13.09.2022 |

USA: Behörde winkt transgene Tomate ohne Zulassung durch

Tomaten Lila Pressefoto Lila Gentechnik-Tomaten (Foto: John Innes Centre)

14 Jahre hatte Cathie Martin darauf hingearbeitet: Vergangene Woche hat das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) die von der britischen Pflanzenwissenschaftlerin gentechnisch veränderte (gv) lila Tomate als unbedenklich eingestuft. Damit wurde erstmals eine gv-Pflanze in den USA als Ausnahme von der 2020 erlassenen Secure-Regel für Gentechnikpflanzen freigegeben. Die transgene Tomate soll 2023 auf den US-Markt kommen und darf dann ohne Genehmigung angebaut und verkauft werden.
Die ungewöhnliche violette Farbe erhält das Gemüse durch einen besonders hohen Gehalt an Anthocyanen, Stoffen, die normalerweise Früchte wie Blaubeeren und Brombeeren blau färben. In den gv-Tomaten waren laut Entwickler 500 mg Anthocyane pro 100 Gramm Frischgewicht enthalten. Auch Antioxidantien sind nach Angaben der Entwickler vermehrt vorhanden. „Unabhängige Studien zeigen, dass Antioxidantien und Anthocyane die Inzidenz von Krebs reduzieren, die Herz-Kreislauf-Funktion verbessern und die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern können“, schreibt die Norfolk Plant Sciences (NPS) in ihrer Presseinformation. Diese Firma hatte Cathie Martin vom britischen Forschungsinstitut John Innes Centre gemeinsam mit einem Kollegen des Sainsbury Laboratory 2007 gegründet, um ihre Forschung an Pflanzen mit verbesserten gesundheitsfördernden Verbindungen zu kommerzialisieren.
Dabei konzentrierte Martin sich vor allem auf Tomaten. 2008 entdeckte die heute 67jährige, dass auch rote Tomaten ein Gen haben, das sie befähigt, Anthocyane herzustellen. Es ist aber ausgeschaltet, erläutert das NPS auf seiner Webseite. Martin und ihr Team fügten nun zwei Gene des Löwenmäulchens ein, die die Anthocyan-Herstellung der Tomate quasi anschalten sollen. Außerdem sollen sie dazu führen, dass die Tomate länger haltbar bleibt. Als technisches Hilfsmittel für den Labornachweis führten die Wissenschaftler schließlich einen selektierbaren Marker ein, der die Tomate mit Hilfe des Gens für Neomycin-Phosphotransferase (NPTII) gegen die Antibiotika Kanamycin und Neomycin resistent macht.
Diese und weitere Informationen legte Hersteller NRS in einem 20seitigen Schreiben der Pflanzenschutzbehörde APHIS des US-Landwirtschaftsministeriums vor und bat darum, den Regulierungsstatus der transgenen Tomate zu überprüfen. „Wir fanden heraus, dass die Pflanze im Vergleich zu anderen kultivierten Tomaten wahrscheinlich kein erhöhtes Pflanzenschädlingsrisiko darstellt“, antwortete APHIS. Damit unterliege sie nicht den überarbeiteten Biotechnologie-Vorschriften. „Das bedeutet, dass diese Pflanze aus Sicht des Pflanzenschädlingsrisikos in den Vereinigten Staaten sicher angebaut und in der Züchtung verwendet werden kann.“ Diese Einschätzung basiert nach Angaben von APHIS auf den Informationen von NRS sowie auf ihrer eigenen „Vertrautheit mit Tomatensorten, ihrer Kenntnis der Merkmale, die Fruchtfarbe und Ernährungsqualität von Tomaten verändern, sowie ihrem Verständnis der Modifikationen“.
Wie eine Rechtsanwältin auf dem Portal jdsupra.com schreibt, hat sich die Behörde seit dem Erlass der Secure-Regel 2020 insgesamt 15mal zum Regulierungsstatus von Gentechnik-Pflanzen geäußert, das erste Mal im April 2021. Die lila Tomate sei bisher die einzige, bei der APHIS eine Ausnahme von den Secure-Regeln bestätigt hat. Dieser Prozess zur Überprüfung des Regulierungsstatus sei eine Option für Fälle, in denen keine Secure-Regelausnahmen für eine gentechnische Entwicklung gelten, der Entwickler jedoch der Ansicht ist, dass die Pflanze dennoch kein erhöhtes Pflanzenschädlingsrisiko darstellt und daher nicht unter die Regeln für Gentechnikpflanzen fallen sollte. Dieses Verfahren wurde im April 2021 für Mais, Sojabohnen, Baumwolle, Kartoffeln, Tomaten und Luzerne sowie im Oktober 2021 für alle gentechnisch veränderten Pflanzen eingeführt.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag erleben würde“, kommentierte Cathie Martin den Meilenstein. "Das Bittersüße ist, dass die Tomaten in Amerika und nicht auch in Großbritannien zum Verkauf angeboten werden können.“ Aber ihr Kollege Jonathan Jones vom Sainsbury Laboratory geht davon aus, dass es auch bald „vernünftige regulatorische Rahmenbedingungen für solche Produkte in Großbritannien“ geben werde. Einstweilen freuen sie sich, dass bereits Hunderte von US-Bürgern über die Big Purple Tomato-Website Interesse bekundet haben, Tomaten und Samen zu kaufen, sobald sie verfügbar sind. Davor stehen aber noch weitere Behördenschritte: Die US-Lebensmittelbehörde FDA und die Umweltbehörde EPA müssen noch grünes Licht geben. [vef]

09.09.2022 |

Brasilien: Widerstand gegen glyphosatresistente Eukalyptusbäume

Bosque de Eucaliptos, Foto: Javier T https://bit.ly/3d4VTCr, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/ Bosque de Eucaliptos, Foto: Javier T https://bit.ly/3d4VTCr, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Die brasilianische Gentechnikbehörde CTNBio hat den kommerziellen Anbau einer Eukalyptus-Linie erlaubt, deren Gene so manipuliert wurden, dass sie das Totalherbizid Glyphosat überlebt. Entwickelt wurde sie für den größten Papier- und Zellstoffhersteller Brasiliens. Dessen bislang gentechnikfreie Plantagen waren vom FSC (Forest Stewardship Council) als nachhaltig zertifiziert worden. Im Oktober könnte der FSC nun Ausnahmen von der gentechnikfreien Produktion beschließen.

