Dossier: Saatgut

Saatgut – Existenzgrundlage und begehrte Ressource

Saatgut bildet die Basis für unsere Landwirtschaft und für unsere Nahrung und ist somit Grundlage unserer Existenz. Der Zugang zu Saatgut ist daher von immenser Bedeutung. Wie zahlreiche Studien dokumentieren, erfährt der Saatgutmarkt in den letzten Jahren eine rasant zunehmende Konzentration. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisation beobachten dies mit Sorge, die evangelische Kirche spricht von einer „Monopolisierung der Nahrungsgrundlage“ (EKD, Studie zu Biopatenten und Ernährungssicherung, 2012) . Schon heute besitzen gerade mal 10 Saatgutkonzerne 73% des weltweiten Saatgutmarktes, im Bereich der gentechnisch veränderten Pflanzen sind es sogar 90%. Der Kampf um die Anteile ist nicht nur machtpolitisch interessant, er ist auch wirtschaftlich nachvollziehbar, denn mit einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro ist Saatgut ein riesiges Geschäft. Patente und der derzeit geltende Sortenschutz spitzen das Problem der Machtkonzentration weiter zu.

Bild: ETC Group 2011
Bild: ETC Group 2011

In Europa wurden durch das Europäische Patentamt (EPA) schon viele Hundert Patente auf Pflanzen erteilt - auch auf Pflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind und deren Patentierung juristisch umstritten ist. Nur eingetragene Saatgutsorten dürfen zum kommerziellen Anbau verwendet werden. Die Saatgutzüchtung wandert daher immer mehr von den Händen der Landwirte in die Labore von Konzernen. Die Landwirte geraten dadurch in die Abhängigkeit. Eine von der EU-Kommission 2013 geplante Änderung des Saatgutgesetzes hätte die Dominanz der Saatgut-Industrie noch weiter verstärkt. Der Vorschlag wurde jedoch im Mai 2015 vom Europäischen Parlament abgelehnt und von der Kommission zurück gezogen.

 Die Grünen/ EFA (2014): Studie - Konzentration der Marktmacht auf dem europäischen Saatgutmark

 Bio Plus AG/Erklärung von Bern (2012): Strukturen und Entwicklungen des Schweizer und internationalen Marktes für Saatgut am Beispiel ausgewählter Gemüsesorten (pdf)

 ETC Group (2011): Who will control the green economy? (pdf)

Vom Kulturgut zum Cash Crop

Saatgut ist das Erbe von Millionen Jahren Evolution und das Ergebnis tausender Jahre an landwirtschaftlicher Züchtung. Es ist somit ein Kulturgut. Vielfalt, Fruchtbarkeit und regionale Anpassung, vor allem aber der freie Zugang zu Saatgut können helfen, auch angesichts riesiger Herausforderungen wie dem Klimawandel, Bodenerosion, Peak Oil und Flächenkonkurrenz die Ernährung des Planeten zu sichern. Nationale sowie internationale Forschungeinrichtungen sind bemüht diesen Reichtum in Saatgutbanken zu erhalten. In Spitzbergen (Norwegen) wird seit einigen Jahren für ein weltweites Saatgut-Archiv von Lebensmittelpflanzen in Form von Sicherheitskopien aller nationaler Saatgutbanken gearbeitet. Die heutige Gesetzgebung trägt jedoch kaum dazu bei, dieses wichtige Kulturgut zu schützen, vielmehr beschleunigt sie den Schwund der Sortenvielfalt.

Zulassungsvoraussetzung für eine Sorte

- DUS:

  • D=Distinctness : eine Sorte muss von allen anderen Sorten in mindestens einem Merkmal unterscheidbar sein und mit einer eindeutigen Bezeichnung versehen werden

  • U=Uniformity: alle Pflanzen einer Sorte auf dem Acker müssen eine hohe Uniformität (auch Homogenität) aufweisen

  • S=Stability: die Sorte muss auch noch nach mehreren Generationen die gleichen Eigenschaften (auch die Uniformität) aufweisen.

