25.10.2022 |

Ukraine: Hälfte der Sojaernte von illegalen Gentech-Pflanzen

Soy Soja in Reih und Glied (Foto: United Soybean Board, https://bit.ly/3TzlpzR, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Die ukrainischen Landwirte ernten in diesem Jahr rund 3,5 Millionen Tonnen Sojabohnen. Marktkenner schätzen, dass die Hälfte davon gentechnisch verändert (gv) ist. Dabei ist der Anbau von gv-Soja in der Ukraine verboten. Die Regierung will jetzt per Gesetz die Kontrollen verbessern und die Strafen verschärfen. Die Ernte von zertifiziert gentechnikfreien Sojabohnen im Partnerschaftsprogramm des Vereins „Donau Soja“ wird voraussichtlich mit 600.000 Tonnen einen neuen Rekord erreichen.

Das ukrainische Landwirtschaftsministerium schätzt die diesjährige Ernte an Sojabohnen auf 3,5 Millionen Tonnen. Damit trägt die Ukraine mehr als ein Drittel zur europäischen Sojaernte von 9,6 Millionen Tonnen bei. Die Zahlen teilte ENGA, der europäische Verband der gentechnikfreien Wirtschaft, mit und warnte zugleich davor, dass – „nach Schätzungen von Marktquellen“ – etwa 50 Prozent der Ernte illegal angebaute gv-Sojabohnen seien. Diese Angabe deckt sich mit anderen Quellen. Schon 2018 untersuchte die rumänische Umweltorganisation Agent Green Blattproben von 60 Sojafeldern in sechs Regionen der Ukraine (der Informationsdienst Gentechnik berichtete). Auf der Hälfte der Felder wuchsen gv-Bohnen, deren Anbau dort schon damals nicht erlaubt war. Und das US-Landwirtschaftsministerium schrieb im November 2021 in einem Bericht über Gentechnik in dem osteuropäischen Land: „Industriequellen in der Ukraine berichteten, dass 50-65 Prozent der Sojabohnen, 10-12 Prozent des Rapses und weniger als ein Prozent des für den Export produzierten Maises positiv auf gentechnische Veränderungen getestet werden.“

Auch Susanne Fromwald, Projektleiterin der Protein Partnerschaften beim europäischen Verein „Donau Soja“ und Vorstandsmitglied bei ENGA, hält die 50 Prozent gv-Soja für eine realistische Schätzung. „Es gibt keine offiziellen Zahlen; aber Stichproben, die wir und andere Marktteilnehmer machen, bestätigen das Problem.“ „Donau Soja“ zertifiziert europaweit gentechnikfreien Sojaanbau und ist in der Ukraine mit einem eigenen Büro vertreten. Die Standards von „Donau Soja“ schreiben vor, dass nachweislich gentechnikfreies Saatgut verwendet werden muss, was im Rahmen von externen Audits jährlich kontrolliert wird. Dabei würden etwa Blätter der Soja-Pflanzen untersucht, ob sie gentechnisch verändert wurden, so Fromwald. Auch aus der Ernte würden Proben getestet. Dabei habe es bei den mit „Donau Soja“ verbundenen Landwirten „in all den Jahren keine Probleme gegeben“, versichert die Projektleiterin. Der Verein schule Landwirte wie Lagerhausbetreiber und berate sie. Agent Green habe die gv-Soja 2018 auf Feldern von Landwirten gefunden, die nicht von „Donau Soja“ zertifiziert waren.

„Wir rechnen damit, dass in diesem Jahr 600.000 Tonnen nach unseren Standards angebautes Soja in der Ukraine geerntet werden, das wäre ein Rekord“, kündigt Fromwald an. Hinzu kommt gentechnikfreie Soja, die nach VLOG-Standards (Verband Lebensmittel ohne Gentechnik) oder von Bio-Verbänden zertifiziert wurde. Wie berichtet hatten Bauern- und Erzeugerverbände im Sommer mehrfach behauptet, es werde wegen des Ukrainekrieges 2022 nicht genug gentechnikfreie Soja geerntet, um die Produktion von Milchprodukten und Geflügel ohne gentechnisch verändertes Tierfutter sicherzustellen. Jenseits der zertifiziert gentechnikfreien Erzeugnisse sieht Fromwald eine gewisse Zweiteilung im Export: „Die Ukrainer wissen, dass in der EU und insbesondere im deutschsprachigen Raum stärker kontrolliert wird und achten darauf, wohin sie exportieren. Lieferungen mit gv-Soja gehen deshalb eher in die Türkei oder den Nahen Osten.“

Um gegen die illegalen gv-Sojafelder vorzugehen, hatte die ukrainische Regierung dem Parlament bereits 2021 zwei Gesetzentwürfe vorgelegt. Der eine soll die Strafen für illegalen gv-Anbau verschärfen; der zweite das nationale Gentechnikrecht an das der Europäischen Union angleichen und die Kontrolle verbessern. Dass dies dringend notwendig ist, zeigt eine Randbemerkung im Bericht des US-Agrarministeriums: „Nach dem derzeitigen ukrainischen Rechtsrahmen ist es fast unmöglich, einen illegalen Produzenten von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Ukraine zu bestrafen, da in den geltenden Gesetzen nicht explizit festgelegt ist, welche Behörde für die gerichtliche Verfolgung von Verstößen zuständig ist.“ Wegen des Krieges wurden die beiden Gesetzentwürfe bisher nicht beraten. Dies soll nun nachgeholt werden, wie die ukrainische Plattform pigua.info berichtete. Die Republik Moldawien hat übrigens ein solches Gesetz bereits verabschiedet, wie ENGA meldete. Auch in Moldawien wurde schon illegaler gv-Anbau nachgewiesen.

Dass trotz des Krieges die ukrainische Sojaernte stabil blieb, erklärt Susanne Fromwald mit folgenden Faktoren: Der Schwerpunkt des Sojaanbaus liegt in der Zentral- und Westukraine und war vom Krieg weniger betroffen. Zudem bauten viele Landwirte angesichts der explodierenden Düngerpreise mehr Sojabohnen an, da diese keinen Dünger brauchen und zusätzlich noch Stickstoff in den Boden bringen. Und auch der Export der Soja funktioniere, da große Lagerhallen und Verarbeiter nahe der EU-Grenzen liegen und gut an das Transportnetz der EU angebunden sind. [lf/vef]

22.10.2022 |

Bericht: Corteva meldet 1400 Patente für genomeditierte Pflanzen an

Protest vor dem österreichischen Corteva-Standort in Parndorf 2022 Foto: Global2000/Christopher Glanzl Protest vor dem österreichischen Corteva-Standort in Parndorf 2022 Foto: Global2000/Christopher Glanzl

Der Agrarkonzern Corteva (früher Dow, DuPont und Pioneer) hat weltweit rund 1.430 Patente auf Pflanzen angemeldet, die mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt wurden. Auf Platz zwei liegt Bayer mit 119 Patenten. Gezählt haben die Patente sechs Verbände und Institutionen in einer gemeinsamen internationalen Recherche. Sie befürchten, dass diese Patentflut den Zugang von Züchtenden, Landwirtinnen und Landwirten zur genetischen Vielfalt einschränkt und die Ernährungssicherheit bedroht.