Im November 2021 erteilte CTNBio dem Unternehmen Suzano Papel e Celulose die Erlaubnis, die gentechnisch veränderte (gv) Eukalyptus-Linie 751K032 kommerziell anzubauen. Wie der Nachrichtenpool Lateinamerika berichtete, haben sich inzwischen mehr als 50 Umweltorganisationen dagegen verbündet. Sie fordern CTNBio in einer Petition auf, die Zulassung zurückzuziehen, und wollen erreichen, dass auch die Bundesstaatsanwaltschaft tätig wird. Die Organisationen sehen im dem gv-Eukalyptus „eine ernsthafte Bedrohung für das Leben, die Gesellschaft und die Natur“. Zudem sei die Zulassung „ohne demokratische Konsultation der brasilianischen Zivilgesellschaft und der Gemeinden in den Gebieten, in denen die Plantagen angelegt werden sollen, erfolgt“, heißt es in der Petition. In Deutschland unterstützt die Organisation „Rettet den Regenwald“ das Anliegen. Denn Papier von Suzano gibt es auch hierzulande – mit FSC-Siegel. Laut „Rettet den Regenwald“ steckt der Zellstoff aus Brasilien in Kleenex-Tüchern oder Pampers-Windeln.

In dem lateinamerikanischen Land ist Suzano der größte Hersteller von Papier und Zellstoff – vor allem aus Eukalyptus-Bäumen. Der Konzern besitzt nach eigenen Angaben 2,4 Millionen Hektar Land, von denen 1,5 Millionen Hektar mit Eukalyptus bepflanzt sind. Dieses Holz verarbeiten elf Fabriken, die jährlich zehn Millionen Tonnen Zellstoff produzieren - überwiegend für den Export. Eine weitere Fabrik mit einer Kapazität von 2,5 Millionen Tonnen Zellstoff soll bis 2024 entstehen – zusammen mit neuen rohstoffliefernden Eukalyptus-Plantagen. Diese lassen sich leichter anlegen, wenn konkurrierendes Unkraut mit Glyphosat totgespritzt werden kann, während die Baumsetzlinge weiterwachsen. Die brasilianischen Umweltorganisationen weisen in ihrer Petition auch auf die Probleme hin, die schon jetzt mit den konventionellen Plantagen verbunden sind: Wasserknappheit und Landraub zu Lasten indigener Völker.

Trotz dieser bekannten ökologischen und sozialen Folgen, über die etwa das Umweltportal Mongabay berichtete, sind Plantagen und Produkte von Suzano vom FSC zertifiziert, dessen Siegel Verbraucher*innen eine nachhaltige Waldwirtschaft garantieren soll. Suzano nutzt die Zertifizierung, um sich als Unternehmen darzustellen, das nachhaltig arbeitet und sich für den Klimaschutz engagiert. Regenwaldschützer hatten dem FSC schon 2009 Greenwashing zugunsten des brasilianischen Konzerns und seiner Eukalyptus-Monokulturen vorgeworfen. 2014 kam ein weiterer Vorwurf hinzu: Suzano hatte das Gentechnik-Unternehmen FuturaGen gekauft, das einen angeblich besonders ertragreichen gv-Eukalyptus entwickelt hatte.

Auch für diesen gv-Eukalyptus H421 hatte Suzano damals eine Zulassung bei CTNBio beantragt. Dieses Engagement sei ein Verstoß gegen die Prinzipien des FSC, schrieb daraufhin die Kampagne für einen Stop von gentechnisch veränderten Bäumen an den FSC, unterstützt von zahlreichen Umweltorganisationen. Denn die FSC-Prinzipien verbieten bislang jeglichen kommerziellen Anbau von gv-Bäumen im gesamten zertifizierten Unternehmen. Als die gv-Eukalyptus-Sorte H421 im Jahr 2015 zugelassen wurde, blieb Suzano trotzdem FSC-zertifiziert. Dafür verzichtete der Konzern vorerst auf den kommerziellen Anbau dieses gv-Eukalyptus.

Hinter den Kulissen habe Suzano jedoch versucht, die FSC-Position zu verändern, berichtete Forstaktivist Chris Lang auf der Webseite des World Rainforest Movement. Offenbar mit Erfolg: Im September 2021 forderte der FSC seine Mitglieder auf, „zu bewerten, ob das Verbot des kommerziellen Einsatzes von Gentechnik in nicht zertifizierten Plantagen und Produkten weiterhin angemessen ist.“ Wie es aussieht, will man es zertifizierten Unternehmen ermöglichen, Teile ihres Anbaugebiets aus der Zertifizierung herauszunehmen. Suzano könnte gv-Eukalyptus also in großem Stil anbauen, diese Plantagen und daraus entstehende Produkte würden aber nicht zertifiziert. Um dies zu verhindern, hat die Kampagne zum Stop von gv-Bäumen aufgerufen, Protestschreiben an den FSC zu schicken. Frist ist 5. Oktober. Denn von 9. bis 14. Oktober treffen sich die Mitglieder des FSC zur Vollversammlung und entscheiden dabei auch über die künftige Haltung der Organisation zu Gentechnik-Bäumen. [lf]

