteinführung in den USA steht, hat das Ziel, den Maiswurzelbohrer besser zu bekämpfen.

Danach kommen in der Pipeline drei Entwicklungen, von denen zwei zugekauft wurden. Die größten Hoffnungen setzt der Konzern in einen Kurzhalm-Mais, der die ersten Feldversuche bereits hinter sich hat. Die Pflanze soll Unwettern und Stürmen besser widerstehen und dadurch Ernteausfälle verhindern. Sie „steht nun kurz vor der Markteinführung in Nordamerika“, heißt es in Baumanns Rede. Verkauft werden soll sie den Landwirten im Paket mit „angepassten und datengesteuerten Empfehlungen bezüglich der Bepflanzungsdichte, der Platzierung auf dem Feld und der Produktausbringung“, steht auf einer Bayer-Webseite, die das Ganze als „Smart Corn System“ anpreist. Über die Entstehung dieser Mais-Hybride schreibt der Konzern auf seiner Seite über Genom-Editierung: „Wir gehen an den Short Stature Corn (so heißt der Kurzhalm-Mais auf Englisch, Anm. der Redaktion), mit verschiedenen technologischen Ansätzen heran, einschließlich Züchtung (derzeit in Phase drei), Genom-Editierung (Entdeckungsphase) und Biotechnologie (ebenfalls in Phase drei, in Kooperation mit BASF).“ Bei der Linie, die nächstes Jahr auf den Markt kommen soll, handelt es sich laut Bayer um herkömmliche Züchtung.

Ist der Mais geerntet, könnten die Landwirte eine neue Zwischenfrucht säen, ein gentechnisch verändertes Acker-Hellerkraut. Die einjährige Winterpflanze wurde so verändert, dass sich das Öl ihrer Samen für die Biodieselherstellung verwenden lässt und der Presskuchen verfüttert werden kann. CCI heißt das Unternehmen, das die gv-Pflanze als CoverCress auf den US-Markt bringen will. Im August 2022 kaufte Bayer 65 Prozent von CCI, der Rest gehört dem Agrarhandelskonzern Bunge und dem Mineralölkonzern Chevron. Im Moment sucht CCI Landwirte in den USA für Demonstrationsversuche, die im Herbst 2023 beginnen sollen.

Die dritte Entwicklung des Konzerns ist noch weit vom Acker entfernt. Zusammen mit dem US-Biotechnologieunternehmen Ginkgo Bioworks arbeitet Bayer bereits seit 2017 an geneditierten Mikroben, mit deren Hilfe Getreide seinen Stickstoffbedarf selbst und ohne Dünger decken soll. Bisher können das nur sogenannte Knöllchenbakterien in den Wurzeln bestimmter Pflanzen wie Klee, Luzerne oder Bohnen.

Bayer arbeitet auch mit Pairwise zusammen, einem US-Unternehmen, das sich auf Crispr-Anwendungen in Nahrungspflanzen spezialisiert hat. Man habe in der Anbausaison 2022 „eine Rekordzahl von Mais- und Sojasorten getestet, die einen Nachhaltigkeitsvorteil versprechen“, heißt es in einer Mitteilung der beiden Unternehmen. „Sowohl Landwirte als auch Verbraucher könnten noch in diesem Jahrzehnt von den Vorteilen dieser neuen Sorten profitieren“, versprechen Bayer und Pairwise. Genauer gehen sie jedoch nicht auf diese Entwicklungen ein.

Doch solche Details werden auf der Hauptversammlung morgen keine Rolle spielen. Dort richten sich die Hoffnungen auf den Neuen, auf Bill Anderson vom Pharma-Mitbewerber Roche, der dort nicht Vorstandschef wurde und deshalb zu Bayer wechselte. Er soll nun „das ganze Potenzial von Bayer entfalten“, wie es Aufsichtsratschef Winkeljohann ausdrückt. Da gibt es viel zu tun, schließlich hat der von seinem Vorgänger zu verantwortende Monsantokauf den Wert des Unternehmens halbiert. Und Tausende Klagen, vor allem wegen Pestizidschäden, sind noch bei US-Gerichten anhängig. „Wir arbeiten diese Rechtskomplexe systematisch ab“, wird Werner Baumann morgen bei der Hauptversammlung sagen. Das Geld dafür liegt bereits auf der hohen Kante. [lf]

23.04.2023 |

Neues Gentechnikrecht erst nach Europawahl?

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296 Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: EmDee - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91781296