Die grundlegenden Patente für neue gentechnische Verfahren (NGT) wie Crispr/Cas liegen meist bei den Forschenden und universitären Einrichtungen, die sie entwickelt haben. Die beiden Gentechnik-Konzerne Corteva und Bayer haben von diesen weitgehende Lizenzrechte an den Verfahren erworben, beschreibt der Bericht unter dem Titel „Wie zwei Biotech-Giganten Patente und neue Gentechnikpflanzen nutzen, um die Zukunft der Ernährung zu kontrollieren“. Die beiden Unternehmen, die zusammen 40 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes beherrschten, setzten die Technologien bei Pflanzen ein und sicherten sowohl die Anwendungen als auch die dabei entstehenden Pflanzen mit Patenten ab, kritisieren sechs europäische und nationale Verbände und Institutionen. Wer künftig mit diesen Pflanzen und ihrem Saatgut arbeiten will, muss Lizenzgebühren an die Konzerne zahlen.

Dabei spielt es laut Bericht keine Rolle, ob die patentierten Pflanzen überhaupt von den Konzernen selbst vermarktet werden. Gleichzeitig würden zahlreiche Patente Ansprüche auf eine einmal mit NGT erzielte Eigenschaft erheben, egal in welcher Nutzpflanze diese vorkommt und ob sie in dieser Pflanze durch NGT erreicht wurde oder womöglich natürlich vorkommt. „Die Saatgutkonzerne verwischen bewusst Unterschiede zwischen konventioneller Züchtung, zufälliger Mutagenese und Gentechnik“, kritisieren die Autorinnen des Berichts. Sie sehen darin einen Missbrauch des Patentrechts und fordern, die Schlupflöcher im europäischen Patentrecht, die einen solchen Missbrauch möglich machen, dringend zu schließen.

Denn durch solche weitgreifenden Patente würden Züchtende, Landwirte und andere an der Lebensmittelkette Beteiligte mit erheblicher Rechtsunsicherheit konfrontiert. „Da es keine leicht zugänglichen Informationen darüber gibt, was in den Patenten enthalten ist, kann es schwierig sein herauszufinden, welche Pflanzen patentiert sind“, heißt es in dem Bericht. Die Betroffenen wüssten nicht, was sie mit Pflanzen, mit denen sie täglich arbeiten, tun dürften, wofür Lizenzgebühren zu zahlen wären und was möglicherweise eine Klage nach sich ziehen könnte. Der Bericht erinnert an die Versuche der Bayer-Tochter Monsanto, Landwirte wegen angeblicher Patentverletzungen per Klage zur Kasse zu bitten.

Die Autorinnen des Berichts thematisieren auch die widersprüchliche politische Argumentation der Gentechnik-Konzerne: Neue gentechnisch manipulierte Pflanzen sollten von den Sicherheitskontrollen und Kennzeichnungsvorschriften der Europäischen Union für gentechnisch veränderte Lebensmittel ausgenommen werden, da sie mit natürlichen Pflanzen gleichzusetzen und die Eingriffe nicht nachweisbar seien. Gleichzeitig aber ließen sich die Konzerne NGT als technische Innovationen patentrechtlich absichern – was nur Sinn macht, wenn man eine Verletzung des Patents auch nachweisen kann. Das Fazit des Berichts: „Konzerne wie Corteva und Bayer wollen für ihre NGT-Pflanzen und ihr NGT-Saatgut vereinfachten Zugang zum EU-Markt erhalten und so eine größere Kontrolle über Bäuer:innen, Pflanzenzucht und das Ernährungssystem erlangen“. Verfasst haben den Bericht die Umweltorganisationen GLOBAL 2000, Friends of the Earth Europe, Arche Noah, die Lobbykontrolleure von Corporate Europe Observatory, sowie die IG Saatgut und die Arbeiterkammer Wien. [lf]

17.10.2022 |

Glyphosat: Wird EU-Kommission Zulassung verlängern?

RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, http://bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/) RoundUp von Bayer/Monsanto (Foto: Mike Mozart, bit.ly/2yIfwuQ, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

+++ UPDATE +++ Überraschend haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) am Freitag nicht mit der erforderlichen Mehrheit dafür gestimmt, den Unkrautvernichter Glyphosat ein Jahr länger zuzulassen, um ihn intensiver prüfen zu können. Deutschland, Frankreich und Slowenien haben sich enthalten. Sollte der Vorschlag der EU-Kommission auch im Berufungsausschuss keine qualifizierte Mehrheit finden, kann diese die Mitte Dezember auslaufende Zulassung des umstrittenen Totalherbizids selbst verlängern.
Ursprünglich sollte der Verlängerungsantrag der Agrarchemieindustrie unter Führung des Bayerkonzerns aus dem Jahr 2019 bis 15. Dezember dieses Jahres bearbeitet sein. An diesem Tag endet die aktuelle Genehmigung. Da Wissenschaft und Gesellschaft sich jedoch mit mehr als 3000 Seiten Stellungnahmen am Verfahren beteiligten, hisste die europäische Lebensmittelbehörden EFSA bereits im Mai diesen Jahres die rote Flagge: Um alle Eingaben angemessen prüfen und berücksichtigen zu können, brauche man bis zum Sommer 2023 Zeit (der Infodienst berichtete). Wie die EU-Kommission auf ihrer Webseite ausführt, diene das der Rechtssicherheit der späteren Zulassungsentscheidung und sage nichts darüber aus, wie diese nach abgeschlossener Prüfung ausfallen werde.
Die Kommission bedauere, dass die Mitgliedstaaten ihren Vorschlag nicht unterstützt hätten, obwohl sie in diesem Fall rechtlich verpflichtet sei, die Zulassung zu verlängern, teilte eine Sprecherin dem Infodienst Gentechnik mit. Zwar habe im zuständigen Ausschuss eine Mehrheit der 27 EU-Mitglieder für die Verlängerung gestimmt. Die nötige qualifizierte Mehrheit von Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, sei jedoch nicht erreicht worden. Wie die Nachrichtenagentur Agra Europe berichtete, votierten Kroatien, Luxemburg und Malta dagegen, die aktuelle Zulassung von Glyphosat um ein Jahr zu verlängern. Slowenien sowie die bevölkerungsreichen Länder Deutschland und Frankreich enthielten sich. So sei das erforderliche Quorum von 65 % der EU-Bevölkerung knapp verfehlt worden.

