02.03.2021 |

EFSA: Risikobewertung auch bei Gentech-Pflanzen ohne Fremdgene

EFSA Das Hauptgebäude der EFSA in Parma (Foto: Lucio Rossi / EFSA)

In der Europäischen Union ringen Mitgliedstaaten, Abgeordnete im Europäischen Parlament, Vertreter der Industrie und der Nichtregierungsorganisationen um die Regulierung neuer gentechnischer Methoden. Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat zu deren Risikobewertung im Februar einen neuen Bericht veröffentlicht. Kritiker werfen der Behörde vor, Verwirrung zu stiften und geben der EU-Kommission eine Mitschuld.

Die Autorinnen und Autoren des neuen EFSA-Berichtes entwerfen drei Szenarien mit Pflanzen, die möglicherweise innerhalb der nächsten zehn Jahre in der Europäischen Union auf den Markt gebracht werden könnten. Ein gentechnisch veränderter Süßmais produziert das Vitamin B12. In den Mais wurden mehrere Gene eingebaut, die aus Bakterien stammen. Das zweite Szenario betrifft einen Weizen, der kein Allergie-auslösendes Gluten enthält. Die Gluten-Gene, die an verschiedenen Stellen des Genoms gefunden werden, wurden mit Crispr/Cas9 gezielt deaktiviert. Im dritten Szenario wird ein Raps pilzresistent gemacht. Auch hier werden Gene neu in die Pflanzen eingebaut.
Anhand der Szenarien überprüfen die Autorinnen und Autoren, ob die derzeitige GVO-Risikobewertung auch in Zukunft angemessen ist. Grundsätzlich kommen sie zu dem Schluss, dass Risiken von Pflanzen, die in der näheren Zukunft auf den Markt kommen könnten, entdeckt werden können. Werden die Methoden weiterentwickelt, müssten die Regeln gegebenenfalls überarbeitet werden.
In den aktuellen Auseinandersetzungen über die zukünftige Regulierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) steht die Frage im Mittelpunkt, ob bestimmte neue gentechnische Verfahren von der Regulierung ausgenommen werden sollen. Für die Pflanzen im ersten und dritten Szenario ist eine Regulierung nach EU-Gentechnikrecht – nach aktuellem Stand der Diskussion – auch in Zukunft unumstritten, da neue Gene in die Pflanzen eingebracht werden. Die aktuelle Rechtslage ist klar. GVO, die mit neuen gentechnischen Methoden – zum Beispiel Crispr – verändert wurden, fallen unter das EU-Gentechnikrecht. Das hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom Juli 2018 zweifelsfrei festgestellt.
Das Szenario zwei ist besonders interessant, da es einen Fall beschreibt, der zwar heute reguliert würde, in Zukunft jedoch – sollten sich die Befürworter einer Deregulierung durchsetzen – von der Regulierung ausgenommen sein könnte. Als Bedingung für eine mögliche Deregulierung wird häufig genannt, dass keine neuen Gensequenzen in ein Genom eingefügt werden. Das allein reicht der EFSA offenbar aber nicht. Mehrfach betonen die Autorinnen und Autoren, dass sie auch bei diesem Szenario die derzeitige Risikobewertung angemessen finden, es also nicht von der Regulierung ausnehmen wollen.
Es ist bekannt, dass auch Methoden wie Crispr, die als verhältnismäßig präzise gelten, an nicht vorgesehenen Stellen des Genoms schneiden. Die EFSA kommt zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Risiken in etwa denen entsprechen, die schon von den sogenannten Mutationszüchtungen – zum Beispiel mit radioaktiver Strahlung – bekannt seien. Eine spezifische Untersuchung von sogenannten Off-target-Effekten sei von nur beschränktem Wert für die Risikoanalyse. Eine Annahme, die die EFSA nicht detailliert begründet.
Allerdings zeigt gerade das gewählte Beispiel einen wesentlichen Unterschied zwischen Crispr und den Veränderungen des Genoms durch Strahlung. Letztere verteilt Mutationen mehr oder weniger zufällig im Genom. Eine Deaktivierung aller Gene für ein spezifisches Merkmal ist nicht möglich.
Genau an diesem Punkt setzt die Kritik der Nichtregierungsorganisation Testbiotech an. Viele Nutzpflanzen hätten ein „großes Genom mit vielen Kopien einzelner Gene oder Gruppen von ähnlichen Genen". Crispr würde alle gleichzeitig verändern. Derart komplexe Veränderungen seien „für den Einsatz von Crispr/Cas typisch".
Aber auch an dem Verfahren der EFSA lässt Testbiotech kein gutes Haar: Die Behörde stifte „erhebliche Verwirrung", indem sie das Beispiel des Crispr-Weizens unter den Begriff der „Synthetischen Biologie" klassifiziere. Daran trage aber die Europäische Kommission eine Mitschuld. Diese habe der EFSA den Auftrag für den nun vorgelegten Bericht erteilt. [cp]

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