Im umstrittenen europäischen Gesetzgebungsprozess für neue gentechnische Verfahren (NGT) wurden die Pläne der EU-Kommission jetzt offenbar auch von ihren eigenen Kontrolleuren kritisiert. Wie verschiedene Medien unter Berufung auf Insider berichteten, beanstandeten sie, die Folgen der geplanten Regelungen seien nur lückenhaft geprüft worden. Eine Sprecherin der EU-Kommission wollte sich zu dem Verfahren auf Anfrage nicht äußern. Ein Europarechtsexperte hält es für unwahrscheinlich, dass NGT vor der nächsten Europawahl im Frühjahr 2024 neu geregelt werden.
Wie das Portal Arc2020.eu kürzlich ausführte, kritisiert der zuständige EU-Ausschuss für Regulierungskontrolle, das Regulatory Scrutiny Board, die EU-Kommission habe nicht ausreichend geprüft und bewertet, wie sich ihre geplante Regelung für NGT auf das Vertrauen der Verbraucher:innen, den Biosektor, die Umwelt und die Gesundheit auswirken würden. Ferner sei versäumt worden, einen Überblick über die Kosten und den Nutzen der neuen Regeln zu geben. Arc2020 beruft sich dabei auf Angaben des Branchendiensts Agrafacts von Anfang April. Die Folge: Die zuständige Generaldirektion Gesundheit der Kommission muss ihren Entwurf überarbeiten und dem Ausschuss erneut vorlegen.
Außerdem sollen sich die beteiligten Fachabteilungen der EU-Kommission über die Regulierungspläne für NGT noch nicht einig sein, also die Generaldirektionen Gesundheit, Agrar und Umwelt. „Da gibt es offenbar noch Probleme bei der Ressortabstimmung“, sagte der Bayreuther Professor für Lebensmittelrecht, Kai Purnhagen, dem Infodienst Gentechnik auf Anfrage. Der Jurist hat beste Verbindungen nach Brüssel. Unter anderem ist er seit Dezember 2021 Mitglied des Expertenrats der EU-Kommission für Lebensmittelrecht und steht auch dem Europäischen Parlament mit seinem Fachwissen zur Seite. Nach seinen Informationen wurde die ursprünglich für 7. Juni geplante Vorlage des Regelungsentwurfs der EU-Kommission auf unbestimmte Zeit verschoben. Auf der jüngsten Tagesordnung für diese Sitzung der EU-Kommission steht das Thema allerdings weiterhin drauf.
Auch das deutsche Umweltministerium geht aktuell davon aus, dass die Europäische Kommission ihren Regelungsentwurf noch im Juni vorlegen wird. Weder dem eigenen Haus noch anderen befragten EU-Mitgliedsstaaten habe die EU-Kommission bislang offiziell mitgeteilt, dass sich die Veröffentlichung des NGT-Entwurfs verschiebe, schrieb eine Sprecherin von Ministerin Steffi Lemke dem Infodienst. Möglicherweise erfahren die europäischen Agrarminister kommende Woche mehr. Denn bei ihrem turnusmäßigen Treffen am 25.4., an dem auch der Agrarkommissar teilnimmt, soll beim Mittagessen über den geplanten NGT-Vorschlag der EU-Kommission diskutiert werden. Das wäre auch eine gute Gelegenheit, Kompromisslinien zu sondieren.
Wie das deutsche Umweltministerium (BMU) aus den ihm vorliegenden Diskussionspapieren schließt, ziehe die EU-Kommission in Betracht, bestimmte NGT- Pflanzen von den geltenden Gentechnik-Regeln auszunehmen. „Damit würden Gentechnik-Pflanzen nicht mehr auf ihr Risiko überprüft und entsprechende Produkte würden nicht gekennzeichnet“, kritisiert eine BMU-Sprecherin. Ob eine Pflanze unter die neuen NGT-Regeln falle, solle „sich letztendlich nur danach richten, ob eine solche Veränderung theoretisch auch natürlich geschehen könnte. Aber nicht alles, was natürlich entstehen kann, ist auch sicher“, gibt das BMU zu bedenken und bezweifelt, dass es überhaupt neue Regeln braucht. „Aus unserer Sicht ist die geltende Gentechnikregulierung auch für die neuen Gentechniken richtig“, so Lemkes Sprecherin.
Ähnlich beschreibt ein durchgesickertes, vorläufiges Papier der EU-Kommission, das Arc2020 wiedergibt, ihre Pläne. Unter vier möglichen Regelungen bevorzuge es die Kommission, solche Pflanzen nicht auf Risiken prüfen oder kennzeichnen zu lassen, die auch auf natürlichem Weg oder durch konventionelle Züchtung entstehen könnten. Vor einer solchen Vorgehensweise warnen gentechnikkritische Verbände seit Jahren. „Damit droht eine überstürzte und unkontrollierte Einführung von gentechnisch veränderten Pflanzen mit erheblichen Risiken für Mensch und Umwelt, aber auch für Züchtung, Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft“, kommentierte etwa das Münchner Institut Testbiotech die jüngsten Berichte. „Aus wissenschaftlicher Perspektive ist klar, dass die Potentiale und Risiken der Neuen Gentechnik weit über das hinausgehen, was bei konventioneller Züchtung zu erwarten ist. Daraus folgt, dass eine verpflichtende Risikoprüfung notwendig ist.“ Der fehlerhafte, europäische Gesetzgebungsprozess müsse neu gestartet werden.
Auch die Grünen im Europaparlament bekräftigen ihre Kritik an den Deregulierungsplänen der EU-Kommission: Sollten NGT-Produkte nicht mehr gekennzeichnet und rückverfolgbar sein, "hätten Verbraucherinnen und Verbraucher keine Möglichkeit mehr, sich für gentechnikfreie Erzeugnisse zu entscheiden“, gibt der grüne Parlamentarier Martin Häusling zu bedenken. „Zudem wäre die Zukunft der biologischen Landwirtschaft in Gefahr, denn die muss ja, ihren eigenen Regeln zufolge, gentechnikfrei sein. Die Kommission sollte diese Auswirkungen sehr ernst nehmen und von ihrem Vorhaben absehen.“ Sollte sie es nicht freiwillig tun, könnte sie jedenfalls an der Zeit scheitern. Europarechtsexperte Purnhagen verweist darauf, dass der Gesetzgebungsprozess - gemessen an der in der EU üblichen Verfahrensdauer - voraussichtlich nicht bis zum kommenden Frühjahr abgeschlossen werden kann. [vef]

13.04.2023 |

Neue Freilandversuche mit Crispr-Pflanzen in der EU

Kartoffel BASF Amflora Gentechnisch veränderte Kartoffeln, hier "Amflora" von BASF beim Freilandversuch 2008 in Schweden (Foto: BASFPlantScience / flickr, Lizenz: creativecommons.org/licenses/by/2.0)

In diesem Jahr liegen EU-weit bisher sechs Anträge für Feldversuche mit Crispr-Pflanzen vor. Sie betreffen vor allem Kartoffeln sowie Mais, die in drei Ländern angepflanzt werden sollen: Schweden, Dänemark und Belgien. Alle Pflanzen sind noch weit von einer Marktreife entfernt. Die Informationen zu den geplanten Versuchen stammen aus dem zentralen Register der Europäischen Kommission für Freilandversuche. Dorthin melden die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten bei ihnen eingegangene Anträge mit gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen.

Drei Meldungen kamen aus Schweden. Dort will das Umeå Plant Science Center (UPSC) auf 5.000 Quadratmetern drei verschiedene gv-Kartoffel-Linien ausbringen: eine mit veränderter Stärkezusammensetzung, eine die weniger anfällig für Krankheiten ist und eine dritte, die weniger Verbindungen wie Lektine oder Alkaloide enthält, die die Nährstoffaufnahme behindern. Beantragt sind die Versuche für fünf Jahre. Die Forschenden der UPSC wollen untersuchen, wieviel Ertrag die Linien bringen und wieviel Stärke die reifen Knollen enthalten. Sie wollen herausfinden wie anfällig die Linien bei Kälte, Trockenheit oder Krankheiten sind. Die Stärke aus den Knollen wollen die Forschenden extrahieren und für verschiedene Anwendungsstudien verwenden. Sortenprüfung und Vermarktung werden als „langfristige Ziele“ angegeben. Laut EU-Register haben die schwedischen Behörden den Antrag bereits genehmigt.

Forschende der schwedischen Agrar-Universität SLU wollen an sieben Standorten gv-Kartoffeln pflanzen, die widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger sein und bessere Ernten liefern sollen. Die auf fünf Jahre angelegten Versuche sollen zeigen, ob die veränderten Merkmale stabil sind und die Kartoffeln tatsächlich resistent. „Der Versuch ist nur für Forschungszwecke bestimmt“, heißt es in der Beschreibung für das EU-Register. Dort steht auch, dass noch nicht bekannt ist, ob die Behörden dem Antrag zugestimmt haben. Dies gilt auch für den dritten Versuch aus Schweden, mit dem Wissenschaftler:innen der Universität Umeå mehr über Photosynthese und Hormonbiologie herausfinden wollen. Ihr Versuchsobjekt ist die Acker-Schmalwand, die von Gentechniker:innen gerne als Modellpflanze für die Grundlagenforschung verwendet wird.