Der grüne Agrarminister Cem Özdemir begründete seine Enthaltung damit, dass er einerseits einer rechtssicheren Entscheidung nicht im Wege stehen wolle. Andererseits sei die EU-Kommission schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen worden, dass die Auswirkungen von Glyphosat auf die biologische Vielfalt in dem Genehmigungsverfahren eine maßgebliche Rolle spielen müssten. Wie Agra Europe berichtet, habe sich ferner der Koalitionspartner FDP dafür eingesetzt, dass diese technische Übergangszulassung nicht politisiert werde. Für die Zukunft wünschten sich die Liberalen eine Entscheidung nach wissenschaftlichen Kriterien.
Für Cem Özdemir ist klar, dass Glyphosat in Deutschland ab 1.1.2024 verboten wird, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart und in der geltenden Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung bereits verankert ist. Er werde sich auch auf EU-Ebene mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das Totalherbizid nach Abschluss der Prüfung endgültig verboten wird, hatte der Agrarminister Ende September im deutschen Bundestag angekündigt. Sollte das nicht gelingen, müsse eine nationale Lösung für Deutschland gefunden werden. Er sei zwar an das europäische Recht gebunden, werde aber alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, das vereinbarte Verbot in Deutschland umzusetzen.
Die Umweltorganisation Greenpeace äußerte sich enttäuscht, dass der grüne Agrarminister nicht dagegen gestimmt hatte, das umwelt- und gesundheitsschädliche Herbizid ein Jahr länger zuzulassen. „Der hohe Glyphosateinsatz schädigt die Artenvielfalt massiv“, kritisierte Landwirtschaftsexpertin Christiane Huxdorff. „Es gibt viel bessere und intelligentere, spezifisch wirkende Möglichkeiten, Ackerunkräuter in Schach zu halten, als über ein Totalherbizid, das sämtliche Pflanzen tötet.“ Bereits im Vorfeld der heutigen Entscheidung hatte der Bund für Umwelt- und Naturschutz eine sozial-ökologische Transformation in der Landwirtschaft und eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes gefordert. Denn bislang steigt der Glyphosatverbrauch weiterhin. 2021 seien 4100 Tonnen versprüht worden; 2020 waren es noch knapp 3800 Tonnen. Der Anbauverband Bioland hatte von Özdemir verlangt, sämtliche Totalherbizide zu verbieten. „Der Einsatz von Totalherbiziden widerspricht der Biodiversitätsstrategie der EU-Kommission”, sagte der Leiter Agrarpolitik, Gerald Wehde. "Auch die EU-Kommission muss endlich klare Kante zeigen und ihre durchaus guten Strategien selbst ernst nehmen!”

Als nächster wird in der Causa Glyphosat nun der Berufungsausschuss der Mitgliedsländer entscheiden - nach Informationen von Agra Europe spätestens in drei Wochen. Sollte dort wieder keine qualifizierte Mehrheit in die ein oder andere Richtung zustande kommen, kann die EU-Kommission das Pflanzengift selbst für ein weiteres Jahr zulassen. Auf die Frage, ob das bis 15. Dezember klappen wird, sagte ein Sprecher dem Portal Euractiv, die EU-Kommission werde „alles in ihrer Macht Stehende tun“, um das Verfahren zu beschleunigen. [vef]

Update 17.10.: Verfahrensdetails von Agra Europe und Euractiv ergänzt.

11.10.2022 |

Kenia erlaubt Anbau und Import gentechnisch veränderter Pflanzen

Feldversuch mit Gentech-Mais in Kenia Foto: AATF Feldversuch mit Gentech-Mais in Kenia Foto: AATF

Kenias neu gewählter Präsident William Ruto hat ein seit zehn Jahren bestehendes Verbot aufgehoben, gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen kommerziell anzubauen oder zu importieren. Er begründete den Schritt mit der dürrebedingten Hungersnot in Teilen seines Landes. Zahlreiche Organisationen kritisierten die Entscheidung. Sie befürchten, dass billiger US-Mais und importiertes Saatgut Kleinbauern in den Ruin treiben könnten.

Der Präsident äußerte sich vergangene Woche nach einer Kabinettsitzung, die sich mit der Hungerkrise im Norden und Osten Kenias befasste. Sie bedroht nach UN-Angaben 4,4 Millionen Menschen. Ruto hob nicht nur das Verbot auf, die Regierung erlaubte auch ab sofort, gv-Mais einzuführen und anzubauen, zitierte die kenianische Zeitung Nation aus dem Statement. Damit ermöglichte der Präsident Hilfslieferungen von US-Gentech-Mais in die Dürregebiete. Gleichzeitig könnten weitere US-Importe zu sinkenden Preisen für Maismehl und Tierfutter führen, schrieb das Magazin The East African.

Solche kurzfristigen Effekte dürften dem im August nur mit knapper Mehrheit gewählten Ruto helfen, seine Macht zu stabilisieren. Doch der Ex-Agrarminister war früher schon für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und will mit ihrer Hilfe jetzt die kenianische Landwirtschaft modernisieren. Die Aufhebung des Verbots sei „Teil der mittel- bis langfristigen Antworten auf die anhaltende Dürre“ sowie ein „progressiver Schritt hin zu einer signifikanten Neudefinition der Landwirtschaft in Kenia durch die Einführung von Pflanzen, die gegen Schädlinge und Krankheiten resistent sind“, hieß es in der Erklärung Rutos.

In seiner Antwort wies ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen auf die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung für die Kleinbauern hin, die 80 Prozent der Agrarbetriebe in Kenia ausmachen und wesentlich zur lokalen Versorgung der Menschen beitragen. Sie müssten nun mit technisch hochentwickelten und stark subventionierten US-Landwirten konkurrieren, argumentieren die Verbände. Dies sei kein fairer Wettbewerb, gefährde den lokalen Handel und auch den wachsenden Export von Bio-Produkten nach Europa. Zudem mache gentechnisch verändertes Saatgut die Bauern abhängig von profitorientierten multinationalen Konzernen.
Das sieht auch Stig Tanzmann so, Landwirtschaftsreferent der Hilfsorganisation Brot für die Welt. Die Versprechungen der Agro-Gentechnik würden vor allem die Kassen der Konzerne füllen, nicht aber leere Mägen, sagte er dem Infodienst: „Bäuerinnen und Bauern zeigen mit ihren Saatgutsystemen und ihrer agrarökologischen Produktion, dass es genügend Alternativen zu GVOs gibt, die reale Antworten auf Hungerkrise, Klimakrise und Schädlingsbefall liefern.“ Deshalb müssten diese bäuerlichen Produktionssysteme endlich genauso gefördert und unterstützt werden wie GVOs. In Kenia ist die agrarökologische Bewegung stark und auch gut organisiert. Ein Beispiel dafür ist die vom Dachverband Pelum Kenya organisierte dreitägige Messe für heimisches Saatgut, die derzeit in der Hauptstadt Nairobi stattfindet.

