26.03.2023 |

England weicht Gentechnikrecht für Crispr & Co. auf

Justiz Gericht Gesetz Schild am Eingang eines Gerichts in Newcastle (Foto: smlp.co.uk, https://bit.ly/3TJJODo, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

Das neue britische Gentechnikrecht kann in Kraft treten. Nach den beiden Häusern des Parlaments hat diese Woche auch König Charles III. dem Gesetz zugestimmt. Damit können die meisten mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas erzeugten Pflanzen ohne Sicherheitsüberprüfung und Kennzeichnung in England auf den Markt kommen. Wales und Schottland haben die Zustimmung verweigert.

Genetic Technology (Precision Breeding) Bill (dt. etwa Gesetz zur gentechnischen Präzisionszüchtung) heißt das Gesetz, mit dem die britische Regierung ihr Gentechnikrecht aufweicht. Es betrifft alle Pflanzen und Tiere, die mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) so verändert wurden, wie es auch durch herkömmliche Züchtung oder Mutationen passieren könnte. Für diese NGT-Produkte wird in England künftig ein zweistufiges Verfahren gelten. Wer sie zu Forschungszwecken im Freien anpflanzen will, muss dies zuvor bei einer Behörde anmelden. Die dafür notwendigen Unterlagen gibt die Regierung in einer Verordnung vor. Um NGT-Produkte kommerziell vermarkten zu dürfen, braucht es darüber hinaus eine amtliche Bestätigung. Auch hier müssen die für einen Antrag nötigen Unterlagen noch per Verordnung bestimmt werden. Ein beratender Ausschuss muss binnen 90 Tagen nach dem Antrag einen Bericht vorlegen, ob das angemeldete Produkt unter das Gesetz fällt. Anschließend entscheidet die Behörde, ob das Produkt auf den Markt kommen darf, ohne dass es gekennzeichnet und bei Pflanzen die Risiken geprüft werden. Alle im Zuge dieser Verfahren gesammelten Informationen werden in einem öffentlichen Register zugänglich gemacht.

Das Wort Risikoabschätzung kommt in diesem Zusammenhang lediglich zweimal vor. Vor der Vermarktung von NGT-Tieren muss das Risiko des gentechnischen Verfahrens für die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere und ihrer Nachkommen abgeschätzt werden. Das Ergebnis muss einem Tierwohl-Ausschuss vorgelegt werden. Zudem verlangt das Gesetz von demjenigen, der einen NGT-Organismus importiert oder anderweitig erwirbt, das Risiko für die Umwelt zu überprüfen. Auch hierfür fehlen noch die genauen Vorgaben. Das Gesetz erlaubt es, mit der Risikoabschätzung die Lebensmittelbehörde FSA (Food Standards Agency) zu beauftragen.

Der neue rechtliche Rahmen solle nun Schritt für Schritt ausgefüllt werden, hieß es in einer Mitteilung des britischen Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums DEFRA. Dabei wolle man den Einsatz von NGT zunächst bei Pflanzen und erst später bei Tieren ermöglichen. Der für Ernährung zuständige Staatsekretär Mark Spencer sprach von einer „fantastischen Nachricht“ für Verbraucher:innen und Landwirt:innen. NGT seien die Zukunft der Lebensmittelproduktion weltweit, „und dieses Gesetz wird unser Land an die Spitze dieser Revolution stellen“, sagte Spencer. Jubel gab es auch beim britischen Bauernverband sowie bei Züchtungsunternehmen und Forschungsinstituten.

Für Pat Thomas, Geschäftsführerin der gentechnikkritischen Organisation Beyond GM, hat das neue Gesetz nur einen Nutznießer: die Gentechnik-Industrie. Es „entzieht eine Vielzahl von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren der sinnvollen behördlichen Kontrolle - einschließlich Sicherheitsbewertungen, Verbraucherkennzeichnung und Überwachung“. Die Gentech-Entwickler „dürfen sich selbst bescheinigen, dass ihre manipulierten Organismen sicher und nützlich sind, und das Gesetz sieht keine Strafen vor, wenn sich dies als unwahr herausstellt“. Die Befürworter neuer Gentechnikverfahren würden immer wieder zu viel versprechen und zu wenig halten, kritisiert Pat Thomas: „Wir sollten uns auf Lösungen konzentrieren, die funktionieren.“ Dabei hofft sie auf „die neue Regierung, von der viele glauben, dass sie in einem Jahr neu gewählt wird“. Sie müsse dazu gedrängt werden, „einen strengeren Rechtsrahmen zu schaffen - einen, der tatsächlich für alle funktioniert und nicht nur für die Biotech-Industrie“.

Auch jetzt funktioniert der neue Rechtsrahmen übrigens nur in England. Die Parlamente von Wales und Schottland haben ihre Zustimmung verweigert; das nordirische Parlament ist schon seit Monaten nicht arbeitsfähig. Die Regierungen von Wales und Schottland hatten bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie die Gentechnik-Pläne der britischen Regierung nicht umsetzen würden. [lf]

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