In Dänemark hat der Kartoffelzüchter und -verarbeiter KFC Amba zwei Feldversuche beantragt. Einer umfasst Knollen, die mit Hilfe von Crispr/Cas der Kraut- und Knollenfäule trotzen sollen. Das Verfahren haben Wissenschaftler:innen der Universität Kopenhagen und der schwedischen SLU entwickelt. Es könnte sich also um die gleichen oder ähnliche Linien handeln, wie sie auch in Schweden getestet werden. Die zweite gv-Kartoffel von KFC Amba weist eine veränderte Stärkezusammensetzung auf und hat auch schon einen Namen: WaxyWotan. Auch hier haben dänische und schwedische Wissenschaftler kooperiert und das Verfahren bereits 2019 veröffentlicht. Beide Anträge sind nur für ein Jahr gestellt und umfassen jeweils weniger als 500 Quadratmeter Anbaufläche. Die zuständige dänische Behörde hat eine öffentliche Beteiligung gestartet, die am 17. April schließt. Die dazu eingereichten und veröffentlichten Unterlagen legen die Vermutung nahe, dass KFC Amba mögliche Nebenwirkungen bisher nicht untersucht hat. Es heißt dort bei der gegen Krautfäule resistenten Knolle lediglich: „Die Erfahrung aus der traditionellen Kartoffelzucht zeigt, dass diese Art von Mutation, wenn sie natürlich auftrat, keine Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier hatte“. Auch sei nicht zu erwarten, dass es durch den gentechnischen Eingriff „zu Veränderungen bei der Stärkesynthese oder der sonstigen Art und Weise, wie die Pflanze wächst, gekommen ist“.

In Belgien hat das Biotech-Unternehmen Inari Agriculture aus den USA beantragt, einen Mais anpflanzen zu dürfen, dessen Höhe mit Crispr/Cas begrenzt wurde. Der kleinwüchsige Mais soll ein Jahr lang angebaut werden, um Entwicklung und Ertragspotential im Freiland zu testen. Standort des Versuchs ist das staatliche Forschungszentrum ILVO; als Fläche sind 1.800 Quadratmeter angegeben. Die zuständige belgische Behörde hatte den Antrag im Februar als bereits genehmigt online gestellt und ihn im März an die EU gemeldet. [lf]

05.04.2023 |

Holz-Siegel FSC bleibt vorerst gentechnikfrei

Eukalyptus - Aracruz monoculture (Foto: Chris Lang, https://bit.ly/3RW9Dy9, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0) Eukalyptus - Aracruz monoculture (Foto: Chris Lang, https://bit.ly/3RW9Dy9, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)

Der Forest Stewardship Council (FSC) hat seine vorsichtige Öffnung hin zu gentechnisch veränderten Bäumen zurückgenommen. Damit reagierte die Organisation auf massive Proteste von Umweltorganisationen. Ganz vom Tisch ist das Thema Gentechnik beim FSC damit noch nicht. Denn große FSC-zertifizierte Unternehmen wollen Gentech-Bäume anbauen.

Vergangene Woche teilte der FSC-Vorstand mit, er werde den im Februar 2022 begonnenen Gentechnik-Lernprozess beenden. Ziel des Prozesses war zu entscheiden, ob FSC-zertifizierte Unternehmen außerhalb ihrer FSC-Flächen gentechnisch veränderte (gv) Bäume kommerziell anpflanzen dürfen – was die Standards derzeit verbieten. Doch diese Überlegungen stießen innerhalb und außerhalb des FSC auf massiven Protest, der den Vorstand schließlich zu einer Reaktion zwang. „Bei der Entscheidung wurden die unterschiedlichen Auffassungen der FSC-Mitglieder über den Lernprozess, die damit verbundene Spaltung des FSC sowie das potenzielle Risiko für den Auftrag und den Ruf des FSC berücksichtigt“, hieß es in der Erklärung des Vorstandes. Die Entscheidung sei im Konsens getroffen worden, wobei zwei von sieben Vorstandsmitgliedern Vorbehalte gegen das Vorgehen geäußert hätten.

„Diese Entscheidung des FSC, gentechnisch veränderte Bäume abzulehnen, spiegelt die ernsten ökologischen und wissenschaftlichen Fragen wider, die diese Technologie aufwirft und die in den letzten Jahren im Interesse der Unternehmen vertuscht wurden“, sagte Anne Petermann vom Global Justice Ecology Project, das die Kampagne STOP GE Trees koordiniert. Mehr als 130 Umwelt- und Sozialrechtsgruppen aus 34 Ländern, darunter 10 FSC-Mitglieder, hatten einen Aufruf der Kampagne unterzeichnet und damit den FSC aufgefordert, Anbau und Verarbeitung von gentechnisch veränderten Bäumen weiterhin zu verbieten und sich nicht an Feldversuchen zu beteiligen. Diese großflächigen, vom FSC zu überwachenden Feldversuche waren ein wichtiger Teil des jetzt beendeten Lernprozesses.

In der Vorstandserklärung heißt es dazu: „Der Vorstand bekräftigte, dass (abgesehen von Literaturrecherchen, Schreibtischstudien und Forschungen, die nach der derzeitigen Verbandspolitik zulässig sind) keine Untersuchungen gentechnisch veränderter Bäume durchgeführt oder vom FSC gefordert werden, ohne zuvor eine breite Beteiligung und Zustimmung der Mitglieder sicherzustellen.“

Der FSC zeichnet mit seinem Siegel seit 30 Jahren weltweit nachhaltige Forstwirtschaft aus. Dabei waren gv-Bäume von Anfang an als nicht nachhaltig angesehen worden und damit nicht zertifizierbar. Diese strikte Position begann aufzuweichen, als Holzkonzerne mit FSC-zertifizierten Plantagen sich für gv-Bäume interessierten. Besonders aktiv war dabei das brasilianische Unternehmen Suzano Papel & Celulose, der weltweit größte Anbauer von Eukalyptus und einer der größten Papierproduzenten Lateinamerikas. Suzano entwickelte gv-Eukalyptus und bekam im November 2021 von der brasilianischen Gentechnik-Behörde CTNBio die Erlaubnis, die gv-Eukalyptus-Linie 751K032 kommerziell anzubauen.

Der FSC hatte jahrelang toleriert, dass von ihm zertifizierte Unternehmen parallel an gv-Bäumen forschten. Im September 2021 forderte die Organisation ihre Mitglieder auf „zu bewerten, ob das Verbot des kommerziellen Einsatzes von Gentechnik in nicht zertifizierten Plantagen und Produkten weiterhin angemessen ist“. Im Februar 2022 kam dann der gentechnische „Lernprozess“ hinzu, der großflächige Feldversuche mit gv-Bäumen unter Aufsicht des FSC ermöglicht hätte. Der wachsende Widerstand brachte den Vorstand des FSC nun dazu, zumindest den „Lernprozess“ zu beenden.

