11.11.2022 |

Verbraucherzentrale: EU-Kommission soll Vorsorgeprinzip beachten

Kinder Verbraucher Keinen Bock auf Gentechnik! Verbraucher, nicht nur in Deutschland und der EU, sind gentech-kritisch (Foto: ©BLE, Bonn/Foto: Dominic Menzler)

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat die EU-Kommission aufgefordert, an der europäischen Gentechnikregulierung und dem europäischen Vorsorgeprinzip festzuhalten. Dabei argumentierte der Verband mit den durch Umfragen belegten Haltungen der Verbraucher:innen und mit einem Gutachten, das er beim Institut Testbiotech in Auftrag gegeben hatte.

Die Ergebnisse des Gutachtens fasste vzbv-Vorständin Ramona Pop so zusammen: „Neue technische Verfahren zur Veränderung des Erbguts an Pflanzen und Tieren bergen noch nicht vollkommen erforschte Risiken für Mensch und Umwelt“. Deshalb sollte die Europäische Kommission für neue Gentechnikverfahren keine Ausnahmen schaffen, sondern auf das bewährte Vorsorgeprinzip setzen, sagte Pop. „Dazu gehören Kennzeichnungspflichten, strenge Risikoprüfungen und eine umfangreiche Technikfolgenabschätzung, die auch sozio-ökonomische Kosten und Alternativen in den Blick nimmt.“ Nachhaltigkeitsversprechen der Anbieter dürften kein Grund sein, Sicherheits- und Kennzeichnungsstandards aufzuweichen.

Sollte die EU-Kommission dennoch neue, gesonderte Zulassungsbestimmungen für neue Gentechnikverfahren einführen wollen, müssten diese „aus einer verpflichtenden Risikoprüfung und einer umfassenden und vorausschauenden Technikfolgenabschätzung bestehen“, heißt es in einem Papier des vzbv. Bei dieser Abschätzung sollten „in Übereinstimmung mit dem Vorsorgeprinzip der tatsächliche Bedarf sowie mögliche, weniger riskanteAlternativen im Detail geprüft werden“. Ziel sollte es sein, „die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen möglichst zu begrenzen, um potenzielle Kipppunkte, die zu irreversiblen Schäden an Ökosystemen oder zu langfristigen Effekten auf die menschliche Gesundheit führen, zu vermeiden“.

Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA müsste damit beauftragt werden, „eine umfassende Risikoanalyse neuer gentechnischer Verfahren vorzulegen, bei der auch die unbeabsichtigten Effekte systematisch erfasst werden“, schreibt der vzbv. Denn eine solche Analyse, die es laut Gutachten bisher nicht gibt, ist aus Sicht der Verbraucherschützer:innen „die Voraussetzung, um über etwaige gesetzliche Anpassungen zu entscheiden“.

Der vzbv verwies in seiner Mitteilung auf zwei Umfragen, die belegen, dass sich Verbraucher:innen bei Gentechnik Wahlfreiheit und ein hohes Schutzniveau wünschen. In einer Umfrage des Umweltinstituts München aus dem Jahr 2021 gaben 84 Prozent der Befragten an, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden sollten. 83 Prozent wollten, dass Produkte alter und neuer Gentechnik einer umfassenden Risikobewertung unterzogen werden. In der Naturbewusstseinsstudie des Bundesamtes für Naturschutz aus dem Jahr 2019 waren 95 Prozent der Befragten der Meinung, dass mögliche Auswirkungen auf die Natur immer untersucht werden sollten, wenn Pflanzen mit neuen Verfahren gentechnisch verändert werden. 81 Prozent sprachen sich damals für ein Verbot des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft aus. [lf]

07.11.2022 |

Indien: Oberstes Gericht legt Anbau von Gentech-Senf auf Eis

Senfblüte im indischen Pundjab (Foto: Satdeep Gill,  https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Punjabi_Mustard_Flowers.JPG, CC BY-SA 3.0 Senfblüte im indischen Pundjab (Foto: Satdeep Gill, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Punjabi_Mustard_Flowers.JPG, CC BY-SA 3.0

Das indische Umweltministerium hat den Versuchsanbau von gentechnisch verändertem Senf erlaubt. Doch das oberste Gericht des Landes, der Supreme Court, hat diese Erlaubnis vorläufig einkassiert. Erst will es über die Eingabe einer Umwelt-Aktivistin entscheiden. Diese hatte den gv-Senf schon einmal ausgebremst.

Die indische Verfassung gewährt einfachen Bürger*innen das Recht, Entscheidungen der Regierung direkt vor dem Obersten Gericht anzufechten, ohne sie vorher auf den Weg durch die Gerichtsinstanzen zu schicken. Die Umweltaktivistin Aruna Rodrigues hat dieses Recht zweimal erfolgreich genutzt – was sie zum Alptraum der indischen Gentech-Befürworter:innen gemacht hat. Schon 2005 reichte Rodrigues ihre erste Petition beim Supreme Court ein. Sie verhinderte damit den Anbau von gv-Auberginen und erreichte schließlich 2013 ein weitreichendes Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Nahrungspflanzen. 2017 stoppte sie über den Supreme Court den Versuch, einen von der Universität Delhi entwickelten gentechnisch veränderten (gv) Senf auf den Acker zu bringen. Nur einige Feldversuche gab es seitdem.

Doch am 25 Oktober erteilte das indische Umweltministerium die Erlaubnis, diesen gv-Senf anzubauen. Der Anbau sollte es möglich machen, das Saatgut zu vermehren und weitere Versuche unter verschiedenen klimatischen Bedingungen durchzuführen – als Voraussetzung für einen kommerziellen Anbau. Nach Angaben des Magazins Counterview sollte der Versuchsanbau an über 100 Plätzen in vier Bundesstaaten stattfinden. Mit seiner Entscheidung folgte das Ministerium einer Empfehlung der ihm unterstellten Gentechnikbehörde GEAC. Daraufhin rief Aruna Rodrigues wieder direkt das Oberste Gericht an, um die erneute Zulassung zu stoppen. Am 3. November verbot das Gericht in einer einstweiligen Verfügung vorerst jeglichen Anbau und hat nun für 10. November einen ersten Termin angesetzt, um Rodrigues Petition zu verhandeln.

