10.03.2021 |

Neue Gentechnik: Freunde der Erde beklagen unfaire EU-Konsultation

EU-Fahne Fragezeichen Wer mit welchen Positionen in Brüssel regiert, ist manchmal schwer herauszufinden.

Die Europäische Kommission hat in einer Konsultation zur Regulierung neuer gentechnischer Verfahren deutlich mehr Industrievertreter befragt als Verbraucher- oder Umweltverbände. Zu diesem Ergebnis kommt der „EU-Lobby-Report 2021", den die Umweltorganisation "Friends of the Earth" Anfang März veröffentlichte. Auch sei die Aufmerksamkeit in den Fragebögen auf die „vermeintlichen" Vorteile der neuen Gentechnik gerichtet worden, anstatt die verschiedenen Positionen balanciert zu behandeln.
Für ihren „EU-Lobby-Report 2021 – Wie sich die Gentech-Industrie EU-Gesetze zurechtbiegt" hatte die europäische Sektion der Umweltorganisation „Freunde der Erde" (FoE) und deren Gruppe in Österreich, Global 2000, die auf der EU-Webseite veröffentlichten Daten zur Konsultation genauer analysiert. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die EU-Kommission ihre eigenen Regeln für Konsultationen nicht befolgt hat. Wichtigster Kritikpunkt: Vertreter der Industrie – Agrar, Chemie, Biotech und Pharma – waren deutlich häufiger eingeladen, ihre Statements abzugeben, als gemeinnützige Organisationen. Der global agierende Agrarhandelskonzern Cargill zum Beispiel war laut FoE über seine Mitgliedschaft in verschiedenen Verbänden gleich neunfach an der Konsultation beteiligt. Die EU-Kommission habe „offensichtlich kein Interesse daran, den Konsultationsprozess fair zu gestalten", kritisierte Global 2000 auf seiner Webseite.
Die Kommission wäre nach ihren eigenen Regeln zum Beispiel angehalten, einen privilegierten Zugang bestimmter Stakeholder zu vermeiden, so der Bericht. In diesem Sinne sollte das gesamte Spektrum möglicher interessierter Gruppen bei einem Thema einbezogen werden. Die "Freunde der Erde" zeigten, dass im aktuellen Prozess nur 14 Prozent der konsultierten Stakeholder Nichtregierungsorganisationen waren, aber 74 Prozent der „Agrarindustrie" zugeordnet werden können. Nur zehn Prozent kamen aus Landwirtschaft und Pflanzenzucht. Insgesamt fanden sich gut 100 Verbände und Netzwerke auf der Einladungsliste der EU-Kommission, darunter auch 16 Interessengruppen, die überhaupt nicht zu Ernährung, Landwirtschaft oder Saatgut arbeiten. Dieser Zahl stellten die Freunde der Erde gegenüber, dass die Kommission „nur eine Verbrauchergruppe, eine Tierschutzgruppe und vier Umwelt-NGOs zur Teilnahme eingeladen" hatte.
Die Umweltorganisation kritisierte auch die Fragen der Konsultation. Sieben der 29 Fragen des Fragebogens thematisierten demzufolge den potentiellen Nutzen, nur drei die Sicherheitsaspekte und Risiken der neuen Gentechnik. Dies sei von besonderer Bedeutung, da die Antworten auf die Fragen in ihrer Länge strikt begrenzt waren, „detaillierte und angemessene Informationen zu den verschiedenen Risiken der neuen GVOs zu liefern" sei entsprechend schwierig gewesen.
Der Europäische Rat hatte die EU-Kommission im November 2019 um die Konsultation gebeten. Sie steht im direkten Zusammenhang mit einer Studie der EU-Kommission über den rechtlichen Status neuer gentechnischer Verfahren. Auch diese war vom Europäischen Rat Ende 2019 angeregt worden. Beide Vorschläge – Konsultation und Studie – sind im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs EuGH (Rechtssache C-528/16) vom Juli 2018 zu sehen. Mit diesem hatte der Gerichtshof deutlich gemacht, dass neue gentechnische Verfahren unter dem europäischen Gentechnikrecht zu regulieren seien. Konkret ging es in dem Urteil unter anderem darum, dass bestimmte Techniken – und die mit ihnen hergestellten Pflanzen – aus der EU-Gentechnik-Regulierung ausgenommen werden können. Voraussetzung dafür ist, so der EuGH, dass sie seit langer Zeit genutzt werden und als sicher gelten. Zu den Techniken, auf die dieses Kriterium zutrifft, zählt zum Beispiel die klassische Mutagenese, die schon seit mehr als 50 Jahren bei der Entwicklung neuer Pflanzensorten zum Einsatz kommt. Neue Gentechnik-Verfahren wie Crispr/Cas verfügen nicht über eine langjährige sichere Nutzung – für sie kann laut EuGH eine solche Ausnahme also nicht gelten.
Die Kommission plant, Studie und Konsultationsergebnisse am 30. April zu veröffentlichen. Es wird erwartet, dass beides große Bedeutung für die zukünftige Regulierung von gentechnisch veränderten Organismen in der EU und die weiteren Diskussionen darüber haben wird. [cp]

05.03.2021 |

Crispr & Co.: Welche sind die Gentechnik-Pflanzen der Zukunft?