Vom Tisch ist das Thema Gentechnik beim FSC damit noch nicht. Denn der Vorstand betonte in seiner Erklärung auch, wie wichtig es sei, „die neuesten Entwicklungen in Wissenschaft, Technologie und Wissen zu diskutieren und auf dem Laufenden zu bleiben, um eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung zu verbessern, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Werte auf verschiedenen Wegen erfüllt“. Auf seiner nächsten Sitzung im August 2023 will der Vorstand erörtern, wie diese Diskussion weitergeführt werden soll. Zu vermuten ist, dass Suzano weiterhin dafür eintreten wird, die Standards aufzuweichen. Denn nach der noch gültigen FSC-Politik kann der Konzern seine gentechnisch veränderten Eukalyptusbäume nicht kommerziell anbauen, ohne vorher den FSC zu verlassen, „was erhebliche Auswirkungen auf die Märkte des Unternehmens haben könnte“, wie die Kampagne STOP GE Trees schreibt. Auf der Gentechnikseite des FSC steht weiterhin: „Der FSC ist sich bewusst, dass mehrere FSC-zertifizierte Unternehmen ihre gentechnische Forschung vorantreiben, und die FSC-Richtlinien in diesem Bereich nicht den aktuellen Stand der Forschung oder Technologien widerspiegeln.“

Doch fürs erste dürfte der FSC-Vorstand seine Lektion gelernt haben – was der Kampagne Zeit gibt, sich auf zwei andere bedrohliche Entwicklungen zu konzentrieren. Das US-Landwirtschaftsministerium kann jederzeit erlauben, dass die gentechnisch veränderte Kastanie „Darling 58“ unkontrolliert in amerikanische Wälder ausgewildert wird. Hinzu kommt eine gv-Pappel, die das Unternehmen Living Carbon in großem Stil anbauen will – wofür es nicht einmal eine Genehmigung braucht. Und auch in Europa forschen Wissenschaftler:innen an gv-Bäumen und pflanzen schon Versuchspappeln, etwa in Schweden. [lf]

30.03.2023 |

Brasilien und Indonesien lassen Gentech-Weizen zu

Weizen Foto: Inopinatus, https://bit.ly/3I934EF, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/ Weizen Foto: Inopinatus, https://bit.ly/3I934EF, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/

Der argentinische Gentech-Weizen HB4 der Firma Bioceres darf in Brasilien angebaut werden, entschied die dortige Gentechnikbehörde CTNBio Anfang des Monats. In einige andere Länder darf er als Lebens- und Futtermittel importiert werden, seit neustem auch nach Indonesien. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass HB4 die globalen Lieferketten für Weizen kontaminieren könnte. In Argentinien kann schon jetzt niemand mehr sagen, in welchem Brot er steckt.

Dass der nach Firmenangaben „dürretolerante“ HB-4-Weizen jetzt auf brasilianischen Äckern wachsen darf, könnte auch dem argentinischen Markt nützen. Denn bisher durfte der Weizen nur in Form von Mehl nach Brasilien ausgeführt werden. Durch die jüngste Freigabe von CTNBio für Einfuhr und Anbau können argentinische Unternehmen nun auch ganze Weizenkörner nach Brasilien exportieren, dem wichtigsten Abnehmer von argentinischem Weizen. Mit seiner Partnerfirma Tropical Melhoramento e Genética will Hersteller Bioceres auch HB4-Saatgut in Brasilien vermarkten und die gentechnische Veränderung in lokale Weizensorten einkreuzen.

„Das grüne Licht bedeutet zwar nicht, dass Brasilien zwangsläufig bald GVO-Weizen für die Produktion anbauen wird“, kommentierte das Portal latina-press.com. Doch spiegele die Behördenentscheidung „einen erheblichen Meinungsumschwung wider, da der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine die Sorge vor einer globalen Nahrungsmittelkrise verstärken“. Die Freigabe von HB4-Mehl im November 2021 hatte noch zu massiven Protesten der Getreideverarbeiter geführt. Nun aber teilte der brasilianische Verband der Weizenindustrie, Abitrigo, mit, er befürworte „innovative Entwicklungen“. Der Verband äußerte sich positiv zu den Erleichterungen beim Import, merkte aber auch an: „Das letzte Wort haben die Verbraucher.“ Von diesen allerdings hätten mehr als 70 Prozent nichts dagegen, Produkte mit Gentech-Weizen zu konsumieren, zitierte latina-press eine Umfrage des Keks- und Nudelherstellerverbandes Abimapi. Auch dieser hatte seine einst kritische Haltung geändert und die Zulassung begrüßt.

Im Gegensatz dazu kritisierte laut amerika21.de ein Abgeordneter der Arbeiterpartei (PT), Nilto Tatto, die Zulassung. Nun kämen die Ackergifte direkt ins Brot, sagte Tatto in Anspielung darauf, dass HB4-Weizen gegen das Herbizid Glufosinat resistent ist. In der EU ist der Wirkstoff wegen seiner Giftigkeit verboten. Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftliche Bewegungen hielten es für ein „echtes Verbrechen“, dass Brasilien neben Argentinien als einziges Land der Welt den Anbau dieser Weizensorte zugelassen habe, zitierte amerika21 den Abgeordneten.

Deutlich mehr Länder erlauben inzwischen, HB4-Weizen als Lebens- und Futtermittel zu importieren. Bioceres listet die USA, Kolumbien, Neuseeland, Australien, Südafrika und Nigeria auf. Mitte März neu hinzugekommen ist Indonesien, wie die Agentur Reuters meldete. Das Land ist nach Brasilien der wichtigste Abnehmer von argentinischem Weizen und hatte laut Reuters im vergangenen Jahr 1,34 Millionen Tonnen Weizen aus Argentinien bezogen.

Da HB4-Weizen ohne Kennzeichnung angebaut und verarbeitet wird, kann er gentechnikfreien Weizen verunreinigen - im Export, vor allem aber in Argentinien selbst. Dort wurde der HB4-Weizen zuerst getrennt geerntet und verarbeitet. Seit Mai 2022 darf er jedoch mit herkömmlichem Weizen vermischt werden. „Wir arbeiten mit mehr als 25 Mühlen zusammen, und die Kommerzialisierung des HB4-Weizens verläuft reibungslos“, zitierte die Tageszeitung taz einen Bioceres-Mitarbeiter. „Eine frustrierte Hilflosigkeit macht sich breit“, beschreibt die taz die Stimmung der Kund:innen in einer argentinischen Bäckerei.

HB4 ist ein Weizen, in dessen Erbgut mit alten gentechnischen Verfahren ein Gen der Sonnenblume eingeschleust wurde. Dadurch soll die Pflanze Dürren besser widerstehen können. Bioceres schreibt in seiner jüngsten Präsentation, dass HB4 im Anbaujahr 2022/23 in den „Zielumgebungen“ verglichen mit herkömmlichen Sorten bis zu 43 Prozent mehr Ertrag gebracht hätte. Gemeint sind Regionen mit einem weit unterdurchschnittlichen Weizenertrag. In Gegenden, in denen die durchschnittliche Ernte höher lag, steigerte HB4 den Ertrag dagegen nur um sieben bis acht Prozent. Bioceres interpretierte die Zahlen so, dass die niedrigen Durchschnittserträge dürrebedingt seien und HB4 der Dürre erfolgreich getrotzt habe. Allerdings machte Bioceres keine Angaben mehr über die mit HB4-Weizen bepflanzte Fläche oder über Hektarerträge. Im vergangenen Anbaujahr 2021/22 hatten diese Zahlen gezeigt, dass HB4 weit niedrigere Ernten einbrachte als handelsübliche Hochleistungssorten. [lf]

26.03.2023 |

England weicht Gentechnikrecht für Crispr & Co. auf

Justiz Gericht Gesetz Schild am Eingang eines Gerichts in Newcastle (Foto: smlp.co.uk, https://bit.ly/3TJJODo, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Das neue britische Gentechnikrecht kann in Kraft treten. Nach den beiden Häusern des Parlaments hat diese Woche auch König Charles III. dem Gesetz zugestimmt. Damit können die meisten mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas erzeugten Pflanzen ohne Sicherheitsüberprüfung und Kennzeichnung in England auf den Markt kommen. Wales und Schottland haben die Zustimmung verweigert.