Zuvor war die Entscheidung des Umweltministeriums bereits von Umweltgruppen scharf kritisiert worden. „Die Zulassung könnte zur Verbreitung unsicherer, nicht benötigter und unerwünschter Gentech-Pflanzen im Land führen“, schrieb die Koalition für ein gentechnikfreies Indien dem Umweltminister. Sie argumentierte, dass der Senf gegen das gefährliche Herbizid Glufosinat resistent sei, dessen Anwendung dadurch steigen würde. Auch seien die Behauptungen nicht belegt, der gv-Senf würde höhere Erträge bringen. Auch der Kleinbauernverband All India Kisan Sabha und die den nationalistischen Hindus nahestehende Bauernbewegung Swadeshi Jagran Manch (SJM) protestierten gegen die Zulassung. SJM kritisierte auch die Behauptung der Entwickler, ihr gv-Senf sei „swadeshi“, also rein indisch. „Komplett unwahr“ sei dies, zitierte das Magazin Firstpost den SJM-Mitbegründer Ashwani Mahajan. Denn die in den Senf eingebaute Resistenz stammt von Bayer, wurde schon vor 25 Jahren für gv-Raps verwendet und würde dem Konzern Lizenzgelder einbringen, sollte der gv-Senf in Indien kommerzialisiert werden, wie das Magazin Counterview schrieb.

Da der Supreme Court sich schon früher sehr gentechnikkritisch gezeigt hatte, dürfte er auch in diesem Verfahren gründlich zu Werke gehen und damit die Anbaupläne für den gv-Senf weit nach hinten schieben. Denn Senfkörner und Senföl gehören (ebenso wie die früher verhandelten Auberginen) zu den Basics der indischen Küche. Entsprechend groß sind in der Bevölkerung die Vorbehalte gegen gv-Senf. Es bleibt also vorerst dabei, dass Bt-Baumwolle die einzige gv-Pflanze ist, die in Indien angebaut werden darf. [lf]

04.11.2022 |

EU-Lebensmittelbehörde EFSA: Risikobewertung klein geschrieben

EFSA Das Hauptgebäude der EFSA in Parma (Foto: Lucio Rossi / EFSA)

Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat auf Bitte der EU-Kommission Kritierien vorgeschlagen, nach denen das Risiko von Pflanzen bewertet werden soll, die mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) hergestellt wurden. In ihrem Vorschlag schränkt die EFSA die bisher geltenden Anforderungen an die Risikoprüfung gentechnisch veränderter Pflanzen erheblich ein. In den meisten Fällen sollen unbeabsichtigte Effekte des gentechnischen Eingriffs gar nicht mehr untersucht werden. Statt dessen soll nur noch die geänderte Eigenschaft betrachtet werden.

Die EU-Kommission stützt ihre Entscheidungen üblicherweise auf die wissenschaftliche Bewertung der EFSA. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die jetzt vorgelegten EFSA-Kritierien eins zu eins in die Vorlage eingehen werden, mit dem die Kommission das EU-Gentechnikrecht deregulieren will.

Mit ihrem Vorschlag bezieht sich die EFSA auf genomeditierte Pflanzen, bei denen mit Hilfe von NGT einzelne Gene abgeschaltet oder verändert werden. Die EFSA spricht dabei von gezielter Mutagenese. Ein Beispiel dafür wäre die in Großbritannien entwickelte Vitamin D-haltige Tomate. Ebenfalls einbezogen werden Pflanzen, denen mit NGT neue Gene hinzugefügt werden, die aus dem Genpool verwandter oder mit Hilfe biotechnischer Methoden kreuzbarer Arten stammen. Die EFSA spricht dabei von cisgenen oder intragenen Pflanzen. Ein Beispiel dafür wäre der Kulturapfel, in den Resistenzgene wilder Apfelsorten eingebaut werden. Ausgenommen von den EFSA-Kriterien sind lediglich transgene Pflanzen, denen völlig artfremdes Erbgut eingefügt wurde. Nur für sie soll die bisherige Risikobewertung des Gentechnikrechts weiter gelten.

Für alle anderen Erzeugnisse von NGT sollen nur noch zwei Kriterien herangezogen werden. Zuerst würde geprüft, ob eine bisherige sichere Verwendung nachgewiesen werden kann. Das dürfte etwa für den resistenten Apfel gelten. Denn Pflanzenzüchter haben immer wieder Resistenzen gegen Schorf und andere Erkrankungen aus Wildäpfeln in Kultursorten eingekreuzt. Bei der Vitamin D-Tomate hingegen funktioniert dieser Ansatz nicht, denn es handelt sich um eine neue Eigenschaft. In solchen Fällen greift das zweite Kriterium, bei dem Struktur und Funktion der modifizierten DNA-Sequenz (Allel) bewertet werden. Dabei soll laut Efsa etwa berücksichtigt werden, „ob das neue Allel das Potenzial hat, ein Produkt zu erzeugen, das toxisch oder allergen sein könnte“.