Zur Kritik der Verbände passt ein Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, wonach die USA seit Jahren Druck auf Kenia ausübten, das GVO-Verbot zu kippen. Dabei habe der US-Handelsbeauftragte auch argumentiert, dass ansonsten Hilfslieferungen in Hungerregionen nicht möglich seien. Der Lobbyverband der US-Getreidefarmer begrüßte Rutos Entscheidung laut dem Portal GrainNet als „einen wichtigen Wendepunkt in der Entwicklung der kenianischen Lebens- und Futtermittelmärkte". Der Gentechkonzern Bayer sprach gegenüber dem Spiegel von einem „bahnbrechenden Schritt“ und einem „wichtigen Zeichen über die Landesgrenzen hinaus“. Gemeint sind damit Kenias Nachbarländer Tansania und Uganda, die bisher einen strikten Anti-Gentechnikkurs fahren.

Neben den soziökonomischen Auswirkungen spielen in der kenianischen Debatte mögliche gesundheitliche Folgen eine wichtige Rolle. Das GVO-Verbot von 2012 war auch eine Reaktion auf die damals veröffentlichen Seralini-Studie, bei der mit gv-Mais gefütterte Ratten Tumore bekamen. Seither ist gv-Mais in Kenia bei vielen Menschen mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden. Laut einer Umfrage würden 57 Prozent keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen, schrieben die Verbände in ihrem Statement. Ruto nannte deshalb die Weltgesundheitsorganisation und die EU-Lebensmittelbehörde EFSA als Zeugen für die Unschädlichkeit von gv-Mais.

Trotz des Verbots blieben die kenianischen Regierungen der vergangenen zehn Jahre der Agrogentechnik gegenüber aufgeschlossen. Das nationale Forschungsinstitut KALRO entwickelte krankheitsresistente gv-Kassava und gv-Kartoffeln und führt auch Feldversuche durch. 2019 erlaubte Kenia den Anbau von insektenresistenter Bt-Baumwolle. Es gibt eine nationale Biosicherheitsbehörde (NBA), doch die sei mit den auf sie zukommenden Aufgaben überfordert, befürchten die Verbände. Sie fordern deshalb, den Gentechnik-Bann wieder in Kraft zu setzen. [lf/vef]

07.10.2022 |

Kanada: Gentechnik-Raps vererbt Glyphosatresistenz an Unkräuter

Rübsen (Brassica rapa) Foto: Bogdan, CC BY-SA 3.0, https://bit.ly/3T9j6mt Rübsen (Brassica rapa) Foto: Bogdan, CC BY-SA 3.0, https://bit.ly/3T9j6mt

Kanadische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Gentechnik-Raps seine Glyphosatresistenz an verwandte Unkräuter weitergegeben hat. Diese haben die erworbene Eigenschaft unerwarteter Weise dauerhaft in ihrem Erbgut verankert und machen sich nun auf Feldern jenseits der großen Rapsanbaugebiete breit.

In Kanada wird seit 25 Jahren in großem Stil gentechnisch veränderter (gv) herbizidresistenter Raps angebaut. Dass dieser sich mit wildem Raps kreuzen kann und auch mit der verwandten Art der Rübsen ist bekannt. Dennoch lieferte eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des staatlichen Saint-Jean-sur-Richelieu Research and Development Centre in der Provinz Quebec einige Überraschungen. Die Forschenden gingen Meldungen von Farmern nach, die glyphosatresistenten Mais und Soja anbauten. Ihnen waren im Jahr 2015 rapsähnliche Pflanzen aufgefallen, die sich mit glyphosathaltigem Spritzmittel nicht beseitigen ließen. Da in der Region kaum Raps gesät wurde, ließen sich die Wissenschaftler in den Jahren 2017 bis 2019 von 20 Agrarbetrieben Proben der verdächtigen Pflanzen schicken und untersuchten 147 davon molekularbiologisch. Ein Drittel der betroffenen Bauern berichtete, dass die rapsartigen Pflanzen mehr als die Hälfte des jeweiligen Feldes bedeckten, obwohl sie selbst dort nie Raps angebaut hatten. Dorthin gelangt sein könnten die Pflanzen über Dung, Maschinen, importiertes Heu, Saatgut oder von Nachbarfeldern, vermuteten die Landwirte.

Wie die Forscher herausfanden, handelte es sich bei den untersuchten Pflanzen teilweise um wildwachsenden gv-Raps, teilweise um die nah mit dem Raps verwandten Rübsen (Brassica rapa). Sie wachsen in vielen Regionen als Ackerunkraut. Dass sich gv-Raps und Rübsen kreuzen können, ist nicht neu. Doch gingen die Wissenschaftler:innen bisher davon aus, dass die dabei entstehenden Hybriden sich kaum fortpflanzen und sich deshalb nicht auf Dauer in der Umwelt halten können. Die kanadischen Forschenden stellten nun fest, dass es sich bei den untersuchten glyphosatresistenten Pflanzen um reinerbige Rübsen handelte. Sie erklärten dies damit, dass sich die Rübsen nach dem Zusammentreffen mit dem gv-Raps in den nächsten Generationen weiter mit Rübsen fortgepflanzt hätten. Dabei seien andere Raps-Eigenschaften wieder verloren gegangen, resistent gegen Glyphosat seien sie aber geblieben.

Überrascht waren die Forscher:innen auch, als sie zwei Proben als Acker-Rettich (Raphanus raphanistrum) identifizierten, ein weiterer wilder Verwandter des Rapses. Nach Angaben der Wissenschaftler wurden beide Arten bisher nur im Labor gekreuzt. Ihr Fund sei demnach der erste nachgewiesene Fall einer Auskreuzung unter natürlichen Bedingungen. Für das gentechnikkritische Institut Testbiotech zeigt die kanadische Studie „erneut die Komplexität und Unvorhersehbarkeit ökologischer Zusammenhänge“. Die Wissenschaftler:innen selbst mahnten: Wenn eine Nutzpflanze gentechnisch verändert wird, sollte man berücksichtigen, ob verwandte Arten Unkrauteigenschaften haben und fähig sind, Hybriden zu bilden – so wie das bei Raps, Rübsen und Acker-Rettich der Fall ist.