Genetic Technology (Precision Breeding) Bill (dt. etwa Gesetz zur gentechnischen Präzisionszüchtung) heißt das Gesetz, mit dem die britische Regierung ihr Gentechnikrecht aufweicht. Es betrifft alle Pflanzen und Tiere, die mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) so verändert wurden, wie es auch durch herkömmliche Züchtung oder Mutationen passieren könnte. Für diese NGT-Produkte wird in England künftig ein zweistufiges Verfahren gelten. Wer sie zu Forschungszwecken im Freien anpflanzen will, muss dies zuvor bei einer Behörde anmelden. Die dafür notwendigen Unterlagen gibt die Regierung in einer Verordnung vor. Um NGT-Produkte kommerziell vermarkten zu dürfen, braucht es darüber hinaus eine amtliche Bestätigung. Auch hier müssen die für einen Antrag nötigen Unterlagen noch per Verordnung bestimmt werden. Ein beratender Ausschuss muss binnen 90 Tagen nach dem Antrag einen Bericht vorlegen, ob das angemeldete Produkt unter das Gesetz fällt. Anschließend entscheidet die Behörde, ob das Produkt auf den Markt kommen darf, ohne dass es gekennzeichnet und bei Pflanzen die Risiken geprüft werden. Alle im Zuge dieser Verfahren gesammelten Informationen werden in einem öffentlichen Register zugänglich gemacht.

Das Wort Risikoabschätzung kommt in diesem Zusammenhang lediglich zweimal vor. Vor der Vermarktung von NGT-Tieren muss das Risiko des gentechnischen Verfahrens für die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere und ihrer Nachkommen abgeschätzt werden. Das Ergebnis muss einem Tierwohl-Ausschuss vorgelegt werden. Zudem verlangt das Gesetz von demjenigen, der einen NGT-Organismus importiert oder anderweitig erwirbt, das Risiko für die Umwelt zu überprüfen. Auch hierfür fehlen noch die genauen Vorgaben. Das Gesetz erlaubt es, mit der Risikoabschätzung die Lebensmittelbehörde FSA (Food Standards Agency) zu beauftragen.

Der neue rechtliche Rahmen solle nun Schritt für Schritt ausgefüllt werden, hieß es in einer Mitteilung des britischen Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums DEFRA. Dabei wolle man den Einsatz von NGT zunächst bei Pflanzen und erst später bei Tieren ermöglichen. Der für Ernährung zuständige Staatsekretär Mark Spencer sprach von einer „fantastischen Nachricht“ für Verbraucher:innen und Landwirt:innen. NGT seien die Zukunft der Lebensmittelproduktion weltweit, „und dieses Gesetz wird unser Land an die Spitze dieser Revolution stellen“, sagte Spencer. Jubel gab es auch beim britischen Bauernverband sowie bei Züchtungsunternehmen und Forschungsinstituten.

Für Pat Thomas, Geschäftsführerin der gentechnikkritischen Organisation Beyond GM, hat das neue Gesetz nur einen Nutznießer: die Gentechnik-Industrie. Es „entzieht eine Vielzahl von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren der sinnvollen behördlichen Kontrolle - einschließlich Sicherheitsbewertungen, Verbraucherkennzeichnung und Überwachung“. Die Gentech-Entwickler „dürfen sich selbst bescheinigen, dass ihre manipulierten Organismen sicher und nützlich sind, und das Gesetz sieht keine Strafen vor, wenn sich dies als unwahr herausstellt“. Die Befürworter neuer Gentechnikverfahren würden immer wieder zu viel versprechen und zu wenig halten, kritisiert Pat Thomas: „Wir sollten uns auf Lösungen konzentrieren, die funktionieren.“ Dabei hofft sie auf „die neue Regierung, von der viele glauben, dass sie in einem Jahr neu gewählt wird“. Sie müsse dazu gedrängt werden, „einen strengeren Rechtsrahmen zu schaffen - einen, der tatsächlich für alle funktioniert und nicht nur für die Biotech-Industrie“.

Auch jetzt funktioniert der neue Rechtsrahmen übrigens nur in England. Die Parlamente von Wales und Schottland haben ihre Zustimmung verweigert; das nordirische Parlament ist schon seit Monaten nicht arbeitsfähig. Die Regierungen von Wales und Schottland hatten bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie die Gentechnik-Pläne der britischen Regierung nicht umsetzen würden. [lf]

23.03.2023 |

Neue Gentechnik: viele Ansätze für Nachweis

Genomforschung Labor DNA Genomforschung (Foto: Lawrence Berkeley Nat"l Lab - Roy Kaltschmidt, genomic research, bit.ly/1S5aZiO, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/)

Auf einer internationalen Konferenz in Berlin präsentierten Forschende vergangene Woche vielfältige Ansätze, Eingriffe durch neue gentechnische Verfahren (NGT) in Pflanzen nachzuweisen. Ihr Fazit: Es ist schwierig, aber machbar. Helfen würde es, wenn die Agrarkonzerne verpflichtet würden, Referenzmaterial ihrer gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) zur Verfügung zu stellen, da Wissenschaftler:innen aktuell nur nachweisen können, was sie kennen.

"Rechtssichere Analysemethoden für GVO sind ein wichtiger Faktor, um Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit sicherzustellen“, sagte Agrarstaatssekretärin Silvia Bender zur Eröffnung. Nur dann könnten sich Landwirtinnen und Landwirte sowie Verbraucherinnen und Verbraucher für oder gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel entscheiden. Der Nachweis sei ihrem Ministerium auch wichtig um zu verhindern, dass der gentechnikfreie konventionelle und biologische Ackerbau oder daraus gewonnene Lebensmittel mit GVO verunreinigt werden.

Und es besteht Hoffnung: Behördliche Kontrolleure, Wissenschaftler:innen und Wirtschaftsvertreter aus Europa, den USA, China und Japan stellten bei der Konferenz vor, wie sie Spuren winzigster Veränderungen im Pflanzengenom im Labor sichtbar machen können. Dabei nutzen sie sowohl Analyseverfahren, die das ganze Erbgut nach Änderungen durchsuchen (Genom-Sequenzierung) als auch solche, die auf einzelne Änderungen abzielen (PCR-Verfahren). Ist die gentechnische Veränderung bekannt und liegt entsprechendes Referenzmaterial vor, sei es kein Problem, sie nachzuweisen, resümiert das gentechnikkritische Portal GMWatch in seinem Tagungsbericht. Schwierigkeiten haben die Forschenden bislang, wenn sie nicht wissen, wo im Pflanzengenom was genau verändert wurde. In diesem Fall können detaillierte Datenbanken helfen. Teilweise behelfen sich die Wissenschaftler:innen auch damit, die molekularbiologischen „Instrumente“ nachzuweisen, mit denen die Gene manipuliert wurden. Das sei „technisch nicht einfach“, doch seien die Herausforderungen, „nicht unüberwindbar“, zitierte das Portal GMWatch beteiligte Expert:innen.