Die Crispr-Tomate von Sanatech Seed (Foto Sanatech Seed) Die Crispr-Tomate von Sanatech Seed (Foto Sanatech Seed)

Die neuen gentechnischen Verfahren erobern stetig die molekularbiologischen Labore weltweit – allen voran seit 2012 die sogenannte "Genschere" Crispr-Cas. Auch bei der Entwicklung von Nutzpflanzen werden die Verfahren eingesetzt. Welche Firmen und Forschungseinrichtungen sind beteiligt? Und was soll überhaupt entwickelt werden? Antworten gibt ein aktualisierter Bericht des Schweizer Bundesamtes für Umwelt zur "Kommerzialisierungspipeline im Bereich Pflanzenzüchtung" 2020, der kürzlich veröffentlicht wurde.
Der seit 2016 regelmäßig erscheinende Bericht listet Pflanzen auf, "die mit neuen gentechnischen Verfahren entwickelt wurden". In umfangreichen Tabellen beschreibt die Autorin Eva Gelinsky Pflanzen, ihre gentechnischen Veränderungen und die beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Zudem versucht sie – soweit möglich – einzuschätzen, ob die Pflanzen für die Kommerzialisierung vorgesehen beziehungsweise geeignet sind. Insgesamt stellt sie fast 150 Pflanzen beziehungsweise Projekte kurz vor.
Trotz teils anders lautender Versprechen der Unternehmen sind bis heute erst zwei Pflanzen, die mit neuen gentechnischen Verfahren entwickelt wurden, auf dem Markt: Eine Soja mit veränderter Zusammensetzung des Öls (Calyxt, USA) und eine Herbizid-resistente Rapssorte (Cibus, USA). Ob eine japanische Tomate mit verbesserter Gesundheitswirkung (Sanatech Seed) 2021 wie angekündigt zu kaufen sein wird, bleibt offen. Wie das Unternehmen bekanntgab, sollen in diesem Jahr zunächst Jungpflanzen an Hobbygärtner abgegeben werden. Auch zwei Wildpflanzen haben Forscher mit Crispr verändert: das Acker-Hellerkraut und die Rutenhirse. Die Hirse soll als Energiepflanze zum Einsatz kommen, das Acker-Hellerkraut wurde im Ölgehalt verändert.
Auffällig sind die teilweise erheblichen Lücken im Wissen über die Pflanzen, die möglicherweise schon bald auf Feldern in den USA oder anderen Ländern stehen werden. Gerade in den USA werden die Interessen der Unternehmen stark geschützt. Veröffentlichungen staatlicher Behörden, wie zum Beispiel des APHIS unter dem Dach des US-Landwirtschaftsministeriums kennzeichnen viele Eigenschaften von Pflanzen als geschützte Geschäftsgeheimnisse („confidential business information" – CBI).
Auch die Unternehmen selbst bringen teilweise kein Licht in das Dunkel. Gelinsky berichtet an anderer Stelle von Pflanzen, die aus der Produktpipeline von Calyxt und Cibus verschwunden waren, darunter Kartoffeln mit Resistenzen gegen Kraut- und Knollenfäule, ein Weizen mit Mehltau-Resistenz und andere. Nicht nur aus diesen Gründen kann Gelinsky natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Dafür ist das Feld zu groß, zu unübersichtlich und zu intransparent. Es ist im übrigen nicht zu erwarten, dass sich die Situation in den USA verbessern wird – eher im Gegenteil: Seit dem vergangenen Jahr ist eine neue Regulierung für biotechnologische Produkte in Kraft. Die wesentlichen Aspekte sind in dem Update zu finden.
Eine weitere Tabelle des Berichts beschäftigt sich mit den Lizenzvereinbarungen zwischen den Züchtungs- und den Biotech-Unternehmen. Hier verschafft uns die Autorin einen zweierlei interessanten Blick: Zum einen werden unzählige der neuen gentechnischen Verfahren genannt, was einen Überblick verschafft, welche Unternehmen welche Verfahren für aussichtsreich halten. Mittlerweile schafft es zum Beispiel ein Crispr/Cas9 in die Printmedien. Es ist die bekannteste Variation des Crispr-Werkzeugs. Bei Gelinsky finden wir Lizenz-Vereinbarungen, die genau solche Bestseller betreffen, neben bisher in weiten Kreisen noch völlig unbekannten Technik-Varianten. Bekannt sind auch viele der beteiligten Unternehmen. Alle Großen der Agrarbranche – ob Bayer (mit Monsanto) oder Corteva, BASF oder Dow AgroSciences – mischen kräftig mit beim Handel mit Lizenzvereinbarungen. [cp]

02.03.2021 |

EFSA: Risikobewertung auch bei Gentech-Pflanzen ohne Fremdgene

EFSA Das Hauptgebäude der EFSA in Parma (Foto: Lucio Rossi / EFSA)

In der Europäischen Union ringen Mitgliedstaaten, Abgeordnete im Europäischen Parlament, Vertreter der Industrie und der Nichtregierungsorganisationen um die Regulierung neuer gentechnischer Methoden. Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat zu deren Risikobewertung im Februar einen neuen Bericht veröffentlicht. Kritiker werfen der Behörde vor, Verwirrung zu stiften und geben der EU-Kommission eine Mitschuld.