06.09.2022 |

Gutes Geschäft: BASF und Corteva stapeln Spritzmittel-Resistenzen

Pestizidflugzeug Literweise Glyphosat auf das Sojafeld: Mit dem Flugzeug geht es am schnellsten (CC0: Ken Hammond/USDA ARS)

Es ist ein Teufelskreis: Immer neue Spritzmittel erzeugen bei Wildpflanzen immer neue Resistenzen. Um solche „schwer kontrollierbaren Unkräuter“ weiterhin beseitigen zu können, wollen die Agrarchemiekonzerne BASF und Corteva nun gemeinsam Nutzpflanzen wie Soja gentechnisch so verändern, dass sie vier Herbizide aus ihren Portfolios gleichzeitig überleben. Nach Unternehmensangaben sollen diese „stacked traits“ (dt. gestapelte Merkmale) mittelfristig auch an Dritte lizensiert werden.
Zunächst wollen BASF und Corteva bis 2030 „eine breitere Palette an herbizidtoleranten Sojapflanzen“ entwickeln, heißt es in einer Presseinformation von voriger Woche. Dafür planen sie die „branchenweit erste gegenseitige Lizenzierung neuer Technologien“. Das heißt, sie wollen sich gegenseitig ihre gentechnischen Entwicklungen zur Verfügung stellen, mit denen sie die Pflanzen bislang gegen ihre eigenen Herbizide geschützt haben. Mit neuen, kombinierten Angeboten hoffen sie, vom großen Kuchen des weltweiten Marktes für Sojasaatgut und -eigenschaften im Wert von 7,1 Milliarden US-Dollar sowie des Marktes für Sojaherbizide im Wert von fünf Milliarden US-Dollar mehr abzubekommen.
Wie die Unternehmen mitteilten, werde Corteva den Trait-Stack entwickeln, der die Sojabohnen nicht nur das eigene Herbizid Enlist tolerieren lässt, sondern auch die Spritzmittel von BASF, als da wären Liberty, Kixor und Tirexor, sowie ein neues Herbizid, das BASF aktuell entwickele. Auch Glyphosat-Duschen sollen die Pflanzen überleben. Nach dem vielbeschworenen reduzierten Pestizideinsatz durch Gentechnik klingt das jedenfalls nicht. Der Wirkstoff von Liberty, Glufosinat-Ammonium, ist in Europa bereits seit einigen Jahren verboten und auch die Zulassung von Glyphosat läuft hier zum Jahresende aus. Doch die Konzerne, die solch kombitolerante Pflanzen dann beide anbieten wollen, haben sowieso zuerst den nordamerikanischen Markt im Auge. Von dort wollen sie weiter ausschwärmen.
Und die Sojabohne soll nicht nur multitolerant gegen Herbizide werden. Gemeinsam wollen BASF und Corteva auch eine Enlist®-E3-Sojabohne schaffen, die gegen Fadenwürmer (Nematoden) resistent ist. Beide Unternehmen planen schließlich, weitere Saatgutsorten ihrer Angebotspalette gentechnisch mit den genannten Herbizidtoleranz-Paketen aufzustocken. So hatte BASF im Zuge der Monsanto-Übernahme von der Bayer AG 2018 neben dem Sojageschäft unter anderem Raps sowie Baumwolle übernommen. Und BASF plant noch weiter: Langfristig will der Konzern ein Herbizid mit neuer Wirkungsweise entwickeln, das dann ebenfalls zum gemeinsamen Trait-Stack hinzugefügt werden kann. So will man den Sojabauern „bis weit in die 2040er-Jahre wettbewerbsfähige Alternativen bieten“. Bis das Unkraut dann auch dagegen resistent geworden ist. A never-ending business. [vef]

02.09.2022 |

EU-Gentechnik-Konsultation: Steht Ergebnis schon fest?

Umfrage PRICE Die Umfrage gibt laut Kritikern falsche Informationen zur Agro-Gentechnik (Foto: Thorben Wengert / pixelio.de)

Die Europäische Kommission will die Regeln für neue Gentechnik in der Landwirtschaft reformieren. Dazu befragte sie diesen Sommer rund 400 ausgewählte Organisationen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu möglichen Folgen. Mehrere gentechnikkritische Initiativen rügten die Befragung als intransparent, voreingenommen und unwissenschaftlich und lehnten es ab teilzunehmen. Die EU-Kommission wies die Vorwürfe zurück.

Ende Juli hatte das Politikberatungsunternehmen "Technopolis Group" im Auftrag der EU-Kommission einen 53-seitigen Fragebogen an ausgewählte Stakeholder verschickt. Er enthielt mehrere Szenarien, wie das Gentechnikrecht zugunsten neuer gentechnischer Verfahren (NGT) umgestaltet werden könnte. Diese sähen vor, Risikobewertung und Rückverfolgbarkeit ebenso abzuschaffen wie Kennzeichnungs- und Nachweispflicht, kritisierte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Neue Gentechnik-Pflanzen wären nicht mehr erkennbar und sie kämen ungeprüft und unreguliert auf europäische Äcker und Teller“, beschrieb AbL-Gentechnik-Expertin Annemarie Volling die Folgen.