So arbeiten etwa Lebensmittelbehörden deutscher Bundesländer daran, herbizidresistenten Raps und eine Soja mit veränderter Fettsäurezusammensetzung der US-Unternehmen Cibus und Calyxt nachzuweisen. Die Unternehmen hatten Anfang des Jahres begonnen zu fusionieren; der Prozess soll nach Angaben der Portals Marketscreener im zweiten Quartal 2023 abgeschlossen werden. Beide Pflanzen werden in den USA bereits angebaut. Die Ergebnisse beim Nachweis des Cibus-Raps seien „vielversprechend“, hieß es bei der Konferenz. Bei dieser Pflanze ist allerdings umstritten, ob sie durch den vorgenommenen gentechnischen Eingriff verändert wurde oder das Genom zufällig mutierte. Eine Arbeitsgruppe aus behördlichen und privaten Laboren mehrerer europäischer Länder hofft, „Methoden mit höherer Spezifität“ entwickeln zu können, als das derzeit von der gentechnikfreien Lebensmittelwirtschaft verwendeten Nachweisverfahren des amerikanischen Health Research Institut. Bei Calyxt-Soja planen Mitglieder der Arbeitsgruppe noch in diesem Jahr einen ersten Ringversuch, um eine neu entwickelte Nachweismethode zu testen. Erarbeitet haben sie die Wissenschaftler:innen mit nachgebautem Erbgut, da Hersteller Calyxt kein Referenzmaterial zur Verfügung gestellt hat. Inzwischen produziert er diese Soja selbst nicht mehr. Der Infodienst hat über beide Projekte bereits berichtet.

Das gilt auch für eine Machbarkeitsstudie zu Nachweis- und Identifizierungsverfahren für genomeditierte Pflanzen, welche die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Frühjahr 2020 ausgeschrieben hatte. Seit 2021 forschen das Leibniz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung sowie die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in ihrem Auftrag zum Nachweis genomeditierter Gerste- und Rapslinien. Das Projekt läuft laut BLE noch bis 30. April. Bei der Tagung hat ein Kieler Wissenschaftler, wie zu hören war, ein Nachweisverfahren für eine Rapslinie vorgestellt, die sein Team zuvor selbst mit dem neuen gentechnischen Verfahren Crispr/Cas entwickelt hatte. Man könne mit dem Test aber nicht unterscheiden, ob die Gene durch menschlichen Eingriff oder durch natürliche Mutation verändert wurden, räumte er ein.

Für Wirtschaftsunternehmen wäre das aber wichtig, wenn sie nachweisen wollen, dass sie einen GVO selbst entwickelt haben – etwa um ein Patent zu beantragen oder Lizenzen zu kassieren. Das US-Unternehmen Corteva baut deshalb bewusst Marker in seinen gentechnisch veränderten „waxy" Mais ein, um ihn von herkömmlichem Wachsmais unterscheiden zu können. Auch Vertreter:innen der Gentechnikkonzerne BASF und Syngenta bestätigten dem Vernehmen nach beim Kongress, dass die Hersteller der NGT-Pflanzen selbst Nachweismethoden bräuchten. Sie spielten in der Forschungs- und Entwicklungsphase der Pflanzen eine Rolle, aber auch später für Zulassungsverfahren und den internationalen Handel. Doch offenbar ist die Bereitschaft eher begrenzt, diese Methoden staatlichen (Kontroll-)Behörden zur Verfügung zu stellen. Das Vorgehen der Konzerne, Sequenzinformationen und Referenzmaterial zu verweigern, aber andererseits eine Deregulierung der deshalb schwer nachweisbaren NGT-Organismen zu fordern, „entspricht nicht meinem Verständnis von Transparenz“, kritisierte denn auch Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium.

„Alle Institute, die in der EU gentechnisch veränderte Pflanzen entwickeln, könnten auch Nachweismethoden für sie entwickeln, da sie genau wissen, was in ihnen steckt“, konstatierte Franziska Achterberg, Mitarbeiterin der grünen Fraktion im Europaparlament, nach der Konferenz. Unklar sei, ob die Entwickler in Belgien, Schweden und Spanien, deren NGT-Pflanzen bereits auf Versuchsfeldern wachsen, an Nachweismethoden arbeiteten. „Eigentlich sollten die Behörden dies verlangen, bevor sie einen Feldversuch genehmigen, oder solche Forschungsvorhaben mit öffentlichen Geldern fördern“, forderte Achterberg. Ihrem Eindruck nach bemühen sich nur sehr wenige Behörden in der Europäischen Union, das geltende Gentechnikrecht umzusetzen. Die Arbeit werde anscheinend vor allem in Deutschland gemacht.
„Die Konferenz hat gezeigt, wie wichtig Kooperationen im Bereich der Nachweisverfahren und -anstrengungen sind“, kommentierte Jutta Jaksche, die für den Verbraucherzentrale Bundesverband teilgenommen hat. „Nur wenn Import- und Exportländer verlässliche Organisationen, entsprechendes Equipment und standardisierte Methoden haben, kann der Austausch von Lebensmitteln unterschiedlicher Produkt– und Prozessqualitäten zukünftig gelingen.“ Bundesregierung und Europäische Kommission müssten dafür sorgen, dass klassische wie neue Gentechnik verlässlich nachgewiesen werden könne, forderte Jaksche. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als Mitveranstalter soll es noch einen offiziellen Tagungsbericht geben, Erscheinungstermin offen. [lf/vef]

19.03.2023 |

Neue Gentechnik: Österreich kritisiert Gesetzgebungsprozess der EU

EU Rat Ministerrat Foto: The Council of the European Union

Im Rat der Umweltminister der europäischen Union hat Österreich das Vorgehen der EU-Kommission bei ihrem Plan, das Gentechnikrecht zugunsten neuer gentechnischer Verfahren (NGT) aufzuweichen, diese Woche massiv angegriffen. Die Kommission stütze sich zum großen Teil auf reine Annahmen, sagte die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler und verlangte eine „solide wissenschaftliche Basis“ für die geplante Neuregelung. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkeviĉius wies die Vorwürfe zurück.

Im Mittelpunkt der Debatte stand die Folgenabschätzung (englisch: impact assessment), die jeden Verordnungsvorschlag der EU-Kommission begleiten muss. Um diese zu erarbeiten, benutzte die Kommission einen Fragebogen, der an die EU-Mitgliedstaaten und zahlreiche Organisationen ging. In einer Informationsnote, die als Basis für die Diskussion im Umweltrat diente, schrieb Österreich, der Fragebogen basiere „weitgehend auf Erwartungen, Annahmen und suggestiven Szenarien und nicht auf Daten und wissenschaftlich fundierten Methoden“. Deshalb dürften die Ergebnisse nicht die Basis von Regelungen für neue gentechnische Verfahren sein.

