07.12.2018 |

EU-Ausschuss: Pestizide transparenter und umfassender prüfen

Pestizid Pestizide Acker Spritzmittel Traktor Gift Glyphosat: vom Acker auf den Teller (Foto: Dieter Schütz / pixelio)

Ist ein Pestizid sicher? Wer weiß das besser als der Hersteller, dachten sich offenbar die Prüfbehörden verschiedener EU-Staaten und kopierten die Einschätzungen der Chemieindustrie aus deren Zulassungsantrag in ihren Behördenbescheid. Das ergaben Recherchen des Bayerischen Rundfunks. Wie Spritzmittel in der Europäischen Union künftig zuverlässiger überprüft werden sollen, dazu hat der Sonderausschuss zur Pestizidzulassung im Europäischen Parlament gestern einen Forderungskatalog verabschiedet.
Demnach muss das Zulassungsverfahren für Pestizide wie Glyphosat in der EU grundlegend reformiert werden. EU-Regierungen und Europäische Kommission sollen dafür sorgen, dass Spritzmittel und ihre Wirkstoffe strenger auf Schäden für Umwelt und Gesundheit geprüft werden. Die Risiken von Glyphosat, das erst Ende 2017 von der EU-Kommission für weitere fünf Jahre zugelassen wurde, sollen neu untersucht werden, fordert der Sonderausschuss. Dafür solle der wissenschaftliche Beirat der EU-Kommission (Scientific Advice Mechanism) sämtliche verfügbare Studien zu den Risiken von Glyphosat noch einmal systematisch auswerten.
Dabei müsse die EU-Kommission sicherstellen, dass die beteiligten Prüfer und Behördenmitarbeiter in keinem Interessenkonflikt stehen, also etwa einen Beratervertrag mit einem Hersteller haben. Generell solle für die Öffentlichkeit transparenter werden, wie die Behörden Risiken von Spritzmitteln bewerten. Der Bericht des Sonderausschusses, der nach massiven Bürgerprotesten gegen die Glyphosat-Verlängerung eingesetzt worden war, soll Mitte Januar vom Europäischen Parlament verabschiedet werden. Die Europäische Kommission arbeitet ebenfalls an Reformvorschlägen für das Zulassungsverfahren.
Wie stark Pestizide schon verbreitet sind, zeigt eine Studie, auf die das Europäische Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) diese Woche hingewiesen hat. Danach fanden Wissenschaftler in 80 Prozent von 300 Proben europäischer Ackerböden Pestizidrückstände. Zwei Drittel der Bodenproben enthielten mehrere Spritzmittel, einige bis zu 15 verschiedene Sorten. Insgesamt wurden 43 Pestizide entdeckt, vor allem Glyphosat und sein Metabolit AMPA. Selbst das Insektizid DDT, das in den meisten westlichen Industrieländern seit mehr als 30 Jahren verboten ist, konnte noch nachgewiesen werden. Constantin Muraru von PAN kritisierte, dass die europäischen Länder weiter hochgiftige Stoffe zuließen, die alles Leben im Boden zerstörten. Dabei habe die Wissenschaft gezeigt, dass das Bodenleben die Basis für gesunde Pflanzen sei.
Doch nicht nur die Gesundheit der Pflanzen ist gefährdet, sondern auch die des Menschen. Über die Nahrung gelangen die Pestizide in den Körper. Und wie Wissenschaftler des Universitätsklinikums Essen jetzt herausgefunden haben, können glyphosat-basierte Pflanzengifte das sogenannte periphere Nervensystem schädigen, möglicherweise auch beim Menschen. In einem Zellkulturmodell zeigten die Mediziner und Biologen, dass glyphosathaltige Pestizide nicht nur die Schutzschicht der Nervenfasern (sogenanntes Myelin) zerstören, sondern auch verhindern, dass sie sich neu bilden kann.
Dabei fiel auf, dass reines Glyphosat weniger Schaden anrichtete. Daher gehen die Forscher davon aus, dass „nicht benannte Inhaltsstoffe“ in den Pestiziden die Myelinschicht zerstören. Die Ergebnisse der Studie könnten zwar nicht unmittelbar auf den Menschen übertragen werden, hieß es. „Es besteht aber die Möglichkeit, dass eine dauerhafte Aussetzung mit glyphosathaltigen Präparaten wie RoundUp periphere Nervenerkrankungen begünstigen kann“, erklärte der Neurologe Mark Stettner.
Geht es nach dem EU-Sonderausschuss, sollen bei künftigen Spritzmittelzulassungen auch solche zusätzlichen Inhaltsstoffe mit überprüft werden. Bisher würden „Pestizide oft nicht gesondert geprüft, sondern ihre Sicherheit wird aus der Prüfung der Wirkstoffe ‚abgeleitet‘“, kritisiert die grüne Europaabgeordnete Maria Heubuch. „Das muss ein Ende haben.“ Und auch „Cocktail-Effekte“ beim Einsatz mehrerer Wirkstoffe dürften nicht länger ignoriert werden. [vef]

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