Die Autorinnen und Autoren des neuen EFSA-Berichtes entwerfen drei Szenarien mit Pflanzen, die möglicherweise innerhalb der nächsten zehn Jahre in der Europäischen Union auf den Markt gebracht werden könnten. Ein gentechnisch veränderter Süßmais produziert das Vitamin B12. In den Mais wurden mehrere Gene eingebaut, die aus Bakterien stammen. Das zweite Szenario betrifft einen Weizen, der kein Allergie-auslösendes Gluten enthält. Die Gluten-Gene, die an verschiedenen Stellen des Genoms gefunden werden, wurden mit Crispr/Cas9 gezielt deaktiviert. Im dritten Szenario wird ein Raps pilzresistent gemacht. Auch hier werden Gene neu in die Pflanzen eingebaut.
Anhand der Szenarien überprüfen die Autorinnen und Autoren, ob die derzeitige GVO-Risikobewertung auch in Zukunft angemessen ist. Grundsätzlich kommen sie zu dem Schluss, dass Risiken von Pflanzen, die in der näheren Zukunft auf den Markt kommen könnten, entdeckt werden können. Werden die Methoden weiterentwickelt, müssten die Regeln gegebenenfalls überarbeitet werden.
In den aktuellen Auseinandersetzungen über die zukünftige Regulierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) steht die Frage im Mittelpunkt, ob bestimmte neue gentechnische Verfahren von der Regulierung ausgenommen werden sollen. Für die Pflanzen im ersten und dritten Szenario ist eine Regulierung nach EU-Gentechnikrecht – nach aktuellem Stand der Diskussion – auch in Zukunft unumstritten, da neue Gene in die Pflanzen eingebracht werden. Die aktuelle Rechtslage ist klar. GVO, die mit neuen gentechnischen Methoden – zum Beispiel Crispr – verändert wurden, fallen unter das EU-Gentechnikrecht. Das hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom Juli 2018 zweifelsfrei festgestellt.
Das Szenario zwei ist besonders interessant, da es einen Fall beschreibt, der zwar heute reguliert würde, in Zukunft jedoch – sollten sich die Befürworter einer Deregulierung durchsetzen – von der Regulierung ausgenommen sein könnte. Als Bedingung für eine mögliche Deregulierung wird häufig genannt, dass keine neuen Gensequenzen in ein Genom eingefügt werden. Das allein reicht der EFSA offenbar aber nicht. Mehrfach betonen die Autorinnen und Autoren, dass sie auch bei diesem Szenario die derzeitige Risikobewertung angemessen finden, es also nicht von der Regulierung ausnehmen wollen.
Es ist bekannt, dass auch Methoden wie Crispr, die als verhältnismäßig präzise gelten, an nicht vorgesehenen Stellen des Genoms schneiden. Die EFSA kommt zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Risiken in etwa denen entsprechen, die schon von den sogenannten Mutationszüchtungen – zum Beispiel mit radioaktiver Strahlung – bekannt seien. Eine spezifische Untersuchung von sogenannten Off-target-Effekten sei von nur beschränktem Wert für die Risikoanalyse. Eine Annahme, die die EFSA nicht detailliert begründet.
Allerdings zeigt gerade das gewählte Beispiel einen wesentlichen Unterschied zwischen Crispr und den Veränderungen des Genoms durch Strahlung. Letztere verteilt Mutationen mehr oder weniger zufällig im Genom. Eine Deaktivierung aller Gene für ein spezifisches Merkmal ist nicht möglich.
Genau an diesem Punkt setzt die Kritik der Nichtregierungsorganisation Testbiotech an. Viele Nutzpflanzen hätten ein „großes Genom mit vielen Kopien einzelner Gene oder Gruppen von ähnlichen Genen". Crispr würde alle gleichzeitig verändern. Derart komplexe Veränderungen seien „für den Einsatz von Crispr/Cas typisch".
Aber auch an dem Verfahren der EFSA lässt Testbiotech kein gutes Haar: Die Behörde stifte „erhebliche Verwirrung", indem sie das Beispiel des Crispr-Weizens unter den Begriff der „Synthetischen Biologie" klassifiziere. Daran trage aber die Europäische Kommission eine Mitschuld. Diese habe der EFSA den Auftrag für den nun vorgelegten Bericht erteilt. [cp]

26.02.2021 |

Experten: Datenbanken für genomeditierte Pflanzen ausbauen

DNA Genom DNA-Modell der Ausstellung "Genome: The Secret of How Life Works" im Jahr 2012 (Foto: George Bush Presidential Library and Museum / flickr, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)