Das Schreiben verweist auch auf eine Studie der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zur Risikobewertung von NGT-Pflanzen und kritisierte, dass in dem darin vorgeschlagenen Konzept zahlreiche Fragen zu den möglichen Umweltrisiken dieser Pflanzen offengeblieben seien. Deshalb müsse die Kommission „eine umfassende Umwelt- und Gesundheitsrisikobewertung vorsehen“ und dürfe ihren Gesetzesvorschlag nicht „auf ein vages und noch unzureichend ausgearbeitetes Konzept“ stützen. Das Fazit des Schreibens: Die Kommission soll „eine umfassende Folgenabschätzung durchführen, die sich auf solide Daten und nicht auf Annahmen stützt“. In der Debatte verteidigte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkeviĉius die Folgenabschätzung. „Die Kommission habe sich einem „evidenzbasierten, transparenten und inklusiven Prozess verschrieben“. Es habe zahlreichen Möglichkeiten für alle Beteiligten gegeben, sich zum Thema zu äußern. Neu war seine Aussage, dass das EU-Forschungszentrum JRC Fallstudien zu möglichen Gesetzesänderungen erarbeitet habe. Sie umfassen laut Sinkeviĉius positive wie negative soziale, ökologische und ökonomische Auswirkungen.

Unterstützt hatten das österreichische Schreiben im Vorfeld Zypern und Ungarn. In der Debatte schlossen sich Luxemburg, die Slowakei, Belgien und Slowenien der österreichischen Position an. Die Vertreterin des deutschen Umweltministeriums betonte, das Vorsorgeprinzip müsse gewahrt, Wahlfreiheit gewährleistet und Koexistenz gesichert bleiben. Man sei interessiert zu erfahren, wie die Kommission beabsichtige, mit diesen Themen umzugehen. Die sieben Staaten unterstützten auch den Vorschlag Österreichs, auf der Ebene des Europäischen Rates eine Arbeitsgruppe zu NGT einzurichten, in der die Ressorts Umwelt, Gesundheit und Landwirtschaft vertreten seien. Bisher sind es vor allem die Landwirtschaftsminister:innen, die die Debatte um NGT bestimmen. Die Umweltminister:innen haben sich erst zweimal kurz darüber ausgetauscht, auch beim ersten Mal auf Initiative Österreichs. Entschieden wird bei einem solchen Anlass nichts.

Dänemark, Estland, Lettland und die Niederlanden unterstützten dagegen die Linie der EU-Kommission. Insgesamt beteiligten sich nur zwölf der 27 EU-Mitgliedstaaten an dem Meinungsaustausch. Bioland, Demeter und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hatten im Vorfeld an den Umweltrat appelliert, ein klares Zeichen gegen eine Deregulierung des Gentechnikrechts zu setzen. Friends of the Earth Europe hatte der Kommission vorgeworfen, kritiklos die Positionen der Agrarlobby abgeschrieben zu haben. [lf]

15.03.2023 |

Bayern: breites Bündnis gegen neue Gentechnik

Bündnis gegen Gentechnik (v.li.): Thomas Lang (LVÖ), Richard Mergner, Martha Mertens (beide Bund Naturschutz), Jutta Saumweber (VBZ Bayern), Johann Leis (BDM)  Foto: Harald Ulmer/Bund Naturschutz Bündnis gegen Gentechnik (v.li.): Thomas Lang (LVÖ), Richard Mergner, Martha Mertens (beide Bund Naturschutz), Jutta Saumweber (VBZ Bayern), Johann Leis (BDM) Foto: Harald Ulmer/Bund Naturschutz

Die Menschen in Bayern wählen im Oktober einen neuen Landtag. Ein breites Bündnis von Organisationen will im Vorfeld der Wahl erreichen, dass sich alle Parteien klar zu einem gentechnikfreien Bayern bekennen – auch die CSU. Dass das keine Utopie ist, hat ein ähnliches Bündnis in der Vergangenheit bereits gezeigt.

Sie nennen sich „Bündnis Bayern für eine gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“ und haben sich heute in München der Presse vorgestellt. „Eine Deregulierung neuer Gentechniken wäre ein Frontalangriff auf unsere Wahlfreiheit und demokratische Selbstbestimmung darüber, was wir züchten, anbauen, verarbeiten und essen“, schreiben sie. Deshalb dürften Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und seine Umweltkollegin Steffi Lemke (beide Grüne) keinen Ausnahmen für die neuen Gentechnikverfahren vom europäischen Gentechnikrecht zustimmen, wenn die EU-Mitgliedsstaaten Ende des Jahres in Brüssel darüber abstimmen werden. Weiter heißt es in dem Positionspapier des Bündnisses: „Wir fordern von der Bayerischen Staatsregierung und von den im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien - vor dem Hintergrund der Landtagswahl im Oktober 2023 - ein klares Bekenntnis für ein gentechnikfreies Bayern.“

Das Bündnis zählt 25 Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz, darunter der Bund Naturschutz, mehrere Bio-Verbände und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Bayern. Mit dabei sind ferner die Verbraucherzentrale Bayern, das Imkernetzwerk, das katholische Landvolk und der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM). Dieses Bündnis reicht also weit hinein in die konservative, ländliche Bevölkerung im Freistaat, die immer noch mehrheitlich CSU wählt.

Auf dem Land zeigt es Wirkung, wenn sich mit Hans Leis der Landesvorsitzende des BDM klar positioniert: „Wir haben zwei Jahrzehnte investiert, um den Verbraucher*innen nachvollziehbar gentechnikfreie Produkte zu liefern“, erklärte er. Dadurch sei die Transparenz von Lieferketten auch bei den Futtermitteln gestiegen. „Die Lobby-Kräfte, die nun über die EU-Kommission diese Transparenz aushöhlen wollen, setzen auf die Täuschung der Verbraucher*innen“, kritisierte Leis. Risikoprüfung, Zulassungsverfahren und Kennzeichnungspflicht müssten auch für Produkte neuer gentechnischer Verfahren beibehalten werden.

Das Bündnis knüpft an eine erfolgreiche Vergangenheit an. In den Jahren 2006 bis 2008 engagierten sich in Bayern auf lokaler Ebene Bäuer:innen und Naturschützer:innen gemeinsam gegen den Anbau von gentechnisch verändertem Mais. Sie initiierten gentechnikfreie Regionen und füllten mit ihren Veranstaltungen ganze Bierzelte. Besonders erfolgreich waren sie dabei in Oberbayern. Unter dem Titel „Aktionsbündnis Zivilcourage“ schlossen sich dort in insgesamt 32 Landkreisen Engagierte zusammen. Das Ergebnis damals: Zahlreiche Landkreise, Städte und Gemeinden in Bayern erklärten sich zu gentechnikfreien Regionen. Die CSU mutierte zur Gentechnikkritikerin und schließlich verbot die damalige Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) 2009 die Aussaat von genverändertem Mais der Sorte MON 810.