Völlig außen vor bleiben beim Ansatz der EFSA die vielfach nachgewiesenen unbeabsichtigten Effekte, die bei NGT sowohl an den Stellen des Eingriffs (on target) als auch an weit entfernten Stellen (off target) auftreten können. Das überrascht nicht, da die Gentechnik-Experten der EFSA bereits 2020 zu dem Schluss kamen, dass bei NGT weniger Off Target-Effekte aufträten als bei herkömmlicher Züchtung und deshalb „die Analyse potenzieller Off-Targets für die Risikobewertung von sehr begrenztem Wert wäre“. Eine Einschätzung, der gentechnikkritische Wissenschaftler:innen schon damals deutlich widersprachen. Das Institut Testbiotech weist in seiner aktuellen Stellungnahme zum EFSA-Vorschlag ebenfalls darauf hin, dass NGT-Verfahren „mit unbeabsichtigten genetischen Veränderungen einhergehen können, die sich deutlich von denen unterscheiden können, die aus bisheriger Züchtung zu erwarten sind“. Solche Unterschiede seien leicht zu übersehen, könnten aber schwerwiegende Konsequenzen haben. Bei der oben erwähnten Vitamin D -Tomate etwa könnte der Eingriff Inhaltsstoffe ungewollt verändert oder andere Stoffwechselwege gestört haben. Nach den EFSA-Kriterien müsste das nicht überprüft werden. Testbiotech verlangt deshalb von der EU-Kommission, den Vorschlag der EFSA zurückzuweisen. [lf]

01.11.2022 |

Schweizer Ethikkommission: Klimanutzen der Gentechnik nicht überschätzen

Schweiz Gentechnikfrei Foto: Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)

Eine eidgenössische Ethikkommission für Biotechnologie (EKAH) hält neue gentechnische Verfahren für wenig geeignet, zeitnah für eine Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel zu sorgen. Darauf zu setzen hieße, eine Wette auf die Zukunft einzugehen, schreibt die Kommission in einem Bericht, der gestern vorgestellt wurde. Weil die Anpassung sehr dringlich sei, um die Lebensmittelversorgung zu sichern, sei ein solches Vorgehen ethisch nicht zu rechtfertigen.
Unter dem Titel „Klimawandel, Landwirtschaft und die Rolle der Biotechnologie“ schätzen zwölf verwaltungsexterne Expert:innen aus Philosophie, Theologie, Biologie, Medizin und Recht, die von der Schweizer Regierung gewählt wurden, die ethischen Herausforderungen der aktuellen Agrarpolitik ein. Dazu gehört in ihren Augen auch, die Ernährungssicherheit, die durch den Klimawandel global gefährdet ist, nachhaltig zu gewährleisten. „Das heisst, alle Menschen müssen Zugang zu genügend Nahrung haben“, schreiben sie in ihrer Medienmitteilung. Da sich das Klima sehr rasch verändere, müssten die effizientesten und effektivsten Maßnahmen ergriffen werden, um weiterhin genügend Lebensmittel produzieren zu können.
„Die klare Mehrheit der EKAH findet es eher unwahrscheinlich, dass die neuen gentechnischen Verfahren (NGT) in der knappen Zeit, die zur Verfügung steht, einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung oder Steigerung der Ernteerträge leisten können“, so die Mitteilung weiter. Die Minderheit der EKAH vertraue auf den technischen Fortschritt. Einig seien sich die Expert:innen, dass NGT allenfalls ein Baustein unter vielen sein könne, um auf den Klimawandel zu reagieren. So müssten die Agrarbetriebe außerdem mehr als die geplanten 40 Prozent Treibhausgasemissionen einsparen. „Gleichzeitig muss die Anzahl Nutztiere erheblich verkleinert und mehr pflanzliche Nahrung für die Menschen angebaut werden.“
Für den Verein „Sorten für morgen“, der Landwirtschaftsverbände und Lebensmittelketten vertritt, sind für diese Fragen andere Kommissionen zuständig. Stattdessen hätte man sich von der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich eine Einschätzung gewünscht, ob die Anwendung der NGT ethisch vertretbar ist oder nicht. Denn genau das sei der gesetzliche Auftrag an diese Kommission. Der Verein fordert die Schweizer Regierung auf, bis 2024 einen praktikablen Regulierungsvorschlag für NGT vorzulegen. Wie berichtet hatte das Schweizer Parlament sie damit im März beauftragt, als es das Moratorium zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Schweiz bis 2025 verlängert hatte. [vef]

25.10.2022 |

Ukraine: Hälfte der Sojaernte von illegalen Gentech-Pflanzen

Soy Soja in Reih und Glied (Foto: United Soybean Board, https://bit.ly/3TzlpzR, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Die ukrainischen Landwirte ernten in diesem Jahr rund 3,5 Millionen Tonnen Sojabohnen. Marktkenner schätzen, dass die Hälfte davon gentechnisch verändert (gv) ist. Dabei ist der Anbau von gv-Soja in der Ukraine verboten. Die Regierung will jetzt per Gesetz die Kontrollen verbessern und die Strafen verschärfen. Die Ernte von zertifiziert gentechnikfreien Sojabohnen im Partnerschaftsprogramm des Vereins „Donau Soja“ wird voraussichtlich mit 600.000 Tonnen einen neuen Rekord erreichen.

Das ukrainische Landwirtschaftsministerium schätzt die diesjährige Ernte an Sojabohnen auf 3,5 Millionen Tonnen. Damit trägt die Ukraine mehr als ein Drittel zur europäischen Sojaernte von 9,6 Millionen Tonnen bei. Die Zahlen teilte ENGA, der europäische Verband der gentechnikfreien Wirtschaft, mit und warnte zugleich davor, dass – „nach Schätzungen von Marktquellen“ – etwa 50 Prozent der Ernte illegal angebaute gv-Sojabohnen seien. Diese Angabe deckt sich mit anderen Quellen. Schon 2018 untersuchte die rumänische Umweltorganisation Agent Green Blattproben von 60 Sojafeldern in sechs Regionen der Ukraine (der Informationsdienst Gentechnik berichtete). Auf der Hälfte der Felder wuchsen gv-Bohnen, deren Anbau dort schon damals nicht erlaubt war. Und das US-Landwirtschaftsministerium schrieb im November 2021 in einem Bericht über Gentechnik in dem osteuropäischen Land: „Industriequellen in der Ukraine berichteten, dass 50-65 Prozent der Sojabohnen, 10-12 Prozent des Rapses und weniger als ein Prozent des für den Export produzierten Maises positiv auf gentechnische Veränderungen getestet werden.“

