23.04.2022 |

Glyphosatgutachten: Bundesgerichtshof weist Beschwerde von Behörde ab

Foto: Bundesgerichtshof Foto: Bundesgerichtshof

Das Online-Portal FragDenStaat durfte ein Glyphosat-Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung veröffentlichen. Gegen ein entsprechendes Urteil der Vorinstanz ließ der Bundesgerichtshof keine Revision zu. FragDenStaat wertete das als Sieg gegen staatliche Zensurbemühungen. Das Portal forderte die Bundesregierung auf, im Urheberrecht klarzustellen, dass behördliche Dokumente nicht urheberrechtlich geschützt sind und immer veröffentlicht werden dürfen.

Der Streit drehte sich um ein sechsseitiges Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom September 2015. Darin wies die Behörde die im Frühjahr 2015 veröffentlichte Schlussfolgerung der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation zurück, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend sei. Dem internen Dokument kam in der damaligen fachlichen und öffentlichen Diskussion um die weitere Zulassung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat eine Schlüsselrolle zu. FragDenStaat hatte das Gutachten im Jahr 2018 nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten und gegen den Willen des BfR im Internet publiziert. Den daran anschließenden Rechtsstreit hatte das Oberlandesgericht Köln im Mai 2021 zugunsten von FragDenStaat entschieden und keine Revision zugelassen (Az. 6 U 146/20). Das BfR griff daraufhin zum letzten juristischen Mittel und legte beim Bundesgerichtshof (BGH) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Der BGH wies die Beschwerde kurz und bündig zurück: Die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensgrundrechte seien nicht verletzt worden (Az. I ZR 84/21).

Aus Sicht des Fachblatts Legal Tribune Online (LTO) ist der Rechtstreit über das eigentliche Gutachten hinaus von Bedeutung: „Der Fall prägte den Begriff des 'Zensurheberrechts', wie der juristische Kniff des klagenden BfR umgangssprachlich genannt wird“, schrieb LTO. „Gemeint sind damit Konstellationen, in denen öffentliche Stellen unter Verweis auf das Urheberrecht versuchen, die Veröffentlichung bestimmter Unterlagen oder Dokumente zu verhindern“. Das BfR teilte dazu mit: „In dem Gerichtsverfahren ging es nicht um die Zurückhaltung von Informationen, die ohnehin schon seit 2015 bekannt waren, sondern um Veröffentlichungs- und Weiterverbreitungsrechte an einem wissenschaftlichen Dokument“.

FragDenStaat wertete den Beschluss als „große Blamage für die Regierung, das Bundesinstitut und seine Abmahnanwälte“ und schrieb, dass das BfR im Laufe des Verfahrens „offenbar mehr als 200.000 Euro“ an Anwälte und Gerichte zahlen musste. Der BGH-Beschluss sei ein „wichtiges Signal für die Informationsfreiheit“, das „Auswirkungen auf die Zensurheberrechtspraxis deutscher Behörden“ haben dürfte. „Wir brauchen jetzt eine gesetzliche Klarstellung, dass die Veröffentlichung behördlicher Dokumente urheberrechtlich immer zulässig ist“, forderte die Online-Plattform. Dazu müsse § 5 des Urheberrechtsgesetzes geändert werden, einen Vorschlag dazu habe man schon 2019 vorgelegt. Diesem haben sich auch Wikimedia Deutschland, Reporter ohne Grenzen und die Journalistenverbände DJV und DJU angeschlossen.

FragDenStaat teilte zudem mit, dass es vor dem Verwaltungsgericht Berlin eine Klage gegen das BfR gewonnen habe. Das Institut habe ein Schreiben herausgeben müssen, mit dem seine Anwälte 2015 den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) abgemahnt hatten. Dieser hatte im Zusammenhang mit einer Sendung seines TV-Magazins FAKT im Netz ebenfalls das sechsseitige BfR-Papier sowie ein weiteres 95-seitiges Gutachten der Behörde veröffentlicht. Aus der Abmahnung entwickelte sich ein Verfahren, das das Oberlandesgericht Köln im Februar 2021 zugunsten des MDR entschied (Az. 6 U 105/20). [lf]

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