Auch beim aktuellen Bündnis sind wieder vier Kreisverbände der „Zivilcourage“ dabei und vor Ort auch schon aktiv geworden. Sie haben etwa erreicht, dass der Kreistag im oberbayerischen Landkreis Miesbach Ende 2022 seine Beschlüsse, mit denen er 2008 und 2010 gentechnisch veränderte Pflanzen abgelehnt hatte, einstimmig erneuerte und dabei die neue Gentechnik, das sogenannte Genome editing, mit aufnahm. Erste Gemeinden im Kreis unterstützten das Vorgehen mit eigenen Gemeinderatsbeschlüssen. Sollte dieses Vorgehen Schule machen, ließe sich damit die Diskussion um die geplanten Lockerungen für neue Gentechnik in der Europäischen Union auf die lokale Ebene holen und vervielfachen. Nicht nur in Bayern übrigens: Bundesweit gibt es rund 350 gentechnikfreie Kommunen, deren Beschlüsse ein Update bräuchten, um auch neue gentechnische Verfahren abzudecken. [lf]

13.03.2023 |

Schweiz will neue Gentechnik wie Gentechnik regeln

Schweiz Gentechnikfrei Foto: Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)

Die Regierung der Schweiz, der Bundesrat, hat in einem Bericht klargestellt, dass auch neue gentechnische Verfahren (NGT) und die daraus hergestellten Produkte unter das Gentechnikrecht fallen. Der Bericht betont das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Verbraucher:innen. Ein Gesetzentwurf zu NGT, den die Regierung für kommendes Jahr plant, soll beides sicherstellen.

Diesen Gesetzentwurf hatte das Parlament vergangenes Jahr verlangt, als es das Schweizer Anbaumoratorium für Gentechnikpflanzen bis Ende 2025 verlängerte. Bis Mitte 2024 soll der Bundesrat einen „risikobasierten Regelungsentwurf“ für Organismen aus neuen Züchtungsverfahren vorlegen, denen keine Fremdgene eingefügt wurden. In seinem Bericht beschreibt der Bundesrat den bestehenden rechtlichen Rahmen: das Schweizer Gentechnikgesetz, das sich eng an die EU-Regelungen anlehnt. Aus dessen Auslegung ergibt sich für den Bundesrat eindeutig: „Neue Mutagenese-Techniken stellen gentechnische Verfahren und die daraus resultierenden Organismen GVO im Rechtssinne dar.“ Dies treffe ebenfalls zu, „wenn sich die entsprechenden Veränderungen auch unter natürlichen Umständen ergeben könnten“. Zwar wäre es theoretisch möglich, künftig bestimmte GVO vom Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes auszunehmen. Vorher müsste aber geprüft werden, ob das verfassungsmäßig ist.

Der Bericht deutet darauf hin, dass der Bundesrat bei seinem Gesetzesvorschlag für eine mögliche Zulassung von NGT-Produkten im Rahmen des Gentechnikgesetzes bleiben will. Denn ausführlich wird erläutert, was dabei zu beachten ist: „Gemäß Vorsorgeprinzip müssen sich die potentiellen und konkreten Risiken mit dem verfügbaren Wissen und der Erfahrung plausibel beurteilen lassen“, heißt es darin zur notwendigen Risikobewertung. Damit die Ziele des Gentechnikrechts, insbesondere die Wahlfreiheit, erreicht werden können, müsse der Warenfluss getrennt werden. Dies setze voraus, dass NGT-Produkte entlang der gesamten Warenflusskette nachweisbar und rückverfolgbar sind und zwingend gekennzeichnet werden, heißt es in dem Bericht. Er beschreibt die Schwierigkeiten, NGT nachzuweisen, sieht dies aber nicht als unmöglich an.
Abschließend schreibt der Bundesrat: „Die Schwierigkeit, gewisse GVO aus neuen gentechnischen Verfahren sicher als solche identifizieren zu können, ist jedoch kein Argument dafür, sie rechtlich nicht als solche zu qualifizieren.“ Zu einer Änderung der Kennzeichnung heißt es, „möglich wären einzig zusätzliche Angaben, aber kein Weglassen von Teilen oder Abändern der vorgeschriebenen Kennzeichnung“. Sollte nach Ende des Moratoriums ab 2026 ein Anbau von NGT-Pflanzen erlaubt werden, müsse vorab geregelt werden, wie gentechnikfreie Äcker geschützt werden können und wer bei gentechnischen Verunreinigungen haftet. Ebenfalls zu regeln sei eine weitere Bedingung, die das Parlament an eine mögliche Zulassung von NGT-Pflanzen geknüpft hat: Es muss für diese Pflanzen „ein Mehrwert für die Landwirtschaft, die Umwelt oder die Konsumentinnen und Konsumenten nachgewiesen werden“.

Die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) begrüßte die rechtlichen Klarstellungen in dem Bericht. Sie betonte, dass es laut der dem Bericht zugrundeliegenden Rechtsgutachten nicht möglich sei, NGT generell vom Gentechnikgesetz auszunehmen. Dies wäre rechtswidrig und „stünde weder mit dem Zweck des Gentechnikgesetzes noch mit der Bundesverfassung im Einklang“, schrieb die SAG. Sie kritisierte, dass der Bericht kaum auf die Patente auf NGT und deren Einfluss auf Marktprozesse und gentechnikfreie Züchtung einging. Zudem bezeichne der Bundesrat die Koexistenz von NGT und gentechnikfreier Landwirtschaft als realisierbar, mache aber kaum Vorschläge, wie dies ohne Kollisionen gewährleistet werden kann. „Hier werden anstatt konstruktiver Lösungsansätze lediglich alte Vorschläge für mögliche Koexistenzprojekte hervorgeholt, die bereits mit überwältigender Mehrheit vom Parlament und den Kantonen abgelehnt wurden“, sagte SAG-Präsidentin Martina Munz. Sie forderte im Fall einer Zulassung von NGT konkrete Koexistenz- und Kennzeichnungsregeln. Auch müsse geregelt sein, wer bei Schadensfällen hafte.

Die den Bundesrat beratende Kommission für Landwirtschaft (BEKO) stellte fest, „dass eine Sonderbehandlung neuer gentechnischer Verfahren mit einer risikobasierten Zulassungsregelung gerechtfertigt ist“. Sie setzt große Hoffnungen in NGT—Pflanzen. Deshalb sollten diese „im Gesetz speziell geregelt und nicht generell als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) behandelt werden“, schrieb die BEKO. Gleichzeitig müsse aber die Wahlfreiheit gewahrt bleiben. Die dafür notwendigen Kennzeichnungsregelungen „sind soweit wie möglich aufzuzeigen“.

Der nächste Schritt ist nun, dass der Bundesrat entlang der im Bericht genannten Eckpunkte einen Vorentwurf erarbeitet und diesen in die Verbandsanhörung gibt (auf schweizerisch Vernehmlassung). Erst wenn deren Ergebnisse eingearbeitet wurden, kann der Gesetzentwurf dem Parlament vorgelegt werden. Was laut Gentechnikgesetz „spätestens bis Mitte 2024“ passiert sein soll. [lf]

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