Damit genomeditierte Pflanzen an den europäischen Grenzen nachgewiesen und abgefangen werden können, braucht es eine umfassende Datenbank über den gesamten Bestand solcher Pflanzen weltweit. Das forderten mehrere Experten diese Woche bei einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion. Eine aktuelle Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zeigt: Mithilfe solcher Daten können auch rechtssichere Nachweise für genomeditierte Pflanzen entwickelt werden.
Schwierig sei es vor allem, in einer Partie Agrarrohstoffe wie etwa Kartoffeln genomeditierte (ge) Pflanzen zu finden, die in Europa nicht zugelassen sind, erläuterte die Gentechnikexpertin des BfN, Margret Engelhardt. Denn diese müssen nicht ins europäische Gentechnik-Register eingetragen werden. Sie seien aber angesichts der winzigen Genveränderungen nicht mehr mit einem unspezifischen Gentechnik-Screening zu finden, erläuterte die Molekularbiologin. Man könne nur gezielt nach bestimmten ge-Pflanzen suchen. Die nötigen Informationen, wonach genau man suchen muss, müssten Register liefern.
Ein solches Register ist etwa die Euginius-Datenbank des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Kooperation mit der niederländischen Uni Wageningen. Diese Datenbank enthält aktuell 36 genomeditierte Pflanzen aus der ganzen Welt, die in Europa nicht zugelassen sind – vom salztoleranten Reis aus China bis zur bakterienresistenten Crispr-Orange aus den USA. Wie ein Gentechnikexperte des BVL beim Fachgespräch betonte, könne man in diese Datenbank allerdings nur öffentlich zugängliche Informationen aufnehmen. Es wäre eine große Herausforderung, Hersteller in aller Welt zu verpflichten, Informationen für eine solche Datenbank zu liefern, so Lutz Grohmann.
Infos zu Gentech-Pflanzen (GVO) weltweit liefert auch die zentrale Plattform des Biosafety Clearinghouse, auf der die 170 Vertragsstaaten des Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit Informationen sammeln, wenn solche Pflanzen ihre Ländergrenzen überschritten haben. Margret Engelhardt rief die Politik dazu auf, den Aufbau solcher Register zu stärken. Rechtsanwalt Georg Buchholz plädierte dafür, in die EU-Datenbank auch nicht zugelassene GVO aufzunehmen. Wie der Experte für Gentechnikrecht erläuterte, könnten solche Informationen nach den europarechtlichen Regeln zur Kontrolle von GVO den technischen Nachweis einer Punktmutation bei ge-Pflanzen ergänzen und so rechtssicherer machen.
Aus Sicht des BVL scheint die Frage, wie sich winzige Punktmutationen nachweisen lassen, die mit neuen gentechnischen Verfahren wie Cripsr/Cas in Pflanzen erzeugt wurden, weiter ungelöst. Lutz Grohmann argumentierte erneut, dass das von internationalen Verbänden im September vorgestellte Nachweisverfahren Rapslinien der Firma Cibus mit ähnlichen Punkmutationen bei anderen Rapssorten oder Wildkräutern verwechseln könne. Das Referenzlabor des BVL habe inzwischen Leistungseigenschaften und Kreuzreaktionen des Tests überprüft und werde seinen endgültigen Bericht zur Validierung im März vorlegen.
Der Gentechnikexperte Tobias Jacobi aus dem rheinlandpfälzischen Umweltministerium, der als Ländervertreter für die GVO-Kontrolle von Agrarrohstoffen zuständig ist, forderte daher, weiter an standardisierten Analyseverfahren für Genomänderungen zu arbeiten. Die sollten sinnvollerweise auf EU-Ebene entwickelt werden. Deutschland hofft bis Ende 2022 auf die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie im Auftrag der Agrarministerin, bei der das Leibniz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel seit Januar an genomeditierten Gerste- und Rapslinien erforschen, wie sich diese nachweisen lassen. Der Vorteil: Hier haben die Forscher das nötige Referenzmaterial, um einen Test zu entwickeln, selbst hergestellt.
BVL-Experte Grohmann, dessen Labor ebenfalls seit 2019 an Nachweisverfahren für ge-Pflanzen arbeitet, berichtete von den Schwierigkeiten, von den Herstellern Referenzmaterial zu erhalten. Seit mehr als einem Jahr bemühe man sich um Pflanzenmaterial von Sojaversuchslinien der Firma Calyxt. Doch die antworte nicht einmal. Auch beim Rapshersteller Cibus hat das BVL bereits 2019 Referenzmaterial verschiedener Rapslinien erbeten, aber offenbar nur zögerlich Bruchteile der vereinbarten Mengen bekommen. Das geht aus einem Mailwechsel hervor, dessen Veröffentlichung Greenpeace nach dem Umweltinformationsgesetz erstritten hatte, und der dem Infodienst Gentechnik vorliegt. Dem Infodienst selbst hatte das BVL Ende 2020 auf Anfrage mitgeteilt, Cibus habe ihm im Oktober 2020 Referenzmaterial der herbizidtoleranten 40K-Rapslinie geschickt, um das Nachweisverfahren der Verbände zu validieren. Die Rapslinien C1511 und C5507, für die der Nachweis ebenfalls entwickelt wurde, habe Cibus dem BVL nicht schicken können, unter anderem weil C1511 schon seit Jahren nicht mehr vermarktet werde.
Doch auch wenn zweieinhalb Jahre nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, dass auch ge-Pflanzen zugelassen und kontrolliert werden müssen, immer noch keine Nachweisverfahren dafür vorliegen, muss der Rechtsstaat aus Sicht von Tobias Jacobi nicht kapitulieren: Man könne auch die Unternehmer verpflichten, sich zu vergewissern, dass ihre Importware nicht mithilfe von Gentechnik hergestellt wurde. Dazu könnten sie etwa eine schriftliche Erklärung des Herstellers verlangen. Dass es bislang keine gerichtsfesten Nachweisverfahren gebe, ist für Jacobi jedenfalls kein Argument, genomeditierte Pflanzen nicht dem Gentechnikrecht zu unterwerfen. [vef]

23.02.2021 |

Gentechnik stört Ökologie der Baumwolle

Baumwolle Ein Großteil der Baumwolle auf dem Weltmarkt ist gentechnisch verändert. Foto: Simone Knorr