Der verschickte Fragebogen soll die Grundlage schaffen für die im EU-Gesetzgebungsverfahren vorgesehene Folgenabschätzung. Dafür sollten die Stakeholder mögliche Auswirkungen der Kommissionsszenarien für den Zeithorizont von 2030 bis 2035 abschätzen. Das sei ein höchst fragwürdiger Ansatz, schrieb ENGA, der europäische Verband der gentechnikfreien Lebensmittelwirtschaft, an die Kommission. Eine solche Sammlung von Meinungen über unsichere zukünftige Entwicklungen „kann kaum als Folgenabschätzung bezeichnet werden und kann auch keine wissenschaftlichen Analysen und Modellierungen ersetzen“, heißt es in dem Schreiben. Ebenso wie ENGA lehnte es auch das Institut Testbiotech ab, sich befragen zu lassen. „Die Konsultation scheint weitgehend auf Phantasie und Spekulationen zu beruhen,“ schrieb das Institut an die Technopolis Group. Es fehlten die notwendigen Daten, um mögliche Auswirkungen vergleichen zu können und ein potenzieller Nutzen von NGTs werde bereits als Tatsache dargestellt. Die britische Organisation GMWatch nannte die Befragung voreingenommen. Sie scheine „der Auffassung der Kommission zu folgen, dass Deregulierung notwendig und wünschenswert ist“. GMWatch gab der Kommission ebenso einen Korb wie der europäische Bauernverband Via Campesina und Friends of the Earth Europe.

Die Organisationen kritisierten auch, dass der Fragebogen nur an ausgewählte und nicht genannte Stakeholder verschickt worden sei. Zudem seien die darin enthaltenen Szenarien in der am 22. Juli beendeten öffentlichen Konsultation zu den Deregulierungs-Plänen der Kommission noch verschwiegen worden. „Dabei wäre jeder EU-Bürger von einer Absenkung der Standards für Lebensmittelsicherheit und Transparenz betroffen“, schrieb ENGA. Unisono forderten die Organisationen deshalb eine erneute öffentliche Konsultation und eine neue, wissenschaftlich solide Folgenabschätzung.

Auch die Lobbywächter von Corporate Europe Observatory hatten der Kommission eine Absage geschickt und äußerten den Verdacht, dass wie bei früheren Gelegenheiten vor allem Industrievertreter gehört würden. In seiner Antwort darauf wies Klaus Berend, Geschäftsführender Direktor der EU-Generaldirektion Gesundheit, die Vorwürfe zurück. Die Kommission entwickle politische Vorschläge „in einem inklusiven und transparenten Prozess, in dem alle Interessengruppen willkommen sind und ermutigt werden, sich zu beteiligen“. Der Fragebogen sei an fast 400 Organisationen gegangen, deren Namen veröffentlicht würden, wenn die Befragung beendet sei. Berend wiederholte einmal mehr, dass die Kommission erst über einen möglichen neuen Rechtsrahmen entscheiden werde, wenn die Folgenabschätzung abgeschlossen sei.

Für Annemarie Volling dagegen sind die Pläne der EU-Kommission längst beschlossene Sache. Sie forderte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf, „bei der EU-Kommission Transparenz einzufordern“ und „sich klar für eine Regulierung aller neuen und alten Gentechnik-Verfahren einzusetzen“. Eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte dazu dem Landwirtschaftlichen Wochenblatt: „Kennzeichnung, Transparenz und die einzelfallbezogene Risikobewertung in einem Zulassungsverfahren müssen auch in Zukunft sichergestellt bleiben.“ Außerdem seien die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des Einsatzes von Gentechnik abzuschätzen, zum Beispiel auf den Ökolandbau. Der Deutsche Bauernverband hingegen plädierte gegenüber dem Wochenblatt dafür, auf eine Pflicht zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit für NGT zu verzichten. [lf]

29.08.2022 |

Bolivien greift gegen Schmuggel von Gentech-Saatgut durch

Unbeschriftete Jutesäcke mit Gentechniksaatgut stapeln sich in einer Lagerhalle. Foto: Aduana Nacional Unbeschriftete Jutesäcke mit Gentechniksaatgut stapeln sich in einer Lagerhalle. Foto: Aduana Nacional

Mehr als 620 Tonnen transgene Sojabohnen und Mais im Wert von fast 900.000 US-Dollar hat die bolivianische Zollbehörde nach eigenen Angaben vor zwei Wochen bei einer Razzia im Departement Santa Cruz beschlagnahmt. Die Ware wurde in einem Lagerhaus in Stapeln unbeschrifteter Jutesäcke sowie in Silos aufbewahrt. „Transgene Lebensmittel sind auf nationalem Gebiet nicht erlaubt, da sie die Gesundheit der Bevölkerung schädigen", sagte ein Zollfahnder.
Ein anonymer Hinweis setzte die nationale Zollbehörde Boliviens sowie das Nationale Institut für land- und forstwirtschaftliche Innovation (INIAF) in Aktion. Nachdem sie die gentechnisch veränderten Sojabohnen und Maiskörner aufgespürt und im Labor nachgewiesen hatten, rückten sie mit rund 200 Einsatzkräften in dem Lagerhaus im Osten Boliviens an. Innerhalb von 24 Stunden schafften die Mitarbeitenden von Zoll, INIAF, Staatsanwaltschaft und Armee die Säcke, die sich bis unters Hallendach getürmt hatten, zur Zollbehörde, informierte deren Regionaldirektor bei einer Pressekonferenz. Darüber hinaus sei in Silos weitere illegale Ware entdeckt worden. Gegen den Inhaber des Lagers seien Strafverfahren wegen Schmuggels und schweren Exportschmuggels eingeleitet worden.
Wie das Portal Amerika.21 berichtet, ist diese Beschlagnahme Ausdruck der strengeren Gentechnikpolitik des amtierenden Staatspräsidenten Luis Arce. Um die biologische Vielfalt Boliviens zu schützen, habe Arce bereits im April 2021 ein Dekret seiner Vorgängerin aufgehoben, das die Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Kulturen wie Mais, Zuckerrohr, Baumwolle, Weizen und Sojabohnen sowie ihren Anbau stark beschleunigt hatte.
Amerika21 sieht in der Agrarindustrie im östlichen Tiefland von Santa Cruz jedoch eine einflussreiche, gentechnikfreundliche Lobby, so dass der illegale Schmuggel von transgenem Saatgut und Pestiziden sowie der großflächige Anbau gentechnisch veränderter Kulturen schwer in den Griff zu bekommen sei. Das INIAF habe zwar diverse Regeln erlassen um zu vermeiden, dass sich gentechnisch veränderter Mais durch Fremdbestäubung in konventionelle Kulturen einkreuzt. In der Realität auf den Äckern, in den Lagern und Handelsketten bestünden jedoch vielfältige Möglichkeiten zur Kontamination. [vef]