 

- VCU-Test („landeskultureller Wert“):

Die Gesamtheit der wertbestimmenden Eigenschaften einer Sorte müssen gegenüber den in der Sortenliste eingetragenen Sorten eine deutliche Verbesserung für den Pflanzenbau oder für die Verwertung des Ernteguts oder der aus dem Erntegut gewonnenen Erzeugnisse erwarten lassen.

Die Wertprüfung erfolgt bundesweit jährlich an 14 Orten über 2 bis 3 Jahre hinweg.

Viele Sorten halten der obligatorischen Saatgutprüfung (s. Kasten) nicht stand, Saatgutkonzerne konzentrieren sich auf wenige und für sie wirtschaftlich interessante Zuchtziele. Das Nachbauen, Tauschen und Weiterentwickeln wird durch die Kommerzialisierung des Saatgutmarktes immer weiter verdrängt. Geistige Eigentumsrechte wie Patente und Sortenschutztitel erschweren oder verhindern gar den freien Handel. Wurde noch vor einigen Jahrzehnten auch hier in Deutschland ein Teil der Ernte für die Wiederaussaat zurückgehalten, ist dies mit derzeit geltendem Recht ohne Gebühren nicht mehr möglich ((§ 10 a Abs. 2 und 3 Sortenschutzgesetz). In vielen Teilen der Erde, insbesondere unter Kleinbauern in Entwicklungsländern, ist dies auch heute noch gängige Praxis – jedoch wird auch dort die Saatgutgesetzgebung verschärft, Regierungen zur Unterzeichnung internationaler Patentschutzabkommen gedrängt. Derzeit werden weltweit etwa 7.000 Pflanzensorten angebaut - 95 Prozent der erzeugten Nahrungsenergie werden aber von nur 30 Arten abgedeckt. Und auch unter diesen dominieren „Cash Crops“ wie Mais, Weizen und Soja. Hier versuchen die Konzerne, mit Hybridsorten oder Gentechnik traditionelles Saatgut zu verdrängen.

 Erklärung von Bern (2014): Saatgut - Bedrohte Vielfalt im Spannungsfeld der Interessen

Bild: The International Rice Research Institute (IRRI) Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0 bearbeitet durch Informationsdienst Gentechnik - Reis-Saatgutbank
Bild: The International Rice Research Institute (IRRI) Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0 bearbeitet durch Informationsdienst Gentechnik - Reis-Saatgutbank

Gentechnisch verändertes Saatgut spitzt Problem zu

Mit der Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen, die als technische Erfindung gelten, wurde dem Patent als neue Form des geistigen Eigentumsrechts in der Pflanzenzüchtung die Tür geöffnet. Dabei wird dem Patentinhaber das alleinige Recht eingeräumt, über die kommerzielle Nutzung der patentrechtlichen Erfindung zu bestimmen. Es schützt die wirtschaftlichen Interessen des Patentinhabers. In der Regel läuft der Patentschutz nach 20 Jahren ab. Ob der Patentschutz das geeignete Instrument ist, um Innovation in der Züchtung zu fördern, ist umstritten. In der Kritik steht das Patent auf Lebewesen im Allgemeinen, da eine gesetzlich vorgeschriebene exakte Beschreibung des biologischen Materials nicht möglich ist. Strittig sind auch Patentdauer und -umfang.

 Evangelische Kirche Deutschland (2012): Studie zu Biopatenten und Ernährungssicherung 

 Informationsdienst Gentechnik: Dossier zu Patente auf Pflanzen und Tiere

Aktuelle Diskussion – Änderung des EU-Saatgutrecht:

Mitte 2013 legte die Europäische Kommission einen Entwurf für die Neuregelung des Saatgutrechts vor. Die 12 geltenden EU-Richtlinien und 27 nationalen Gesetze sollten künftig in einer Verordnung zusammengefasst werden. Der Kommissions-Entwurf erntete jedoch heftige Kritik, denn der freie Tausch von Saatgut würde weiter eingeschränkt, Industrie-Sorten hätten Vorteile bei der Zulassung. Das Europäische Parlament lehnte, auch aufgrund von heftigen Protesten von Bürgern und NGOs, den Vorschlag im Mai 2014 ab. Anfang März 2015 zog die EU-Kommission den Vorschlag zurück.