Werden Baumwollpflanzen von Fraßinsekten befallen, holen sie mit Nektar Verstärkung. Damit locken sie räuberische Ameisen an, welche die Insekten vernichten. Wie eine mexikanische Studie jetzt zeigt, wird dieser Überlebensmechanismus bei gentechnisch veränderter Baumwolle gestört. Wilde Baumwolle, in die die Gene einkreuzen, könnte so zur invasiven Art werden, warnen die Wissenschaftler.
Im Jahr 2018 sammelten die Forscher der nationalen, autonomen Universität Mexikos in einem Biosphärenreservat in der Region Yucatan wilde Baumwollpflanzen, um die Folgen des Anbaus gentechnisch veränderter Baumwolle zu untersuchen. Schon in der Vergangenheit wurde berichtet, dass Gene aus gentechnisch veränderten Pflanzen in die wilde Baumwolle einkreuzen und in diesen Pflanzen aktiv sind. Das gilt sowohl für Gene, die Pflanzen giftig für Insekten machen, wie auch für solche, die gentechnisch veränderte Baumwolle in die Lage versetzen, Herbizidduschen zu überleben. Wilde Baumwolle mit solchen Genen gibt es auch in der Region Yucatan. Weil die Untersuchungsregion Teil der Ursprungsregion von Baumwolle ist und damit Teil des Zentrums ihrer biologischen Vielfalt, können die eingekreuzten Gene dort die ursprünglichen wilden Populationen besonders gefährden.
Wie die Wissenschaftler mit ihrer Untersuchung zeigen, wirkt sich die Aktivität der neuen Gene auf die Produktion eines besonderen Nektars aus. Mit diesem Stoff, den die Baumwollpflanze nicht in ihren Blüten sondern auf ihren Blättern bildet, lockt sie verschiedene Ameisenarten an. Manche dieser Ameisen schützen die Baumwolle vor Pflanzenfressern. Hat eine Baumwollpflanze nun ein Gen abbekommen, das sie herbizidtolerant macht, produziert sie nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler weniger Blattnektar. Damit lockt sie auch weniger Ameisen an. In der Folge stellten die Forscher mehr Schäden durch pflanzenfressende Schädlinge an diesen Baumwollpflanzen fest. Ihr Fachartikel ist im Januar in der Zeitschrift Nature – Scientific Reports publiziert worden.
Besser geschützt sind dagegen Nachkommen, die aus der Kreuzung von gentechnisch veränderten, insektengiftigen Bauwollpflanzen und ihren wildwachsenden Artgenossen entstanden sind. Sie können selbst Insekten vergiften. Außerdem fanden die Wissenschaftler auf diesen Pflanzen mehr nützliche Ameisenarten, als bei ihren wilden Verwandten. Dies kann dazu führen, dass diese Baumwollpflanzen einen Vorteil gegenüber den unveränderten Pflanzen erlangen und sich somit erfolgreicher verbreiten als die der natürlichen Baumwolle. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie ihre wilden Verwandten verdrängen.
Diese Erkenntnisse sollten nach Ansicht der Wissenschaftler bei der Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen berücksichtigt werden. Außerdem müssten Maßnahmen ergriffen werden, um die in der Region vorkommenden wilden Baumwollarten zu schützen. Wildlebende Verwandte von Nutzpflanzen sind ein bedeutendes Reservoir für zukünftige Züchtungen und gelten daher als besonders schützenswert. Veränderungen von Schutzmechanismen der natürlichen Verwandten einer der wichtigsten Nutzpflanzen weltweit zeige die Gefahr, die dem biologischen und kulturellen Erbe zukünftiger Generationen droht, wenn sich Gene aus gentechnisch veränderten Pflanzen in Wildpopulationen einkreuzen. Die Forscher empfehlen daher, „die Zentren der biologischen Vielfalt wirksamer zu schützen‟.[cp]

21.02.2021 |

Peru: Gentechnik-Moratorium bis 2035 verlängert

Sunday Market in Pisac, Peru. Foto: Travel Aficionado https://bit.ly/3kbuKg1 https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/ Sunday Market in Pisac, Peru. Foto: Travel Aficionado https://bit.ly/3kbuKg1 https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/

In Peru soll es bis Ende 2035 verboten bleiben, gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO) zu importieren oder anzubauen. Wie das Portal Agronoticias berichtete, verlängerte der peruanische Kongress Anfang Januar ein 2021 auslaufendes Moratorium um weitere 15 Jahre. Das Gesetz tritt erst in Kraft, wenn das Umweltministerium bis Anfang März einen Plan vorlegt, wie es umgesetzt werden soll.
So sollen Studien geplant werden, die untersuchen, welche Auswirkungen GVO für Landwirtschaft und Ökosysteme in Peru haben könnten. Das verlängerte Moratorium soll für diese Forschungen mehr Zeit bringen. Außerdem soll der Plan innerhalb von 60 Tagen festlegen, wie zertifizierte Labore durch systematische Überwachung verhindern können, dass GVO illegal ins Land gelangen. Ziel des Gesetzes ist es, die vielfältige Flora und Fauna des Landes zu schützen sowie traditionelle und familiäre Formen der Landwirtschaft zu fördern.
Wie die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen IFOAM berichtete, hatte sich zuvor ein breites Bündnis aus Bauern, Bürgern und mehr als 30 Organisationen mit einer Kampagne unter dem Motto „Vielfalt ist unsere Identität – vereint für ein gentechnikfreies Peru“ für eine Verlängerung des Moratoriums stark gemacht. Luis Gomero Osorio, der Präsident des Ökoverbandes „Consorcio Agroecológico Peruano“, der die Kampagne initiiert hatte, will das Gesetz jetzt zu einem Instrument für ein nachhaltiges Management von Ressourcen und Vielfalt auf den Äckern machen. So sollen alle profitieren, „vor allem die kleinen und mittleren Produzenten, die in der Vergangenheit diejenigen waren, die diese Ressourcen von großem Wert bewahrten, welche für unser Land eine maßgebliche Stütze sind.“
Peru ist eines der wenigen Länder weltweit, das Einfuhr und Produktion gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft vollständig verbietet. Erstmals hatte der peruanische Präsident Ollanta Humala das Gesetz Nr. 29811 am 8. Dezember 2011 für zehn Jahre in Kraft gesetzt. Die Verlängerung des Moratoriums hatte der peruanische Kongress bereits im Oktober 2020 beschlossen. Anfang Januar unterzeichnete dann dessen Präsidentin das Gesetz. [vef]