22.08.2022 |

Italien: Rebell gegen GVO-Verbot nervt Gerichte

Gericht Justiz Foto: Morgan4uall / pixabay, CC0 Public Domain

Seit 2010 tat er es immer wieder: Giorgio Fidenato baute auf seinen Feldern in Norditalien Gentechnik-Mais an. Weil das verboten war (und ist), musste er Strafe zahlen und den Mais vernichten. Dagegen zog der heute 61jährige durch alle Gerichtsinstanzen. Jüngste Schlappe: Das zuständige Verwaltungsgericht entschied, dass das Anbauverbot für MON 810 in Italien rechtmäßig ist.
Giorgio Fidenato sieht seine Aktionen als „zivilen Ungehorsam“. Dass Italien den Anbau des Gentechnik-Maises im Wege der europäischen Opt-Out-Regelung auf seinem Territorium verbot, obwohl ihn die Gremien der Europäischen Union prinzipiell erlauben, bremse den Fortschritt und die Freiheit in der Landwirtschaft, monierte Fidenato. Um dagegen vor Gericht ziehen zu können, baute er dem Verbot zum Trotz auf seinen Feldern in der Provinz Udine mehrfach den insektengiftigen Mais der Bayer-Tochter Monsanto an und klagte dann gegen die behördlichen Vernichtungsbescheide.
Wie das italienische Portal „Il Gazzetino“ berichtete, war es im Juli 2021 wieder soweit. Begleitet von PR-Aktivitäten pflanzte Fidenato, der auch Präsident des für Gen-Saatgut eintretenden Verbandes „Agricoltori Federati“ ist, auf seinem Acker 16 Reihen Mon 810. Im Oktober gab ihm das italienische Agrarministerium per Bescheid auf, die Pflanzen zu zerkleinern und unterzupflügen. Als nichts geschah, hagelte es Anzeigen von anderen Bauern, die das Gütezeichen „Made in Italy“ in Gefahr sahen. Und Politikerinnen pochten auf die Errungenschaft des Opt-Out für Italien. Schließlich zerstörte die Forstverwaltung das Maisfeld.
Dagegen zog Fidenato im Dezember 2021 vor das zuständige regionale Verwaltungsgericht (TAR). Er beantragte, den Behördenbescheid für nichtig zu erklären, ihm den zerstörten Mais zu ersetzen sowie – als Voraussetzung all dessen - dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorzulegen, ob nicht die ganze Opt-Out-Richtlinie der Europäischen Union (EU) rechtswidrig ist. Denn wäre das der Fall, wäre auch das Anbauverbot in Italien Unrecht und damit die Anordnung, Fidenatos Mais zu vernichten. Das TAR Friaul-Julisch Venetien (FJV) hält jedoch alles für gültig und wies die Klage im Juli in vollem Umfang ab. Und die Richter scheinen inzwischen ziemlich genervt.
Sowohl das TAR FJV als auch der Staatsrat (in Italien oberstes Verwaltungsgericht) hätten das früher bereits ebenso entschieden, nachdem Fidenato schon 2018 widerrechtlich Gentechnik-Mais angebaut hatte, schrieben sie in ihrem Urteil. Der Kläger wiederhole nur seinen „grundlegenden Irrtum“, seine wirtschaftliche Freiheit als Unternehmer absolut zu setzen. Es sei eine „legitime Beschränkung“ der landwirtschaftlichen Tätigkeit, den Anbau von Gentechnik-Mais zu verbieten, soweit er potentiell umwelt- und gesundheitsgefährdend ist, habe bereits der Staatsrat ausgeführt. Das stehe auch im Einklang mit den Europäischen Verträgen, die, wie früher bereits erläutert, Primärgütern wie Gesundheit und Umwelt Vorrang einräumen. Dass der Kläger einfach apodiktisch behaupte, diese seien nicht gefährdet, überzeuge nicht.
Auch das Argument, ein Anbauverbot sei unverhältnismäßig, da es mildere Mittel zum Schutz der Allgemeinheit gebe, wiesen die Richter zurück. Fidenato habe weder ausgeführt, mit welchen agronomischen Techniken verhindert werden könnte, dass seine Gentechnikpflanzen konventionellen Maisanbau verunreinigen. Noch habe er dargelegt, dass er beim Anbau irgendwelche Schutzmaßnahmen ergriffen hätte. Einen Grund, das Verfahren dem EuGH vorzulegen, sahen die Richter nicht. Und was macht Giorgio Fidenato? Er will die Urteile der italienischen Justiz nicht akzeptieren. Die Richter hätten nicht unabhängig entschieden und respektierten nicht das europäische Recht, beklagte er sich gegenüber Il Gazzettino. Deshalb will er nun gegen die Richter vor Gericht ziehen und TAR wie Staatsrat auf zivilrechtliche Haftung verklagen. [vef]

16.08.2022 |

"Super-Erträge" mit Gentech-Reis: So entstehen Gentechnik-Märchen

Reis CRISPR Ein mittels Crispr/Cas genmanipulierter Reis der Pennsylvania State University (Foto: Penn State, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)-+-

Chinesische Wissenschaftler berichteten in einer Studie, wie sie durch Verdoppeln eines Gens bei Reis 40 Prozent höhere Erträge erzielten. Das Fachblatt Science veröffentlichte die Arbeit zusammen mit lobenden Kommentaren anderer Pflanzengenetiker*innen. Der Tenor: ein wichtiger Durchbruch, um mit Gentechnik die Welternährung zu sichern. Eine Woche später kritisierte eine angehende Pflanzenzüchterin auf Twitter die Darstellung als irreführend. Zahlreiche Züchtungsexperten stimmten zu. Die gentechnikkritische Plattform GMWatch verglich den Vorgang mit dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.