Auch Susanne Fromwald, Projektleiterin der Protein Partnerschaften beim europäischen Verein „Donau Soja“ und Vorstandsmitglied bei ENGA, hält die 50 Prozent gv-Soja für eine realistische Schätzung. „Es gibt keine offiziellen Zahlen; aber Stichproben, die wir und andere Marktteilnehmer machen, bestätigen das Problem.“ „Donau Soja“ zertifiziert europaweit gentechnikfreien Sojaanbau und ist in der Ukraine mit einem eigenen Büro vertreten. Die Standards von „Donau Soja“ schreiben vor, dass nachweislich gentechnikfreies Saatgut verwendet werden muss, was im Rahmen von externen Audits jährlich kontrolliert wird. Dabei würden etwa Blätter der Soja-Pflanzen untersucht, ob sie gentechnisch verändert wurden, so Fromwald. Auch aus der Ernte würden Proben getestet. Dabei habe es bei den mit „Donau Soja“ verbundenen Landwirten „in all den Jahren keine Probleme gegeben“, versichert die Projektleiterin. Der Verein schule Landwirte wie Lagerhausbetreiber und berate sie. Agent Green habe die gv-Soja 2018 auf Feldern von Landwirten gefunden, die nicht von „Donau Soja“ zertifiziert waren.

„Wir rechnen damit, dass in diesem Jahr 600.000 Tonnen nach unseren Standards angebautes Soja in der Ukraine geerntet werden, das wäre ein Rekord“, kündigt Fromwald an. Hinzu kommt gentechnikfreie Soja, die nach VLOG-Standards (Verband Lebensmittel ohne Gentechnik) oder von Bio-Verbänden zertifiziert wurde. Wie berichtet hatten Bauern- und Erzeugerverbände im Sommer mehrfach behauptet, es werde wegen des Ukrainekrieges 2022 nicht genug gentechnikfreie Soja geerntet, um die Produktion von Milchprodukten und Geflügel ohne gentechnisch verändertes Tierfutter sicherzustellen. Jenseits der zertifiziert gentechnikfreien Erzeugnisse sieht Fromwald eine gewisse Zweiteilung im Export: „Die Ukrainer wissen, dass in der EU und insbesondere im deutschsprachigen Raum stärker kontrolliert wird und achten darauf, wohin sie exportieren. Lieferungen mit gv-Soja gehen deshalb eher in die Türkei oder den Nahen Osten.“

Um gegen die illegalen gv-Sojafelder vorzugehen, hatte die ukrainische Regierung dem Parlament bereits 2021 zwei Gesetzentwürfe vorgelegt. Der eine soll die Strafen für illegalen gv-Anbau verschärfen; der zweite das nationale Gentechnikrecht an das der Europäischen Union angleichen und die Kontrolle verbessern. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt eine Randbemerkung im Bericht des US-Agrarministeriums: „Nach dem derzeitigen ukrainischen Rechtsrahmen ist es fast unmöglich, einen illegalen Produzenten von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Ukraine zu bestrafen, da in den geltenden Gesetzen nicht explizit festgelegt ist, welche Behörde für die gerichtliche Verfolgung von Verstößen zuständig ist.“ Wegen des Krieges wurden die beiden Gesetzentwürfe bisher nicht beraten. Dies soll nun nachgeholt werden, wie die ukrainische Plattform pigua.info berichtete. Die Republik Moldawien hat übrigens ein solches Gesetz bereits verabschiedet, wie ENGA meldete. Auch in Moldawien wurde schon illegaler gv-Anbau nachgewiesen.

Dass trotz des Krieges die ukrainische Sojaernte stabil blieb, erklärt Susanne Fromwald mit folgenden Faktoren: Der Schwerpunkt des Sojaanbaus liegt in der Zentral- und Westukraine und war vom Krieg weniger betroffen. Zudem bauten viele Landwirte angesichts der explodierenden Düngerpreise mehr Sojabohnen an, da diese keinen Dünger brauchen und zusätzlich noch Stickstoff in den Boden bringen. Und auch der Export der Soja funktioniere, da große Lagerhallen und Verarbeiter nahe der EU-Grenzen liegen und gut an das Transportnetz der EU angebunden sind. [lf/vef]

22.10.2022 |

Bericht: Corteva meldet 1400 Patente für genomeditierte Pflanzen an

Protest vor dem österreichischen Corteva-Standort in Parndorf 2022 Foto: Global2000/Christopher Glanzl Protest vor dem österreichischen Corteva-Standort in Parndorf 2022 Foto: Global2000/Christopher Glanzl

Der Agrarkonzern Corteva (früher Dow, DuPont und Pioneer) hat weltweit rund 1.430 Patente auf Pflanzen angemeldet, die mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt wurden. Auf Platz zwei liegt Bayer mit 119 Patenten. Gezählt haben die Patente sechs Verbände und Institutionen in einer gemeinsamen internationalen Recherche. Sie befürchten, dass diese Patentflut den Zugang von Züchtenden, Landwirtinnen und Landwirten zur genetischen Vielfalt einschränkt und die Ernährungssicherheit bedroht.

Die grundlegenden Patente für neue gentechnische Verfahren (NGT) wie Crispr/Cas liegen meist bei den Forschenden und universitären Einrichtungen, die sie entwickelt haben. Die beiden Gentechnik-Konzerne Corteva und Bayer haben von diesen weitgehende Lizenzrechte an den Verfahren erworben, beschreibt der Bericht unter dem Titel „Wie zwei Biotech-Giganten Patente und neue Gentechnikpflanzen nutzen, um die Zukunft der Ernährung zu kontrollieren“. Die beiden Unternehmen, die zusammen 40 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes beherrschten, setzten die Technologien bei Pflanzen ein und sicherten sowohl die Anwendungen als auch die dabei entstehenden Pflanzen mit Patenten ab, kritisieren sechs europäische und nationale Verbände und Institutionen. Wer künftig mit diesen Pflanzen und ihrem Saatgut arbeiten will, muss Lizenzgebühren an die Konzerne zahlen.