15.02.2021 |

Japan lässt Crispr-Tomate als Lebensmittel zu

Die Crispr-Tomate von Sanatech Seed (Foto Sanatech Seed) Die Crispr-Tomate von Sanatech Seed (Foto Sanatech Seed)

Japanische Wissenschaftler haben eine Tomate mit einem besonders hohen Gehalt des Botenstoffes Gamma-Aminobuttersäure (GABA) hergestellt. Im Körper soll GABA den Blutdruck senken und den Schlaf fördern. Zu Risiken und Nebenwirkungen könnten im kommenden Herbst Tausende japanische Hobbygärtner Auskunft geben.

"Sicilian Rouge High GABA” hat Professor Hiroshi Ezura die Tomate genannt, die er und sein Team an der Universität von Tsukuba entwickelt haben und nun über ihre Firma Sanatech Seed vermarkten. Tomaten enthalten von Natur aus viel GABA, allerdings ist ihr GABA-Gehalt am höchsten, wenn sie noch grün sind; danach baut die Pflanze einen Teil der Substanz wieder ab. Ezura und sein Team fanden heraus, welche Gene diesen Abbau steuern und konnten einige davon mit Hilfe von Crispr/Cas 9 stilllegen. Der Gehalt der so veränderten Früchte an GABA sei etwa sieben bis 15 Mal höher als in handelsüblichen Tomaten, schrieben sie über ihre ersten Versuche in der Fachzeitschrift Nature. Schon damals und in späteren Aufsätzen erwähnten sie auch, dass sich durch den Eingriff das Wachstum der Pflanzen und der Geschmack ihrer Früchte verändern könnte.

Die gezüchtete Sorte enthält laut Sanatech Seed fünf bis sechs mal mehr GABA als handelsübliche Tomaten. Da in Japan mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellte Organismen ohne Fremdgene nicht als GVO zugelassen werden müssen, genügte ein Austausch mit dem zuständigen Ministerium, um die GABA-Tomate vermarkten zu dürfen. Als ersten Schritt will Sanatech Seed in diesem Jahr Jungpflanzen an Hobbygärtner abgeben. Bisher hätten sich mehr als 3.000 angemeldet, die GABA-Tomaten für den Eigenverzehr anbauen wollen, teilte das Unternehmen mit. Das japanische Citizens' Biotechnology Information Center erklärte diesen ungewöhnlichen Schritt damit, dass es noch Patentstreitigkeiten gebe, die einen kommerziellen Verkauf des Saatguts verhinderten. Sanatech Seed hingegen argumentierte, dass es Zeit brauche, das notwendige Saatgut für den kommerziellen Anbau zu gewinnen.

Für das Institut Testbiotech zeigt die GABA-Tomate, dass sich Organismen mit Crispr/Cas auch dann tiefgreifend verändern lassen, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt werden. „Bedingt durch die vielfältigen Funktionen von GABA ist anzunehmen, dass der Eingriff ins Erbgut den Stoffwechsel der Tomaten auf verschiedenen Ebenen beeinflusst“, erklärte Testbiotech. Das könne auch zu ungewollten gesundheitlichen Auswirkungen beim Verzehr der Früchte führen. Zudem könnten die Pflanzen anders auf Umwelteinflüsse reagieren, was wiederum die Inhaltsstoffe der Früchte und deren Verträglichkeit beeinflussen könnte. „Nach Aussagen einer japanischen Verbraucherschutzorganisation gab es keine eingehende Untersuchung der Risiken“, schrieb Testbiotech. Das holen nun die japanischen Hobbygärtner und ihre Familien nach. [lf]

10.02.2021 |

Insektenschutz: Kabinett beschließt Gesetz mit Streitpunkten

Campact übergibt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (re.) 450.000 Unterschriften gegen Glyphosat. Foto: Jakob Huber/Campact (https://bit.ly/2k4ovMU; https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/) Campact übergibt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (re.) 450.000 Unterschriften gegen Glyphosat. Foto: Jakob Huber/Campact (https://bit.ly/2k4ovMU; https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

Zum Schluss musste gar die Kanzlerin schlichten: Nach monatelangem Ringen zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerin hat das Bundeskabinett heute ein Gesetzespaket zum Insektenschutz beschlossen. Es soll vor allem den Pestizideinsatz beschränken. Doch es gibt eine Liste, was im Parlament noch „geklärt“ werden muss. Und mehrere Bundesländer drohen damit, das Paket im Bundesrat zu blockieren.

Der verabschiedete Entwurf aus dem Haus von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ändert das Bundesnaturschutzgesetz. Er stellt artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Steinriegel und Trockenmauern unter Biotopschutz. Der Bestand dieser insektenreichen Biotope ist durch die zunehmend intensivere Landwirtschaft besonders bedroht. Zudem sieht der Entwurf mehrere Maßnahmen gegen nächtliche Lichtverschmutzung vor. Der Gesetzesänderung muss noch der Bundestag zustimmen. Die CDU/CSU-Fraktion wandte sich bereits gegen pauschale Verbote und kündigte Änderungswünsche an. Auch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verlangte in einer Protokollerklärung noch Änderungen wie eine Öffnungsklausel für die Bundesländer und einen finanziellen Ausgleich für betroffene Landwirte.