Die Forschenden der Chinesischen Akademie für Agrarwissenschaften hatten in einer speziell für die Forschung gezüchteten Reissorte die Kopie eines Gens eingebaut, das mehrere Stoffwechselfunktionen regelt. Durch die Doppelung habe die Pflanze mehr Stickstoffdünger aufgenommen, die Photosynthese gesteigert und früher geblüht, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftler*innen hatten ihren Reis von 2018 bis 2021 in Feldversuchen in verschiedenen Regionen Chinas angebaut und berichteten von Ertragssteigerungen von 41,3 bis 68,3 Prozent gegenüber unveränderten Reispflanzen. Das zusätzliche Gen bauten die Forschenden auch in eine kommerzielle Hochertragssorte ein sowie in Weizen. Die Hochertragssorte habe bis zu 40 Prozent höhere Erträge geliefert als zuvor und beim Weizen sei die Ernte um rund 20 Prozent besser ausgefallen, berichtete Science. „Das ist eine große Zahl. Erstaunlich“, zitierte das Magazin die Reis-Gentechnikerin Pam Ronald von der Universität von Kalifornien. Matthew Paul von Rothamsted Research, ein britisches Gentechnik-Institut, nannte die Ertragssteigerung durch die Manipulation eines einzigen Gens „wirklich beeindruckend“. Ähnlich enthusiastisch waren die Beiträge in britischen und US-amerikanischen Zeitungen, die GMWatch dokumentierte. In Deutschland brachte bisher nur die Plattform Heise.de einen übersetzten US-Beitrag zu der Studie.

Eine Woche nach Erscheinen des Science-Artikels twitterte Merrit Khaipho-Burch, angehende Pflanzenzüchterin und Doktorandin an der Universität von Hawaii, die Arbeit sei irreführend. Sie begründete dies in ihrem Tweet mit mehreren Argumenten: Die Ertragssteigerungen von 41,3 bis 68,3 Prozent seien mit einer Reissorte erzielt worden, die nur für Forschungszwecke und nicht auf Ertrag hin gezüchtet worden sei. Die Feldversuche seien jeweils nur mit 99 bis 120 Pflanzen durchgeführt worden, einer sehr kleine Anzahl für Ertragsversuche. Würde man die pro Versuchsfeld geernteten Gramm-Mengen hochrechnen, käme man auf 1,16 bis 1,39 Tonnen Reis je Hektar. Dies sei ein „unglaublich niedriger Ertrag“, verglichen mit den 6,8 Tonnen durchschnittlicher Reisernte pro Hektar in China, schrieb Khaipho-Burch. Vermutlich deshalb hätten die Forschenden auch eine kommerzielle Hochertragssorte entsprechend verändert und von Steigerungen zwischen 10 und 40 Prozent berichtet. Hochgerechnet hätten die Mengen einen Ertrag von sieben bis acht Tonnen Reis pro Hektar erbracht. In anderen Studien habe dieselbe Elitesorte ohne gentechnische Veränderung jedoch etwa zehn Tonnen pro Hektar erzielt. Merritt Khaipho-Burch schloss ihren Twitter-Beitrag mit dem Hinweis, dass Pflanzenzüchter, wenn sie eine konsistente Auswirkung auf den Ertrag nachweisen wollen, groß angelegte qualitätskontrollierte Versuche mit Elitesorten in verschiedenen Umgebungen durchführen müssten. „Übertriebene Studien in renommierten Fachzeitschriften“ hätten zur Folge, dass mehr Geld „in die Untersuchung unzuverlässiger Einzelgeneffekte“ fließe , statt in die traditionelle Pflanzenzüchtung, die seit langem „schrittweise, stabile und wiederholbare Ertragssteigerungen“ hervorbringe.

Für ihren Beitrag erhielt die Züchterin überwiegend unterstützende Antworten, auch von ausgewiesenen Expert*innen. „Es gibt gute Gründe, physiologische Fragen im Labor zu beantworten, aber man sollte die Ergebnisse nicht extrapolieren, um zu glauben, dass sie auf dem Feld anwendbar sind“, schrieb Marissa Collins, Agrarwissenschaftlerin an der La Troube Universität Melbourne. „Trotz 30 Jahren und vieler Milliarden, die dafür ausgegeben wurden, gibt es nur sehr wenige molekularbiologische Erfolgsgeschichten in der Landwirtschaft“, kommentierte Seth Murray, Maiszüchter an der Universität von Texas. Selbst Pam Ronald, die die Studie gelobt hatte, räumte ein: „Wir müssen qualitativ hochwertige Feldversuche durchführen, um die Erträge genau zu bewerten.“

Wie in der Geschichte mit des Kaisers neuen Kleidern habe die Studie über gentechnisch veränderten Reis nur Beifall geerntet, bis eine Studentin der Pflanzenzüchtung sich zu Wort meldete und auf die nackten Daten hingewiesen habe, schrieb GMWatch über den Vorgang und kommentierte abschließend: „Die Leichtgläubigkeit der Herausgeber von Fachzeitschriften und die unkritische Haltung eines Großteils der Medien führen dazu, dass das Potenzial der Pflanzengentechnik künstlich weit über das hinaus aufgeblasen wird, was sie tatsächlich zu leisten vermag, und zwar auf Kosten von bewährten und bereits verfügbaren Lösungen.“ [lf]