Dabei spielt es laut Bericht keine Rolle, ob die patentierten Pflanzen überhaupt von den Konzernen selbst vermarktet werden. Gleichzeitig würden zahlreiche Patente Ansprüche auf eine einmal mit NGT erzielte Eigenschaft erheben, egal in welcher Nutzpflanze diese vorkommt und ob sie in dieser Pflanze durch NGT erreicht wurde oder womöglich natürlich vorkommt. „Die Saatgutkonzerne verwischen bewusst Unterschiede zwischen konventioneller Züchtung, zufälliger Mutagenese und Gentechnik“, kritisieren die Autorinnen des Berichts. Sie sehen darin einen Missbrauch des Patentrechts und fordern, die Schlupflöcher im europäischen Patentrecht, die einen solchen Missbrauch möglich machen, dringend zu schließen.

Denn durch solche weitgreifenden Patente würden Züchtende, Landwirte und andere an der Lebensmittelkette Beteiligte mit erheblicher Rechtsunsicherheit konfrontiert. „Da es keine leicht zugänglichen Informationen darüber gibt, was in den Patenten enthalten ist, kann es schwierig sein herauszufinden, welche Pflanzen patentiert sind“, heißt es in dem Bericht. Die Betroffenen wüssten nicht, was sie mit Pflanzen, mit denen sie täglich arbeiten, tun dürften, wofür Lizenzgebühren zu zahlen wären und was möglicherweise eine Klage nach sich ziehen könnte. Der Bericht erinnert an die Versuche der Bayer-Tochter Monsanto, Landwirte wegen angeblicher Patentverletzungen per Klage zur Kasse zu bitten.

Die Autorinnen des Berichts thematisieren auch die widersprüchliche politische Argumentation der Gentechnik-Konzerne: Neue gentechnisch manipulierte Pflanzen sollten von den Sicherheitskontrollen und Kennzeichnungsvorschriften der Europäischen Union für gentechnisch veränderte Lebensmittel ausgenommen werden, da sie mit natürlichen Pflanzen gleichzusetzen und die Eingriffe nicht nachweisbar seien. Gleichzeitig aber ließen sich die Konzerne NGT als technische Innovationen patentrechtlich absichern – was nur Sinn macht, wenn man eine Verletzung des Patents auch nachweisen kann. Das Fazit des Berichts: „Konzerne wie Corteva und Bayer wollen für ihre NGT-Pflanzen und ihr NGT-Saatgut vereinfachten Zugang zum EU-Markt erhalten und so eine größere Kontrolle über Bäuer:innen, Pflanzenzucht und das Ernährungssystem erlangen“. Verfasst haben den Bericht die Umweltorganisationen GLOBAL 2000, Friends of the Earth Europe, Arche Noah, die Lobbykontrolleure von Corporate Europe Observatory, sowie die IG Saatgut und die Arbeiterkammer Wien. [lf]

17.10.2022 |

Glyphosat: Wird EU-Kommission Zulassung verlängern?

RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, http://bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/) RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

+++ UPDATE +++ Überraschend haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) am Freitag nicht mit der erforderlichen Mehrheit dafür gestimmt, den Unkrautvernichter Glyphosat ein Jahr länger zuzulassen, um ihn intensiver prüfen zu können. Deutschland, Frankreich und Slowenien haben sich enthalten. Sollte der Vorschlag der EU-Kommission auch im Berufungsausschuss keine qualifizierte Mehrheit finden, kann diese die Mitte Dezember auslaufende Zulassung des umstrittenen Totalherbizids selbst verlängern.
Ursprünglich sollte der Verlängerungsantrag der Agrarchemieindustrie unter Führung des Bayerkonzerns aus dem Jahr 2019 bis 15. Dezember dieses Jahres bearbeitet sein. An diesem Tag endet die aktuelle Genehmigung. Da Wissenschaft und Gesellschaft sich jedoch mit mehr als 3000 Seiten Stellungnahmen am Verfahren beteiligten, hisste die europäische Lebensmittelbehörden EFSA bereits im Mai diesen Jahres die rote Flagge: Um alle Eingaben angemessen prüfen und berücksichtigen zu können, brauche man bis zum Sommer 2023 Zeit (der Infodienst berichtete). Wie die EU-Kommission auf ihrer Webseite ausführt, diene das der Rechtssicherheit der späteren Zulassungsentscheidung und sage nichts darüber aus, wie diese nach abgeschlossener Prüfung ausfallen werde.
Die Kommission bedauere, dass die Mitgliedstaaten ihren Vorschlag nicht unterstützt hätten, obwohl sie in diesem Fall rechtlich verpflichtet sei, die Zulassung zu verlängern, teilte eine Sprecherin dem Infodienst Gentechnik mit. Zwar habe im zuständigen Ausschuss eine Mehrheit der 27 EU-Mitglieder für die Verlängerung gestimmt. Die nötige qualifizierte Mehrheit von Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, sei jedoch nicht erreicht worden. Wie die Nachrichtenagentur Agra Europe berichtete, votierten Kroatien, Luxemburg und Malta dagegen, die aktuelle Zulassung von Glyphosat um ein Jahr zu verlängern. Slowenien sowie die bevölkerungsreichen Länder Deutschland und Frankreich enthielten sich. So sei das erforderliche Quorum von 65 % der EU-Bevölkerung knapp verfehlt worden.