Dies kann sogar zu wildwachsenden gv-Pflanzen in Ländern führen, in denen gv-Raps gar nicht angebaut wird. Koreanische Wissenschaftler hatten vor einem Jahr die bekannten Fälle von wildem gv-Raps aus 14 Ländern auf fünf Kontinenten zusammengetragen, darunter auch Österreich, die Schweiz und Deutschland. In der Schweiz kontrollieren die Behörden regelmäßig Transportrouten von Rapssaat oder Vogelfutterplätze auf gv-Raps. 2021 untersuchten sie an Hotspots wie Rangierbahnhöfen oder Ölmühlen insgesamt 180 wildwachsende Rapspflanzen. 26 von ihnen waren gentechnisch verändert. In Deutschland gibt es immer noch kein entsprechendes Monitoring. [lf/vef]

03.10.2022 |

Studie: Lobbyieren Wissenschaftler aus Eigeninteresse für neue Gentechnik?

Lobbyismus Lobbyisten Foto: spekulator / stock.xchng

Zahlreiche Gentechnikforschende setzen sich als scheinbar unabhängige Wissenschaftler dafür ein, das EU-Gentechnikrecht zugunsten neuer gentechnischer Verfahren zu lockern. Eine Studie der Grünen im Europäischen Parlament zeigt, dass viele von ihnen damit auch eigene wirtschaftliche Interessen vertreten könnten - etwa weil sie Patente oder Patentanmeldungen für Gentechnikprodukte halten. Die Grünen fordern, solche Interessenkonflikte klar zu deklarieren.

Für die Grünen verfasst hat die Studie ein Team um die gentechnikkritische britische Organisation GMWatch. Die Autorinnen betrachteten dafür die Mitglieder von drei Wissenschaftsorganisationen, die sich in der Öffentlichkeit und gegenüber der EU-Kommission besonders intensiv dafür einsetzen, das EU-Gentechnikrecht zu ändern. Es sind dies: Das Netzwerk für nachhaltige Landwirtschaft durch genetische Veränderung (EU-SAGE), die Akademien der Wissenschaften in Europa (All European Academies – ALLEA) und die Europäische Organisation für Pflanzenwissenschaften (EPSO). Bei letzterer hatte GMWatch deren Arbeitsgruppe für Agrartechnik im Blick, von der die Gentechnik-Stellungnahmen stammten.

Die Recherchen ergaben, dass zwei Drittel der Mitglieder der EPSO-Arbeitsgruppe und ein Drittel der EU-SAGE-Mitglieder „ein persönliches Interesse an der Kommerzialisierung von GV-Pflanzen“ haben. Sie könnten finanziell oder in Bezug auf die Karriereentwicklung davon profitieren, heißt es im Bericht. So habe die Hälfte der Mitglieder der EPSO-Arbeitsgruppe bereits an einem oder mehreren Forschungsprojekten mit der Industrie teilgenommen. „38 % der Mitglieder der EPSO-Arbeitsgruppe für Agrartechnologien und 23 % der Mitglieder des EU-SAGE-Netzwerks halten ein oder mehrere Patente oder Patentanmeldungen im Zusammenhang mit gentechnischen Verfahren oder Produkten“, steht im Bericht. Gleiches gilt demnach für zwei von vier Autoren eines ALLEA-Berichtes, der sich dafür ausspricht, die rechtlichen Regeln für Produkte neuer gentechnischer Verfahren zu lockern. Manche der Wissenschaftler von EPSO und EU-SAGE seien laut Bericht auch an einem Saatgut- oder Biotechnologieunternehmen beteiligt, indem sie eine Position in oder Anteile an solchen Unternehmen hätten.

„Diese Verflechtung von wissenschaftlicher Beratung und eigenem ökonomischen Interesse wird in den meisten Fällen nicht offen kommuniziert“, kritisierte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. Dies habe zur Folge, dass diese Eigeninteressen bei der Bewertung der Beratungsleistung und den daraus folgenden Empfehlungen nicht berücksichtigt würden. „Befangene WissenschaftlerInnen sind keine guten RatgeberInnen, wenn sie ihre materiellen Eigeninteressen nicht offenlegen“, schrieb Häusling in einer Pressemitteilung. Deshalb brauche es „dringend mehr Transparenz und unabhängige Forschung im Bereich der neuen Gentechnik“.

Die Studie machte auch deutlich, dass die einzelnen Forschenden und die untersuchten Lobbygruppen nicht als Vertreter „der Wissenschaft“ im Allgemeinen gelten könnten. Denn sie repräsentierten nur einen begrenzten Bereich der angewandten Wissenschaft, nämlich die Genetik und Molekularbiologie. Fachwissen, das wichtig sei, um mögliche negative Folgen neuer gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft zu bewerten, fehle hingegen in diesen Organisationen: etwa Expertise in Ökologie, Agrarökologie, Sozioökonomie, Toxikologie und öffentlicher Gesundheit.

Die Studie nennt nicht nur Zahlen, sondern auch Institutionen und Namen, etwa das flämische Forschungsinstitut VIB oder das Institut für Pflanzenforschung der niederländischen Universität Wageningen. Aus Deutschland haben etwa das bundeseigene Julius-Kühn-Institut (JKI) mit zwei Mitarbeitenden sowie das Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie mit seinem Direktor Detlef Weigel Eingang in die Studie gefunden. In einem Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit" wiesen Weigel und das JKI den Vorwurf von Interessenkonflikten zurück. [lf]

26.09.2022 |

Neue Gentechnik: wenig Widerstand bei EU-Agrarministern

Zdeněk Nekula (Minister for Agriculture, Czech Republic) Copyright: European Union Zdeněk Nekula (Minister for Agriculture, Czech Republic) Copyright: European Union

Die Agrarminister der Europäischen Union seien sich einig, dass die EU so schnell wie möglich auf die Entwicklung moderner Trends reagieren müsse und Innovation nicht behindern dürfe. So formulierte die tschechische Ratspräsidentschaft ein Ergebnis eines informellen Treffens Mitte September in Prag. Das europäische Gentechnikrecht müsse geändert werden, um den Einsatz neuer gentechnischer Verfahren zur Pflanzenzüchtung zu erleichtern. Doch wie der Infodienst Gentechnik erfuhr, sahen das nicht alle Minister so.