08.08.2022 |

Bayer will gentechnisch verändertes Unkraut auf den Markt bringen

Ackerhellerkraut (Foto: Matt Lavin, flickr.com/photos/35478170@N08/50117405266, creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/) Ackerhellerkraut (Foto: Matt Lavin, flickr.com/photos/35478170@N08/50117405266, creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)

Die Bayer AG hat die Mehrheit an dem US-Unternehmen CoverCress Inc. erworben. CoverCress ist der Markenname für ein gentechnisch verändertes Ackerhellerkraut. US-Farmer sollen die als Unkraut geltende Pflanze künftig als Zwischenfrucht anbauen und daraus Öl und Eiweißfuttermittel gewinnen. Freigegeben ist der Anbau in den USA schon – ohne Sicherheitsüberpüfung.

Entwickelt haben die neue, mit dem Raps verwandte Ölpflanze Wissenschaftler*innen der Illinois State University in einem eigens gegründeten Unternehmen. Sie veränderten durch neue gentechnische Verfahren den Ölgehalt der Samen, steigerten die Erträge und beschleunigten die Reifung der Samen. Die Zusammensetzung der Fettsäuren wurde an die von Raps angeglichen. Denn CoverCress soll als Winterölsaat angebaut und das daraus gepresste Öl zu Biodiesel verarbeitet werden. Ausgesät gleich nach der Maisernte im September, würde das Ackerhellerkraut den Acker über den Winter begrünen und früh im Frühjahr blühen. Dadurch könnten schon im Mai die kleinen hellerfömigen Samen mit einem Ölgehalt von rund 30 Prozent geerntet werden. Direkt danach würden dann Sojabohnen ausgesät.

Der Anbau einer Zwischenfrucht hat ökologische Vorteile: Der Boden bleibt bedeckt und ist vor Erosion geschützt; die zusätzlichen Pflanzen reichern Kohlenstoff im Boden an. Bei CoverCress kommt hinzu, dass die Zwischenfrucht auch noch Erträge bringen soll in Form von Öl und eiweißreichem Futtermittel. Dafür hat Bayer als Partner den Mineralölkonzern Chevron dabei, der sich ebenso an CoverCress Inc. (CCI) beteiligt hat wie der Agrarhändler Bunge. Die Mehrheit hält jedoch mit 65 Prozent die Bayer AG.

Für den Konzern bietet CoverCress mehrere Vorteile. Er kann Landwirten, die bereits für die Hauptfrüchte Mais und Soja Gentech-Saatgut und Pestizide bei Bayer kaufen, nun auch noch eine Zwischenfrucht samt Absatzweg anbieten. Die US-Genehmigungsbehörde APHIS hat bereits entschieden, dass der Anbau nicht gesetzlich reguliert ist. Die Pflanze gilt in den USA also nicht als gentechnisch verändert und wird entsprechend beworben. Vor allem aber lässt sich CoverCress gut als nachhaltige Entwicklung verkaufen. CCI will zusammen mit Vertragsbauern im Herbst 2022 auf 4.000 Hektar CoverCress aussähen. Bereits 2023 soll sich die Fläche verfünffachen.

Auch wenn CoverCress in den USA ohne Sicherheitsüberprüfung und Kennzeichnung angebaut werden darf, heißt dies nicht, dass die Pflanze sicher wäre. Ein offensichtliches Risiko ist, dass durch fliegenden Pollen die gentechnischen Änderungen an wildwachsendes Ackerhellerkraut sowie an andere eng mit dem Raps verwandte Pflanzen weitergegeben werden. Ebenso offen ist, wie gut sich die Samen der gentechnisch veränderten Pflanze als Tierfutter eignen. Da eiweißreiche Futtermittel weltweit gehandelt werden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Pressrückstände von CoverCress auch einmal unerkannt in Futtertröge in der EU gelangen. [lf]

01.08.2022 |

US-Studie: Glyphosatschäden im Gehirn könnten Alzheimer begünstigen

Glyphosat überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Foto: Arizona State University Glyphosat überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Foto: Arizona State University

Wissenschaftler*innen der Universität von Arizona haben erstmals im Tierversuch gezeigt, dass Glyphosat die Blut-Hirnschranke überwinden kann. Der Herbizidwirkstoff greife dort dosisabhängig in den Stoffwechsel von Botenstoffen auf eine Art und Weise ein, die Krankheiten wie Alzheimer herufen könnte, schrieben die Forschenden.

Sie hatten Mäusen über zwei Wochen Konzentrationen von 150 bis 500 Milligramm Glyphosat je Kilogramm Körpergewicht ins Futter gegeben. Die nachfolgende Analyse der Gehirne zeigte, dass das Glyphosat die Blut-Hirnschranke überwunden hatte. Das ist eine Zellschicht, die verhindern soll, dass gelöste Substanzen aus dem Blutkreislauf ohne weiteres in die Flüssigkeit des zentralen Nervensystems gelangen. Doch ließ sich das Glyphosat nicht nur in der Flüssigkeit nachweisen, die die Nervenzellen umspült – es zeigte dort auch Wirkung. Die Wissenschaftler wiesen, abhängig von der jeweiligen Dosis, erhöhte Werte an TNFα nach. Das Kürzel steht für Tumornekrosefaktor Alpha, ein wichtiger Botenstoff des Immunsystems. Erhöhte Gehalte an TNFα gehen mit Entzündungssymptomen einher. Im Gehirn stehen erhöhte TNFα-Werte im Zusammenhang mit Nervenerkrankungen wie Alzheimer.