Stolpersteine der Gesetzgebung

Das Ausbringen von Saatgut wird auf EU-Ebene über das Saatgutrecht geregelt. In Deutschland gilt das Saatgutverkehrsgesetz (SaatG) und die Erhaltungssortenverordnung. Das Saatgutverkehrsgesetz soll sicherstellen, dass dem Handel hochwertiges Saatgut guter Sorten zur Verfügung steht. Die Sorten müssen in einen Sortenkatalog eingetragen werden. In Europa darf nur Saatgut von Sorten in den Handel, die im EU-Sortenkatalog eingetragen sind, in Deutschland gibt es die Sortenliste des Bundessortenamtes. Bei der Erhaltung von Sorten oder bei kleinen Anbauflächen können Ausnahmen gelten.

Grundlage für die Aufnahme in die Sortenliste bzw. in den Katalog ist die Sortenprüfung (nach den DUS-Kriterien, siehe Kasten) und der sogenannte landeskulturelle Wert (siehe Kasten). Doch viele existierende und lokal angepasste Sorten sind nicht im EU-Sortenkatalog aufgenommen oder wurden gestrichen, da sie nicht auf wirtschaftlichen Höchstertrag ausgerichtet sind – viele andere positive Eigenschaften wurden lange ignoriert. Viele Sorten werden auch wegen der hohen anfallenden Gebühren und der kostspieligen Erhaltungszucht nicht als Sorte angemeldet. Eine wichtige Voraussetzung für die Zulassung einer Sorte ist ihre Einheitlichkeit. Genau diese widerspricht aber den Forderungen nach Vielfalt, die für unterschiedliche Bodentypen, Nähstoffbedingungen, Bedürfnisse der Verbraucher, aber auch angesichts der sich ändernden klimatischen Bedingungen notwendig ist.

Bild: pixabay,
Bild: pixabay,
Bild: IRRI; die Anzahl der Reissorten wird auf 120.000 geschätzt
Bild: IRRI; die Anzahl der Reissorten wird auf 120.000 geschätzt
Bild: wikipedia, die Anzahl der Tomatensorten werden auf 10.000 geschätzt
Bild: wikipedia, die Anzahl der Tomatensorten werden auf 10.000 geschätzt

Den Rahmen für die europäische Gesetzgebung bildet ein internationales Übereinkommen, welches vor 50 Jahren zum Schutz von Pflanzenzüchtungen ins Leben gerufen wurde - das UPOV-Übereinkommen (Union internationale pour la protection des obtentions végétales, siehe Kasten). Jedes Land, das diese Vereinbarung unterzeichnet, verpflichtet sich die Kernelemente in nationales Recht umzusetzen. Abhängig vom Zutrittszeitpunkt gelten teils stark abweichende Versionen des Übereinkommens (UPOV I, II, und III). Das UPOV-Übereinkommen wurde mit der Intention ins Leben gerufen, Züchtern geistige Eigentumsrechte auf Nutzpflanzensorten zu gewähren und Landwirte vor minderwertigem oder verunreinigtem Saatgut zu schützen. Das Übereinkommen und die Saatgutgesetzgebung befördern die Kommerzialisierung der Züchtung. Die Entlohnung der Züchtungsarbeit erfolgt in Form von Nachbaugebühren, bei Gentechnik-Pflanzen durch die Erhebung von Patentgebühren. Die Kehrseite der Medaille: die Landwirte sind zunehmend abhängig von den Züchtungsergebnissen anderer und müssen dafür jährlich Lizenzgebühren bezahlen.

Übereinkommen und Gesetze

 UPOV-Übereinkommen

Anfang der 1960er wurde das sogenannten UPOV-Übereinkommen (Union internationale pour la protection des obtentions végétales) geschaffen. Es begründete den internationalen Sortenschutz, eine besondere Form geistigen Eigentums auf Nutzpflanzensorten. Als das Übereinkommen 1968 erstmals in Kraft trat, beteiligten sich drei Länder (Vereinigte Königreich, Niederlande und Deutschland). Seit dem wurde die Konvention mehrfach überarbeitet (1972, 1978 und 1991). Die teils stark abweichenden Varianten des Abkommens werden als UPOVI, II und III bezeichnet. Entscheidende Rahmenbedingung für die Beitrittsländer ist der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Übereinkommens. Die Europäische Union hat das UPOV91 ratifiziert. Inzwischen ist die Konvention von 80 Ländern unterzeichnet. Die Länder verpflichten sich, die im Abkommen enthaltenen Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Die Mitgliedstaaten sind dazu angehalten, den Züchtern exklusive Eigentumsrechte zuzusichern - oft zu Lasten der Landwirte.