Aus gut informierten Kreisen verlautete, dass 18 Ministerinnen und Minister bei dem Treffen mehr oder weniger deutlich die Vorteile der neuen gentechnischen Verfahren (NGT) betonten und dafür plädierten, die rechtlichen Regeln zu lockern. Darunter waren mit Frankreich, Italien und Spanien drei der größten EU-Staaten. Hinzu kamen die baltischen und skandinavischen Länder, die Niederlande und Belgien, Tschechien, Irland, Kroatien, Rumänien, Portugal und Malta. Dagegen sprachen sich vier Staaten aus: Griechenland, Slowenien, Zypern und Ungarn. Der Rest hielt sich bedeckt. Deutschlands Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte dem Vernehmen nach, NGT hätten Potenzial, könnten kurzfristig aber keinen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Ernährungssicherung leisten – vermutlich, weil solche Pflanzen auf dem Markt bislang rar sind. Gewünscht hätten sich Umwelt- und Bioverbände von Özdemir wohl eine so klare Ansage, wie sie laut der Quelle des Informationsdienstes Gentechnik vom ungarischen Minister kam: Auch NGT seien gentechnisch veränderte Organismen. An ihrer Stelle sollte man eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft fördern und der Bevölkerung sowie ihrer Gesundheit höchste Aufmerksamkeit schenken.

Um die Minister auf das Thema einzustimmen, hatte der tschechische Agrarkollege Zdenek Nekula zwei tschechische Wissenschaftler eingeladen, die die Vorteile der neuen Gentechnik priesen: Wie es in der Presseinformation heißt, könne sie helfen, den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu reduzieren, oder bei der Züchtung neuer Sorten, die resistenter gegen extreme Wetterschwankungen und neue Pflanzenschädlinge und Krankheiten sind. Zu Wort kam auch Christiane Lambert, Präsidentin des europäischen Bauernverbandes Copa Cogema. Dem Vernehmen nach forderte sie schnelle Lösungen für neue Gentechniken, und drängte darauf, „risikoarme Substanzen“ schnell neu zuzulassen. Ein gentechnikkritischer Verband wurde nicht gehört.

EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski plädierte nach Informationen dieses Portals dafür, das Potenzial der neuen Gentechnik zu nutzen, um die Entwicklung von Pflanzensorten zu beschleunigen, die der Gesundheit, der Umwelt und der Lebensmittelsicherheit zugutekommen können. Gleichzeitig müsse aber alles auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und soliden Analysen beruhen und im Einklang mit der öffentlichen Gesundheit, der Umwelt und den wirtschaftlichen Interessen der Landwirte erfolgen. Im zweiten Quartal 2023 will die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen, wie neue gentechnische Züchtungsverfahren künftig geregelt werden sollen. Wie das bayerische landwirtschaftliche Wochenblatt berichtete, sei es Wojciechowski wichtig, dass der Vorschlag ausgewogen sei. Beispielsweise müsse der Ökolandbau ausreichend vor einer Verunreinigung mit Pflanzen geschützt werden, die mittels neuer gentechnischer Verfahren gewonnen worden seien. Denn im Fall einer Verunreinigung dürften Biobauern ihre Produkte nicht mehr mit Biosiegel verkaufen. [lf/vef]

20.09.2022 |

Ghana lässt Gentech-Bohnen für den Anbau zu

Augenbohnen Kuhbohnen Bohnen Saatgut Augenbohnen - ein wichtiges Nahrungsmittel in vielen afrikanischen Ländern (Foto: Toby Hudson / wikimedia commons, bit.ly/1ZKgXMh, creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Neben Nigeria ist Ghana der zweite westafrikanische Staat, der auf gentechnisch veränderte Augenbohnen setzt. Die erste von drei notwendigen Zulassungen haben die staatlichen Stellen inzwischen erteilt. Doch der Widerstand im Land ist groß: Die Organisation Food Sovereignty (dt. Lebensmittelsouveränität) Ghana zog sogar vor Gericht.

Augenbohnen (englisch Cowpeas) zählen zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Westafrika. Nigerianische Wissenschaftler haben die Bohnen so verändert, dass sie mit Hilfe einer von der Bayer-Tochter Monsanto stammenden Fremd-DNA ein Bt-Toxin produzieren, um den Bohnen-Zünsler abzuwehren. In Nigeria dürfen diese gentechnisch veränderten (gv) Bohnen seit 2019 angebaut werden und sind nach wie vor stark umstritten. In Ghana hat die Nationale Biosicherheitsbehörde NBA die Bt-Bohnen im Sommer nach einer Risikobewertung für Anbau und Vermarktung zugelassen.

Die ghanaische Umweltorganisation CCCFS (Centre for Climate Change and Food Security) warf der NBA vor, „den gesamten Prozess in Geheimhaltung zu hüllen“ und wichtige Informationen zu verweigern. CCCFS habe deshalb „detaillierte Informationen über die Risikobewertung von der NBA verlangt sowie Zugang zu den Unterlagen des Antragstellers“, berichtete das Journal Farmers Review Africa. Beantragt hatte die Zulassung das staatliche Savannah Agricultural Research Institute (SARI). Gegen dessen Freisetzungspläne zog die Organisation Food Sovereignty Ghana vor Gericht. Sie argumentierte, dass es keinerlei epidemiologische Langzeitstudien über den Verzehr von gentechnisch veränderten Augenbohnen gebe und deshalb Behauptungen über die Sicherheit des Produkts nicht wissenschaftlich fundiert seien. Weil sie dadurch das Menschenrecht auf Gesundheit angegriffen sah, wandte sich die Organisation an den ghanaischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser begann im Frühjahr 2022 damit, den Fall zu verhandeln und hörte unter anderem das deutsche Institut Testbiotech als Sachverständigen. Eine Entscheidung des Gerichts steht noch aus.

Ungeachtet dessen feierten Pro-Gentechnikgruppen wie die Alliance for Science die Entscheidung der NBA als großen Durchbruch. Dabei war sie vor drei Jahren schon für 2020 erwartet worden, heißt es in einem Beitrag des Wissenschaftsmagazins Undark. Auch sei die Zulassung nur der erste Schritt, wie das Magazin Foodsafety Africa erläutert. SARI müsse nun über zwei Anbausaisons Anbauversuche auf den Feldern von Landwirten in zwei verschiedenen Gebieten mit mehreren Standorten durchführen. Die Ergebnisse dieser Versuche würden dann dem Nationalen Saatgutrat des Landwirtschaftsministeriums vorgelegt. Dieser müsse die neue Sorte genehmigen. Zudem brauche es noch eine Zulassung der Lebensmittelbehörde FDA, schrieb die Agrarwissenschaftlerin Juava Rock auf der Plattform The Conversation. Sie benannte noch ein weiteres Problem: Die gentechnische Veränderung wurde in die Augenbohnensorte Songotra eingefügt. Diese werde in Ghana erst seit 2008 angebaut und habe sich als anfällig gegen saugende Insekten wie Thripse erwiesen. Eine Studie des International Food Policy Research Institutes gehe deshalb davon aus, dass die Bt-Variante höchstens eine Verbreitung von 15 Prozent erreichen werde. Wenn überhaupt: Denn laut dieser Studie würde das Gentechsaatgut 50 Prozent mehr kosten als gentechnikfreies, schrieb Rock. [lf]

16.09.2022 |

Bremst britischer Bio-König Charles Truss‘ Gentechnikpläne?