Zusätzlich hatten die Wissenschaftler*innen Nervenzellen der Mäuse im Reagenzglas mit den im Gehirn festgestellten Glyphosatkonzentrationen versetzt. Sie stellten dabei fest, dass sich dosisabhängig vermehrt lösliches Beta-Amyloid (Aβ) bildete und sich die Lebensfähigkeit der Nervenzellen verringerte. Beta-Amyloide sind klebrige Eiweiße, die im Gehirn zu festen Belägen verklumpen können – dem wichtigsten Merkmal von Alzheimer. Schließlich untersuchten die Wissenschaftler*innen noch, wie das Glyphosat im Gehirn der Mäuse die Arbeit der Gene in den Gehirnzellen beeinflusst hatte. Sie fanden zahlreiche Änderungen, die auf Störungen in der Expression von Genen hindeuteten, die mit nervenabbauenden Erkrankungen in Zusammenhang stünden, hieß es in einer Mitteilung der Universität von Arizona.

In ihrer Studie interpretieren die Autor*innen ihre Ergebnisse so: Die Glyphosat-Exposition könne vermutlich zu einem früheren Ausbruch oder einem beschleunigten Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung beitragen. Allerdings sei noch viel Arbeit erforderlich, bevor ein ursächlicher Zusammenhang hergestellt werden könne. In ihren Versuchen hatten die Wissenschaftler mit relativ hohen Glyphosatkonzentrationen gearbeitet, wie sie in der Sicherheitsforschung üblich sind. Nun müssten die Versuche mit Glyphosatkonzentrationen wiederholt werden, wie sie in der Umwelt vorkämen, schrieben die Autor*innen im Diskussionsteil ihrer Studie. Zudem sei es notwendig, die Versuche auch mit gebrauchsfertigen glyphosathaltigen Pestiziden zu wiederholen und nicht nur mit dem Wirkstoff alleine. Auch sollte untersucht werden, ob Glyphosat in Gehirnen von an Alzheimer Verstorbenen nachgewiesen werden könne. [lf]

28.07.2022 |

Südafrika will auf Gentech-Zuckerrohr setzen

Arbeiter auf Zuckerrohr-Plantage in Südafrika, Foto: Mathias Rittgerott/Rettet den Regenwald, https://bit.ly/3P2qZrn, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/ Arbeiter auf Zuckerrohr-Plantage in Südafrika, Foto: Mathias Rittgerott/Rettet den Regenwald, https://bit.ly/3P2qZrn, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Das südafrikanische Zucker-Forschungsinstitut SASRI plant Feldversuche mit gentechnisch verändertem Zuckerrohr. Das Afrikanische Zentrum für Biodiversität (ACB) sieht diese Entwicklung in Zusammenhang mit den staatlichen Plänen, die Zuckerindustrie auszubauen. Es befürchtet, dass großflächige Plantagen mit Gentech-Zuckerrohr entstehen könnten, um daraus Ethanol als nachwachsenden Treibstoff herzustellen.

Das SASRI forscht nach eigenen Angaben schon seit den 90er Jahren an gentechnisch verändertem (gv) Zuckerrohr. Die dort mit alten gentechnischen Verfahren entwickelten Pflanzen enthalten laut ACB eine Herbizidresistenz und produzieren ein Bakterientoxin (Bt). Dieses soll die Pflanze vor dem afrikanischen Zuckerrohrbohrer (Eldana saccharina) schützen. Die Raupe dieses Schmetterlings verursache jedes Jahr Schäden in Höhe von einer Milliarde südafrikanischer Rand (rund 60 Millionen Euro), argumentiert SASRI. Dessen Forscher gehen davon aus, dass es noch zwei, drei Jahre bis zum ersten Feldversuch dauern werde und rechnen daran anschließend mit einem langwierigen Zulassungsverfahren.

Dass ACB frühzeitig Alarm schlägt und ein Moratorium für gv-Zuckerrohr fordert, hat einen Grund: Die südafrikanische Regierung stellte 2020 einen Masterplan für die Zuckerindustrie vor. Sie will bis 2030 – so beschreibt es ACB – zusammen mit der angeschlagenen Industrie „global wettbewerbsfähige und nachhaltige diversifizierte zuckerrohrbasierte Wertschöpfungsketten“ entwickeln. Dabei soll Ethanol-Kraftstoff als Produkt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. „Wir wenden uns entschieden gegen die Vorstellung, industriell angelegte Monokulturen mit gentechnisch verändertem Zuckerrohr könnten als Teil eines Pakets den Bedarf an erneuerbaren Energien decken“, schreibt ACB. Dies würde lokale Nahrungsmittelsysteme und die Existenzgrundlage vieler Kleinbauern unterminieren.

Bisher ist gv-Zuckerrohr keine Erfolgsgeschichte. Brasilien hatte 2017 erste gv-Zuchtlinien für den konventionellen Anbau zugelassen. Doch die Nachfrage blieb gering. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete im April, dass die Anbaufläche für die Saison 2022/23 auf 70.000 Hektar gestiegen sei. Das ist weniger als ein Prozent der gesamten brasilianischen Zuckerrohrfläche von 8,2 Millionen Hektar. Noch vor Brasilien hatte Indonesien 2013 eine trockentolerante gv-Zuckerrohrlinie zugelassen, über deren tatsächliche Nutzung allerdings nichts bekannt ist. Argentinische Wissenschaftler erklärten in einer aktuellen Übersicht die langsame Entwicklung mit den technischen Schwierigkeiten, mit denen gentechnische Eingriffe in das komplexe und noch nicht komplett entschlüsselte Erbgut des Zuckerrohrs verbunden seien.[lf]

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