 EU-Saatgutgesetz

Das EU-Saatgutrecht umfasst derzeit 12 Richtlinien (Futterpflanzen, Getreide, Gemeinsamer Sortenkatalog, Rüben, Gemüse, Kartoffeln, Ölpflanzen, Wein, Zierpflanzen, Vermehrungsmaterial außer Saatgut, Obstbäume/Reiser/Forstmaterial). Diese müssen laut EU-Gesetzgebung in nationales Recht der Mitgliedsaaten umgesetzt werden. 

 Saatgutverkehrsgesetz (SaatG)

Das SaatG regelt das Verwenden von Saatgut hier in Deutschland. Es schreibt vor, dass für eine  kommerzielle Nutzung von Saatgut in Deutschland nur Sorten angebaut werden dürfen, die im hiesigen oder im EU-Sortenkatalog eingetragen sind. Das  Bundessortenamt, eine Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministerium für  Ernährung und Landwirtschaft (BMELV) gibt hierfür eine  beschreibende Sortenliste zu den Kulturen heraus.

Aktionen/ Kampagnen:

Bantam-Mais:

"Wo Bantam steht wächst keine Gentechnik". So lautet der Slogan eines Projektes der Zukunftsstiftung Landwirtschaft Berlin. Denn laut Gentechnikrecht gilt beim Anbau von gentechnikfreiem Mais wie Bantam eine besondere Informationspflicht für den, der Gentechnik-Mais anbaut. Zwar ist der Anbau von Gentechnik-Mais in Deutschland derzeit verboten. Das kann sich jedoch jederzeit ändern. 

 www.bantam-mais.de

Saatgutkampagne:

Das Ziel der Saatgutkampagne ist es, die Verfügbarkeit und Nutzung von bäuerlichem Saatgut zu fördern. Auf der politischen Ebene verlangt das vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit der geplanten Verschärfung der EU-Saatgutgesetzgebung.

 http://www.saatgutkampagne.org

Freiheit für die Vielfalt:

Diese Kampagne begleitete den Prozesses einer von der EU-Kommission geplanten Änderung der EU-Saatgutverordnung mit unterschiedlichen Aktionen. Die Reform hätte weitere bürokratische Anforderungen und Gebühren nachsichgezogen - ganz zum Nachteil vor allem kleinerer Saatgutunternehmen und auf Kosten der Zulassung von samenfesten (nicht hybriden) und biologisch gezüchteten Sorten. Am 6.3.2015 zog die EU-Kommission ihren Vorschlag zurück.

 www.saveourseeds.org/vielfalt.html

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Politische Initiativen

Save our Seeds: Initiative zur Reinhaltung des Saatguts  mehr...

IG Saatgut: Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit  mehr...

IG Nachbau: Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren  mehr...

Öko Saatgut Initiative: Labor? No More!  mehr...

 

GID zum Thema Saatgut

Die Juni 2012-Ausgabe des Gen-ethischen Informationsdienstes (GID) dreht sich ums Thema Saatgut: Aktuelle Entwicklungen und Hintergründe. "Die Saat ist ein umkämpftes Gut. Für die einen eine Lizenz zum Gelddrucken, für die anderen vor allem die Basis allen gärtnerischen und landwirtschaftlichen Tuns, die es zu pflegen gilt."

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ZDF: "Die Saatgut-Retter"

Der Dokumentarfilm von ZDF/ARTE zeigt auf, wie eine Handvoll Weltkonzerne versucht, den globalen Saatgutmarkt zu kontrollieren. Kleine Zuchtbetriebe kämpfen um ihr Überleben.

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