Prince Charles meet volunteers (beim Farmbesuch 2009) Foto: Andy Gott, https://bit.ly/3LrTAWU, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/ Prince Charles meet volunteers (beim Farmbesuch 2009) Foto: Andy Gott, https://bit.ly/3LrTAWU, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

Die neue britische Premierministerin Liz Truss hat das Umwelt- und Agrarministerium neu besetzt. Nicht nur Umweltaktivisten und Gentechnikkritiker, auch konservative Politiker fürchten, dass ihre neue Regierung Landwirtschaft und Umwelt schaden wird. Denn sie will weit mehr, als die neue Gentechnik für die Lebensmittelproduktion freizugeben. Experten erwarten, dass der neue König und Bio-Bauer Charles III sich künftig vor allem hinter den Kulissen für Ökologie und Umwelt engagieren wird.

Die frühere Agrarministerin Liz Truss hatte sich in ihrer Wahlkampagne hinter die Landwirtschaftspolitik von Boris Johnson gestellt. Sie wolle „die britische Lebensmittel- und Landwirtschaft entfesseln“, um die Ernährung des Landes sicherer zu machen, sagte sie dem Evening Standard. Die gentechnikkritische Plattform GMWatch erinnerte daran, dass Truss sich als Umweltministerin für bienengiftige Insektizide stark gemacht und als Handelsministerin die Tierschutz- und Umweltstandards für australische Agrareinfuhren gesenkt hatte. Die Bedenken, die diese Bilanz hervorriefen, würden dadurch verstärkt, welche Minister sie ernannt habe, schrieb GMWatch.

Als neuen Minister (englisch: Secretary of State) für das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium (Defra) berief Truss Ranil Jayawardena. Die Nummer zwei als Minister of State (entspricht deutschem Staatssekretär) wird Mark Spencer sein. Er ersetzt im Defra den konservativen Politiker Zac Goldstein, der seinem damals noch potentiellen Nachfolger bereits im Juli auf Twitter ein verheerendes Zeugnis ausstellte: „Mark war der größte Blockierer von Maßnahmen zum Schutz der Natur, der Artenvielfalt und des Tierschutzes. Er wird unser ganz eigener kleiner Bolsonaro sein“, schrieb Goldstein in Anspielung auf den brasilianischen Präsidenten, dessen Politik den Amazonasregenwald brennen ließ. „Ein Desaster für die Natur“, prognostizierte der Umweltschützer Miles King via Twitter, sollte Spencer als Landwirt und Vertreter des Bauernverbandes National Farmer Union ins Umweltministerium einziehen. GMWatch wies darauf hin, dass Spencer Vorsitzender der Allparteiengruppe für Wissenschaft und Technologie in der Landwirtschaft war. Diese werde „von der Gentech-Industrie genutzt, um Lobbyarbeit für ihre Geschäftsinteressen zu betreiben, insbesondere für die Einführung des Anbaus von GVO-Pflanzen in der britischen Landwirtschaft“, schrieb GMWatch und bezeichnete Spencer als „enthusiastischen“ Befürworter.

Sein Chef Ranil Jayawardena war früher Bankangestellter und als Minister für den internationalen Handel zuständig. Er habe im Parlament konsequent gegen alle Maßnahmen gestimmt, die den Klimawandel eindämmen sollten, zitierte GMWatch die Plattform TheyWorkForYou, die das Abstimmungsverhalten der britischen Parlamentarier erfasst und auswertet. GMWatch erinnerte auch daran, dass die neue Gesundheitsministerin Therese Coffey 2018 auf Twitter für das Monsanto-Herbizid Roundup geworben hatte. „Das sind durch und durch verrückte Ideologen“, twitterte der in Großbritannien bekannte Autor und Schafzüchter James Rebanks. „Für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft sind sie schlimmer als jede Regierung, die wir bisher hatten, einschließlich der in den 80er Jahren.“

Es ist durchaus möglich, dass der Bio-Landwirt auf der Duchy Home Farm, der als Prinz Charles vielfach klar Stellung bezogen hatte, das ähnlich sieht. „Lange bevor es in Mode kam, warnte er vor den Gefahren des Klimawandels. Er sprach sich gegen die Schändung des Planeten, die industrielle Landwirtschaft und gentechnisch veränderte Pflanzen aus“, schrieb Martin Fletcher in The New Statesman. Er zitierte einen hochrangigen Minister mit den Worten, es werde „ernsthafte verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen“, wenn Charles sich als König ebenso verhalte.
Fletcher kommt in seiner Analyse zu dem Ergebnis, dass Charles sich seiner neuen Rolle durchaus bewusst sei. Dennoch werde er seine Anliegen weiter verfolgen „Er kann und wird zweifellos seine wöchentliche Audienz bei der Premierministerin nutzen, um bohrende Fragen zu stellen“, schrieb Fletcher und zitierte eine Charles nahestehende Quelle aus der Sunday Times: „Die Dringlichkeit und Wichtigkeit der Themen sind für ihn nicht verschwunden. Er wird die Themen in Zukunft nur anders angehen.“

Eine Gelegenheit dazu wird sich bald ergeben. Das Genetic Technology (Precision Breeding) Bill genannte Gesetz (dt. etwa Gesetz zur gentechnischen Präzisionszüchtung), mit dem die britische Regierung ihr Gentechnikrecht aufweichen will, steht zur dritten und abschließenden Lesung im Unterhaus an. Die zuständigen Ausschüsse haben den Entwurf nicht verändert. Er sollte ursprünglich bereits vorgestern, am 14. September, verabschiedet werden. Doch die Sitzung fiel wegen des Todes der Queen aus. Die Organisation Beyond GM rechnet damit, dass die Entscheidung fallen wird, sobald das Parlament seinen normalen Betrieb wieder aufnehmen wird. [lf]

13.09.2022 |

USA: Behörde winkt transgene Tomate ohne Zulassung durch

Tomaten Lila Pressefoto Lila Gentechnik-Tomaten (Foto: John Innes Centre)