Zweiter Teil des Pakets ist eine Novelle der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung aus dem Bundesagrarministerium. Sie verbietet es, in Naturschutzgebieten, Nationalparks und geschützten Biotopen Herbizide und Insektizide einzusetzen. Explizit ausgenommen sind Trockenmauern im Weinbau. In Gebieten, die nicht unter Naturschutz, sondern nur unter dem Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union (EU) stehen, dürfen Gärtner und Landwirte weiterhin Pestizide einsetzen. Freiwillige Agrarumweltmaßnahmen sollen dazu beitragen, dass geringere Mengen versprüht werden.

Die Novelle sieht zudem vor, dass die Landwirte beim Spritzen fünf bis zehn Meter Abstand zu Gewässern einhalten müssen. Ferner legt sie fest, dass ab dem 1. Januar 2024 kein Glyphosat mehr versprüht werden darf. Bis dahin ist der Einsatz des Totalherbizids eingeschränkt, allerdings mit mehreren Ausnahmen. Verboten wird, Glyphosat kurz vor der Ernte zu spritzen, um ein gleichzeitiges Abreifen zu erreichen.

Bauernverbände liefen bis zuletzt mit Protestbriefen und Demonstrationen Sturm gegen das Gesetzespaket. Die Landwirtschaftsminister von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen teilten laut topagrar online bereits mit, dass sie die Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung im Bundesrat ablehnen werden. Dieser muss der Verordnung noch zustimmen. Der baden-württembergische Agrarminister Hauk forderte vor einer Abstimmung noch Änderungen am Entwurf.

Umwelt- und Naturschutzverbände begrüßten den Kabinettsbeschluss. „Es ist richtig, dass in bestimmten Schutzgebieten nun kooperative Lösungen gesucht werden, bei denen Landwirte für den Insektenschutz honoriert werden“, kommentierte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz. „Solche Ansätze müssen aber verpflichtend zum dauerhaften Verzicht des Pestizideinsatzes bis 2024 führen“, forderte Olaf Bandt. Auch für den Schwesterverband Nabu ist das Insektenschutzpaket ein „erster Schritt in die richtige Richtung“. Nachdem das Aktionsprogramm Insektenschutz ursprünglich mit wesentlichen ambitionierten Zielen gestartet sei, habe der NABU allerdings mehr erwartet, sagte dessen Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Die eigentliche Arbeit beginnt nun in den Bundesländern.“ Von ihnen werde der Erfolg des Insektenschutzpakets maßgeblich abhängen. [lf/vef]

09.02.2021 |

Bundeskabinett: Kompromiss beim Insektenschutz?

Wiese Auf Wiesen tummeln sich weniger Insekten als noch vor 10 Jahren (Foto: CC0)

Am morgigen Mittwoch will die Bundesregierung ihr Aktionsprogramm Insektenschutz in konkrete Gesetzestexte umsetzen. In letzter Minute haben sich Medienberichten zufolge Umwelt- und Landwirtschaftsministerin auf eine gemeinsame Vorlage für die Kabinettssitzung geeinigt. Doch selbst wenn das Kabinett grünes Licht gibt: Mehrere Bundesländer haben bereits angekündigt, im Bundesrat gegen das Gesetzespaket zu votieren.

Zur Erinnerung: Bereits im Juni 2018 einigte sich das Bundeskabinett auf Eckpunkte für ein Aktionsprogramm Insektenschutz und beschloss im September 2019 das fertige Programm. Es stieß damals auf massive Kritik der Bio- und Umweltverbände, weil es den Glyphosatausstieg auf 2023 verschob und keine konkreten Gesetzesvorschläge enthielt. Im August 2020 schließlich verschickte Umweltministerin Svenja Schulze den Referentenentwurf für ein Insektenschutzgesetz. Dieses sah vor, dass in Gebieten, die unter dem Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU stehen, keine Insektizide und Herbizide mehr ausgebracht werden dürfen. Zudem sollen die Landwirte beim Spritzen strikte Abstände zu Gewässern einhalten.

Im Dezember bremste Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner einen Versuch ihrer Kollegin aus, das Insektenschutzgesetz ins Kabinett einzubringen. Sie verwies dabei darauf, dass ihr Teil der Umsetzung des Aktionsprogramms noch in Arbeit sei. Ende Januar legte sie eine Änderung der Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung vor, die den Einsatz von Glyphosat beschränken soll und wie das Insektenschutzgesetz Einsatzverbote in Schutzgebieten vorsieht. In Verhandlungen, die bis gestern andauerten, fanden die beiden zerstrittenen Ministerinnen schließlich einen Kompromiss. Statt ein eigenes Insektenschutzgesetz zu erlassen, soll nun das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden.

Unabhängig davon laufen die Bauernverbände seit Tagen mit Protestbriefen und Demonstrationen Sturm, wobei sich der Unmut vor allem gegen die Umweltministerin richtet. Die Landwirtschaftsminister von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen teilten laut topagrar online bereits mit, dass sie die Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung im Bundesrat ablehnen werden. Auch der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) kündigte Widerstand gegen die Pläne seiner Parteikollegin Schulze an.

