12.11.2020 |

Urteil: Amtliches Glyphosat-Gutachten darf veröffentlicht werden

Gericht Justiz Foto: Morgan4uall / pixabay, CC0 Public Domain

Das Landgericht Köln hat entschieden, dass die Online-Plattform FragDenStaat ein Glyphosat-Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) veröffentlichen darf. Die Behörde sah sich durch die Veröffentlichung in ihrem Urheberrecht verletzt und klagte gegen FragDenStaat. Sie prüft nach ihrer Niederlage, ob sie beim Oberlandesgericht Köln in Berufung gehen wird.

Das Dokument, um das sich dieser Rechtsstreit dreht, hat sechs Seiten, stammt vom September 2015 und trägt den Titel „Stellungnahme des BfR zur IARC-Monographie über Glyphosat“. Darin bewertete die Behörde die im Frühjahr 2015 veröffentlichte Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation und wies deren Schlußfolgerung zurück, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend sei. Die Stellungnahme ging in das damals laufende Verfahren um die weitere Zulassung von Glyphosat ein. Sie trug – wie die gesamte Glyphosat-Bewertung des BfR - wesentlich dazu bei, dass das Totalherbizid in der Europäischen Union noch bis Ende 2022 zugelassen ist.

FragDenStaat hatte im Oktober 2018 die Herausgabe des Dokuments nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beantragt. Das BfR übersandte die Stellungnahme und wies darauf hin, dass sie nur mit schriftlicher Erlaubnis des BfR veröffentlicht werden dürfe. FragDenStaat ignorierte dies und stellte das Dokument im Februar 2019 online. Das BfR ließ die Plattform daraufhin abmahnen und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung. Daraufhin nahm FragDenStaat die Stellungnahme aus dem Netz und rief seine Unterstützer auf, ebenfalls IFG-Anträge auf Herausgabe des Dokuments zu stellen. Das BfR wurde von 45.000 Anträgen überschwemmt und richtete im Mai 2019 eine eigene Webseite ein, auf der die Antragsteller die Stellungnahme lesen, aber nicht herunterladen konnten. Parallel dazu legte FragDenStaat erfolgreich Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein, da sie von den BfR-Anwälten nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war. Die Plattform veröffentlichte die Stellungnahme erneut – bis zur Klage des BfR, die im September 2020 verhandelt und nun entschieden wurde.

Die Richter am Landgericht kamen zu dem Ergebnis, FragDenStaat habe das Urheberrecht des BfR nicht verletzt. Indem das BfR das Gutachten im Zuge des IFG-Antrags FragDenStaat überlassen habe, habe es dieses veröffentlicht, so dass es der Plattform erlaubt gewesen sei, die Stellungnahme als Ganzes zu zitieren. Das IFG solle es den Bürgern ermöglichen, sich kritisch mit behördlichen Entscheidungen auseinanderzusetzen, schrieben die Richter in ihrer Begründung. Dafür sei es unerlässlich, die herausgegebene Information öffentlich zugänglich zu machen. Dadurch werde ein Diskurs über die behördliche Entscheidung erst ermöglicht. Deshalb sei es unzulässig, die Veröffentlichung einzuschränken, indem sie noch zusätzlich behördlich genehmigt werden muss, wie es das BfR getan habe. Die Richter machten auch deutlich, dass sie die Stellungnahme spätestens mit der Herausgabe an 45.000 Menschen als „amtliches Werk“ einordnen, das generell vom Urheberrecht ausgeschlossen sei.

FragDenStaat sprach von einem „Urteil gegen das Zensurheberrecht“ und wertete die Entscheidung als „ein kleines Stück Rechtsgeschichte“. Vertreter der Plattform forderten, das Urheberrecht so anzupassen, dass man sich nicht mehr darauf berufen kann, um amtliche Dokumente geheimzuhalten. „Aus Sicht des BfR sind wesentliche Fragen des Urheberrechts nicht geklärt“, kommentierte BfR-Präsident Andreas Hensel das Urteil. Den Vorwurf, das BfR habe das Urheberrecht missbraucht, um Erkenntnisse über den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat geheim zu halten, wies er als „abwegig“ zurück. [lf]

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