14 Jahre hatte Cathie Martin darauf hingearbeitet: Vergangene Woche hat das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) die von der britischen Pflanzenwissenschaftlerin gentechnisch veränderte (gv) lila Tomate als unbedenklich eingestuft. Damit wurde erstmals eine gv-Pflanze in den USA als Ausnahme von der 2020 erlassenen Secure-Regel für Gentechnikpflanzen freigegeben. Die transgene Tomate soll 2023 auf den US-Markt kommen und darf dann ohne Genehmigung angebaut und verkauft werden.
Die ungewöhnliche violette Farbe erhält das Gemüse durch einen besonders hohen Gehalt an Anthocyanen, Stoffen, die normalerweise Früchte wie Blaubeeren und Brombeeren blau färben. In den gv-Tomaten waren laut Entwickler 500 mg Anthocyane pro 100 Gramm Frischgewicht enthalten. Auch Antioxidantien sind nach Angaben der Entwickler vermehrt vorhanden. „Unabhängige Studien zeigen, dass Antioxidantien und Anthocyane die Inzidenz von Krebs reduzieren, die Herz-Kreislauf-Funktion verbessern und die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern können“, schreibt die Norfolk Plant Sciences (NPS) in ihrer Presseinformation. Diese Firma hatte Cathie Martin vom britischen Forschungsinstitut John Innes Centre gemeinsam mit einem Kollegen des Sainsbury Laboratory 2007 gegründet, um ihre Forschung an Pflanzen mit verbesserten gesundheitsfördernden Verbindungen zu kommerzialisieren.
Dabei konzentrierte Martin sich vor allem auf Tomaten. 2008 entdeckte die heute 67jährige, dass auch rote Tomaten ein Gen haben, das sie befähigt, Anthocyane herzustellen. Es ist aber ausgeschaltet, erläutert das NPS auf seiner Webseite. Martin und ihr Team fügten nun zwei Gene des Löwenmäulchens ein, die die Anthocyan-Herstellung der Tomate quasi anschalten sollen. Außerdem sollen sie dazu führen, dass die Tomate länger haltbar bleibt. Als technisches Hilfsmittel für den Labornachweis führten die Wissenschaftler schließlich einen selektierbaren Marker ein, der die Tomate mit Hilfe des Gens für Neomycin-Phosphotransferase (NPTII) gegen die Antibiotika Kanamycin und Neomycin resistent macht.
Diese und weitere Informationen legte Hersteller NRS in einem 20seitigen Schreiben der Pflanzenschutzbehörde APHIS des US-Landwirtschaftsministeriums vor und bat darum, den Regulierungsstatus der transgenen Tomate zu überprüfen. „Wir fanden heraus, dass die Pflanze im Vergleich zu anderen kultivierten Tomaten wahrscheinlich kein erhöhtes Pflanzenschädlingsrisiko darstellt“, antwortete APHIS. Damit unterliege sie nicht den überarbeiteten Biotechnologie-Vorschriften. „Das bedeutet, dass diese Pflanze aus Sicht des Pflanzenschädlingsrisikos in den Vereinigten Staaten sicher angebaut und in der Züchtung verwendet werden kann.“ Diese Einschätzung basiert nach Angaben von APHIS auf den Informationen von NRS sowie auf ihrer eigenen „Vertrautheit mit Tomatensorten, ihrer Kenntnis der Merkmale, die Fruchtfarbe und Ernährungsqualität von Tomaten verändern, sowie ihrem Verständnis der Modifikationen“.
Wie eine Rechtsanwältin auf dem Portal jdsupra.com schreibt, hat sich die Behörde seit dem Erlass der Secure-Regel 2020 insgesamt 15mal zum Regulierungsstatus von Gentechnik-Pflanzen geäußert, das erste Mal im April 2021. Die lila Tomate sei bisher die einzige, bei der APHIS eine Ausnahme von den Secure-Regeln bestätigt hat. Dieser Prozess zur Überprüfung des Regulierungsstatus sei eine Option für Fälle, in denen keine Secure-Regelausnahmen für eine gentechnische Entwicklung gelten, der Entwickler jedoch der Ansicht ist, dass die Pflanze dennoch kein erhöhtes Pflanzenschädlingsrisiko darstellt und daher nicht unter die Regeln für Gentechnikpflanzen fallen sollte. Dieses Verfahren wurde im April 2021 für Mais, Sojabohnen, Baumwolle, Kartoffeln, Tomaten und Luzerne sowie im Oktober 2021 für alle gentechnisch veränderten Pflanzen eingeführt.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag erleben würde“, kommentierte Cathie Martin den Meilenstein. "Das Bittersüße ist, dass die Tomaten in Amerika und nicht auch in Großbritannien zum Verkauf angeboten werden können.“ Aber ihr Kollege Jonathan Jones vom Sainsbury Laboratory geht davon aus, dass es auch bald „vernünftige regulatorische Rahmenbedingungen für solche Produkte in Großbritannien“ geben werde. Einstweilen freuen sie sich, dass bereits Hunderte von US-Bürgern über die Big Purple Tomato-Website Interesse bekundet haben, Tomaten und Samen zu kaufen, sobald sie verfügbar sind. Davor stehen aber noch weitere Behördenschritte: Die US-Lebensmittelbehörde FDA und die Umweltbehörde EPA müssen noch grünes Licht geben. [vef]

Gehe zu Seite: ... 7 8 9 10 11 12 13 14 15 ...

*** Unterstützen Sie unsere Arbeit ***

Alle Informationen auf dieser Seite sind für Sie kostenlos, kosten aber trotzdem etwas. Unterstützen Sie den Infodienst - damit es auch weiterhin kritische Informationen zum Thema Gentechnik für alle gibt!
 Spenden-Infos hier

Newsletter bestellen

Schule und Gentechnik

Unterrichtsportal zum Thema Agro-Gentechnik: Einführung, Arbeitsblätter, Videos und mehr...

Eine Lehrerin hält ein Schild mit der Aufschrift Lehrer. Hier gibt es Informationen und Material zur Gentechnik für den Unterricht.
Ein Schüler hält ein Schild mit der Aufschrift Schüler. Hier gibt es Informationen, ein Quiz, Videos und mehr zum Thema Gentechnik für Schülerinnen und Schüler.

Infodienst-Material

Postkarten zum Thema Gentechnik. Ein Mädchen nascht von einer Torte und sagt Gutes Essen braucht keine Gentechnik.
Ein Landwirt hält Maiskolben im Arm und sagt Gen-Mais schmeckt mir nicht.

Hier bekommen Sie kostenloses Infomaterial zum Thema: Flyer, Postkarten, Newsletter, Newsticker...
 Bestellung

Nachrichten