Rückendeckung bekam die Bundesumweltministerin von zahlreichen Umweltorganisationen. Sie bezeichneten in einer gemeinsamen Mitteilung das Gesetzespaket „als dringend notwendigen Schritt für mehr Insektenschutz in der Agrarlandschaft“. Die Bundesregierung müsse zu ihrem Wort stehen. Käme es jetzt nicht zu einer Lösung, würde es in dieser Legislaturperiode keine gesetzliche Regelung für einen besseren Insektenschutz mehr geben. „Dies wäre eine Bankrotterklärung und würde die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung erheblich gefährden“, betonten die Verbände.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte zwar die Ziele des Gesetzes, lehnte aber Einschränkungen etwa in Schutzgebieten ohne Kompensationszahlungen für die Landwirte ab. Es dürfe nicht sein, „dass der ordnungsrechtliche Rahmen für viele landwirtschaftliche Betriebe einseitig verschärft wird, ohne dass hierfür ein ökonomischer Ausgleich geschaffen wird“, sagte der AbL-Bundesvorsitzende Martin Schulz und verwies dabei auf die in Niedersachsen zwischen Naturschützern und der Landwirtschaft getroffenen freiwilligen Vereinbarungen zum Insektenschutz. Auch der Bio-Dachverband „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ forderte: „Bund und Länder müssen die Voraussetzungen für den finanziellen Ausgleich höherer Auflagen beim Insektenschutz schaffen“.

Mehr Geld für den Insektenschutz hätten die Agrarminister der Länder auf ihrer Konferenz am vergangenen Freitag lockermachen können. Die grünen Agrarminister hatten vorgeschlagen, für 2022 zehn Prozent der Agrarsubventionen von den Direktzahlungen der sogenannten ersten Säule in die Umweltprogramme der zweiten Säule zu verlagern. Doch die CDU-Agrarminister hielten an den bisherigen sechs Prozent fest. Der mecklenburgische Agrarminister Till Backhaus (SPD) schlug als Kompromiss 7,5 Prozent vor und wollte die zusätzlichen 1,5 Prozent gezielt für den Insektenschutz einsetzen. Die Agrarminister konnten sich darauf aber nicht einigen. [lf]

07.02.2021 |

Polen will Gentechnik in Futtermitteln erst 2023 verbieten

Soja USA Traktor Gentechnik ist im Soja-Anbau weit verbreitet. Meist gehen die Pflanzen ins Tierfutter (Foto: Keith Weller / USDA Agricultural Research Service)

Die Futtermittellobby hat sich offenbar wieder durchgesetzt. Seit 14 Jahren will die polnische Regierung gentechnisch veränderte Organismen (GVO) im Tierfutter verbieten. Und eigentlich hätte das Verbot nun zum Jahresbeginn in Kraft treten sollen. Doch nach massiven Protesten der Produzenten hat das Parlament es erneut um zwei Jahre verschoben - auf Anfang 2023.

Bereits 2006 hatte die polnische Regierung in ihrem Futtermittelgesetz festgeschrieben, GVO im Tierfutter zu verbieten. Der Termin, ab wann das gelten sollte, wurde immer wieder nach hinten verschoben - zuletzt 2018. Von da an galt für gv-Soja im Futtertrog eine Ausnahmegenehmigung, befristet bis Ende 2020. Damit wäre das Verbot gentechnisch veränderter Futtermittel zum 1. Januar 2021 automatisch in Kraft getreten. Doch wie unter anderem top agrar online berichtete, hatten die Handelskammern der Händler, Getreideverarbeiter und Futtermittelproduzenten Ende vergangenen Jahres in einem offenen Brief an Premierminister Mateusz Morawiecki appelliert, das Verbot erneut zu verschieben.

Ein Bann transgener Pflanzen im Futter würde mangels ausreichender Alternativen und dementsprechend stark steigender Futterkosten zu Lasten der polnischen Tierhalter und der nachgelagerten Sektoren gehen, begründeten sie ihren Appell. Dabei leide der gesamte Veredelungssektor bereits stark unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Zu befürchten sei nicht nur ein Abbau der Viehbestände, sondern auch der Verlust zehntausender Arbeitsplätze von der Landwirtschaft bis in die Verarbeitung und die Logistik. Nach Einschätzung der Mischfutterindustrie wäre sogar die Getreidewirtschaft betroffen, da fast die Hälfte der polnischen Getreideerzeugung in den Futtertrog gehe, schrieb top agrar.

Zwar hatte die polnische Regierung jahrelang den Anbau von Leguminosen und Rapsschrot als Alternative für gv-Soja im Mischfutter gefördert. Doch immer noch importiert das Land laut Medienberichten jährlich etwa 2,5 Millionen Tonnen gentechnisch veränderten Sojaschrot. Verfüttert wird er vor allem an Geflügel, denn bei Geflügelfleisch ist Polen der größte Produzent in der Europäischen Union (EU). Sollte gentechnisch verändertes Schweinefutter in Polen verboten werden, sieht die Futtermittelindustrie die Gefahr, dass verstärkt günstiges, mit GVO erzeugtes Fleisch aus Dänemark oder Deutschland importiert werden könnte.

Diese Argumente führten nach Berichten polnischer Medien dazu, dass das Parlament im Dezember dafür stimmte, die Frist für das Verbot von Gentech-Futter noch einmal um zwei Jahre zu verlängern und die Produktion regionaler Eiweißfuttermittel stärker zu fördern. Laut topagrar würden in Polen bislang nur bei 300.000 Tonnen Hülsenfrüchte jährlich geerntet, während für Mischfutter etwa 4,25 Millionen Tonnen Agrarrohstoffe pro Jahr benötigt würden. [lf/vef]

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