Der grüne Agrarminister Cem Özdemir begründete seine Enthaltung damit, dass er einerseits einer rechtssicheren Entscheidung nicht im Wege stehen wolle. Andererseits sei die EU-Kommission schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen worden, dass die Auswirkungen von Glyphosat auf die biologische Vielfalt in dem Genehmigungsverfahren eine maßgebliche Rolle spielen müssten. Wie Agra Europe berichtet, habe sich ferner der Koalitionspartner FDP dafür eingesetzt, dass diese technische Übergangszulassung nicht politisiert werde. Für die Zukunft wünschten sich die Liberalen eine Entscheidung nach wissenschaftlichen Kriterien.
Für Cem Özdemir ist klar, dass Glyphosat in Deutschland ab 1.1.2024 verboten wird, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart und in der geltenden Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung bereits verankert ist. Er werde sich auch auf EU-Ebene mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das Totalherbizid nach Abschluss der Prüfung endgültig verboten wird, hatte der Agrarminister Ende September im deutschen Bundestag angekündigt. Sollte das nicht gelingen, müsse eine nationale Lösung für Deutschland gefunden werden. Er sei zwar an das europäische Recht gebunden, werde aber alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, das vereinbarte Verbot in Deutschland umzusetzen.
Die Umweltorganisation Greenpeace äußerte sich enttäuscht, dass der grüne Agrarminister nicht dagegen gestimmt hatte, das umwelt- und gesundheitsschädliche Herbizid ein Jahr länger zuzulassen. „Der hohe Glyphosateinsatz schädigt die Artenvielfalt massiv“, kritisierte Landwirtschaftsexpertin Christiane Huxdorff. „Es gibt viel bessere und intelligentere, spezifisch wirkende Möglichkeiten, Ackerunkräuter in Schach zu halten, als über ein Totalherbizid, das sämtliche Pflanzen tötet.“ Bereits im Vorfeld der heutigen Entscheidung hatte der Bund für Umwelt- und Naturschutz eine sozial-ökologische Transformation in der Landwirtschaft und eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes gefordert. Denn bislang steigt der Glyphosatverbrauch weiterhin. 2021 seien 4100 Tonnen versprüht worden; 2020 waren es noch knapp 3800 Tonnen. Der Anbauverband Bioland hatte von Özdemir verlangt, sämtliche Totalherbizide zu verbieten. „Der Einsatz von Totalherbiziden widerspricht der Biodiversitätsstrategie der EU-Kommission”, sagte der Leiter Agrarpolitik, Gerald Wehde. "Auch die EU-Kommission muss endlich klare Kante zeigen und ihre durchaus guten Strategien selbst ernst nehmen!”

Als nächster wird in der Causa Glyphosat nun der Berufungsausschuss der Mitgliedsländer entscheiden - nach Informationen von Agra Europe spätestens in drei Wochen. Sollte dort wieder keine qualifizierte Mehrheit in die ein oder andere Richtung zustande kommen, kann die EU-Kommission das Pflanzengift selbst für ein weiteres Jahr zulassen. Auf die Frage, ob das bis 15. Dezember klappen wird, sagte ein Sprecher dem Portal Euractiv, die EU-Kommission werde „alles in ihrer Macht Stehende tun“, um das Verfahren zu beschleunigen. [vef]

Update 17.10.: Verfahrensdetails von Agra Europe und Euractiv ergänzt.

11.10.2022 |

Kenia erlaubt Anbau und Import gentechnisch veränderter Pflanzen

Feldversuch mit Gentech-Mais in Kenia Foto: AATF Feldversuch mit Gentech-Mais in Kenia Foto: AATF

Kenias neu gewählter Präsident William Ruto hat ein seit zehn Jahren bestehendes Verbot aufgehoben, gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen kommerziell anzubauen oder zu importieren. Er begründete den Schritt mit der dürrebedingten Hungersnot in Teilen seines Landes. Zahlreiche Organisationen kritisierten die Entscheidung. Sie befürchten, dass billiger US-Mais und importiertes Saatgut Kleinbauern in den Ruin treiben könnten.

Der Präsident äußerte sich vergangene Woche nach einer Kabinettsitzung, die sich mit der Hungerkrise im Norden und Osten Kenias befasste. Sie bedroht nach UN-Angaben 4,4 Millionen Menschen. Ruto hob nicht nur das Verbot auf, die Regierung erlaubte auch ab sofort, gv-Mais einzuführen und anzubauen, zitierte die kenianische Zeitung Nation aus dem Statement. Damit ermöglichte der Präsident Hilfslieferungen von US-Gentech-Mais in die Dürregebiete. Gleichzeitig könnten weitere US-Importe zu sinkenden Preisen für Maismehl und Tierfutter führen, schrieb das Magazin The East African.

Solche kurzfristigen Effekte dürften dem im August nur mit knapper Mehrheit gewählten Ruto helfen, seine Macht zu stabilisieren. Doch der Ex-Agrarminister war früher schon für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und will mit ihrer Hilfe jetzt die kenianische Landwirtschaft modernisieren. Die Aufhebung des Verbots sei „Teil der mittel- bis langfristigen Antworten auf die anhaltende Dürre“ sowie ein „progressiver Schritt hin zu einer signifikanten Neudefinition der Landwirtschaft in Kenia durch die Einführung von Pflanzen, die gegen Schädlinge und Krankheiten resistent sind“, hieß es in der Erklärung Rutos.

In seiner Antwort wies ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen auf die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung für die Kleinbauern hin, die 80 Prozent der Agrarbetriebe in Kenia ausmachen und wesentlich zur lokalen Versorgung der Menschen beitragen. Sie müssten nun mit technisch hochentwickelten und stark subventionierten US-Landwirten konkurrieren, argumentieren die Verbände. Dies sei kein fairer Wettbewerb, gefährde den lokalen Handel und auch den wachsenden Export von Bio-Produkten nach Europa. Zudem mache gentechnisch verändertes Saatgut die Bauern abhängig von profitorientierten multinationalen Konzernen.
Das sieht auch Stig Tanzmann so, Landwirtschaftsreferent der Hilfsorganisation Brot für die Welt. Die Versprechungen der Agro-Gentechnik würden vor allem die Kassen der Konzerne füllen, nicht aber leere Mägen, sagte er dem Infodienst: „Bäuerinnen und Bauern zeigen mit ihren Saatgutsystemen und ihrer agrarökologischen Produktion, dass es genügend Alternativen zu GVOs gibt, die reale Antworten auf Hungerkrise, Klimakrise und Schädlingsbefall liefern.“ Deshalb müssten diese bäuerlichen Produktionssysteme endlich genauso gefördert und unterstützt werden wie GVOs. In Kenia ist die agrarökologische Bewegung stark und auch gut organisiert. Ein Beispiel dafür ist die vom Dachverband Pelum Kenya organisierte dreitägige Messe für heimisches Saatgut, die derzeit in der Hauptstadt Nairobi stattfindet.

