28.08.2024 |

Wie riskant sind freigesetzte Gentech-Bakterien?

Bakterien e. coli E. coli Bakterien (Foto: Witmadrid - Eigenes Werk / gemeinfrei über Wikimedia Commons)

Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat einen Bericht über die Anwendung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion veröffentlicht. Sie sieht darin kein neues Risiko und hält es für ausreichend, die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung anzupassen. Diese Einschätzung halten gentechnikkritische Organisationen und einige Behörden von Mitgliedstaaten für falsch.

Gentechnisch veränderte Mikroorganismen (GMM) wie Bakterien, Hefen und Mikroalgen sind seit Jahrzehnten im Einsatz. Eingeschlossen in Fermentern produzieren sie in ihrer Nährlösung Enzyme, Vitamine, Proteine oder Fettsäuren. Aufgereinigt werden diese Erzeugnisse als Industrierohstoff und ungekennzeichnet als Verarbeitungshilfsstoffe oder Zusatzstoffe in der Lebensmittelherstellung eingesetzt. Wer sie vermeiden will, muss zu Bio-Lebensmitteln oder solchen mit Ohne Gentechnik-Siegel greifen. Weiße Gentechnik nennt sich dieser Einsatzbereich. Doch mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) wie Crispr/Cas entwickeln immer mehr Unternehmen GMM, die nicht für den Fermenter gedacht sind, sondern in die Umwelt freigesetzt werden sollen.

Ein Beispiel dafür ist das Bodenbakterium Klebsiella variicola. Es kann für seinen Stoffwechsel Stickstoff aus der Luft fixieren. Die US-Firma Pivot Bio hat das Bakterium gentechnisch so verändert, dass es einen Teil dieses Stickstoffs als Ammonium an Pflanzen abgibt und vermarktet es als Zusatz, der helfen soll, Kunstdünger einzusparen. Nach Firmenangaben wird es in den USA auf zwei Millionen Hektar Ackerland eingesetzt. Da Pivot Bio keine Fremdgene eingefügt, sondern nur ein Gen im Erbgut des Bakteriums stillgelegt hat, gilt das Produkt in den USA als gentechnikfrei. Auch die brasilianische Gentechnikbehörde CTN Bio bewertete es so. Allerdings sind viele Klebsiella-Stämme auch hochinfektiöse Krankheitserreger. Deshalb ging CTN Bio in ihrer Stellungnahme davon aus, „dass das Bakterium Klebsiella variicola ein nicht zu vernachlässigendes Risiko der Übertragung aus der Umwelt und von Pflanzen auf Menschen und Tiere aufweist, weshalb bei künftigen Bewertungen seiner kommerziellen Anwendung Vorsicht geboten ist“. Die Gentechnik-Expert:innen der EFSA haben in ihrem Bericht die Pivot Bio-Klebsiellen als eines von 13 Fallbeispielen genauer betrachtet. Sie kommen zu dem Schluss, der Wissensstand belege die Sicherheit des Stickstoff fixierenden Bakteriums in Getreidekulturen. Die Übertragung in die Lebens- und Futtermittelkette könne vernachlässigt werden.

Laut EFSA gibt es sieben weitere GMM, die bereits in mindestens einem Land eingesetzt werden. In einem Fall handelt es sich um ein E. Coli Bakterium das als Futtermittelzusatz verkauft wird. Es wurde so verändert, dass es im Verdauungstrakt der gefütterten Tiere Salmonellen ausschalten kann. Entwickelt haben Gentechniker:innen auch eine Bierhefe, die selbst Hopfenaromen erzeugt. Neun weitere GMMs sind laut EFSA bereits patentiert und sollen bald vermarktet werden. Andere Mikroorganismen sind über das Labor noch nicht hinausgekommen. Insgesamt kommt die EFSA auf 35 GMM, die als lebende oder abgetötete Organismen in den nächsten zehn Jahren auf den Markt und in die Umwelt gelangen sollen - die meisten von ihnen als Düngerzusätze oder Pflanzenschutzmittel. Grundsätzlich sehen die EFSA-Expertinnen in diesen mit NGT hergestellten GMM keine neuen Risiken, verglichen mit natürlich mutierten oder mit klassischer Gentechnik veränderten Mikroorganismen. Wahrscheinlich würden, weil die neuen Verfahren zielgenauer seien, sogar weniger Gefahren auftreten. Die bisherigen Leitlinien für die Risikobewertung von Mikroorganismen sollten überarbeitet werden und dann einheitlich für alle Stämme/Produkte, die von Mikroorganismen stammen, angewandt werden, egal ob neue oder alte Gentechnik oder konventionelle Mutagenese, etwa durch Strahlung.

Damit argumentiert die EFSA ähnlich wie schon bei NGT-Pflanzen. Die Risiken von herkömmlichen Mutationen und NGT-Eingriffen seien vergleichbar und sollten einheitlich geregelt werden. Umweltbehörden aus Deutschland, Österreich und Dänemark kritisierten in ihren Stellungnahmen zu dem EFSA-Bericht diese Schlussfolgerung als nicht hinreichend belegt. Mit Hilfe von NGT könnten hochkomplexe Mutationen erzielt werden. Der Vergleich mit natürlich vorkommenden Mutationen verharmlose das Potential von NGT und sei irreführend, schrieb etwa das deutsche Bundesamt für Naturschutz. Es verlangte von der EFSA klarzustellen, dass die Risikobewertung des Gentechnikrechts auch für NGT-GMM gelten müsse. Das österreichische Umweltbundesamt betonte, dass durch das Ausbringen von GMM in die Umwelt neue Übertragungswege und damit Risiken entstünden, die bisher nicht beachtet würden – ganz unabhängig davon, ob es sich um neue oder alte Gentechnik handle. Die gentechnikkritische Organisation Testbiotech warnte, dass sich die Risiken einer Freisetzung von Gentechnik-Bakterien oft nur unzureichend abschätzen ließen und forderte die Stärkung des Vorsorgeprinzips. Der gen-ethische Informationsdienst wies Anfang des Jahres darauf hin, dass die Gentechnik-Lobbyorganisation EuropaBio darauf hinarbeite, dass die EU vor allem für gv-Mikroben ohne Fremd-DNA die Sicherheitsregeln lockere. Das Ziel sei, dass diese so behandelt würden wie herkömmliche Mikroorganismen im Dünge- und Pflanzenschutzrecht. [lf]

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