Zur Kritik der Verbände passt ein Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, wonach die USA seit Jahren Druck auf Kenia ausübten, das GVO-Verbot zu kippen. Dabei habe der US-Handelsbeauftragte auch argumentiert, dass ansonsten Hilfslieferungen in Hungerregionen nicht möglich seien. Der Lobbyverband der US-Getreidefarmer begrüßte Rutos Entscheidung laut dem Portal GrainNet als „einen wichtigen Wendepunkt in der Entwicklung der kenianischen Lebens- und Futtermittelmärkte". Der Gentechkonzern Bayer sprach gegenüber dem Spiegel von einem „bahnbrechenden Schritt“ und einem „wichtigen Zeichen über die Landesgrenzen hinaus“. Gemeint sind damit Kenias Nachbarländer Tansania und Uganda, die bisher einen strikten Anti-Gentechnikkurs fahren.

Neben den soziökonomischen Auswirkungen spielen in der kenianischen Debatte mögliche gesundheitliche Folgen eine wichtige Rolle. Das GVO-Verbot von 2012 war auch eine Reaktion auf die damals veröffentlichen Seralini-Studie, bei der mit gv-Mais gefütterte Ratten Tumore bekamen. Seither ist gv-Mais in Kenia bei vielen Menschen mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden. Laut einer Umfrage würden 57 Prozent keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen, schrieben die Verbände in ihrem Statement. Ruto nannte deshalb die Weltgesundheitsorganisation und die EU-Lebensmittelbehörde EFSA als Zeugen für die Unschädlichkeit von gv-Mais.

Trotz des Verbots blieben die kenianischen Regierungen der vergangenen zehn Jahre der Agrogentechnik gegenüber aufgeschlossen. Das nationale Forschungsinstitut KALRO entwickelte krankheitsresistente gv-Kassava und gv-Kartoffeln und führt auch Feldversuche durch. 2019 erlaubte Kenia den Anbau von insektenresistenter Bt-Baumwolle. Es gibt eine nationale Biosicherheitsbehörde (NBA), doch die sei mit den auf sie zukommenden Aufgaben überfordert, befürchten die Verbände. Sie fordern deshalb, den Gentechnik-Bann wieder in Kraft zu setzen. [lf/vef]

07.10.2022 |

Kanada: Gentechnik-Raps vererbt Glyphosatresistenz an Unkräuter

Rübsen (Brassica rapa) Foto: Bogdan, CC BY-SA 3.0, https://bit.ly/3T9j6mt Rübsen (Brassica rapa) Foto: Bogdan, CC BY-SA 3.0, https://bit.ly/3T9j6mt

Kanadische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Gentechnik-Raps seine Glyphosatresistenz an verwandte Unkräuter weitergegeben hat. Diese haben die erworbene Eigenschaft unerwarteter Weise dauerhaft in ihrem Erbgut verankert und machen sich nun auf Feldern jenseits der großen Rapsanbaugebiete breit.

In Kanada wird seit 25 Jahren in großem Stil gentechnisch veränderter (gv) herbizidresistenter Raps angebaut. Dass dieser sich mit wildem Raps kreuzen kann und auch mit der verwandten Art der Rübsen ist bekannt. Dennoch lieferte eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des staatlichen Saint-Jean-sur-Richelieu Research and Development Centre in der Provinz Quebec einige Überraschungen. Die Forschenden gingen Meldungen von Farmern nach, die glyphosatresistenten Mais und Soja anbauten. Ihnen waren im Jahr 2015 rapsähnliche Pflanzen aufgefallen, die sich mit glyphosathaltigem Spritzmittel nicht beseitigen ließen. Da in der Region kaum Raps gesät wurde, ließen sich die Wissenschaftler in den Jahren 2017 bis 2019 von 20 Agrarbetrieben Proben der verdächtigen Pflanzen schicken und untersuchten 147 davon molekularbiologisch. Ein Drittel der betroffenen Bauern berichtete, dass die rapsartigen Pflanzen mehr als die Hälfte des jeweiligen Feldes bedeckten, obwohl sie selbst dort nie Raps angebaut hatten. Dorthin gelangt sein könnten die Pflanzen über Dung, Maschinen, importiertes Heu, Saatgut oder von Nachbarfeldern, vermuteten die Landwirte.

Wie die Forscher herausfanden, handelte es sich bei den untersuchten Pflanzen teilweise um wildwachsenden gv-Raps, teilweise um die nah mit dem Raps verwandten Rübsen (Brassica rapa). Sie wachsen in vielen Regionen als Ackerunkraut. Dass sich gv-Raps und Rübsen kreuzen können, ist nicht neu. Doch gingen die Wissenschaftler:innen bisher davon aus, dass die dabei entstehenden Hybriden sich kaum fortpflanzen und sich deshalb nicht auf Dauer in der Umwelt halten können. Die kanadischen Forschenden stellten nun fest, dass es sich bei den untersuchten glyphosatresistenten Pflanzen um reinerbige Rübsen handelte. Sie erklärten dies damit, dass sich die Rübsen nach dem Zusammentreffen mit dem gv-Raps in den nächsten Generationen weiter mit Rübsen fortgepflanzt hätten. Dabei seien andere Raps-Eigenschaften wieder verloren gegangen, resistent gegen Glyphosat seien sie aber geblieben.

Überrascht waren die Forscher:innen auch, als sie zwei Proben als Acker-Rettich (Raphanus raphanistrum) identifizierten, ein weiterer wilder Verwandter des Rapses. Nach Angaben der Wissenschaftler wurden beide Arten bisher nur im Labor gekreuzt. Ihr Fund sei demnach der erste nachgewiesene Fall einer Auskreuzung unter natürlichen Bedingungen. Für das gentechnikkritische Institut Testbiotech zeigt die kanadische Studie „erneut die Komplexität und Unvorhersehbarkeit ökologischer Zusammenhänge“. Die Wissenschaftler:innen selbst mahnten: Wenn eine Nutzpflanze gentechnisch verändert wird, sollte man berücksichtigen, ob verwandte Arten Unkrauteigenschaften haben und fähig sind, Hybriden zu bilden – so wie das bei Raps, Rübsen und Acker-Rettich der Fall ist.

Dies kann sogar zu wildwachsenden gv-Pflanzen in Ländern führen, in denen gv-Raps gar nicht angebaut wird. Koreanische Wissenschaftler hatten vor einem Jahr die bekannten Fälle von wildem gv-Raps aus 14 Ländern auf fünf Kontinenten zusammengetragen, darunter auch Österreich, die Schweiz und Deutschland. In der Schweiz kontrollieren die Behörden regelmäßig Transportrouten von Rapssaat oder Vogelfutterplätze auf gv-Raps. 2021 untersuchten sie an Hotspots wie Rangierbahnhöfen oder Ölmühlen insgesamt 180 wildwachsende Rapspflanzen. 26 von ihnen waren gentechnisch verändert. In Deutschland gibt es immer noch kein entsprechendes Monitoring. [lf/vef]

03.10.2022 |

Studie: Lobbyieren Wissenschaftler aus Eigeninteresse für neue Gentechnik?

Lobbyismus Lobbyisten Foto: spekulator / stock.xchng

Zahlreiche Gentechnikforschende setzen sich als scheinbar unabhängige Wissenschaftler dafür ein, das EU-Gentechnikrecht zugunsten neuer gentechnischer Verfahren zu lockern. Eine Studie der Grünen im Europäischen Parlament zeigt, dass viele von ihnen damit auch eigene wirtschaftliche Interessen vertreten könnten - etwa weil sie Patente oder Patentanmeldungen für Gentechnikprodukte halten. Die Grünen fordern, solche Interessenkonflikte klar zu deklarieren.

Für die Grünen verfasst hat die Studie ein Team um die gentechnikkritische britische Organisation GMWatch. Die Autorinnen betrachteten dafür die Mitglieder von drei Wissenschaftsorganisationen, die sich in der Öffentlichkeit und gegenüber der EU-Kommission besonders intensiv dafür einsetzen, das EU-Gentechnikrecht zu ändern. Es sind dies: Das Netzwerk für nachhaltige Landwirtschaft durch genetische Veränderung (EU-SAGE), die Akademien der Wissenschaften in Europa (All European Academies – ALLEA) und die Europäische Organisation für Pflanzenwissenschaften (EPSO). Bei letzterer hatte GMWatch deren Arbeitsgruppe für Agrartechnik im Blick, von der die Gentechnik-Stellungnahmen stammten.

Die Recherchen ergaben, dass zwei Drittel der Mitglieder der EPSO-Arbeitsgruppe und ein Drittel der EU-SAGE-Mitglieder „ein persönliches Interesse an der Kommerzialisierung von GV-Pflanzen“ haben. Sie könnten finanziell oder in Bezug auf die Karriereentwicklung davon profitieren, heißt es im Bericht. So habe die Hälfte der Mitglieder der EPSO-Arbeitsgruppe bereits an einem oder mehreren Forschungsprojekten mit der Industrie teilgenommen. „38 % der Mitglieder der EPSO-Arbeitsgruppe für Agrartechnologien und 23 % der Mitglieder des EU-SAGE-Netzwerks halten ein oder mehrere Patente oder Patentanmeldungen im Zusammenhang mit gentechnischen Verfahren oder Produkten“, steht im Bericht. Gleiches gilt demnach für zwei von vier Autoren eines ALLEA-Berichtes, der sich dafür ausspricht, die rechtlichen Regeln für Produkte neuer gentechnischer Verfahren zu lockern. Manche der Wissenschaftler von EPSO und EU-SAGE seien laut Bericht auch an einem Saatgut- oder Biotechnologieunternehmen beteiligt, indem sie eine Position in oder Anteile an solchen Unternehmen hätten.

„Diese Verflechtung von wissenschaftlicher Beratung und eigenem ökonomischen Interesse wird in den meisten Fällen nicht offen kommuniziert“, kritisierte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. Dies habe zur Folge, dass diese Eigeninteressen bei der Bewertung der Beratungsleistung und den daraus folgenden Empfehlungen nicht berücksichtigt würden. „Befangene WissenschaftlerInnen sind keine guten RatgeberInnen, wenn sie ihre materiellen Eigeninteressen nicht offenlegen“, schrieb Häusling in einer Pressemitteilung. Deshalb brauche es „dringend mehr Transparenz und unabhängige Forschung im Bereich der neuen Gentechnik“.

Die Studie machte auch deutlich, dass die einzelnen Forschenden und die untersuchten Lobbygruppen nicht als Vertreter „der Wissenschaft“ im Allgemeinen gelten könnten. Denn sie repräsentierten nur einen begrenzten Bereich der angewandten Wissenschaft, nämlich die Genetik und Molekularbiologie. Fachwissen, das wichtig sei, um mögliche negative Folgen neuer gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft zu bewerten, fehle hingegen in diesen Organisationen: etwa Expertise in Ökologie, Agrarökologie, Sozioökonomie, Toxikologie und öffentlicher Gesundheit.

Die Studie nennt nicht nur Zahlen, sondern auch Institutionen und Namen, etwa das flämische Forschungsinstitut VIB oder das Institut für Pflanzenforschung der niederländischen Universität Wageningen. Aus Deutschland haben etwa das bundeseigene Julius-Kühn-Institut (JKI) mit zwei Mitarbeitenden sowie das Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie mit seinem Direktor Detlef Weigel Eingang in die Studie gefunden. In einem Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit" wiesen Weigel und das JKI den Vorwurf von Interessenkonflikten zurück. [lf]

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